Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.10.2021, Az.: 1 KN 17/20

Baugenehmigung; bauliche Anlage; Erlöschen; Erlöschen der Baugenehmigung; Nutzung; Nutzungsaufgabe; Verzicht; Zeitmodell; Zeitmoment

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.10.2021
Aktenzeichen
1 KN 17/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70968
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Wird eine bauliche Anlage über lange Zeit nicht genutzt, kann das abhängig von den Umständen des Einzelfalls zum Erlöschen der Baugenehmigung führen, wenn sich der (tatsächliche) Verzicht auf die weitere Nutzung der baulichen Anlage zugleich als (rechtlicher) Verzicht auf die Baugenehmigung darstellt (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschl. v. 25.3.2021 - 1 MN 20/21 -, NdsVBl 2021, 318 = BauR 2021, 949 = juris Rn. 17 ff.).

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 15 „J.“ der Antragsgegnerin; sie befürchtet Immissionskonflikte im Fall der Wiederaufnahme der Schweinehaltung auf ihrer Hofstelle.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des im Aktivrubrum bezeichneten und mit einer Hofstelle bebauten Grundstücks. Es liegt im Ortskern der Antragsgegnerin und grenzt im Osten unmittelbar an das Plangebiet an. Auf der Hofstelle wurden vormals in einem weiterhin bestehenden und unter dem 26. März 1957 baugenehmigten Stall im Nebenerwerb 50 Mastschweine gehalten. In den Jahren 1998/1999 wurde die Landwirtschaft auf der Hofstelle eingestellt, nachdem der Ehemann der Antragstellerin eine Schichtarbeit angenommen hatte und ihre Eltern aus Altersgründen zu Hofarbeiten nicht mehr in der Lage waren.

Das Plangebiet liegt östlich des Ortskerns und umfasst die Freiflächen zwischen der Bebauung entlang der M. /N. im Westen und dem Friedhof im Osten. Die im Norden von einem rund 50 m tiefen Geländestreifen nördlich des O. begrenzten Flächen, die zu einem großen Teil ehemals als Bolzplatz genutzt wurden, werden gegenwärtig als Grünland bzw. zu kleinen Teilen als Hausgarten, Acker und Weihnachtsbaumkultur genutzt. In die Planung einbezogen wurden zudem die bereits bebauten und zu Wohnzwecken genutzten Grundstücke A-Straße und 19 sowie F-Straße.

Der Bebauungsplan setzt im Wesentlichen allgemeine Wohngebiete sowie die zur Erschließung erforderlichen öffentlichen Verkehrsflächen fest. Parallel zur Ostgrenze des Grundstücks der Antragstellerin ist ein 2 m breiter Fußweg festgesetzt; unmittelbar angrenzend liegen Wohnbauflächen. Der Abstand zwischen dem Schweinestall der Antragstellerin und den nächstgelegenen Wohnbauflächen beträgt rund 50 m.

Das Planaufstellungsverfahren für den im Verfahren nach §§ 13a, 13b BauGB aufgestellten Plan vollzog sich wie folgt: Den Aufstellungsbeschluss fasste der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin am 27. November 2018. Vor bzw. im Aufstellungsverfahren holte die Antragsgegnerin ein Gutachten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 8. Juni 2018 mit Ergänzung vom 31. Januar 2019 zu der zu erwartenden Geruchsimmissionsbelastung im Plangebiet ein. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass am südwestlichen Rand des Plangebiets aufgrund der bei einer Wiederaufnahme der Schweinehaltung vom Betrieb der Antragstellerin ausgehenden Emissionen Geruchsbelastungen von 10 bis 12 Prozent der Jahresstunden zu erwarten seien. Im Übrigen liege die Belastung unterhalb von 10 Prozent. Der Gutachter empfahl daher eine Schutzpflanzung mit einer Breite von 20 m zur Grenze des Grundstücks der Antragstellerin; dem folgte die Antragsgegnerin indes nicht.

Die öffentliche Auslegung und die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange folgten zwischen August und Oktober 2019. Die Antragstellerin erhob Einwendungen und machte geltend, ihr inaktiver landwirtschaftlicher Betrieb verfüge über Bestandsschutz und könne jederzeit wiederaufgenommen werden. Der Plan müsse sicherstellen, dass diese Möglichkeit nicht beeinträchtigt werde. Am 12. November 2019 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss. Den Einwand der Antragstellerin nahm er zur Kenntnis und führte dazu aus, die Tierhaltung werde seit Jahren nicht mehr betrieben, sodass gegebenenfalls zu prüfen wäre, ob eine Wiederaufnahme möglich sei. Durch den Neubau von Wohnhäusern in unmittelbarer Nachbarschaft habe sich die Sachlage allerdings verändert, sodass eine neue Beurteilung erfolgen müsse. Nach Ausfertigung wurde der Plan am 29. November 2019 ortsüblich bekannt gemacht.

Die Antragstellerin hat am 5. Februar 2020 einen Normenkontrollantrag gestellt und diesen am 5. Juni 2020 und ergänzend am 6. August 2020 begründet. Sie sei als Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebs antragsbefugt, weil die heranrückende Wohnbebauung zu Auflagen führen könne. Dieses Risiko begründe einen abwägungserheblichen Belang gemäß § 1 Abs. 7 BauGB. Die landwirtschaftliche Nutzung wolle sie im Jahr 2023 wiederaufnehmen, weil dann die Schichtarbeit ihres Ehemannes ende. Die ihr erteilte Baugenehmigung sei daher nicht durch Verzicht erloschen, an dessen Vorliegen strenge Anforderungen zu stellen seien. In der Sache sei der Plan fehlerhaft. Die Antragsgegnerin habe zu Unrecht das beschleunigte Verfahren gewählt; daraus folgten verschiedene weitere Fehler. Der Plan verstoße gegen Naturschutzrecht und leide an Abwägungsfehlern insbesondere im Hinblick auf die Belange der Landwirtschaft. Er wandele in erheblichem Umfang landwirtschaftliche Nutzflächen um und versäume es, den durch die neuen Wohnbauflächen ausgelösten Immissionskonflikt sachgerecht zu lösen.

Die Antragstellerin beantragt,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 12. November 2019 beschlossenen Bebauungsplan Nr. 15 „J.“ für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie bezweifelt die Antragsbefugnis; die der Antragstellerin für die Schweinehaltung erteilte Baugenehmigung sei aufgrund der Nutzungsaufgabe seit langem erloschen. In der Sache sei der Bebauungsplan nicht zu beanstanden.

Die beigeladenen Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet haben sich nicht am Verfahren beteiligt.

Mit Beschluss vom 25. März 2021 - 1 MN 20/21 - (NdsVBl 2021, 318 = BauR 2021, 949 = juris) hat der Senat einen Normenkontrolleilantrag der Antragstellerin abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.

I. Der Normenkontrollantrag ist zulässig; insbesondere fehlt der Antragstellerin nicht die gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis. Nach dieser Vorschrift ist im Normenkontrollverfahren eine Person nur antragsbefugt, wenn sie geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Antragsteller Eigentümer oder Nutzer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Das dort normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot gewährt ein subjektives Recht. Der Betroffene kann verlangen, dass seine eigenen Belange in der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht „abgearbeitet“ werden. Ein Antragsteller kann sich daher im Normenkontrollverfahren darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. In diesem Fall obliegt es ihm, einen eigenen Belang als verletzt zu bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 28.10.2020 - 4 BN 44.20 -, juris Rn. 7 m.w.N.).

Die Prüfung, ob im Einzelfall ein abwägungserheblicher Belang vorliegt, ist allerdings nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffes vorzunehmen und darf nicht in einem Umfang und in einer Intensität erfolgen, die einer Begründetheitsprüfung gleichkommt. Das Normenkontrollgericht ist daher insbesondere nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Deswegen vermag die im Laufe des Verfahrens fortschreitende Sachverhaltsaufklärung durch das Normenkontrollgericht die Antragsbefugnis eines Antragstellers nicht nachträglich in Frage zu stellen. Andererseits muss das Gericht widerstreitendes Vorbringen des Antragsgegners, auf dessen Grundlage sich die maßgeblichen Tatsachenbehauptungen in der Antragsschrift als offensichtlich unrichtig erweisen, nicht ausblenden, sondern kann auf der Grundlage des wechselseitigen Schriftverkehrs darüber befinden, ob es einen abwägungserheblichen Belang des Antragstellers geben kann (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 16.6.2020 - 4 BN 53.19 -, juris Rn. 9 m.w.N.).

Das zugrunde gelegt hat die Antragstellerin einen eigenen abwägungserheblichen Belang, den die Antragsgegnerin verletzt haben könnte, in hinreichender Weise geltend gemacht. Ein solcher Belang folgt aus der auf der Ebene der Zulässigkeitsprüfung nicht abschließend zu beurteilenden Möglichkeit, dass die Antragstellerin weiterhin über eine wirksame Baugenehmigung für einen Schweinestall zur Haltung von 50 Mastschweinen verfügt und sie dessen Nutzung jederzeit wieder aufnehmen kann. In diesem Fall käme es zu einem Immissionskonflikt mit der der Hofstelle am nächsten gelegenen Wohnbebauung im Plangebiet, sodass ihr Interesse an der ungehinderten Nutzung ihres Stalls abwägungserheblich gewesen wäre. Mit Blick auf die ausführliche Diskussion der mit der (Un)Wirksamkeit der Baugenehmigung zusammenhängenden rechtlichen und tatsächlichen Fragen im Rahmen der mündlichen Verhandlung und die diesbezüglichen Darlegungen der Antragstellerin hält der Senat an seiner im vorangegangenen Eilrechtsschutzverfahren geäußerten gegenteiligen Auffassung, der Antragstellerin fehle bereits die Antragsbefugnis, nicht fest.

II. Der Normenkontrollantrag ist unbegründet. Der Bebauungsplan Nr. 15 „J.“ weist keine beachtlichen Fehler auf.

1. Der Plan leidet nicht unter beachtlichen Verfahrensfehlern.

a) Die Antragsgegnerin hat den Plan in fehlerfreier Weise im beschleunigten Verfahren nach den §§ 13a, 13b BauGB aufgestellt.

aa) Die Flächenobergrenzen des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 13b Satz 1 BauGB sind eingehalten. Die Darstellungen der Antragsgegnerin in der Planbegründung sind plausibel und werden nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung von der Antragstellerin auch nicht mehr in Frage gestellt.

bb) Soweit die Antragsgegnerin die Wahl des beschleunigten Verfahrens auf § 13a BauGB gestützt hat, begegnet dies auch im Hinblick auf die Begrenzung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf Maßnahmen der Innenentwicklung (§ 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB) keinen Einwänden. Innenentwicklung ist zwar nur innerhalb des Siedlungsbereichs zulässig, sodass nur Flächen, die von einem Siedlungsbereich mit dem Gewicht eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils umschlossen werden, überplant werden dürfen (BVerwG, Urt. v. 25.6.2020 - 4 CN 5.18 -, BVerwGE 169, 29 = BauR 2020, 1726 = juris Rn. 28). Die drei auf der Grundlage von § 13a BauGB überplanten Grundstücke A-Straße und 19 sowie F-Straße sind indes bereits bebaut und zweifelsfrei dem Siedlungsbereich zuzuordnen. Die Überplanung dieser Grundstücke mit dem Ziel, diese städtebaulich in das neue Wohngebiet einzugliedern (vgl. Planbegründung S. 16) und sie vorwiegend dem Wohnen - und nicht den im Dorfgebiet sonst zulässigen weiteren Nutzungen - vorzubehalten, stellt sich insofern als Maßnahme der Innenentwicklung dar. Dass ein Grundstück bereits bebaut ist, hindert dessen Einbeziehung in eine Maßnahme der Innenentwicklung entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht.

cc) Die Anwendung des § 13b BauGB begegnet keinen Bedenken. Die Vorschrift setzt in Satz 1 voraus, dass die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Dazu hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschl. v. 4.5.2018 - 15 NE 18.382 -, juris Rn. 29 ff.) festgestellt, dass sich Flächen nicht bereits dann in diesem Sinne an im Zusammenhang bebaute Ortsteile „anschließen“, wenn sie mit diesen nur irgendeine gemeinsame Grenze teilen. Erforderlich ist vielmehr, dass auch die vom bisherigen Ortsrand am weitesten entfernte ausgewiesene Bauparzelle noch in einem städtebaulich-räumlichen Zusammenhang mit dem bisherigen Siedlungsbereich stehen muss, der Siedlungsrand mithin „abrundend“ in den Außenbereich erweitert wird. Von einem Anschließen kann dagegen keine Rede mehr sein, wenn das Plangebiet sich vom bestehenden Ortsrand ersichtlich „absetzt“ und deshalb einen qualitativ neuen Ansatz für künftige Siedlungserweiterungen vorsieht (Senatsbeschl. v. 23.3.2020 - 1 MN 136/19 -, BauR 2020, 1143 = NordÖR 2020, 283 = juris Rn. 9). Diesen Anforderungen ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin entsprochen.

Überplant wird eine bis zu rund 150 m breite und rund 200 m tiefe Freifläche, die bereits heute im Westen und Süden von (Wohn)Bebauung und im Osten vom Friedhof der Gemeinde, der allerdings nicht zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil zu zählen ist, eingefasst wird. Nur im Norden und Nordosten schließt das Plangebiet an die freie Landschaft an. Diese freie Landschaft stellt sich jedoch zunächst lediglich als ein von Osten kommender und bis zu rund 170 m tiefer Außenbereichsfinger dar, der die Antragsgegnerin östlich der Dorfstraße in einen Nord- und einen Südteil trennt. Bei großräumigerer Betrachtung ist das Plangebiet daher Teil eines mit der Spitze nach Osten gerichteten Dreiecks, dessen Schenkel von dem bisherigen Ortsrand der Antragsgegnerin gebildet werden. Das Plangebiet umfasst den südlichen Teil dieses bereits heute siedlungsgeprägten Dreiecks. Kein Punkt des Plangebiets ist aufgrund dieser Topografie mehr als 150 m von dem nächsten Gebäude in der bestehenden Ortslage entfernt. Das zeigt, dass die Planung die Ortslage abrundend in den Außenbereich erweitert, ohne dass ein qualitativ neuer Ansatz für künftige Siedlungserweiterungen entsteht. Letzteres gilt ungeachtet der gegebenenfalls bestehenden Möglichkeit, die verbleibenden Flächen nördlich des P. und südlich der Q. ebenfalls im Verfahren nach §§ 13a, 13b BauGB zu beplanen; auch insofern handelte es sich jedenfalls nicht um einen qualitativ neuen Ansatz.

dd) Die Antragstellerin meint schließlich zu Unrecht, das beschleunigte Verfahren sei nicht anwendbar, weil der Plan zum Verlust eines geschützten Landschaftsbestandteils (§ 29 BNatSchG) führe und deshalb einzelfallbezogen zu prüfen sei, ob ein Ausgleich gemäß § 1a Abs. 3 Satz 6 BauGB erforderlich sei bzw. der Bebauungsplan aus europarechtlichen Gründen einer UVP-Pflicht unterliege. Beides trifft nicht zu.

Mit der Planverwirklichung verbundene ausgleichspflichtige Eingriffe in Natur und Landschaft schließen die Wahl des beschleunigten Verfahrens nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht aus (vgl. im Gegenteil § 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB). Ausgleichsmaßnahmen waren zudem schon deshalb nicht festzusetzen, weil § 13b Satz 1, § 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB für den hier vorliegenden Plan mit einer Grundfläche von weniger als 20.000 qm fingiert, dass die mit dem Plan verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft schon vor der Planaufstellung erfolgt bzw. zulässig waren. In diesen Fällen ist gemäß § 1a Abs. 3 Satz 6 BauGB ein Eingriffsausgleich ausnahmslos nicht erforderlich.

Auch die europarechtlich begründete Forderung nach der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, die nach dem Vorbringen der Antragstellerin gemäß § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB (analog) eine Anwendung des beschleunigten Verfahrens ausschließen müsste, ist unberechtigt. Da nach nationalem Recht keine UVP-Pflicht besteht, müsste sich diese aus unmittelbar anwendbarem Unionsrecht ergeben. Das ist aber nicht der Fall. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (Plan-UP-RL) sieht vor, dass Pläne und Programme, die die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen, nur dann einer Umweltprüfung bedürfen, wenn die Mitgliedstaaten bestimmen, dass sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Art. 3 Abs. 5 Plan-UP-RL regelt weiter, dass die Mitgliedstaaten entweder durch Einzelfallprüfung oder durch Festlegung von Arten von Plänen und Programmen oder durch eine Kombination dieser beiden Ansätze bestimmen, ob die vorgenannten Pläne oder Programme voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Zu diesem Zweck berücksichtigen die Mitgliedstaaten in jedem Fall die einschlägigen Kriterien des Anhangs II, um sicherzustellen, dass Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, von dieser Richtlinie erfasst werden.

Zu diesen Kriterien gehören zwar auch die Auswirkungen auf Gebiete oder Landschaften, deren Status als national, gemeinschaftlich oder international geschützt anerkannt ist. Es ist dennoch nicht ersichtlich, dass der Landesgesetzgeber seinen Umsetzungsspielraum überschritten hat, indem er darauf verzichtet hat, die geschützten Landschaftsbestandteile in den Katalog der Anlage 1 zu § 2 NUVPG aufzunehmen. Bei den geschützten Landschaftsbestandteilen handelt es sich um Teile von Natur und Landschaft, die erst kraft besonderer Festsetzung unter Schutz gestellt werden und die daher - anders als die (bundes)gesetzlich geschützten Biotope (§ 30 BNatSchG) - nicht schon kraft bundesgesetzlicher Bestimmung als besonders wertvoll und umfassend geschützt angesehen werden. Angesichts des deshalb bestehenden erheblichen Spielraums der für die Festsetzung in der Regel zuständigen Gemeinden und Naturschutzbehörden bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Beeinträchtigung oder Beseitigung eines geschützten Landschaftsbestandteils keine UVP-Pflicht auslöst. Erst recht folgen Bedenken nicht daraus, dass Nr. 2.3.6 der Anlage 3 zu § 7 UVPG die geschützten Landschaftsbestandteile als ein Kriterium zur Bestimmung der ökologischen Empfindlichkeit eines Gebietes benennt. Diese bundesrechtliche Bestimmung, die zudem eine UVP-Pflicht voraussetzt und nicht begründet, ist nicht in der Lage, den Gehalt des Art. 3 Plan-UP-RL zu bestimmen.

b) Da die Wahl des vereinfachten Verfahrens rechtmäßig war, war es nicht notwendig, in der Auslegungsbekanntmachung auf die vorliegenden Umweltinformationen hinzuweisen und eine Umweltprüfung durchzuführen (§ 13b i.V. mit § 13a Abs. 2 Nr. 1, § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB).

c) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Satzungsbeschlusses bestehen nicht. Ob der Ratsvorsitzende einem kommunalverfassungsrechtlichen Mitwirkungsverbot unterlag, weil er den Verkauf der Grundstücke im Plangebiet „in die Hand nehmen“ wollte, kann offenbleiben. Das in Betracht kommende Mitwirkungsverbot des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NKomVG findet auf das Verfahren des Satzungserlasses gemäß § 41 Abs. 3 Nr. 1 NKomVG keine Anwendung.

2. Materielle Rechtsfehler sowie beachtliche Abwägungsfehler liegen ebenfalls nicht vor.

a) Der Bebauungsplan war im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich.

Insbesondere bestehen keine Zweifel an seiner Vollzugsfähigkeit im Hinblick auf den überplanten geschützten Landschaftsbestandteil. Für das so geschützte mesophile Grünland galt zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans § 22 Abs. 4 NAGBNatSchG in der Fassung vom 19. Februar 2010 (Nds. GVBl. S. 104 - im Folgenden: a.F.). Nach Satz 1 dieser Vorschrift waren alle Flächen, die im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB gelegen waren und entweder keiner wirtschaftlichen Nutzung unterlagen (Ödland) oder deren Standorteigenschaften - wie hier - bisher wenig verändert wurden (sonstige naturnahe Flächen), geschützte Landschaftsbestandteile im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG. Mit dieser gesetzlichen Bestimmung war jedoch nicht das in § 29 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG vorgesehene umfassende Verbot der Beseitigung, Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung verbunden. Vielmehr traf § 22 Abs. 4 Satz 2 NAGBNatSchG a.F. eine in § 29 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG ausdrücklich ermöglichte abweichende Bestimmung dahingehend, dass nur die Umwandlung in Ackerland bzw. Intensivgrünland der naturschutzrechtlichen Genehmigung bedurfte (vgl. LT-Drs. 16/1902, S. 51). Auswirkungen auf den Planvollzug, der eine solche Umwandlung nicht vorsieht, waren mit der Einstufung als geschützter Landschaftsbestandteil daher nicht verbunden.

Soweit die Antragstellerin darüber hinaus ausführt, der Erforderlichkeit stehe auch entgegen, dass der Bedarf an Bauflächen nicht ordnungsgemäß nachgewiesen sei und die Überplanung der Bestandsbebauung unbegründet erscheine, betrifft diese - in der Sache unzutreffende - Kritik die planerische Abwägung und vermag nicht den groben Missgriff zu begründen, der die Erforderlichkeit entfallen lassen könnte.

b) Der Plan verstößt nicht gegen § 8 Abs. 2 BauGB, nach dem Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln sind. Dieser wurde im Nachgang zur Aufstellung des Bebauungsplans entsprechend ohne gesondertes Verfahren berichtigt, wie es in § 13b i.V. mit § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB ausdrücklich vorgesehen ist. Die geordnete städtebauliche Entwicklung ist dadurch nicht beeinträchtigt. Der bis dahin geltende Flächennutzungsplan stellte das Plangebiet als Dorfgebiet, Grünfläche mit der - tatsächlich nicht mehr bestehenden - Zweckbestimmung „Bolz- und Spielplatz“ und Fläche für die Landwirtschaft dar, und zwar in unmittelbarem Anschluss an das bestehende Altdorf. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Schaffung eines Wohngebiets auf Flächen, die ohnehin bereits im Wesentlichen dem Siedlungsbereich zuzuordnen waren, die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigen könnte.

c) Abwägungsfehler weist der Plan nicht auf.

aa) Ein Verstoß gegen den in § 1a Abs. 2 BauGB verankerten Grundsatz des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden und die - auch in den Grundsätzen der Nr. 3.1.1 und 3.2.1 LROP zum Ausdruck kommende - Maßgabe, landwirtschaftlich genutzte Flächen nur im notwendigen Umfang umzunutzen, liegt nicht vor. Derartige Flächen werden zwar im Umfang von 5.000 qm Ackerland und 18.500 qm extensiv genutztem Grünland in Anspruch genommen. Dem hat die Antragsgegnerin jedoch in abwägungsfehlerfreier Weise den von ihr nach einer Bestandsaufnahme des zur Verfügung stehenden Baulands ermittelten Bedarf an neuen Wohnbauflächen - die im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Interessentenliste belegt die große Nachfrage - und die günstige Lage des Plangebiets in unmittelbarer Nachbarschaft zum Altdorf entgegengehalten. Das ist nicht zu beanstanden.

bb) Vergleichbares gilt in Bezug auf den Dorfentwicklungsplan der Antragsgegnerin, der gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB zum Abwägungsmaterial zählt. Soweit dieser Plan zudem den möglichen Konflikt zwischen Wohnungsneubauten in der Ortslage und landwirtschaftlicher Nutzung beschreibt und als Ausweg die Festsetzung von Dorfgebieten vorsieht, sind diese Überlegungen hier nicht einschlägig. Denn ein solcher Nutzungskonflikt liegt hier - auf die folgenden Ausführungen wird verwiesen - nicht vor. Das Plangebiet ist als relativ gering und unterhalb der für ein Dorfgebiet geltenden Richtwerte mit Geruchsimmissionen belastete Fläche zur Wohnbebauung gut geeignet.

cc) Auch das Trennungsgebot des § 50 Satz 1 BImSchG ist gewahrt. Nach dieser Vorschrift sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete so weit wie möglich vermieden werden. Der Senat zieht als Orientierungshilfe die Wertungen der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL, Anlage 1 zum Gem. RdErl. d. MU, d. MS, d. ML u. d. MW v. 23.7.2009 - 33-40500/201.2 -, VORIS 28500 = Nds. MBl. S. 794) heran, die für Wohngebiet einen Immissionswert in Form einer relativen Geruchsstundenhäufigkeit von 0,10 der Jahresstunden vorsieht (vgl. Senatsurt. v. 27.11.2019 - 1 KN 20/17 -, juris Rn. 42). Gemessen daran ist das Plangebiet keinen unzumutbaren Geruchsbelastungen aus den benachbarten landwirtschaftlichen Betrieben ausgesetzt; es bestehen daher auch keine Abwehransprüche der zukünftigen Bewohner gegen bestehende landwirtschaftliche Nutzungen.

(1) Die für das Planaufstellungsverfahren eingeholte gutachterliche Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 8. Juni 2018 mit der für die Abwägung maßgeblichen Ergänzung vom 31. Januar 2019 gelangt zu dem Ergebnis, dass die Geruchsbelastung im Plangebiet im Wesentlichen unterhalb einer Häufigkeit von 10 Prozent Jahresgeruchsstunden liegt. Die gegen die Stellungnahme und insbesondere gegen die Ergänzung vom 31. Januar 2019 erhobenen Einwendungen der Antragstellerin überzeugen nicht.

Soweit sie ausführt, es gebe eine weitere unberücksichtigt gebliebene Schweinehaltung im Umfang von 30 bis 40 Mastschweinen auf dem Grundstück M., war eine solche jedenfalls nicht abwägungserheblich, weil sie für die Antragsgegnerin nicht erkennbar war. Weder die Ermittlungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die im Rahmen der Begutachtung den Landkreis als Genehmigungsbehörde kontaktiert, die zur Verfügung gestellten Genehmigungsakten ausgewertet und zusätzlich vier Ortsbesichtigungen durchgeführt hat, noch die Öffentlichkeitsbeteiligung haben Hinweise auf eine derartige Schweinehaltung ergeben. Zudem hat die Antragsgegnerin nach Kontaktaufnahme mit dem Grundstückseigentümer im gerichtlichen Verfahren erklärt, die Schweinehaltung sei auf Dauer aufgegeben. Damit war eine für eine derartige Schweinehaltung möglicherweise erteilte Genehmigung zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses jedenfalls erloschen.

Die Antragsgegnerin durfte auch von einem Erlöschen der dem Eigentümer des Grundstücks R. (S.) erteilten Baugenehmigung zur Tierhaltung ausgehen. Zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses war die Tierhaltung aufgegeben; die Stalltrakte waren - ohne Genehmigung - zur Wohnung bzw. Werkstatt umgenutzt. Damit hatte die Baugenehmigung ihren Regelungsgegenstand verloren, weil die bauliche Anlage in identitätsverändernder Weise umgebaut und zugleich die genehmigte Nutzung dauerhaft durch eine andere, die Variationsbreite der Genehmigung überschreitende Nutzung ersetzt worden ist. In diesen Fällen verliert die Baugenehmigung ihren Regelungsgegenstand, nämlich die bauliche Anlage in ihrer konkret genehmigten Gestalt und Nutzung. Einer ausdrücklichen oder konkludenten Verzichtserklärung bedarf es in derartigen Fällen einer Nutzungsänderung nicht.

(2) Stellt die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer samt Ergänzung demzufolge eine tragfähige Grundlage für die gebotene Abwägung dar, folgt daraus, dass nur ein rund 20 m breiter Streifen im Südwesten des Plangebiets in unmittelbarer Nachbarschaft zum Grundstück der Antragstellerin mit Geruchsimmissionen im Umfang von 10,6 bis 12,1 Prozent Jahresgeruchsstunden belastet ist. Diese Geruchsbelastung geht ausweislich der Ergänzung vom 31. Januar 2019 auf die gutachterlich berücksichtigte ehemalige Tierhaltung der Antragstellerin zurück. Diese Tierhaltung kann die Antragstellerin jedoch nicht wieder aufnehmen, weil die dafür erteilte Baugenehmigung erloschen ist (dazu unter (a)). Die Absicht, die Schweinehaltung auf der Grundlage einer neuen Baugenehmigung neu zu begründen, hat die Antragstellerin im Planaufstellungsverfahren nicht konkret geltend gemacht; diese war daher nicht abwägungserheblich (dazu unter (b)).

(a) Die Baugenehmigung vom 26. März 1957 war zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses erloschen (vgl. bereits Senatsbeschl. v. 25.3.2021 - 1 MN 20/21 -, NdsVBl 2021, 318 = BauR 2021, 949 = juris Rn. 17 ff.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats richtet sich die Geltungsdauer einer ausgenutzten Baugenehmigung mangels spezialgesetzlicher Vorschriften in der Niedersächsischen Bauordnung und aufgrund der fehlenden Übertragbarkeit des zu § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB entwickelten Zeitmodells nach § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V. mit § 43 Abs. 2 VwVfG (vgl. grundlegend Senatsbeschl. v. 3.1.2011 - 1 ME 209/10 -, BauR 2011, 1154 = BRS 78 Nr. 159 = juris Rn. 28 ff.). Insbesondere § 71 NBauO betrifft allein die Geltungsdauer der erteilten, aber (noch) nicht ausgenutzten Baugenehmigung. Auf Fallgestaltungen, in denen die genehmigte bauliche Anlage tatsächlich realisiert worden ist, findet die Vorschrift weder direkte noch analoge Anwendung.

Ist demzufolge auf die allgemeine Bestimmung des § 43 Abs. 2 VwVfG zurückzugreifen, bleibt die Baugenehmigung wie jeder andere Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder - diese Variante ist hier maßgeblich - auf andere Weise erledigt ist. Die Annahme einer Erledigung auf sonstige Weise ist allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gerechtfertigt, da das Gesetz den Wirksamkeitsverlust des Verwaltungsakts bei den übrigen in § 43 Abs. 2 VwVfG genannten Varianten entweder - wie in den Fällen der Rücknahme, des Widerrufs oder der anderweitigen Aufhebung - an ein formalisiertes Handeln der Behörde oder - wie im Fall des Zeitablaufs - an einen eindeutig bestimmbaren Sachverhalt knüpft. Vor diesem Hintergrund ist bei der Annahme einer Erledigung auf sonstige Weise Zurückhaltung geboten. Anerkannte Fallgruppen sind insbesondere der Wegfall des Regelungsobjekts und der Verzicht des Berechtigten auf die sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Rechtsposition (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.5.2012 - 6 C 3.11 -, BVerwGE 143, 87 = juris Rn. 19). Eine Baugenehmigung erledigt sich nach diesen Maßgaben auf andere Weise, wenn die genehmigte Nutzung endgültig aufgegeben und nicht nur vorübergehend unterbrochen wird.

Besteht die bauliche Anlage - wie hier - in weiterhin nutzbarer Weise fort, ist von einer endgültigen Nutzungsaufgabe mit der Folge des Erlöschens der Baugenehmigung nur dann auszugehen, wenn sich der (tatsächliche) Verzicht auf die weitere Nutzung der baulichen Anlage zugleich als (rechtlicher) Verzicht auf die Baugenehmigung darstellt. Ob das der Fall ist, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines objektiven Dritten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In dem Verhalten des Eigentümers muss sein dauerhafter und endgültiger Verzichtswille hinreichend eindeutig zum Ausdruck kommen (vgl. bereits Senatsbeschl. v. 3.1.2011 - 1 ME 209/10 -, BauR 2011, 1154 = BRS 78 Nr. 159 = juris Rn. 36 ff.; vergleichbar die Rspr. der übrigen Obergerichte, vgl. exemplarisch OVG NRW, Beschl. v. 18.4.2017 - 2 A 916/15 -, juris Rn. 12 ff.; VGH BW, Beschl. v. 22.7.2016 - 8 S 969/16 -, juris Rn. 13 ff.; OVG Berl-Bbg, Urt. v. 8.11.2018 - OVG 2 B 4.17 -, NVwZ-RR 2019, 355 [OVG Schleswig-Holstein 28.09.2018 - 1 KN 19/16] = juris Rn. 25 ff.; SächsOVG, Beschl. v. 28.10.2019 - 1 B 7/19 -, NVwZ-RR 2020, 469 [OLG Karlsruhe 19.09.2019 - 9 W 32/19] = juris Rn. 34 ff., alle m.w.N.).

In die Gesamtbetrachtung einzustellen sind zunächst alle nach außen getretenen Umstände, die Rückschlüsse auf den Willen des Eigentümers zulassen. Zu berücksichtigen sind beispielsweise der Zustand der baulichen Anlage und das gegebenenfalls erforderliche Maß notwendiger Investitionen vor einer Wiederaufnahme der Nutzung, die tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen, und - über das öffentliche Baurecht hinaus - rechtlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen einer erneuten Nutzung, die nach außen getretenen Gründe für die Beendigung der Nutzung, sonstige Veränderungen des Baugrundstücks und der darauf bestehenden baulichen Anlagen, etwaige vertragliche Bindungen, gegebenenfalls auch das Vorliegen eines langfristigen Nutzungskonzepts. Maßgeblich ist, wie ein objektiver Dritter die Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der Verkehrsauffassung verstehen muss.

In die Betrachtung einzubeziehen ist neben diesen Umstandsmomenten zudem das Zeitmoment. Dieses hat aus sich heraus zwar keinen eindeutigen Erklärungswert (OVG NRW, Beschl. v. 18.4.2017 - 2 A 916/15 -, juris Rn. 16); dem öffentlichen Baurecht ist eine Verpflichtung zur Nutzung einer baulichen Anlage grundsätzlich fremd. Schon aufgrund des wirtschaftlichen Wertes ist ihre Nutzung indes die Regel, ein nutzungsloser Zustand die Ausnahme. Je länger eine bauliche Anlage ungenutzt bleibt, umso drängender stellt sich daher aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten unter Beachtung der Verkehrsauffassung die Frage, ob noch von einer bloßen Nutzungsunterbrechung und nicht schon von einer endgültigen Nutzungsaufgabe auszugehen ist. Anders gewendet: Je länger keine Nutzung stattfindet, umso eher ist bei einem Hinzutreten weiterer Umstände die Annahme begründet, die Nutzung solle auch in Zukunft nicht wiederaufgenommen werden. Auch wenn das Zeitmoment allein grundsätzlich nicht dazu führen kann, dass eine Baugenehmigung erlischt, ist die nutzungslos verstrichene Zeitspanne unter diesen Prämissen aussagekräftig.

Zu Unrecht beruft sich die Antragstellerin demgegenüber auf Art. 14 Abs. 1 GG und beklagt einen unverhältnismäßigen Eingriff bei Annahme eines Verzichts auf die Baugenehmigung. Wie sie selbst zu Recht ausführt, ist es gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Aufgabe des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen und damit dessen Reichweite auszugestalten. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, dass die mit Erhalt der Baugenehmigung erworbene Rechtsposition gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG erlöschen kann, wenn der Berechtigte ein Verhalten an den Tag legt, das auf einen Verzichtswillen schließen lässt. Auch wenn dies in den Fällen, in denen objektiver Erklärungswert des Verhaltens und subjektiver Wille auseinanderfallen, zu einem Rechtsnachteil des Eigentümers führt, ist dies im Interesse der benachbarten Grundeigentümer und ihrer Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG sowie die mit Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) ausgestattete Gemeinde gerechtfertigt. Denn diese müssen auf die unterbrochene Nutzung so lange Rücksicht nehmen, wie sie jederzeit wieder aufgenommen werden darf. Eine derartige Rücksichtnahme, die ihrerseits die Freiheit der Nachbarn, ihr Eigentum nach den eigenen Vorstellungen nutzen zu können, sowie die planerischen Möglichkeiten der Gemeinde beschränkt, ist nicht mehr geboten, wenn die Wiederaufnahme der Nutzung bei objektiver Betrachtung nicht mehr zu erwarten und deshalb der Schluss auf einen Verzichtswillen gerechtfertigt ist.

Nach diesen rechtlichen Maßgaben ist von einer endgültigen Nutzungsaufgabe des Schweinestalls der Antragstellerin auszugehen mit der Folge, dass die Baugenehmigung vom 26. März 1957 erloschen ist. Dafür sind folgende Gesichtspunkte maßgeblich:

In zeitlicher Hinsicht lag die Beendigung der Nutzung zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits mehr als 20 Jahre zurück. Das ist ein außerordentlich langer Zeitraum, der ein sehr starkes Indiz für die Annahme begründet, die Nutzung sei endgültig aufgegeben. Bei einer derart langen Zeitspanne rechnet die Verkehrsauffassung jedenfalls bei gewerblich/landwirtschaftlich genutzten Bauten grundsätzlich nicht mehr mit einer Wiederaufnahme der Nutzung, weil sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer Nutzung während einer derart langen nutzungslosen Zeit typischerweise grundlegend verändert haben.

Hinzu kommen in diesem Fall die Umstände der Nutzungsaufgabe, die für den Strukturwandel in der Landwirtschaft weg von kleinbäuerlichen Betrieben und hin zu Großunternehmen typisch sind: Die Eltern der Antragstellerin waren zur Mitarbeit in der ohnehin nur noch im Nebenerwerb betriebenen Landwirtschaft nicht mehr im Stande; ihr Ehemann ging einer anderweitigen, ihn voll in Anspruch nehmenden Tätigkeit nach. Die Beschäftigung von Arbeitskräften war nach dem Umfang des Betriebs wirtschaftlich nicht tragfähig, sodass die Nutzung aufgegeben werden musste. Angesichts dieser Umstände geht ein objektiver Dritter davon aus, dass die mit geringem wirtschaftlichem Ertrag und (unverhältnismäßig) hohem Arbeitseinsatz verbundene landwirtschaftliche Nutzung, die einmal eingestellt ist, auf Dauer nicht wiederaufgenommen wird. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, nach Ablauf welcher Zeitspanne in diesem Fall eine endgültige Nutzungsaufgabe vorliegt. Nach mehr als 20 Jahren ist unter den vorgenannten Umständen eine mögliche Karenzzeit jedenfalls weit und offenkundig überschritten.

Soweit die Antragstellerin dem entgegenhält, die Objektbezogenheit der Baugenehmigung verbiete es, auf die Person des Inhabers und seine persönlichen Verhältnisse abzustellen, überzeugt das nicht. Richtig ist zwar, dass die Baugenehmigung grundstücksbezogen erteilt wird; ihr Adressat ist jedoch gleichwohl der (jeweilige) Eigentümer/Bauherr. Demzufolge kommt es für die Frage des Verzichts auf dessen Verhalten und dessen persönliche Umstände an.

Ohne Erfolg meint die Antragstellerin weiter, es könne nicht maßgeblich sein, ob eine genehmigungskonforme Nutzung gewinnbringend ausgeübt werden kann. Im Gegenteil liegt es bei Gewerbebauten auf der Hand, dass sich im - hier vorliegenden - Fall einer Unwirtschaftlichkeit der genehmigten Nutzung und folgender Nutzungsaufgabe die Frage des Verzichts auf die Baugenehmigung in besonderer Schärfe stellt. Gewerbliche Betätigung ist grundsätzlich keine Liebhaberei, sodass ein objektiver Dritter der (Un)Wirtschaftlichkeit einer Nutzung durchaus gesteigerte Bedeutung beimessen wird. Das gilt insbesondere dann, wenn die Nutzungsaufgabe lange zurückliegt.

Die von der Antragstellerin benannten gegenläufigen Gesichtspunkte führen ebenfalls nicht dazu, dass die Gesamtbetrachtung zu ihren Gunsten ausfällt. Zu berücksichtigen ist zwar, dass der Schweinestall unverändert erhalten ist, nicht umgenutzt wurde und sich in einem guten baulichen Zustand befindet, der es grundsätzlich gestatten würde, die Schweinehaltung ohne größere Investitionen wiederaufzunehmen. Dies spricht mit einigem Gewicht gegen eine endgültige Nutzungsaufgabe, wobei der Senat allerdings zugunsten der Antragstellerin ausblendet, dass möglicherweise verschärfte Tierwohlanforderungen sowie Veränderungen des Standes der Technik gemäß § 22 Abs. 1 BImSchG zu kostspieligen Umbauten zwingen könnten. Der bloße Erhalt des Stalles vermag dennoch in diesem Fall den eindeutigen Erklärungswert der verstrichenen Zeit in Verbindung mit den strukturellen Veränderungen der Landwirtschaft, insbesondere der Unwirtschaftlichkeit der möglichen Tierhaltung, nicht zu kompensieren.

Ebenfalls nicht maßgeblich ist, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann den Bezug zur Land- und Forstwirtschaft ausweislich der übermittelten Beitragsbescheide nicht vollständig verloren haben. Aus den Bescheiden ergibt sich, dass in offenbar geringem Umfang weiterhin Forstwirtschaft betrieben wird. Das lässt Rückschlüsse auf einen Willen, die Schweinehaltung wiederaufzunehmen, nicht zu.

(b) Die erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragene konkrete Absicht der Antragstellerin, die Schweinehaltung nach dem Ende der Schichttätigkeit ihres Ehemannes im Jahr 2023 wiederaufzunehmen, stellt sich danach nicht als von vornherein absehbare Beendigung einer Nutzungsunterbrechung, sondern als dem objektiven Betrachter unerwartete Aufnahme einer von der vor Jahrzehnten ausgelaufenen Nutzung zu trennenden neuen Nutzung dar. Diese hätte, um Abwägungserheblichkeit beanspruchen zu können, der Antragsgegnerin mit hinreichender Konkretisierung angezeigt werden müssen. Denn in die Abwägung einzustellen sind nur diejenigen Umstände, die für die planende Gemeinde erkennbar sind. Die Streichung des § 47 Abs. 2a VwGO ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Eine entsprechende Anzeige im Planaufstellungsverfahren fehlt indes. In ihrer Stellungnahme im Planaufstellungsverfahren hat die Antragstellerin lediglich bekundet, ihre landwirtschaftlichen Gebäude genössen Bestandsschutz, „die landwirtschaftliche Nutzung mit Tierhaltung könnte daher jederzeit wiederaufgenommen werden“. Eine konkrete Nutzungsabsicht ergibt sich daraus nicht.

dd) Der auf § 1 Abs. 6 BauNVO beruhende Ausschluss der nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungen in Nr. 1 der textlichen Festsetzungen ist ebenfalls frei von Abwägungsfehlern. Aus der Planbegründung ergibt sich, dass es der Antragsgegnerin vorrangig darum ging, den Bedarf nach neuen Wohnbauflächen zu decken. Zu diesem Planungsziel leisten die Nutzungen gemäß § 4 Abs. 3 BauNVO keinen Beitrag.

Ein Etikettenschwindel - Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes, obwohl ein reines Wohngebiet gemäß § 3 BauNVO gewollt war - liegt darin nicht. Erstens übersieht die Antragstellerin, dass sich auch die Regelnutzungen der Gebiete nach § 3 und § 4 BauNVO deutlich unterscheiden. Zweitens leuchtet es auch der Sache nach ein, dass die Antragsgegnerin neben dem vorhandenen Dorfgebiet als einem ländlichen Mischgebiet einen Gebietstyp festsetzt, der gewerbliche und gemeinschaftliche Nutzungen in gewissem Umfang erlaubt.

ee) Abwägungsfehlerhaft war es schließlich nicht, dass die Antragsgegnerin auch einzelne Wohngrundstücke entlang der N. und M. in das Plangebiet einbezogen hat. Gerechtfertigt ist dies schon deshalb, weil auf den rückwärtigen Flächen dieser Grundstücke, die bislang nach zutreffender Auffassung der Antragsgegnerin mindestens teilweise im Außenbereich liegen, neue Baugrundstücke entstehen sollen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V. mit § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. mit § 708 Nr. 10 (analog), § 709 Satz 2, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Bei der Frage, ob ein Verzicht auf die Baugenehmigung vorliegt, handelt es um eine solche des Einzelfalls; die abstrakten rechtlichen Maßstäbe sind - wie ausgeführt - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.