Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.10.2021, Az.: 13 MN 424/21

2-G-Regelung; Antragsbefugnis; Corona; Normenkontrolleilantrag

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.10.2021
Aktenzeichen
13 MN 424/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70961
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers (Schriftsatz v. 4.10.2021, S. 1 f.),

§ 1 Abs. 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 24. August 2021 (Nds. GVBl. S. 583), geändert durch Verordnungen vom 21. September 2021 (Nds. GVBl. S. 655) und vom 7. Oktober 2021 (eilverkündet unter www.niedersachsen.de/verkuendung), im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen,

bleibt ohne Erfolg. Der Antrag ist mangels Antragsbefugnis (1.) und auch wegen eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses für die begehrte vorläufige Außervollzugsetzung (2.) als unzulässig zu verwerfen.

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Dem Antragsteller fehlt für die von ihm angegriffene Verordnungsregelung die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag eine natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmung sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - BVerwG 6 BN 1.05 -, juris Rn. 3 ff., insbes. 7; Urt. v. 26.2.1999 - BVerwG 4 CN 6.98 -, juris Rn. 9). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es daher, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in seinen subjektiven Rechten verletzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, juris Rn. 8; Senatsbeschl. v. 29.7.2020 - 13 MN 280/20 -, juris Rn. 9).

Die danach erforderliche Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte durch die streitgegenständliche Regelung in § 1 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, die durch Art. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 21. September 2021 (Nds. GVBl. S. 655) eingefügt worden ist und die lautet:

"Eine Veranstalterin, ein Veranstalter, eine Betreiberin oder ein Betreiber einer Einrichtung oder eines Betriebs kann unabhängig von den Warnstufen dieser Verordnung im Rahmen der Privatautonomie den Zutritt auf Personen einschließlich der dienstleistenden Personen beschränken, die einen Impfnachweis oder Genesenennachweis nach § 8 Abs. 4 Satz 1 vorlegen (2-G-Regelung).",

ergibt sich aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht.

Schon nach dem Wortlaut weist der Verordnungsgeber Veranstalter und Betreiber von Einrichtungen und Betrieben nur darauf hin, dass diese "unabhängig von den Warnstufen dieser Verordnung im Rahmen der Privatautonomie den Zutritt auf Personen einschließlich der dienstleistenden Personen beschränken (können), die einen Impfnachweis oder Genesenennachweis nach § 8 Abs. 4 Satz 1 vorlegen (2-G-Regelung)". Die Anbindung an den "Rahmen der Privatautonomie" zeigt klar, dass dieser bestehende Rahmen mit der Verordnungsregelung weder erweitert noch beschränkt werden soll. Der danach bloße Hinweischarakter der Verordnungsregelung schließt eine Verletzung subjektiver Rechte einzelner Personen aus.

Diese Annahme findet Bestätigung in der Begründung der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 21. September 2021 (Nds. GVBl. S. 665). Auch danach dient § 1 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nur der "Klarstellung" (Nds. GVBl. 2021, 667). Eine Erweiterung des Rahmens der Privatautonomie sollte nicht geschaffen werden. Vielmehr weist der Verordnungsgeber ausdrücklich auf Folgendes hin: "Eine Regelung, die im Rahmen der Privatautonomie nicht getroffen werden kann, da sie zum Beispiel arbeitsrechtlich nicht zulässig ist, kann auch nach Absatz 3 nicht getroffen werden." (Nds. GVBl. 2021, 668). Dem entspricht auch die Darstellung des Zwecks der Verordnungsregelung durch den Antragsgegner im laufenden Verfahren (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners v. 6.10.2021, S. 2 = Blatt 18 der Gerichtsakte: "Die Formulierung in § 1 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung stellt nichts Anderes dar als eine schlichte Information bzgl. der Möglichkeiten aus der Privatautonomie. Es war und ist von Seiten des Verordnungsgebers auch nicht gewollt, eine belastende Regelung zu formulieren.").

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich auch aus der Systematik der übrigen Regelungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung, die in diesem Verfahren als solche nicht streitgegenständlich sind, nichts Anderes. Denn auch den Verordnungsregelungen, in denen auf § 1 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und die freiwillige Einführung der 2-G-Regelung im Rahmen der Privatautonomie durch Veranstalter und Betreiber von Einrichtungen und Betrieben Bezug genommen wird, ist nichts zu entnehmen, was den bestehenden Rahmen der Privatautonomie erweitern oder beschränken würde. Der Verordnungsgeber hat schlicht Rechtsfolgen formuliert, die sich aus der freiwilligen Einführung der 2-G-Regelung im Rahmen der Privatautonomie durch Veranstalter und Betreiber von Einrichtungen und Betrieben ergeben (vgl. §§ 8 Abs. 7 und 9 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung).

2. Darüber hinaus fehlt dem Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte vorläufige Außervollzugsetzung der angegriffenen Verordnungsregelung.

Wie jedes gerichtliche Verfahren erfordert auch die Zulässigkeit eines Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag ein schutzwürdiges Rechtsschutzinteresse besteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.4.2010 - BVerwG 4 VR 2.09 -, juris Rn. 3). Ein Rechtsschutzinteresse ergibt sich bei Gestaltungs- und Leistungsklagen in der Regel schon aus der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zur Durchsetzung eines behaupteten Gestaltungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.1989
- BVerwG 9 C 44.87 -, BVerwGE 81, 164, 165 - juris Rn. 9). Ausnahmsweise fehlt das Rechtsschutzinteresse aber, wenn der Rechtsschutzsuchende seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung derzeit nicht verbessern kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Antrag, selbst wenn er ansonsten zulässig und begründet wäre, dem Rechtsschutzsuchenden keinen Nutzen bringen könnte. Das Rechtsschutzinteresse fehlt ferner dann, wenn es einen anderen, einfacheren Weg zu dem erstrebten Ziel gibt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.1987 - BVerwG 4 N 3.86 -, BVerwGE 78, 85, 91 f., insoweit nur unvollkommen in juris Rn. 19; Beschl. v. 23.1.1992 - BVerwG 4 NB 2.90 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 61 - juris Rn. 12; Senatsurt. v. 20.12.2017 - 13 KN 67/14 -, juris Rn. 68 m.w.N.).

Hier würde eine vorläufige Außervollzugsetzung der streitgegenständlichen Regelung in § 1 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung dem Antragsteller ersichtlich keinen Nutzen bringen. Denn die vom Antragsteller monierte Möglichkeit, in den Grenzen privatautonomer Rechtsgestaltung Zutrittsbeschränkungen auf geimpfte und genesene Personen vorzunehmen, bliebe von einer vorläufigen Außervollzugsetzung des § 1 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, der auf diese Möglichkeit nur klarstellend hinweist, sie aber nicht eröffnet, unberührt.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.