Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.10.2021, Az.: 1 ME 110/21
Abschichtung; Baugenehmigung; Bauvorbescheid; Bebauungsplan; Planebene; Umweltprüfung; Umweltverträglichkeitsprüfung; Umweltverträglichkeitsprüfung, unterbliebene; Verbrauchermarkt; Vorprüfung; Vorprüfung, allgemeine; Zulassungsebene
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.10.2021
- Aktenzeichen
- 1 ME 110/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70965
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 22.06.2021 - AZ: 12 B 358/21
Rechtsgrundlagen
- § 4 UmwRG
- § 50 Abs 1 UVPG
- § 50 Abs 3 UVPG
- § 7 Abs 1 UVPG
- Anl 1 Nr 18 UVPG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bei in den Anwendungsbereich des UVPG fallenden UVP-pflichtigen Vorhaben insbesondere
nach Anlage 1 Nr. 18.1 bis 18.9 UVPG besteht die Prüfpflicht grundsätzlich sowohl bei der Planaufstellung als auch bei der Vorhabenzulassung.
2. Die Anwendung des § 50 Abs. 3 UVPG auf der Vorhabenzulassungsebene setzt voraus, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung auf Planebene ordnungsgemäß durchgeführt worden ist; nur insoweit tritt auf der Zulassungsebene ein Entlastungseffekt ein.
3. Eine im Planaufstellungsverfahren durchgeführte Vorprüfung (§ 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 4 BauGB) ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von § 50 Abs. 3 UVPG.
4. Ob ein Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UVPG), kann auf Vorhabenzulassungsebene nach anderen Maßstäben zu beurteilen sein als auf Planebene. Maßgeblich sind die Anforderungen des jeweiligen materiellen Zulassungsrechts.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 22. Juni 2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers jeweils zur Hälfte. Antragsgegner und Beigeladene tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 15.000 EUR festgesetzt; die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wird entsprechend geändert.
Gründe
I.
Der in erster Instanz erfolgreiche Antragssteller wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Verbrauchermarktes; die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Frage, ob das Vorhaben einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt.
Der Antragsteller ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des im April 2020 verstorbenen E.. Zum Nachlass gehören die mit Wohngebäuden bebauten Grundstücke F. und G. in H.; beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 21 „Hinter dem Zwinger“ und sind als allgemeines Wohngebiet festgesetzt.
Südlich der Grundstücke liegen die Baugrundstücke I. /J. der Beigeladenen, die bis vor kurzem mit verschiedenen Wohn- und Geschäftshäusern bebaut waren. Der Bebauungsplan Nr. 21 setzte die Grundstücke vormals als Mischgebiet fest. Die Beigeladene plant auf den Grundstücken die Errichtung eines REWE-Verbrauchermarktes mit rund 1.700 qm Verkaufsfläche sowie eines weiteren Büro- und Geschäftsgebäudes für Dienstleistungsbetriebe. Die Gebäude sollen im Norden und Osten des Grundstücks entstehen, während die übrige Grundstücksfläche im Wesentlichen als Parkplatz dienen soll. Im Norden entlang der Grenze zu den Grundstücken des Antragstellers ist die Errichtung einer 2 m hohen Lärmschutzwand vorgesehen.
Um diese Bebauung zu ermöglichen, beschloss der Rat der Gemeinde S.... am 11. September 2019 eine Änderung des Bebauungsplans Nr. 21 und setzte für die Baugrundstücke entsprechende Sondergebiete fest. Im Planaufstellungsverfahren hatte die Gemeinde zuvor eine Vorprüfung nach dem UVPG durchgeführt. Diese war zu dem Ergebnis gelangt, dass eine UVP-Pflicht nicht besteht. Der zulässige Betriebslärm werde durch die Festsetzung von Geräuschkontingenten so begrenzt, dass der Schutzanspruch der benachbarten Wohngrundstücke erfüllt werde. Ein im Planaufstellungsverfahren eingeholtes Lärmgutachten hatte ergeben, dass die zugewiesenen Emissionskontingente im Fall ihrer Ausschöpfung dazu führten, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm am Grundstück des Antragstellers um 0,2 dB(A) unterschritten würden. Das zur Genehmigung gestellte Vorhaben unterschreite die Richtwerte um mindestens 1,1 dB(A). Der Bebauungsplan ist Gegenstand des Normenkontrollverfahrens 1 KN 136/20.
Der Antragsgegner erteilte der Beigeladenen daraufhin unter dem 6. Juli 2020 ohne Durchführung einer erneuten Vorprüfung die Baugenehmigung für sein Vorhaben bestehend aus dem Verbrauchermarkt und dem Büro- und Geschäftsgebäude. Der Antragsteller erhob Widerspruch und beantragte die Anordnung dessen aufschiebender Wirkung.
Diesem Antrag hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 22. Juni 2021 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Der Antragsteller sei als Testamentsvollstecker antragsbefugt, weil er unzumutbare Lärmimmissionen und eine Verletzung von Grenzabständen geltend machen könne. In der Sache sei die Baugenehmigung rechtswidrig, weil es an der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung fehle. Eine solche Prüfung sei erforderlich gewesen, weil von dem Vorhaben angesichts der nur geringen Unterschreitung der Lärmrichtwerte um 0,2 dB(A) erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen ausgehen könnten. Die Feststellung im Planaufstellungsverfahren, eine UVP-Pflicht bestehe nicht, sei daher nicht nachvollziehbar; dies könne der Antragsteller gemäß § 4 UmwRG rügen.
Mit weiterem Beschluss vom 7. Juli 2021 hat das Verwaltungsgericht seinen vorgenannten Beschluss teilweise geändert und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf den Verbrauchermarkt und die zugeordneten Stellplätze beschränkt.
Mit ihrer Beschwerde machen der Antragsgegner und die Beigeladene im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Vorhaben einer UVP-Pflicht unterliege. Das Verwaltungsgericht sei von falschen Tatsachen ausgegangen; tatsächlich unterschreite das Vorhaben die Lärmrichtwerte um mindestens 1,1 dB(A), sodass sie deutlich unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle lägen. Die Geräuschkontingentierung auf Planebene schließe zudem eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte sicher aus. Vor diesem Hintergrund sei die Verneinung der UVP-Pflicht im Planaufstellungsverfahren nachvollziehbar. Die Beigeladene zieht zudem die Antragsbefugnis in Zweifel. Diese folge insbesondere nicht aus § 4 UmwRG. Schließlich fehle es an der Aktivlegitimation des Antragstellers als Testamentsvollstrecker.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die fristgemäß dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
1. Ohne Erfolg zieht die Beigeladene die Aktivlegitimation des Antragstellers in Zweifel. Soweit sie unter Bezugnahme auf § 2202 Abs. 1 und 2 BGB darauf verweist, dass das Amt des Testamentsvollstreckers erst mit dem Zeitpunkt beginnt, in welchem der Ernannte das Amt annimmt, und die Annahme durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht erfolgt, ist das zwar zutreffend. Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren indes seine Annahmeerklärung vom 30. April 2020 vorgelegt. Zweifel an der Aktivlegitimation bestehen deshalb nicht (mehr).
2. Ebenfalls ohne Erfolg meint die Beigeladene, der Antragsteller unterliege bei seiner Amtsausübung möglicherweise Beschränkungen, die ihn an der Führung von Gerichtsverfahren und der Einlegung von Drittwidersprüchen hinderten. Für diese Auffassung spricht nichts. Im Gegenteil gehört die Geltendmachung von Abwehransprüchen gegen mögliche Eigentumsbeeinträchtigungen zu den Grundpflichten in Bezug auf die Erhaltung des Nachlasses. Dass der Erblasser dessen ungeachtet etwas Gegenteiliges gewollt haben könnte, liegt schon deshalb fern, weil er selbst zu Lebzeiten erste Rechtsmittel gegen das Vorhaben eingelegt und so seine ablehnende Haltung deutlich zum Ausdruck gebracht hat.
3. Die Antragsbefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO besteht ebenfalls. Das Verwaltungsgericht hat insofern auf eine mögliche Verletzung nachbarschützender Vorschriften insbesondere in Bezug auf eine Beeinträchtigung durch Lärmimmissionen abgestellt. Soweit die Beigeladene daher vorträgt, die Antragsbefugnis könne nicht allein auf eine unterlassene bzw. fehlerhafte Umweltverträglichkeitsprüfung gestützt werden, geht das an den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts vorbei.
4. Soweit die Beigeladene mit Schriftsatz vom 22. September 2021 - und damit weit nach Ablauf der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO - erstmals darauf hinweist, dass die Baugenehmigung auf einem nicht mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO angegriffenen und daher weiterhin vollziehbaren Bauvorbescheid vom 10. Dezember 2019 aufbaut, vermag der Senat diesen Einwand aus prozessualen Gründen nicht zu berücksichtigen (vgl. zu der aufgeworfenen Frage in der Sache Senatsbeschl. v. 30.3.1999 - 1 M 897/99 -, NdsVBl 2000, 175 = BRS 62 Nr. 190 = juris Rn. 25 ff.; Beschl. v. 4.2.2005 - 1 ME 291/04 -, NuR 2006, 57 = juris Rn. 9; Beschl. v. 21.10.2009 - 1 ME 192/09 -, NdsVBl 2010, 49 = BRS 74 Nr. 68 = juris Rn. 11, stRspr.)
5. Im Ergebnis zu Unrecht wenden sich Antragsgegner und Beigeladene gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil sie gegen die Vorgaben des UVP-Rechts verstoße. Allerdings vermengt das Verwaltungsgericht - dies beanstanden die Beigeladene und implizit auch der Antragsgegner zu Recht - die UVP-rechtlichen Anforderungen an den Bebauungsplan einerseits und die Vorhabenzulassung durch Baugenehmigung andererseits. Auch das verhilft der Beschwerde indes nicht zum Erfolg, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis richtig ist.
Im welchem Verhältnis die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auf der Ebene der Bauleitplanung und der nachfolgenden Ebene der Vorhabenzulassung steht, regelt § 50 UVPG. Nach der Grundregel der Absätze 1 und 2 wird die Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der Vorprüfung im Aufstellungsverfahren als Umweltprüfung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs durchgeführt. Damit geht zugleich eine gewisse Abschichtung einher, die § 50 Abs. 3 UVPG vorsieht: Wird die Umweltverträglichkeitsprüfung in einem Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan und in einem nachfolgenden Zulassungsverfahren durchgeführt, soll die Umweltverträglichkeitsprüfung im nachfolgenden Zulassungsverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränkt werden.
Daraus folgt, dass entgegen der in erster Instanz vertretenen Auffassung des Antragsgegners bei in den Anwendungsbereich des UVPG fallenden Vorhaben insbesondere nach Anlage 1 Nr. 18.1 bis 18.9 UVPG, darunter das hiesige Vorhaben nach Nr. 18.6.2 i.V. mit Nr. 18.8, grundsätzlich sowohl bei der Planaufstellung als auch bei der Vorhabenzulassung eine Prüfpflicht besteht. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Anlage 1 Nrn. 18.1 bis 18.9 UVPG, der auf die Errichtung des Vorhabens und nicht allein auf die Aufstellung des Bebauungsplans abstellt, sowie aus § 4 i.V. mit § 2 Abs. 6 UVPG, der eine Umweltverträglichkeitsprüfung zum unselbstständigen Teil (aller) verwaltungsbehördlichen Verfahren erklärt, die Zulassungsentscheidungen dienen. Eine Regelung, die das Verfahren der Vorhabenzulassung in den Fällen, in denen die Aufstellung eines Bebauungsplans vorausgegangen ist, von der Durchführung einer Vorprüfung bzw. Umweltverträglichkeitsprüfung generell ausnimmt, enthält das UVPG seit dem Europarechtsanpassungsgesetz (EAG) Bau aus den Jahren 2003/2004 nicht mehr. Während zuvor die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der Vorprüfung gemäß § 17 Satz 2 UVPG in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. September 2001 (BGBl. I S. 2350) und Anlage 1 Nrn. 18.1 bis 18.9 UVPG „nur im Aufstellungsverfahren“ bestand und ausweislich der Überschrift zu Nr. 18 auf „Bauplanungsrechtliche Vorhaben“ begrenzt und nicht - wie heute - auf „Bauvorhaben“ bezogen war (vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 26), enthält die geltende Gesetzesfassung derartige Beschränkungen nicht mehr (vgl. zu den Hintergründen der Änderung näher die Gesetzesbegründung zum EAG Bau sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung zu einem Änderungsvorschlag des Bundesrates, BT-Drs. 15/2250, S. 73 f. und 98; Wagner, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG, 5. Aufl. 2018, § 50 Rn. 212).
Soweit sich der Antragsgegner in erster Instanz zur Stützung seiner gegenteiligen Auffassung auf die Kommentierung von Peters/Balla/Hesselbarth (UVPG, 4. Aufl. 2019, § 50 Rn. 6 und 25) berufen hat, dürfte dies auf einem Missverständnis beruhen. Auch diese Kommentierung stellt fest, dass in den Fällen, in denen auf einen Plan ein weiteres Zulassungsverfahren folgt, auch im Zulassungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung angezeigt ist (Rn. 25), mit anderen Worten also zweistufig abschichtend zu prüfen ist. Die vorherigen Ausführungen (Rn. 6), bei Vorhaben nach Anlage 1 Nr. 18 UVPG bedürfe es keiner Letztzulassung durch Verwaltungsakt mit Umweltverträglichkeitsprüfung, stehen dazu vordergründig in einem gewissen Widerspruch, dürften aber nur auf Fallgestaltungen bezogen sein, in denen - wie bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 BauGB möglich - ausnahmslos alle Umweltaspekte auf Planebene abgearbeitet worden sind, sodass für das Zulassungsverfahren gemäß § 50 Abs. 3 UVPG keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen des Vorhabens verbleiben (vgl. zu dieser Möglichkeit und den verfahrensrechtlichen Konsequenzen OVG RP, Beschl. v. 10.1.2020 - 8 B 11880/19 -, NuR 2020, 479 = juris Rn. 21; Wagner, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG, 5. Aufl. 2018, § 50 Rn. 167).
Bestimmt daher § 50 Abs. 3 UVPG, in welchem Umfang in einem auf eine Planaufstellung folgenden Zulassungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung noch durchzuführen ist, kann der von der Vorschrift beabsichtigte Entlastungseffekt indes nur eintreten, wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung auf Planebene ordnungsgemäß vorgenommen worden ist. Das folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut, der davon spricht, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung „durchgeführt“ worden sein muss. Entscheidend sind zudem der Sinn und Zweck der Vorschrift, (lediglich) Doppelprüfungen zu vermeiden, sowie der europarechtliche Hintergrund der Bestimmung. Beides spricht entscheidend dagegen, einen Fehler bei der Umweltverträglichkeitsprüfung auf Planebene oder gar deren Unterbleiben dadurch fortzuschreiben, dass allein unter Bezugnahme auf das formelle UVP-Erfordernis dort und ohne Rücksicht auf die tatsächliche Durchführung nunmehr auch im Zulassungsverfahren auf eine ordnungsgemäße Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich einer Vorprüfung verzichtet wird. § 50 Abs. 3 UVPG verteilt die Aufgaben im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht abstrakt auf verschiedene Ebenen, sondern orientiert sich vielmehr konkret daran, in welchem Umfang die Prüfung auf der vorangegangenen Ebene tatsächlich ordnungsgemäß vorgenommen worden ist (vgl. VGH BW, Beschl. v. 23.2.2021 - 10 S 1327/20 -, UPR 2021, 303 = juris Rn. 19; NdsOVG, Beschl. v. 26.2.2020 - 12 LB 157/18 -, BauR 2020, 968 = juris Rn. 62).
Kann sich der Antragsgegner mithin nur insoweit auf die Vergünstigungen des § 50 Abs. 3 UVPG berufen, als auf der Planebene eine ordnungsgemäße Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, ist das hier nicht der Fall. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung - hier in Gestalt einer Umweltprüfung nach den §§ 1 und 2 Abs. 1 und 2 sowie nach den §§ 3 bis 13 BauGB (§ 50 Abs. 1 Satz 1 UVPG) - hat die Gemeinde S.... nicht durchgeführt. Auf die Frage, ob dies auf Planebene zu Recht oder zu Unrecht - dafür sprechen allerdings mit dem Verwaltungsgericht die weitaus besseren Gründe - unterlassen worden ist, kommt es auf der Ebene der Vorhabenzulassung nicht an; die durchgeführte Vorprüfung gemäß § 13a Abs. 1 BauGB ist schon begrifflich keine Umweltverträglichkeitsprüfung i.S. von § 50 Abs. 3 UVPG (vgl. zu den Vorprüfungen nach §§ 13-13b BauGB Tepperwien, in: Mitschang, Vorhabenbezogene Bebauungspläne, 2019, 121 (124)). Der Antragsgegner hätte daher eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit Anlage 1 Nrn. 18.6.2, 18.8 UVPG durchführen müssen. Deren Fehlen hat gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b), Abs. 1b Satz 1, Abs. 3 Satz 1 UmwRG die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Baugenehmigung zur Folge, auf die sich der Antragsteller auch berufen kann. Soweit die Beigeladene dagegen § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG ins Feld führt, findet diese Bestimmung auf den hier vorliegenden Fall des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UVPG keine Anwendung.
Soweit die Beigeladene schließlich meint, ein etwaiger Verfahrensfehler sei aufgrund der im ergänzenden Planverfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB erfolgten Nachholung der Umweltprüfung mittlerweile geheilt, trifft das jedenfalls für die Ebene der Vorhabenzulassung nicht zu. Die Heilung einer rechtswidrig erteilten Baugenehmigung erfolgt, indem das Genehmigungsverfahren wieder aufgenommen und insoweit wiederholt wird, als es fehlerhaft war. In diesem Zusammenhang sind fehlende Verfahrenshandlungen durch den Antragsgegner nachzuholen. Daran fehlt es hier. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat auch keinen Anlass, einen Vollzug der Baugenehmigung trotz ihrer Rechtswidrigkeit und vor ihrer Heilung zu ermöglichen.
Für das weitere Verfahren und eine nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mögliche und erforderliche Nachholung der Vorprüfung im Zulassungsverfahren (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 24.5.2018 - 4 C 4.17 -, BVerwGE 162, 114 = NVwZ 2018, 1647 = juris Rn. 33 ff m.w.N.) weist der Senat mit Blick auf die möglicherweise etwas missverständlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts darauf hin, dass auf Zulassungsebene für die Beurteilung der Möglichkeit, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UVPG), andere Maßstäbe als auf Planebene gelten. Denn der Maßstab für die Erheblichkeit ist - dies folgt unmittelbar aus § 7 Abs. 1 Satz 3 UVPG und dem dortigen Verweis auf § 25 Abs. 2 UVPG - dem materiellen Zulassungsrecht zu entnehmen (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 17.12.2013 - 4 A 1.13 -, BVerwGE 148, 353 = BRS 80 Nr. 79 = juris Rn. 37 m. w. N.). Dieses „Zulassungsrecht“ sieht auf Ebene des Bebauungsplans eine Abwägung vor, in die auch Immissionsbelastungen unterhalb der Richtwerte einzustellen sind. UVP-rechtlich sind solche Belastungen dann relevant, wenn sie auf das Ergebnis der Abwägung Einfluss haben können (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.6.2014 - 9 A 1.13 -, BVerwGE 150, 92 = NVwZ 2015,85 = juris Rn. 22 f.; näher Tepperwien, in Schink/Reidt/Mitschang, UVPG/UmwRG, 2018, § 7 Rn. 5). Auf der Ebene der Baugenehmigung gilt demgegenüber das auf das konkrete Vorhaben bezogene Verbot, die Nachbarschaft schädlichen Umwelteinwirkungen auszusetzen, mit anderen Worten also ein engerer Maßstab. Dieser engere Maßstab ist maßgeblich, wenn auf der Zulassungsebene eine Vorprüfung durchgeführt wird; dies wiederum kann zur Folge haben, dass das Ergebnis der Vorprüfung auf Plan- und Zulassungsebene unterschiedlich ausfällt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V. mit § 100 Abs. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht von Nr. 8 a), 18 b) der Streitwertannahmen des Senats in der bis zum 31. Mai 2021 geltenden Fassung (NdsVBl. 2002, 192) aus, berücksichtigt dabei aber, dass der Antragsteller Schutzansprüche für zwei Wohngebäude geltend macht. Der Streitwert von 7.500 EUR ist daher auf 15.000 EUR zu verdoppeln und die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern.