Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.10.2021, Az.: 12 LB 110/19

Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange; bauplanungsrechtliche Zulässigkeit; Genehmigungsverfahren, steckengebliebenes; Hilfsantrag; Klageerweiterung; Kumulierung; Prioritätsprinzip; Spruchreife; Teil-Vorbescheid; Umweltverträglichkeitsprüfung; Vorbescheid, immissionsschutzrechtlicher; Vorprüfung, allgemeine; Vorprüfung, standortbezogene; Windenergieanlage; Windenergieanlagen-Gruppe; Windfarm; Zusammenwirken

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.10.2021
Aktenzeichen
12 LB 110/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71042
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.01.2018 - AZ: 4 A 4353/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Soweit ein Vorhaben einer Vorprüfung nach dem UVPG bedarf, kann das Gericht grundsätzlich nur dann auf eine Verpflichtungsklage des Vorhabenträgers „durchentscheiden“ (und muss ggf. die Sache dafür spruchreif machen), wenn entweder eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist oder wenn eine die UVP-Pflicht verneinende Vorprüfung vorliegt, die dem Maßstab des § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG genügt. Anderes gilt lediglich, wenn ohne weitere Ermittlungen eine Klageabweisung aus Erwägungen erfolgen kann, die von der Umweltverträglichkeit des Vorhabens unabhängig sind, und (möglicherweise) auch dann, wenn sich mit geringem Aufwand ein Sachverhalt ermitteln lässt, mit dem wahrscheinlich die Spruchreife für eine klageabweisende Entscheidung hergestellt werden kann.

2. In dem Begehren nach Verpflichtung zur Erteilung eines Vorbescheids über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens „unter Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange“ liegt im Verhältnis zu dem Begehren nach einem immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht lediglich eine Beschränkung des Klageantrags in der Hauptsache gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO.

3. Ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid, der ein Weniger an Genehmigungsvoraussetzungen zum Gegenstand hat, ist etwas Anderes (aliud) und kein Weniger (minus) im Verhältnis zu einem umfassenderen Vorbescheid.

4. Im gerichtlichen Verfahren kann der Vorhabenträger nicht durch hilfsweise Verringerungen der Reichweite des begehrten Vorbescheids, die keine vorangegangene Entsprechung in gesonderten Anträgen im Verwaltungsverfahren hatten, ein gerichtliches „Durchentscheiden“ erreichen.

5. Ist ein Genehmigungsverfahren „steckengeblieben“, muss das Gericht nicht für umstrittene Sachverhalte, die von der Genehmigungsbehörde weder abschließend ausermittelt noch im Außenverhältnis verbindlich beurteilt wurden, bereits vorsorglich festlegen, welche Rechtsstandpunkte die Behörde für welche denkbare Sachverhaltsvariante einzunehmen hätte. Vielmehr hat sich die Rechtsauffassung, die der Behörde verbindlich vorzugeben ist, grundsätzlich auf die Beurteilung desjenigen Verfahrensstandes zu beschränken, der bis zu dem „Steckenbleiben“ des Genehmigungsverfahrens erreicht wurde, und ist von dort aus lediglich aufzuzeigen, wie dem Genehmigungsverfahren als Nächstes Fortgang zu geben ist.

6. Es ist zwischen der Windfarm im Sinne des § 2 Abs. 5 UVPG und der Windenergieanlagen-Gruppe als genehmigungsbedürftiger (gemeinsamer) Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV zu unterscheiden.

7. Das Prioritätsprinzip kann bei der Vorprüfung der UVP-Pflicht eines Vorhabens, das eine Windfarm betrifft, sowohl zur Abgrenzung dieser Windfarm als auch auf der Ebene der Berücksichtigung des Zusammenwirkens dieser Windfarm mit anderen Anlagen in einem etwaigen gemeinsamen Einwirkungsbereich bedeutsam sein.






Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer - vom 23. Januar 2018 geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 10. Juni 2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2014 werden aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung und des Betriebs der WEA 1 und 3 auf den Grundstücken in A-Stadt, Gemarkung K., Flur 4, Flurstücke 37/1 bzw. 28/5, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug tragen die Klägerin die Hälfte der Gerichtskosten sowie der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) und tragen diese jeweils ein Viertel der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Von den Kosten des Verfahrens im zweiten Rechtszug tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des jeweils anderen Hauptbeteiligten.

Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Berufungsurteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Berufungsurteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Vorbescheids über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit zweier Windenergieanlagen (WEA), hilfsweise unter Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange und äußerst hilfsweise Neubescheidungen insoweit.

Nachdem wegen der dritten mittleren Windenergieanlage (WEA 2) bereits ein rechtskräftiges, erstinstanzliches Bescheidungsurteil vom 23. Januar 2018 – 4 A 691/18 – (vgl. Bl. 144 der Gerichtsakte – GA –) ergangen ist, streiten die Beteiligten insoweit weiter um einen Vorbescheid, als es die nördliche WEA 3 und die südliche WEA 1 anbetrifft.

Die Klägerin beantragte am 7. August 2012 (vgl. den Eingangsstempel auf dem Antrag in der Tasche der Beiakte – BA – 1) die Erteilung eines Vorbescheids nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz für die Errichtung und den Betrieb von drei WEA des Typs E-101 mit einer Nabenhöhe von 149 m, einem Rotordurchmesser von 101 m und einer Nennleistung von jeweils 3 MW auf den Grundstücken, Gemarkung K., Flur 4, Flurstück 37/1 (WEA 1), Flurstücke 30/1 und 32/1 (WEA 2) sowie Flurstück 28/5 (WEA 3). Unter 3. des Antragsformulars (Formular 1.1) setzte sie keine Kreuze. Nicht angekreuzt blieb daher auch der Satz: „Die Vorprüfung wurde noch nicht durchgeführt; diese wird hiermit beantragt.“

Auf dem mit ihrem Antrag übersandten Formular „Bauvoranfrage gemäß § 74 NBauO“ (Tasche BA 1) gab sie Folgendes an:

„Ich beabsichtige, auf dem oben genannten Grundstück das angegebene Bauvorhaben zu errichten. Aus diesem Grunde bitte ich, mir mitzuteilen, ob mein Vorhaben aus städtebaulicher Sicht zugelassen werden kann.“

In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat sie nochmals das ihrem immissionsschutzrechtlichen Antrag beigefügte Kartenmaterial vorgelegt (vgl. die Anlage zum Sitzungsprotokoll). Die drei WEA sollen hiernach westlich von K., einem Ortsteil des Beigeladenen zu 2), errichtet werden (vgl. Bl. 482 und Bl. 77 GA, S. 4 [Abb. 1] der Anlage I zu dem SchS d. Bekl. v. 4.8.2021, dort „L. -Nord“ [WEA 3], „L. -Mitte“ [WEA 2] und „L. -Süd“ [WEA 1]) und jeweils eine Gesamthöhe von 199,5 m erreichen. Der Standort für die WEA 3 liegt innerhalb des im Jahr 1967 festgesetzten Landschaftsschutzgebietes (LSG) „M. N.“ (DH 009). Von der Mastfußmitte der geplanten WEA 1 nur 441,57 m entfernt findet sich im Osten Wohnbebauung (Bl. 16 Teil 2 BA 1), namentlich das Wohnhaus K. Nr. 3 (vgl. Bl. 15, letzte Zeile, Teil 2 BA 1). Diese Bebauung wird allerdings teilweise von Waldbewuchs abgeschirmt (vgl. Bl. 123 ff. [126] Teil 1 BA 1).

Nach zwischenzeitlicher Zurückstellung des Antrags der Klägerin unter Berufung auf § 15 Abs. 3 BauGB (Bl. 56 ff., 66 ff. Teil 1 BA 1) teilte die Beigeladene zu 1) mit Schreiben vom 16. Januar 2014 (Bl. 70 Teil 1 BA 1) im Namen des Beigeladenen zu 2) mit, dass das Einvernehmen zu dem Vorhaben versagt werde, da die Anlagen außerhalb der mit der 52. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen zu 1) festgesetzten Sondergebiete für Windenergieanlagen lägen.

Die untere Naturschutzbehörde des Beklagten erklärte in einer Stellungnahme vom 15. Mai 2014 (Bl. 79 Teil 1 BA 1), die sie unter dem 2. September 2014 bekräftigte (Bl. 133 Teil 1 BA 1), die geplanten Anlagen seien nicht genehmigungsfähig. Sie lägen in oder am Landschaftsschutzgebiet (LSG) „M. ‚N.‘ (DH 009)“. Nach § 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung (LSG-VO) sei es dort unter anderem verboten, das Landschaftsbild zu verunstalten. Ausnahmen hiervon würden nicht bewilligt.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2014 (Bl. 83 f. Teil 1 BA 1) lehnte der Beklagte die Erteilung des Vorbescheids unter Hinweis auf § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ab, weil die Standorte der WEA außerhalb der mit der 52. Änderung des Flächennutzungsplans (FNP) der Beigeladenen zu 1) dargestellten Sondergebiete lägen und der Beigeladene zu 2) das erforderliche Einvernehmen nicht hergestellt habe.

Nach Zustellung dieses Bescheides am 12. Juni 2014 erhob die Klägerin am Montag, den 14. Juli 2014, einen Widerspruch (Bl. 100 ff. Teil 1 BA 1), mit dem sie sich auf die Unwirksamkeit der 52. Änderung des FNP berief und eine Ersetzung des Einvernehmens des Beigeladenen zu 2) forderte. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2014 aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück (Bl. 143 ff. Teil 1 BA 1).

Nachdem der Widerspruchsbescheid am 29. Oktober 2014 zugestellt worden war (vgl. Bl. 145 Teil 1 BA 1), hat die Klägerin am Montag, den 1. Dezember 2014, Klage erhoben (Bl. 1 ff. GA).

Mit Beschluss vom 27. Januar 2015 (Bl. 42 f. GA) ist das erstinstanzliche Verfahren bis zu einer Entscheidung in dem bei dem erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 12 KN 64/14 geführten Normenkontrollverfahren zum Ruhen gebracht worden, das die 52. Änderung des FNP der Beigeladenen zu 1) zum Gegenstand hatte. Nachdem der Senat mit Urteil vom 23. Juni 2016 – 12 KN 64/14 – (RdL 2018, 59 ff.) die Unwirksamkeit der Ausschlusswirkung der 52. Änderung des FNP festgestellt und sie in einem Eilverfahren (12 MN 156/15) zugleich außer Vollzug gesetzt hatte, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Juli 2016 (Bl. 45 f. GA) die Wiederaufnahme des gerichtlichen Verfahrens erklärt. Daraufhin ist das gerichtliche Verfahren weitergeführt worden (vgl. Bl. 45 [Rückseite], 47 ff. GA).

Unter dem 9. August 2016 hat der Fachdienst Kreisentwicklung des Beklagten dem Fachdienst 63 – Immissionsschutz – des Beklagten unter Berufung auf § 14 Abs. 2 ROG a. F. untersagt, bis zur öffentlichen Bekanntmachung des damals neuen regionalen Raumordnungsprogramms des Beklagten (RROP 2016) – längstens jedoch auf zwei Jahre befristet – über den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Vorbescheids zu entscheiden (Bl. 14 f. Teil 2 BA 1).

Das Amt für regionale Landesentwicklung O. hat das RROP 2016 mit Verfügung vom 15. Dezember 2016 unter Maßgaben und Nebenbestimmungen, deren Ersteren der Kreistag des Beklagten in seiner Sitzung am 19. Dezember 2016 beitrat, genehmigt, wobei er zugleich eine entsprechend veränderte Fassung der Satzung beschlossen hat. Die Erteilung der Genehmigung vom 15. Dezember 2016 hat der Beklagte erstmals in seinem Amtsblatt Nr. 19/2016 vom 22. Dezember 2016, S. 34, bekanntgemacht. Sie ist in der Zeit von Mitte August bis Mitte Dezember 2017 noch drei weitere Male wiederholt worden (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 12.4.2021 - 12 KN 159/18 -, BauR 2021, 1061 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 7 und 10).

Mit E-Mail vom 6. März 2017 (Bl. 4 f. BA 2) hielt die Klägerin dem Vorhalt des Beklagten, ihrem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids fehlten zur Bescheidungsreife „Aussagen zur Umweltverträglichkeit“, entgegen, dass „die entsprechende Prüfung“ von ihm selbst vorzunehmen sei und bat um die Bezeichnung ggf. benötigter weiterer „Aussagen bzw. Unterlagen“. Daraufhin verwies der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 9. März 2017 (Bl. 6 f. BA 2) hinsichtlich der hier noch umstrittenen WEA 1 und 3 auf entgegenstehende Ziele des RROP 2016 und im Übrigen auf § 6 Abs. 3 und 4 UVPG a. F. In der Folgezeit legte die Klägerin verschiedene Gutachten vor, die sich mit den Umweltauswirkungen der WEA 1 bis 3 oder (nur) denjenigen der WEA 2 befassten (vgl. Bl. 346 f. BA 2).

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren in der mündlichen Verhandlung abgetrennt (Bl. 139 GA), soweit die Klägerin einen positiven immissionsschutzrechtlichen Vorbe-scheid für die Errichtung und den Betrieb der WEA 2 (Gemarkung K., Flur 4, Flur-stücke 32/1 und 30/1) begehrt, und der Klage in dem abgetrennten Verfahren (Az: 4 A 691/18) durch ein (inzwischen rechtskräftiges) Bescheidungsurteil (Bl. 169 ff. BA 2) teilweise stattgegeben. In dem Tatbestand bzw. den Entscheidungsgründen dieses Bescheidungsurteils heißt es unter anderem:

„Die Klägerin begehrt die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids für die Errichtung und den Betrieb von einer Windenergieanlage (WEA). …

Die von der Klägerin begehrte weitergehende Verpflichtung des Beklagten, ihr den begehrten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid (ggf. unter Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange) zu erteilen, kommt hingegen nicht in Betracht. Die Klägerin plant eine Windenergieanlage, die im Zusammenhang mit fünf weiteren Windenergieanlagen steht, deren Vorbescheidung die Klägerin mit den Verfahren 4 A 4353/16 [Erläuterung des erkennenden Senats: nunmehr 12 LB 110/19] und 4 A 4355/16 [Erl. d. e. Sen.: nunmehr 12 LB 111/19] begehrt. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Nr. 1.6.2 der Anlage 1 (Liste ‚UVP-pflichtige Vorhaben‘) findet bei der Errichtung und dem Betrieb einer Windfarm bei 6 bis weniger als 20 Windkraftanlagen eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls statt. Der Begriff der Windfarm ist in § 2 Abs. 5 UVPG n.F. legaldefiniert. Danach bilden drei oder mehr Windenergieanlagen, die sich in ihrem Einwirkungsbereich überschneiden und die in einem funktionalen Zusammenhang stehen, eine Windfarm. Hierzu zählen die von der Klägerin geplanten sechs Anlagen, auch wenn es sich ausschließlich um bislang nur geplante Anlagen handelt (vgl. nur OVG NRW, Beschl. v. 13.09.2017 - 8 B 1373/16 -, Rn. 6, juris).

Daher bedarf das streitgegenständliche Vorhaben der Klägerin zur Ermittlung seiner Auswirkungen auf die Umwelt – auch im Fall einer Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange – einer allgemeinen Umweltverträglichkeitsvorprüfung, die der Beklagte noch nicht vorgenommen hat, ohne die aber der Vorbescheid nicht erteilt werden kann. Diese Prüfung vorzunehmen, ist nicht die Aufgabe des Gerichts. …

Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist das Gericht nicht verpflichtet, die Spruchreife der Sache herbeizuführen, weil dem Beklagten die Durchführung der allgemeinen UVP-Vorprüfung obliegt.“

Zur Begründung ihrer Klage in dem hiesigen verbliebenen Rechtsstreit hat die Klägerin unter anderem Folgendes vorgebracht:

Die 52. Änderung des FNP stehe ihrem Vorhaben nicht (mehr) entgegen. Dasselbe gelte für das RROP 2016, weil es unwirksam, da formell und materiell rechtswidrig sei. Sie habe alle für eine Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Wenn der Beklagte eine Umweltverträglichkeitsprüfung fordere, sei unklar, welche (weiteren) Unterlagen sie vorlegen solle. Vergebens habe sie bei ihm zu erfahren versucht, welche Anlagen in den Blick zu nehmen seien. Zudem verfüge er bereits über zahlreiche Unterlagen. Der Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids müsse zur Erschließung nicht mehr Angaben enthalten, als dass das Grundstück wegemäßig erschlossen sei. Angaben zu Schall und Schatten, Natur und Landschaft seien in diesem Verfahrensstadium noch entbehrlich. Im Übrigen dürften dem Beklagten sämtliche Informationen aus der Aufstellung des Flächennutzungsplans bereits vorliegen. Naturschutzrechtliche Bedenken habe die Untere Naturschutzbehörde nicht geäußert. Sie, die Klägerin, habe den Verdacht, dass die Behörden das Verfahren so lange hinauszuzögern suchten, bis für das Gebiet der Beigeladenen zu 1) ein neuer Flächennutzungsplan in Kraft getreten sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 10. Juni 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 zu verpflichten, ihr den beantragten positiven immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für Errichtung und Betrieb von zwei WEA vom Typ Enercon E-101 auf den Grundstücken in A-Stadt Gemarkung K., Flur 4, Flurstücke 37/1 und 28/5 zu erteilen.

2. hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 10. Juni 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 zu verpflichten, ihr den beantragten positiven immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für Errichtung und Betrieb von zwei WEA vom Typ Enercon E-101 auf den Grundstücken in A-Stadt, Gemarkung K., Flur 4, Flurstücke 37/1 und 28/5 unter Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange zu erteilen.

3. hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 10. Juni 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 zu verpflichten, über den gestellten Vorbescheidsantrag für zwei WEA vom Typ Enercon E-101 auf den Grundstücken in A-Stadt, Gemarkung K., Flur 4, Flurstücke 37/1 und 28/5 neu zu entscheiden.

4. hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 10. Juni 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 zu verpflichten, über den gestellten Vorbescheidsantrag für zwei WEA vom Typ Enercon E-101 auf den Grundstücken in A-Stadt, Gemarkung K., Flur 4, Flurstücke 37/1 und 28/5 unter Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange neu zu entscheiden.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben darauf verwiesen, dass das RROP 2016 ordnungsgemäß zustande gekommen sei, jedenfalls die Klägerin sich an seinen Zielen festhalten lassen müsse. Die Beigeladene zu 1) hat auch geltend gemacht, dass im Rahmen einer Vorprüfung zu berücksichtigen wäre, dass fünf der kumulierten WEA in einem Landschaftsschutzgebiet lägen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 23. Januar 2018 abgewiesen und das begründet wie folgt:

Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der streitgegenständlichen beiden WEA noch auf entsprechende Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts. Denn die Verwirklichung ihres Vorhabens würde öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigen. Es stehe nämlich mit den Vorgaben unter Kapitel 4.2.1 [Ziffer 03 Satz 2 bzw. Ziffer 02 Satz 5 Tiret 2 i. V. m. Anlage 1] des RROP 2016 [Bl. 36 BA 2, Bd. 6, zu 12 LB 111/19] nicht im Einklang, wonach Windenergieanlagen in einem Abstand von weniger als 500 m zu Wohnbebauung und im LSG „M. N.“ ausgeschlossen seien.

Die genannten Vorgaben unter Kapitel 4.2.1 des RROP 2016 stünden dem Vorhaben zwar nicht als Ziele der Raumordnung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB entgegen, weil das RROP 2016 unter beachtlicher Verletzung von Formvorschriften zustande gekommen und deshalb (noch) nicht wirksam in Kraft getreten sei. Sie könnten ihm aber als in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung, und damit als unbenannter öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, entgegengehalten werden. Hierzu müssten sie sich unter anderem als frei von Wirksamkeitshindernissen erweisen. Daran bestünden jedoch keine Zweifel.

Insbesondere der Ausschluss von WEA im LSG „M. N.“ sei nicht zu beanstanden. Er könne auf der Grundlage des § 1 [Satz 1] Nr. 3 BNatSchG als Ziel der Raumordnung festgesetzt werden. WEA könnten grundsätzlich das Landschaftsbild verunstalten, wenn es sich um eine wegen ihrer Schönheit und Funktion besonders schutzwürdige Umgebung oder um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handele. Eine Verunstaltung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 Nr. 5 BauGB liege vor, wenn eine WEA dem Orts- oder Landschaftsbild in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen sei und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden werde. In LSG solle das Landschaftsbild erhalten werden; der Bau einer WEA dort bedeute deshalb grundsätzlich einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild. Der Beklagte habe jedes seiner LSG untersucht und auf der Basis der Landschaftsschutzverordnungen dahingehend geprüft, ob WEA dort eine verunstaltende Wirkung zukomme. Die in Tabelle 4.2.1-02 [BA 2, Bd. 5, S. 124 – 140] beschriebenen LSG seien dann für WEA ausgeschlossen worden, wenn drei bestimmte Charakteristika erfüllt seien. In der Tabelle (Begründung des RROP [BA 2, Bd. 5, zu 12 LB 111/19], S. 124) komme der Beklagte zu dem Ergebnis, dass dem LSG „M. N.“ eine Verunstaltung des Landschaftsbildes bei einer Errichtung von Windenergieanlagen drohe. Wenn die Klägerin meine, der Beklagte wende seine Beurteilungskriterien insoweit unrichtig an, überzeuge dies nicht. Natürlich hätten sich seit der Unterschutzstellung 1967 die für eine Ausweisung als LSG maßgeblichen Kriterien insoweit geändert, als z. B. der „Naturgenuss“ eine Ausweisung heute nicht mehr zu tragen vermöge. Dass es nach § 2 der LSG-VO im Schutzbereich verboten sei, Veränderungen vorzunehmen, die geeignet seien, die Natur zu schädigen oder das Landschaftsbild zu verunstalten, nehme die Klägerin nicht in den Blick. Wenn bei der Ausweisung des LSG in 1967 die jetzt in § 1 Abs. 3 Nr. 4 BNatSchG anerkannte Bedeutung der erneuerbaren Energie nicht berücksichtigt worden sei, sei dies dem technischen Fortschritt geschuldet, zwinge den Beklagten in seinem Abwägungsprozess aber nicht, Belangen der erneuerbaren Energie stets den Vorrang zu geben. Im Übrigen verbiete es § 3 Buchst. d) LSG-VO, im Landschaftsschutzgebiet „insbesondere …. Drahtleitungen, soweit sie nicht den unmittelbaren an das Schutzgebiet grenzenden Hofbetrieben dienen, zu errichten“. 1967 habe der Verordnungsgeber Hochspannungsleitungen als eine Möglichkeit gesehen, das Landschaftsbild des M. N. zu verunstalten. Jedenfalls was die Höhenausdehnung angehe, sollten solche landschaftsbildfremde, technisch geprägte Erscheinungen verboten sein. Diesen Gedanken greife die Tab. 4.2.1-02 der Begründung des RROP (S. 124) auf, wonach der Flusslauf der P. mit Altarmen und begleitenden Waldungen in einer reichhaltig strukturierten Kulturlandschaft mit bewaldeten Steilrändern schutzwürdig sei. Wenn die Klägerin bemängele, der Beklagte hätte jedenfalls eine Befreiung von dem Verunstaltungsverbot erteilen müssen, überzeuge das auch nicht.

Nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils hat die Klägerin am 26. März 2018 die Zulassung der Berufung beantragt.

Unter dem 26. Juni 2018 hat der Beklagte auf Drängen der Klägerin und unter Berücksichtigung (vgl. Bl. 230 f. BA 2) der oben zitierten Passage aus dem in dem abgetrennten Verfahren (Az: 4 A 691/18) ergangenen erstinstanzlichen Urteil das behördliche Verfahren zur Genehmigung der WEA 2 fortgeführt. Er hat hierzu für das gesamte Vorhaben der Klägerin (d. h. die WEA 1, 2 und 3) unter Zitierung der Anlage 2 zu § 3c des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in einer vor dem 16. Mai 2017 geltenden Fassung eine allgemeine Vorprüfung der Umweltverträglichkeit durchgeführt (Bl. 235 ff. [239] BA 2 = Anlage IV z. d. SchS d. Bekl. v. 4.8.2021), bei der er insgesamt elf WEA (vgl. Bl. 195 BA 2) als kumulierende Vorhaben berücksichtigte. Er ist hierbei zu dem Ergebnis gelangt, dass durch die Errichtung der geplanten drei WEA im Zusammenwirken mit den weiteren kumulierenden WEA (vgl. Bl. 77 GA) – unter anderem denjenigen, die in dem Parallelprozess 12 LB 111/19 umstritten sind – erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auf die Schutzgüter des UVPG, insbesondere der Avifauna (Vögel), zu erwarten seien (Totschlag, Scheuch- und Barrierewirkung). Durch mehrere im Wirkraum der kumulierenden Anlagen vorkommende streng geschützte Arten, die gemäß der Roten Liste Niedersachsen als gefährdet, stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht seien, verschärfe sich dieser Umstand. Die Errichtung von WEA im LSG, in den verbleibenden, bedeutsamen Sichtachsen der Ortschaft K. und an Landschaftsbildeinheiten „mit sehr hoher Bedeutung angrenzenden Räumen“ könne zudem erhebliche Umweltauswirkungen hervorrufen. Ob diese nachteiligen Umweltauswirkungen durch Minderungs- und Vermeidungsmaßnahmen unter die Erheblichkeitsschwelle reduziert werden könnten, könne nach dieser Vorprüfung nicht abschließend beurteilt werden. Aus naturschutzbehördlicher Sicht seien durch das geplante Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auf die Schutzgüter des UVPG zu erwarten. Demnach sei die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für das beantragte Vorhaben erforderlich.

Der Beklagte hat von der Klägerin im Verfahren zur Erteilung eines Vorbescheids für die WEA 2 unter dem 26. Juni 2018 eine umfassende Umweltverträglichkeitsstudie erbeten (vgl. Bl. 241 f. BA 2). Diese hat die Klägerin aus Sicht des Beklagten bislang nicht vorgelegt, sodass auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung bislang nicht vorgenommen worden ist.

Der Rat der Beigeladenen zu 1) hat in seiner Sitzung vom 14. November 2018 eine 60. Änderung des FNP beschlossen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 12.4.2021 - 12 KN 11/19 -, BauR 2021, 1403 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 16), die erneut eine Konzentrationsflächenplanung enthielt, welche diejenige der 52. Änderung des FNP ersetzen sollte und deren beabsichtigte Ausschlusswirkung dem hier noch umstrittenen Vorhaben ebenfalls entgegenstand. Der Beklagte hat diese 60. Änderung mit Schreiben vom 28. November 2018 genehmigt. Diese Genehmigung ist in seinem Amtsblatt vom 3. Dezember 2018 veröffentlicht worden.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 27. Juni 2019 (Bl. 392 ff. GA) wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils die Berufung zugelassen. Nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses am 1. Juli 2019 (Bl. 401 GA) und Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum Ablauf des 1. Oktober 2019 (Bl. 408 GA) hat die Klägerin ihr Rechtsmittel mit einem am 26. September 2019 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 420 ff. GA) begründet.

Der Senat hat mit Normenkontrollurteilen vom 12. April 2021 – 12 KN 159/18 – und –12 KN 11/19 – (BauR 2021, 1061 ff., bzw. BauR 2021, 1403 ff., hier jeweils zitiert nach juris) das Kapitel Windenergie des RROP 2016 bzw. die beabsichtigte Ausschlusswirkung (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) der 60. Änderung des FNP für unwirksam erklärt. Beide Urteile sind rechtskräftig.

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen Folgendes geltend:

Der Beklagte nehme zu Unrecht an, dass es im Verfahren zur Erteilung des begehrten Vorbescheids einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfe. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 5. Oktober 2020 – 8 A 894/17 – sei auf der Grundlage der geänderten Definition der Windfarm in § 2 Abs. 5 UVPG davon auszugehen, dass die in dem Parallelprozess 12 LB 111/19 umstrittenen, nördlich von K. geplanten drei WEA und die westlich von K. projektierten WEA 1 bis 3, von denen die WEA 1 und 3 streitgegenständlich seien, jeweils für sich eine Windfarm bildeten und getrennt voneinander zu beurteilen seien. Vor dem Hintergrund, dass es sich jeweils nur um drei WEA handele, wäre dann gemäß § 7 Abs. 2 UVPG i. V. m. Nr. 1.6.3 der Anlage 1 lediglich eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls, aber keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich.

Weder die ehedem in Aufstellung befindlichen und später beschlossenen Negativziele des RROP 2016 noch eine Ausschlusswirkung der 60. Änderung des FNP der Beigeladenen zu 1) stünden ihrem Vorhaben entgegen; denn beide seien unwirksam.

Die LSG-VO für das „M. N.“ vom 8. Februar 1967 sei ebenfalls kein Hindernis für die Erteilung des begehrten Vorbescheids.

Es sei davon auszugehen, dass die LSG-VO jedenfalls im Bereich der geplanten WEA funktionslos geworden sei. Denn zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung des Gebietes seien dort noch Weideflächen gewesen. Nördlich der geplanten Anlagenstandorte befänden sich nun seit langem zwei doppelstöckige Hähnchenmastställe (vgl. Bl. 482 GA), und es handele sich bei dem von dem Vorhaben betroffenen Teilgebiet um mittlerweile intensiv ackerbaulich genutzte, ausgeräumte Flächen, die nicht mehr wegen ihrer Vielfalt, Eigenart – namentlich ihrer Schönheit – oder kulturhistorischen Bedeutung besonders schutzwürdig seien. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der veränderten gesellschafts- und klimapolitischen Situation, die durch die verfassungsgerichtlich bestätigte Verpflichtung zum Klimaschutz (Art. 20a GG) gekennzeichnet sei.

Jedenfalls aber könne eine Landschaftsschutzverordnung, die – wie die LSG-VO – noch auf der Grundlage der §§ 5 und 19 RNatSchG erlassen worden sei, Ausschnitte aus einer größeren Landschaft nur insoweit schützen, als es die Bewahrung vor Verunstaltungen betreffe. Die Entlassungen von Flächen aus dem Schutzgebiet der LSG-VO in den Jahren 1982, 1984 und 1996 führten nicht zu einer Veränderung des Schutzregimes für die verbleibenden Altflächen, in denen der geplante Standort der WEA 3 liege. Nach § 2 LSG-VO sei es in dem in § 1 LSG-VO genannten Schutzbereich verboten, Veränderungen vorzunehmen, die geeignet seien, das Landschaftsbild zu verunstalten. Nach § 4 Abs. 1 Buchst. a) LSG-VO bedürfe zur Vermeidung der in § 2 LSG-VO genannten schädigenden Wirkungen das Errichten von Bauten aller Art einer bauaufsichtlichen Genehmigung. Gemäß § 4 Abs. 2 LSG-VO dürfe die Zustimmung nur versagt werden, wenn das Vorhaben geeignet sei, eine der in § 2 LSG-VO genannten schädigenden Wirkungen hervorzurufen. Eine Verunstaltung des Landschaftsbildes könne hier im konkreten Einzelfall nicht angenommen werden. Die Landschaft werde durch Maßnahmen verunstaltet, die in der Umgebung als hässlich empfunden würden, das ästhetische Empfinden verletzten sowie die Forderung nach Abhilfe hervorriefen. WEA gehörten aufgrund ihrer Privilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB heute zum typischen Bild des Außenbereichs. Ihre Errichtung und der Ausbau der erneuerbaren Energien sei gesetzgeberisches Ziel (§ 1 EEG, § 1 Abs. 3 Nr. 4 BNatSchG). Insofern würden sie heute nicht als derart hässlich empfunden, dass man in jedem Fall von einer Verletzung des ästhetischen Empfindens ausgehen könne. Vielmehr müssten hierfür Wirkungen hinzukommen, die über die üblichen Wirkungen von WEA hinausgingen. Dafür sei hier aber nichts ersichtlich. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass WEA nur für einen vorübergehenden Zeitraum errichtet würden, dass der Verlauf der Gebietsgrenze des hiesigen LSG willkürlich dem Straßenverlauf angepasst sei und dass im vorliegenden Falle der Bereich des LSG, in dem die WEA 3 stehen solle, abtrennbar sei und künftig durch erhebliche Vorbelastungen geprägt sein werde. Abtrennbar sei der betroffene Bereich, weil es sich um landwirtschaftlich genutzte Flächen handele, die durch einen Wald vom übrigen LSG abgegrenzt seien und da der Standort der WEA 3 in einem „Zipfel“ geplant sei, der aus der übrigen Kulisse des LSG hervorsteche. Dort werde es zudem durch die WEA 1 und 2 künftig zu Vorbelastungen kommen. Deshalb würde die WEA 3 nicht mehr erheblich zu bereits vorhandenen (Hähnchenmastställe im LSG, bereits vorhandene WEA und Freileitung östlich des LSG – vgl. Bl. 482 GA) bzw. absehbar erfolgenden Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes beitragen.

Zumindest hätten der Beklagte und die Vorinstanz eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG in Betracht ziehen müssen. Denn zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung des „M. N.“ im Jahr 1967 hätten WEA noch nicht zu den privilegierten Außenbereichsvorhaben (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) gezählt, und die Förderung des Naturschutzes durch erneuerbare Energien (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 BNatSchG) habe damals noch nicht im Fokus gestanden. Insofern sei zweifelhaft, ob eine Unterschutzstellung heute genauso ausfallen würde. Man habe es mit einer atypischen Situation zu tun, die eine Befreiung rechtfertige, weil die Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien umweltpolitisch gewollt sei und die Nutzung solcher Energien einem wichtigen umweltpolitischen Ziel und damit auch dem Allgemeinwohl diene. Die Gewährung einer Befreiung stehe im Ermessen des Beklagten, der die Belange des Klimaschutzes mit besonderem Gewicht zu berücksichtigen habe. Dies werde durch die Neufassung des niedersächsischen Windenergieerlasses bestätigt, der unter Nr. 3.6.1 die Möglichkeit einer Befreiung von Verboten einer LSG-VO betone und abschließend die Voraussetzungen hierfür durch die Beschreibung eben jener Konstellation zusammenfasse, die hier vorliege. Es wäre allerdings Aufgabe des Beklagten und nicht des Gerichts, die bisher unterlassene Prüfung einer Befreiung vorzunehmen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 420 f. GA),

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils

1. den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 10. Juni 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 zu verpflichten, ihr den beantragten positiven immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für Errichtung und Betrieb von zwei WEA vom Typ Enercon E-101 auf den Grundstücken in A-Stadt, Gemarkung K., Flur 4, Flurstücke 37/1 und 28/5, zu erteilen,

2. hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 10. Juni 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 zu verpflichten, ihr den beantragten positiven immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für Errichtung und Betrieb von zwei WEA vom Typ Enercon E-101 auf den Grundstücken in A-Stadt, Gemarkung K., Flur 4, Flurstücke 37/1 und 28/5, unter Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange zu erteilen,

3. hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 10. Juni 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 zu verpflichten, über den gestellten Vorbescheidsantrag für zwei WEA vom Typ Enercon E-101 auf den Grundstücken in A-Stadt, Gemarkung K., Flur 4, Flurstücke 37/1 und 28/5, neu zu entscheiden,

4. hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 10. Juni 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 zu verpflichten, über den gestellten Vorbescheidsantrag für zwei WEA vom Typ Enercon E-101 auf den Grundstücken in A-Stadt, Gemarkung K., Flur 4, Flurstücke 37/1 und 28/5, unter Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat zunächst sein RROP 2016 sowie die 60. Änderung des FNP verteidigt. Im Übrigen ist er der Meinung, dass den von der Klägerin geplanten WEA eine das Landschaftsbild verunstaltende Wirkung im Sinne des § 2 LSG-VO zukäme. Auch eine Befreiung von den Vorgaben der LSG-VO nach Maßgabe des § 67 Abs. 1 BNatSchG komme nicht in Betracht, zumal sich der Inhalt des § 2 LSG-VO nicht auf ein Verunstaltungsverbot beschränke.

Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag (vgl. Bl. 499 ff., 549 ff. und 563 f. GA).

Sie hat ebenfalls das RROP 2016 sowie die 60. Änderung ihres FNP verteidigt. Außerdem ist sie der Auffassung, dass die Erwägungen der Klägerin, wonach eine sich – wie hier – auf die §§ 5 und 19 RNG stützende Verordnung Ausschnitte des Landschaftsraumes nur vor Verunstaltungen schützen könne, der Überzeugungskraft entbehrten. Denn nach den genannten Bestimmungen des Reichsnaturschutzgesetzes hätten Eingriffe abgewehrt werden können, welche die Natur ohne zwingende Notwendigkeit verunstalteten, schädigten oder den Naturgenuss beeinträchtigten. Hiermit übereinstimmend stelle § 2 LSG-VO klar, dass es im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung untersagt sei, Veränderungen vorzunehmen, die geeignet seien, die Natur zu schädigen, den Naturgenuss zu beeinträchtigen oder das Landschaftsbild zu verunstalten, und unterwerfe § 4 Abs. 1 Buchst. a) LSG-VO Bauten aller Art einem Zustimmungsvorbehalt, der die Naturschutzbehörde zur Versagung ihrer Zustimmung berechtige, wenn ein Bauvorhaben geeignet sei, eine der in § 2 LSG-VO genannten schädigenden Wirkungen hervorzurufen. Die Verunstaltung des Landschaftsbildes sei hiernach nicht die einzige Wirkung, die zur Versagung der Zustimmung berechtige. Es lasse sich aber nicht ernstlich in Abrede stellen, dass die heute üblichen WEA, die einerseits zu Verlusten in der Vögel- und Fledermausfauna beitrügen und anderseits durch Schall, Schattenschlag und visuelle Effekte auffielen, die Natur schädigten bzw. den Naturgenuss beeinträchtigten. Es komme daher nicht einmal darauf an, ob die geplanten WEA verunstaltend wirkten. Das – für eine Versagung ausreichende – Potenzial zu verunstalten wohne ihnen mit ihren weit ausladenden Rotoren allemal inne.

Der Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag und lässt sich im Berufungsverfahren zur Sache nicht ein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, die Beiakten des vorliegenden Gerichtsverfahrens und die Beiakten 2 und 3 des Parallelprozesses 12 LB 111/19 verwiesen. Diese Unterlagen sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung im Senat gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist im Hauptantrag und in den Hilfsanträgen zu 2. und 4. unbegründet. Sie hat lediglich mit dem Hilfsantrag zu 3. einen teilweisen Erfolg.

A) Mit dem Hauptantrag bleibt die zulässige Berufung der Klägerin erfolglos, weil die Sache nicht spruchreif ist und der Senat die ihr infolge des „steckengebliebenen Genehmigungsverfahrens“ fehlende Spruchreife nicht herzustellen hat.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Endes der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz vermag weder die Begründung des angefochtenen Urteils die Abweisung der Klage zu rechtfertigen noch tragen die Gründe der angefochtenen Bescheide die Versagung eines positiven Vorbescheides. Denn der Senat hat sowohl die dem Vorhaben der Klägerin vermeintlich entgegenstehenden – von dem Verwaltungsgericht ehedem für in Aufstellung gehaltenen – Ziele des RROP 2016 als auch die Ausschlusswirkung der 52. (und 60.) Änderung des FNP rechtskräftig – und damit nach § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO allgemein verbindlich – für unwirksam erklärt.

Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand lässt sich deshalb ein Anspruch der Klägerin auf die Erteilung eines positiven Vorbescheides nicht unabhängig von der Umweltverträglichkeit des Vorhabens verneinen, und der Senat hat die Spruchreife der Sache nicht herzustellen, weil weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde noch als Ergebnis einer behördlichen Vorprüfung eine behördliche Feststellung vorliegt, nach der das Vorhaben nicht UVP-pflichtig ist.

Wie sich aus § 29 Abs. 1 Satz 1 UVPG und den §§ 1 Abs. 2, 23 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. 20 Abs. 1a und 1b (insbesondere Satz 4) – der 9. BImSchV schließen lässt, soll zum Zwecke der Umweltvorsorge in Verwaltungsverfahren zur Erteilung eines Vorbescheids für solche Vorhaben, die in der Errichtung und dem Betrieb einer UVP-pflichtigen Anlage bestehen, nur auf der Grundlage einer behördlichen Umweltverträglichkeitsprüfung stattgebend entschieden werden. Soweit ein Vorhaben – wie hier im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 UVPG i. V. m. Nr. 1.6.2 und 1.6.3 der Anlage 1 – einer behördlichen Vorprüfung (vgl. § 74 Abs. 1 UVPG i. V. m. §§ 3c und 3e UVPG a. F. bzw. nunmehr §§ 7, 9 Abs. 4 UVPG) bedarf, die ihrerseits gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3
UmwRG i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt, kann das Gericht grundsätzlich nur dann auf eine Verpflichtungsklage des Vorhabenträgers „durchentscheiden“ (und muss ggf. die Sache dafür spruchreif machen), wenn entweder eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist
oder wenn eine die UVP-Pflicht des Vorhabens verneinende Vorprüfung vorliegt, die dem Maßstab des § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG genügt. Anderes gilt lediglich, wenn ohne weitere Ermittlungen eine Klageabweisung aus Erwägungen erfolgen kann, die von der Umweltverträglichkeit des Vorhabens unabhängig sind, oder (möglicherweise) – aus Gründen der Verfahrensökonomie – in solchen Fällen, in denen sich mit geringem Aufwand ein Sachverhalt ermitteln lässt, mit dem wahrscheinlich die Spruchreife für eine klageabweisende Entscheidung hergestellt werden kann. Dagegen scheidet es aus, dass das Gericht eine versäumte oder den Maßstab des § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG verfehlende Vorprüfung, in der eine UVP-Pflicht des Vorhabens festgestellt wird, durch eine diese Pflicht verneinende eigene Vorprüfung ersetzt oder dass es seinerseits eine etwa erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung durchführt, um damit absolute Fehler (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie Satz 2 UmwRG) des behördlichen Verfahrens selbst zu beheben. Denn dies entspräche nicht der beschränkten gerichtlichen Kontrollfunktion bzw. würde – etwa Hinblick auf das denkbare Erfordernis einer Öffentlichkeitsbeteiligung – die begrenzten Möglichkeiten des Verwaltungsprozesses überfordern.

Weder ein klagender Vorhabenträger noch eine verfahrensfehlerhaft handelnde Genehmigungsbehörde haben deshalb aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes bzw. der Verwaltungsökonomie vorbehaltlose Ansprüche auf ein „Durchentscheiden“. Vielmehr gelten insoweit die Grundsätze über das „steckengebliebene Genehmigungsverfahren“, die auch auf das Verfahren zur Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids Anwendung finden (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 21.4.2010 - 12 LC 9/07 -, BauR 2010, 1556 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 78, und OVG NRW, Urt. v. 21.4.2020 – 8 A 311/19 -, ZNER 2020, 274 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 127 ff.), dessen unselbständige Bestandteile eine Umweltverträglichkeitsprüfung (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV) und eine Vorprüfung in Fällen wie dem vorliegenden sind (vgl. § 74 Abs. 1 UVPG i. V. m. § 3a Satz 1 Variante 3 UVPG a. F. bzw. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UVPG).

Die hier – auch für die noch umstrittenen WEA 1 und 3 – von Amts wegen durchgeführte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vom 26. Juni 2018 (Bl. 235 ff. BA 2) hat zur behördlichen Feststellung der UVP-Pflicht des Vorhabens geführt. Da der Senat diese Feststellung weder durch eine gegenteilige eigene ersetzen kann noch die behördlich für erforderlich gehaltene Umweltprüfung bereits durchgeführt ist oder gerichtlich durchzuführen wäre, kommt im vorliegenden Falle ein „Durchentscheiden“ grundsätzlich nicht in Betracht. Es gilt auch nicht deshalb (teilweise) etwas Anderes, weil die untere Naturschutzbehörde des Beklagten die WEA 3 bereits infolge der Belegenheit in dem LSG „M. N.“ – verwaltungsintern – für nicht genehmigungsfähig gehalten hat, sich die Klägerin dagegen im hiesigen gerichtlichen Verfahren wendet und die Beteiligten auch insoweit bereits streiten. Denn Gegenstand der Prüfung der Umweltverträglichkeit sind gemäß § 1a Satz 1 Nr. 2 und 3 der 9. BImSchV u. a. auch die für die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bedeutsamen Auswirkungen einer UVP-pflichtigen Anlage auf die Schutzgüter Tiere, Pflanzen und Landschaft. Insbesondere die unter den Beteiligten strittigen Fragen, ob die LSG-VO funktionslos geworden ist, die umstrittene WEA 3 geeignet wäre, in dem LSG „M. N.“ die Natur zu schädigen und/oder das Landschaftsbild zu verunstalten (§ 2 LSG-VO), ob insoweit eine Ausnahme nach § 5 LSG-VO bewilligt und ob eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG gewährt werden kann, stehen alle im Zusammenhang mit der etwa zu prüfenden Umweltverträglichkeit des Vorhabens, durch welche dann eine zu berücksichtigende Grundlage für die entsprechende Rechtsanwendung geschaffen würde (vgl. § 23 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 20 Abs. 1b Satz 4 der 9. BImschV). Es ist also im vorliegenden Falle nicht möglich, der Klage aus Erwägungen stattzugeben, die diese Streitfragen entscheiden und doch von der Umweltverträglichkeit des Vorhabens unabhängig sind. Umgekehrt lässt sich auch der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht mit geringem Aufwand ausermitteln, um damit die voraussichtliche Grundlage für eine Klageabweisung zu schaffen. Dies alles gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer etwaigen Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG im Ermessen des Beklagten stünde.

B) Mit dem Hilfsantrag zu 2. bleibt die zulässige Berufung der Klägerin ebenfalls ohne Erfolg.

1. Zum einen kann dieser Antrag nicht in zulässiger Weise vorrangig gegenüber dem Hilfsantrag zu 3. gestellt werden, weil das mit dem Hilfsantrag zu 3. verfolgte Klagebegehren (§ 88 VwGO) als ein Minus bereits in dem mit dem Hauptantrag verfolgten Klagebegehren enthalten ist.

2. Zum anderen ist der Hilfsantrag zu 2. unzulässig, weil die Klägerin vor der entsprechenden (hilfsweisen) Erweiterung ihrer ursprünglichen Verpflichtungsklage (vgl. Bl. 1 f. GA) in der mündlichen Verhandlung erster Instanz (vgl. Bl. 140 GA) entgegen § 68 VwGO keinen mit diesem Klagebegehren korrespondierenden Antrag auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens „unter Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange“ bei dem Beklagten gestellt hatte, der von diesem abschlägig beschieden und dessen Bescheidung in einem Vorverfahren überprüft wurde. In Ermangelung eines solchen Antrags im Verwaltungsverfahren ist der Hilfsantrag zu 3. auch nicht nach § 75 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulässig.

Vielmehr unterliegt die Klägerin einem Irrtum, indem sie offenbar annimmt, in dem Begehren nach einem Vorbescheid über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens „unter Ausklammerung artenschutzrechtlicher Belange“ liege im Verhältnis zu dem Begehren nach einem immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens lediglich eine Beschränkung des Klageantrags in der Hauptsache gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO (ähnlich allerdings: OVG NRW, Urt. v. 16.9.2009 - 10 A 3087/07 -, BauR 2010, 208 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 6, 28, 32 und 106 für einen Bauvorbescheid). Denn wie sich unter anderem aus § 9 Abs. 1 BImSchG und § 23 Abs. 1 der 9. BImSchV schließen lässt, ist gerade die bestimmte Angabe, für welche Genehmigungsvoraussetzungen der Vorbescheid beantragt wird, das identitätsstiftende Merkmal des Antrags auf seine Erteilung. Ein Vorbescheid, der ein Weniger an Genehmigungsvoraussetzungen zum Gegenstand hat, ist daher etwas Anderes (aliud) und kein Weniger (minus) im Verhältnis zu einem umfassenderen Vorbescheid. Die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung wird insbesondere vor dem Hintergrund des § 20 Abs. 2 der 9. BImSchV deutlich. Das Ausmaß, in dem die Genehmigungsvoraussetzungen zum Gegenstand des Antragsbegehrens im Verwaltungsverfahren zur Erteilung eines Vorbescheids gemacht werden, entscheidet nämlich über die Zulänglichkeit mit dem Antrag vorgelegter Unterlagen (sowie infolgedessen mittelbar über das Rangverhältnis konkurrierender Genehmigungsanträge nach dem Prioritätsprinzip) und bestimmt über den Umfang der erforderlichen Prüfungen der Genehmigungsbehörde. Ein Antragsteller kann daher nicht die ihm allein obliegende Disposition über das Ausmaß der zum Gegenstand seines Antragsbegehrens gemachten Genehmigungsvoraussetzungen dergestalt faktisch in die Hände der Genehmigungsbehörde legen, dass er – als hilfsweisen Gegenstand desselben Antrags – das Verlangen artikuliert, die Behörde möge doch ggf. einen Vorbescheid unter Ausklammerung einzelner Genehmigungsvoraussetzungen erteilen, falls sie entweder aufgrund ihrer Prüfung die weiteren ursprünglich zum Gegenstand des Antrags gemachter Genehmigungsvoraussetzungen verneine oder sofern ihr die vorgelegten Unterlagen für einen Vorbescheid mit umfassenderem Inhalt nicht ausreichten. Das ergibt sich daraus, dass die Erteilung eines Vorbescheides eine vorläufige positive Gesamtbeurteilung des Vorhabens voraussetzt (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Auflage 2020, § 9 Rn. 11 f.) bzw. dass sich die Genehmigungsbehörde nicht quasi rechtsgutachterlich dergestalt zu den jeweils vom Vorhabenträger vorgelegten Unterlagen zu äußern hat, dass sie zumindest dasjenige als beantragt zu betrachten und positiv zu bescheiden hätte, wozu die vorgelegten Unterlagen gerade noch ausreichten.

Diese Rechtslage spiegelt sich im gerichtlichen Verfahren. Auch dort kann der Vorhabenträger nicht durch hilfsweise Veränderungen des Streitgegenstandes, die keine vorangegangene Entsprechung in gesonderten – kostenpflichtigen – Anträgen im Verwaltungsverfahren hatten, ein gerichtliches „Durchentscheiden“ erreichen.

C) Teilweise erfolgreich ist die Berufung mit dem Hilfsantrag zu 3.

Wie sich bereits aus den obigen Ausführungen unter A) ergibt, liegt hier ein „steckengebliebenes Genehmigungsverfahren“ vor, sodass der Senat ein Bescheidungsurteil zu erlassen hat, weil er die Klage nicht ohne weiteres abzuweisen vermag.

Das entsprechende Klagebegehren der Klägerin geht nun offenbar dahin, dass der Senat dem Beklagten verbindlich alle Rechtsauffassungen vorgeben möge, welche die Klägerin als ihr günstig in dem Prozess bereits vertreten hat. Das bezieht sich insbesondere darauf, dass Verbote der LSG-VO dem Vorhaben nicht entgegenstünden oder von ihnen zumindest zu befreien sei. Ist ein Genehmigungsverfahren „steckengeblieben“, hat das Gericht indessen kein umfassendes Rechtsgutachten zu erstatten. Es muss nicht für umstrittene Sachverhalte, die von der Behörde weder abschließend ausermittelt noch im Außenverhältnis verbindlich beurteilt wurden, bereits vorsorglich festlegen, welche Rechtsstandpunkte die Behörde für welche denkbare Sachverhaltsvariante einzunehmen hätte. Vielmehr hat sich die Rechtsauffassung, die der Behörde verbindlich vorzugeben ist, grundsätzlich auf die Beurteilung desjenigen Verfahrenstandes zu beschränken, der bis zu dem „Steckenbleiben“ des Genehmigungsverfahrens erreicht wurde (1.), und ist von dort aus dann lediglich aufzuzeigen, wie dem Genehmigungsverfahren als Nächstes Fortgang zu geben ist (2.).

1. Im vorliegende Falle muss hiernach allerdings über die umstrittene Rechtmäßigkeit der Feststellung der UVP-Pflicht des Vorhabens entscheiden werden, die der Beklagte – auch für die hier umstrittenen WEA 1 und 3 – im Zuge einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls vom 26. Juni 2018 (Bl. 235 ff. BA 2) getroffen hat. Diese nach § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG vorzunehmende berufungsgerichtliche Überprüfung ergibt, dass das Ergebnis der behördlichen Feststellung einer UVP-Pflicht des Vorhabens nicht nachvollziehbar ist und der Beklagte deshalb zunächst eine erneute Vorprüfung vorzunehmen haben wird.

Im Zuge der Kontrolle der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls vom 26. Juni 2018 (Bl. 235 ff. BA 2) ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b)
UmwRG und § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG, der § 3a Satz 4 UVPG a. F. weitgehend entspricht, aber auch auf Klagen des Vorhabenträgers Anwendung findet (vgl. Dienes, in: Hoppe/Beckmann/Kment [Hrsg.], 5. Aufl. 2018 UVPG/UmwRG, § 5 UVPG Rn. 23), gerichtlich (nur) zu überprüfen, ob aus den gemäß § 3c Satz 6 UVPG a. F. dokumentierten Gründen nachvollziehbar ist, warum der Beklagte eine Umweltverträglichkeitsprüfung für erforderlich erachtete (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 11.3.2019 - 12 ME 105/18 -, BauR 2019, 1136 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 55). Ist eine solche Nachvollziehbarkeit nicht gegeben und hat der Vorhabenträger – hier die Klägerin – nicht gleichwohl (als ein Weniger im Verhältnis zu der nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG möglichen Antragstellung) seine Zustimmung zu der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt, so liegt ein absoluter Verfahrensmangel vor, der im Hinblick auf die Unanwendbarkeit des § 46 VwVfG (vgl. § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG) nur durch Nachholung einer in ihrem Ergebnis nachvollziehbaren Vorprüfung geheilt werden kann. Eine solche Nachholung ist dann aber im Hinblick auf das in § 3a Satz 1 UVPG a. F. (i. V. m. § 74 Abs. 1 UVPG) enthaltene Gebot der unverzüglichen Feststellung der UVP-Pflicht (vgl. auch § 5 Abs. 1 Satz 1 UVPG) der nächste anstehende Verfahrensschritt des Verwaltungsverfahrens.

„Nachvollziehbar“ ist das Ergebnis der Vorprüfung dann, wenn es keine Rechtsfehler aufweist und zudem einer Plausibilitätskontrolle standhält, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist. Abzuheben ist also auf die hier vom Beklagten nach § 3c Satz 6 UVPG a. F. dokumentierte Begründung (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 31.5.2018 - 12 ME 64/18 -, RdL 2018, 273 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 26, m. w. N.).

a) Als rechtsfehlerfrei (und plausibel) anzusehen wäre eine Vorprüfung allerdings von vornherein insoweit, als sie lediglich der Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils (§ 121 VwGO) Rechnung trüge. Dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. Januar 2018 - 4 A 691/18 - (Bl. 169 ff. BA 2) sind aber nach Auffassung des Senats keine den Beklagten bindenden Vorgaben zu entnehmen, die auch das weitere die WEA 1 und 3 betreffende Verwaltungsverfahren betreffen. Das folgt daraus, dass eine Neubescheidung der Klägerin wegen der WEA 1 und 3 nicht Streitgegenstand des abgetrennten gerichtlichen Verfahrens gewesen ist und die Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile nach § 121 VwGO nur an die Entscheidung über den Streitgegenstand anknüpft. Der Senat legt das Urteil vom 23. Januar 2018 - 4 A 691/18 - (Bl. 169 ff. BA 2) und das im hiesigen Verfahren angefochtene erstinstanzliche Urteil nämlich dahin aus, dass sie jeweils auf einer Umdeutung des ursprünglich auf die Erteilung eines Vorbescheids für drei WEA als gemeinsame Anlage (§ 1 Abs. 3 Satz 1 der 4. BImSchV) gerichteten Antrags der Klägerin in einen Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids für allein die WEA 2 und einen weiteren Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids für die WEA 1 und 3 (letztere als quasi „reduzierte“ gemeinsame Anlage) beruhen. Denn das Verwaltungsgericht bezeichnet und behandelt die WEA 2 und das Anlagenpaar aus den WEA 1 und 3 in seinen jeweiligen Urteilen jeweils als „das Vorhaben“. Es hat also offenbar angenommen, es habe – parallel zur Abtrennung des gerichtlichen Verfahrens wegen der WEA 2 – das ursprünglich einheitliche Vorhaben in zwei gesonderten Vorhaben umgewandelt. In diese Richtung weist auch der mit der Ladung zum Termin der mündlichen Verhandlung erster Instanz gegebene Hinweis des vormaligen Berichterstatters (Bl. 91 GA), er gehe davon aus, dass jede zur Vorbescheidung gestellte Anlage „gesondert“ zu prüfen sei. Zwar ließe sich rechtslogisch eher daran denken, das Verwaltungsgericht habe den Antrag der Klägerin mit der Trennung der Prozesse lediglich in die Begehren nach einem Teil-Vorbescheid (vgl. für das Baurecht: Bay. ObLG, Urt. v. 3.12.1979 - RReg 2 Z 84/78 -, RiA 1980, 132 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 5) für die WEA 2 (als einen Teil einer gemeinsamen Anlage aus den WEA 1 bis 3) und einen weiteren Teil-Vorbescheid für die WEA 1 und 3 (als den anderen Teil der gemeinsamen Anlage aus den WEA 1 bis 3) aufgespalten – und hätte ein derartiges Vorgehen möglicherweise Folgen für die (durch Auslegung zu ermittelnde) Reichweite der Rechtskraft eines hierauf aufbauenden Bescheidungsurteils gehabt. Bei einem solchen Geschehen wäre aber nicht verständlich, warum das Verwaltungsgericht in den beiden erstinstanzlichen Urteilen, die die WEA 2 bzw. die WEA 1 und 3 betreffen, nie von dem „streitgegenständlichen Teil des Vorhabens“ spricht. Es bliebe zudem ungereimt, weshalb es in dem unter dem Aktenzeichen 4 A 691/18 ergangenen Urteil nicht in analoger Anwendung des § 8 Satz 1 Nr. 3 BImSchG zu dem Ergebnis gelangt ist, dass (auch) für die WEA 2 kein Anspruch auf eine Neubescheidung bestehe, weil der Errichtung und dem Betrieb der gesamten (gemeinsamen) Anlage wegen der – seines Erachtens – bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit der WEA 1 und 3 von vornherein unüberwindbare Hindernisse entgegenstünden. Beide Ungereimtheiten ließen sich auch nicht dadurch auflösen, dass man annähme, das Verwaltungsgericht habe zwar in den durch Trennung entstandenen beiden Prozessen (zunächst) eine Verpflichtung zur Erteilung von Teil-Vorbescheiden als die Klagebegehren betrachtet. Es habe dann aber im Hinblick darauf, dass es in dem hiesigen Rechtsstreit wegen der WEA 1 und 3 die Klage für insgesamt abweisungsreif hielt, das Klagebegehren (nur) in dem unter dem Aktenzeichen - 4 A 691/18 - geführten Prozess dahin umgedeutet, dass es auf die Erteilung eines Vorbescheides für das (aus seiner Perspektive) allein noch verwirklichungsfähige Vorhaben der WEA 2 ziele. Denn im vierten und fünften Absatz auf der Seite 6 (= Bl. 174 BA 2) des unter dem Aktenzeichen 4 A 691/18 ergangenen Urteils werden alle fünf weiteren geplanten WEA der Klägerin gerade für den Fall der erwarteten künftigen Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens wegen der WEA 2 wieder in die Betrachtung einbezogen, obwohl die Vorinstanz diese fünf WEA nicht für genehmigungsfähig gehalten hat. Dies erscheint allerdings widersprüchlich. Immerhin hat das Verwaltungsgericht in seinem Bescheidungsurteil zugleich zu erkennen gegeben, dass es diese übrigen fünf WEA – darunter die WEA 1 und 3 des hiesigen Rechtsstreits – in dem unter dem Aktenzeichen 4 A 691/18 geführten Prozess nicht als streitgegenständlich angesehen hat. Es hat daher zwar eine Rechtsauffassung dazu geäußert, wie eine Vorprüfung auszusehen habe, die für ein Vorhaben durchzuführen ist, das eine unter anderem auch die WEA 1 und 3 umfassende Windfarm im Sinne des § 2 Abs. 5 UVPG betrifft. Es hat dies aber nur im Hinblick auf die Errichtung und den Betrieb der WEA 2 mit Verbindlichkeit getan. Hiernach mag zwar für das Vorhaben (allein) der WEA 2 bindend entschieden sein, dass eine durch dieses Vorhaben veranlasste Vorprüfung neben der WEA 2 u. a. auch das Anlagenpaar aus den WEA 1 und 3 als Teile einer noch größeren Windfarm zu betrachten hat und deshalb als allgemeine, und nicht als standortbezogene Vorprüfung durchzuführen ist. Dasselbe steht damit aber nicht zugleich für das hier streitgegenständliche Vorhaben fest, das in der Errichtung und dem Betrieb einer gemeinsamen Anlage aus (nur) den WEA 1 und 3 besteht. Dies dürfte zwar für die Beteiligten mehr oder minder misslich sein, ist aber von ihnen akzeptiert worden, weil sie keine Anträge auf Zulassung der Berufung gegen das in dem Verfahren 4 A 691/18 ergangene Bescheidungsurteil gestellt haben.

b) Es mag dahinstehen, ob das Ergebnis der Vorprüfung des Einzelfalls vom 26. Juni 2018 (Bl. 235 ff. BA 2) hinsichtlich der WEA 1 und 3 sogar teilweise rechtswidrig ist. Denn jedenfalls hält es einer Plausibilitätskontrolle nicht stand.

aa) Auszugehen ist davon, dass die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vom 26. Juni 2018 (Bl. 235 ff. BA 2) hier gemäß § 74 Abs. 1 UVPG – im Grundsatz – nach der bis zum 16. Mai 2017 geltenden Fassung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG a. F.) durchzuführen war. Denn das Verfahren zur Feststellung der UVP-Pflicht im Einzelfall nach § 3c UVPG a. F. war hier bis diesem Stichtag bereits eingeleitet worden. Als Beginn des Verfahrens zur Feststellung der UVP-Pflicht im Einzelfall kommt nämlich neben dem Antrag des Vorhabenträgers auf Feststellung der UVP-Pflicht unter anderem auch die amtsseitige Einleitung der Feststellung der UVP-Pflicht nach der Beantragung (nur) der Zulassung des Vorhabens im fachrechtlichen Trägerverfahren in Betracht (Peters/Balla/Hasselbarth, UVPG, 4. Aufl. 2019, § 74 Rn. 3). Von einer solchen amtsseitigen Einleitung vor dem 16. Mai 2017 ist hier auszugehen, weil der Beklagte dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin bereits mit Schreiben vom 29. März 2017 (Bl. 19 f. BA 2) mitteilte, eine Genehmigung des Antrags der Klägerin könne derzeit nicht erfolgen, da unter anderem die „Unterlagen für die UVP-Vorprüfung“ noch vorgelegt werden müssten. Die hierfür erforderlichen Unterlagen seien Rechtsanwalt Q. als Verfahrensbevollmächtigtem der Klägerin bereits mehrfach mitgeteilt worden (vgl. auch die Sachstandserfassung Bl. 45 f. BA 2 – am Ende i. V. m. Bl. 30 ff. GA). Dies spricht entscheidend dafür, dass nicht erst unter dem 18. Dezember 2017, als sich die Genehmigungsbehörde des Beklagten wegen einer Stellungnahme an die untere Naturschutzbehörde wandte (vgl. Bl. 195 ff. BA 2), das Vorprüfungsverfahren eingeleitet wurde. Denn zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens – und damit auch unselbständiger Teile desselben – reicht bereits jede nach außen wirkende Tätigkeit im Sinne des § 9 VwVfG (i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG), die mehr als nur informelle Vorgespräche umfasst (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 22 Rn. 17, und Ziekow, VwVfG, 4. Aufl. 2020, § 9 Rnrn. 10 und 15).

bb) Ungeachtet der grundsätzlichen Anwendbarkeit alten Rechts auf die Vorprüfung, war jedoch der Vorprüfung des Einzelfalls vom 26. Juni 2018 (Bl. 235 ff. BA 2) bereits die Definition der Windfarm aus § 2 Abs. 5 UVPG zugrunde zu legen, die ihrerseits kraft Spezialität die Kumulationsregelung des § 3b Abs. 2 und 3 UVPG a. F. verdrängte (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 11.3.2019 - 12 ME 105/18 -, BauR 2019, 1136 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 36). Die exakte Windfarmabgrenzung ist dabei vor allem zur Bestimmung der Zahl der WEA im Rahmen der Beantwortung der Frage bedeutsam, ob eine Überschreitung der S-, A- und X-Schwellenwerte der Liste UVP-pflichtiger Vorhaben vorliegt. Sie entscheidet nämlich über die Wahl der richtigen Vorprüfungsart (vgl. Agatz, Windenergie-Handbuch, 17. Ausgabe 2020, S. 33).

Auch wenn man einen verfahrensrechtlichen Spielraum des Vorhabenträgers anerkennt, innerhalb einer „WEA-Gruppe“ von weniger als 20 WEA (und damit ohne Relevanz für die Abgrenzung zwischen Nr. 1.6.1 und Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV), die als gemeinsame Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BImSchG betrachtet werden könnte, Teilmengen zu bilden und diese gesondert zur Genehmigung zu stellen (vgl. Agatz, Windenergie-Handbuch, 17. Ausgabe 2020, S. 6 ff. [8 f.]), findet dieser Spielraum keine Entsprechung auf der Ebene der Vorprüfung zur Feststellung einer etwaigen UVP-Pflicht. Denn der Vorhabenträger kann allein durch die Verteilung geplanter WEA auf mehrere Genehmigungsanträge nicht darüber disponieren, ob diese WEA zusammen oder mit mehreren Bestandsanlagen eine Windfarm bilden, welcher Art von Vorprüfung es infolgedessen bedarf und (mittelbar), ob hiernach eine UVP-Pflicht besteht. Es ist daher sorgfältig zwischen der Windfarm im Sinne des § 2 Abs. 5 UVPG und der WEA-Gruppe als genehmigungsbedürftiger (gemeinsamer) Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV zu unterscheiden (vgl. Agatz, Windenergie-Handbuch, 17. Ausgabe 2020, S. 26).

cc) Eine Windfarm sind nach der Definition des vorgenannten § 2 Abs. 5 UVPG drei
oder mehr Windkraftanlagen, deren Einwirkungsbereiche sich überschneiden und die in einem funktionalen Zusammenhang stehen, unabhängig davon, ob sie von einem oder mehreren Vorhabenträgern errichtet und betrieben werden. Einwirkungsbereich einer Anlage ist gemäß § 2 Abs. 11 UVPG das geographische Gebiet, in dem die Umweltauswirkungen – d. h. die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 UVPG) auf die Schutzgüter im Sinne des § 2 Abs. 1 UVPG – auftreten, die für die Zulassung des Vorhabens relevant sind.

Das Ergebnis der hiesigen allgemeinen Vorprüfung vom 26. Juni 2018 (Bl. 235 ff. BA 2) erscheint vor diesem Hintergrund schon deshalb nicht als plausibel, weil in der Vorprüfung die Definition der Windfarm nicht zur Anwendung gelangt, sondern (ausweislich der Bezeichnung des Vorhabens und der Ausführungen unter 1.) stattdessen eine WEA-Gruppe aus den WEA 1 bis 3 als das Vorhaben sowohl im Sinne der 4. BImSchV als auch im Sinne der Vorprüfung betrachtet und – ohne nähere Begründung – (nur) von einer Kumulierung mit mehreren gleichartigen Vorhaben ausgegangen wird.

Damit wird zum einen der Spezialität des § 2 Abs. 5 UVPG im Verhältnis zu § 3b Abs. 2 und 3 UVPG a. F. – bzw. dem wohl für bereits anwendbar gehaltenen § 10 Abs. 4 UVPG (vgl. Bl. 241 BA 2) – nicht Rechnung getragen. Zum anderen fehlt es in der Vorprüfung an jeglichen Feststellungen und Ausführungen dazu, ob und ggf. weshalb die WEA 1 bis 3 (und damit auch die hier streitgegenständlichen WEA 1 und 3) untereinander, mit den drei WEA, um die in dem unter dem Aktenzeichen 12 LB 111/19 geführten Parallelprozess gestritten wird, und ggf. mit weiteren fünf von dem Beklagten als kumulierend berücksichtigten WEA in einem funktionalen Zusammenhang stehen. Das reicht auch dann nicht aus, wenn man zu Recht annimmt, dass eine solche Prüfung nur überschlägig vorzunehmen ist (vgl. Peters/Balla/Hesselbarth, UVPG, 4. Aufl. 2019, § 2 Rn. 24). Aus der Vorprüfung vom 26. Juni 2018 geht folglich schon nicht nachvollziehbar hervor, worin im vorliegenden Falle das umstrittene Vorhaben im Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung zu sehen ist, d. h. aus wie vielen WEA die neue (oder die etwa nur zu erweiternde) Windfarm aus der Sicht des Beklagten bestehen würde.

2. Der Beklagte wird folglich zunächst einmal eine Vorprüfung vorzunehmen haben, aus der nachvollziehbar entnommen werden kann, aus wie vielen WEA die neue oder die zu erweiternde Windfarm besteht, auf die sich seine Vorprüfung bezieht.

Hierbei wird er nicht nur eine Überschneidung von Einwirkungsbereichen in den Blick zu nehmen haben. Vielmehr wird er im Rahmen seiner Vorprüfung auch nachvollziehbar zu machen haben, dass und inwiefern er den Gesichtspunkten des Prioritätsprinzips und des funktionalen Zusammenhangs (im Sinne des § 2 Abs. 5 Satz 1 UVPG) hinsichtlich der als Windfarm in Betracht kommenden WEA Rechnung getragen hat. Ersteres gilt, weil die Frage, ob mehrere zu verschiedenen Zeitpunkten beantragte Windenergieanlagen eine Windfarm bilden, sich nach denselben Grundsätzen beantwortet wie die Frage, in welcher Reihenfolge planerisch bereits verfestigte Projekte in eine Summationsbetrachtung einzubeziehen sind (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 13.9.2017 - 8 B 1373/16 -, ZNER 2017, 448 f., hier zitiert nach juris, Rnrn. 6 ff.). Letzteres, also die Notwendigkeit einer Beachtung des Erfordernisses des Funktionszusammenhangs, ergibt sich aus dem bereits erwähnten Verhältnis der Spezialität (vgl. Arnold, in: Hoppe/Beckmann/Kment [Hrsg.], UVPG/UmwRG, 5. Aufl. 2018, § 10 UVPG Rn. 27; Nds. OVG, Beschl. v. 11.3.2019 - 12 ME 105/18 -, BauR 2019, 1136 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 36), in dem § 2 Abs. 5 UVPG zu § 3b Abs. 2 und Abs. 3 UVPG a. F. steht. Der Beklagte wird davon auszugehen haben, dass ein funktionaler Zusammenhang nicht zwingend ineinandergreifende betriebliche Abläufe voraussetzt, sondern, um ihn zu bejahen, bereits Umstände genügen können, aus denen sich ein die Vorhaben koordinierendes und dem/den Betreibern zurechenbares Verhalten sicher ableiten lässt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2015 - BVerwG 4 C 7.14, u. a. -, BVerwGE 153, 361 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 18, – zu § 3b Abs. 2 UVPG a. F.; Nds. OVG, Beschl. v. 11.3.2019 - 12 ME 105/18 -, BauR 2019, 1136 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 50). Steht hiernach begründet fest, aus wie vielen und welchen WEA die Windfarm besteht, deren Neubau (oder Erweiterung) das Vorhaben – im Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung – darstellt, entscheidet sich damit zunächst, ob eine allgemeine oder eine standortbezogene Vorprüfung erforderlich ist.

Im Hinblick darauf, dass jedenfalls die WEA 1 bis 3 Bestandteile einer Windfarm sind, ist allerdings eine Vorprüfung als solche unverzichtbar. Nach der Bestimmung der Art der Vorprüfung muss dann allerdings in einem weiteren Schritt ggf. nochmals auf das Prioritätsprinzip zurückgegriffen werden, und zwar zur Feststellung, ob und ggf. welche anderen Anlagen (auch WEA) in einem etwaigen gemeinsamen Einwirkungsbereich mit dieser Windfarm zusammenwirken – d. h. im Rahmen der Berücksichtigung einer „Kumulierung“ im Sinne des Einleitungssatzes der Nr. 2 der Anlage 2 zu § 3c UVPG a. F. (vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Stand der Kommentierung: Juli 2017, § 3c UVPG, Rn. 24 = Bl. 24 BA 2). Dies gilt im Hinblick darauf, dass auch solche anderen noch nicht errichteten oder genehmigten WEA, die nicht zu der das Vorhaben bildenden Windfarm zählen, nur dann eine insoweit zu berücksichtigende Belastung darstellen können, wenn sie nach dem Prioritätsprinzip nicht nachrangig gegenüber denjenigen WEA sind, aus denen die WEA-Gruppe der WEA 1 und 3 (d. h. die gemeinsame Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV) besteht, die hier zur Genehmigung gestellt wird. Auch dazu enthält die bisherige Vorprüfung des Einzelfalls vom 26. Juni 2018 (Bl. 235 ff. BA 2) keine hinreichenden Feststellungen und nachvollziehbaren Ausführungen. Namentlich die Feststellungen in der Mitteilung an Rechtsanwalt Q. vom 3. März 2017 (Bl. 30 bis 32 BA 2) genügen nicht. Die jeweilige Priorität hängt u. a. davon ab, ob und zu welchen Zeitpunkten für diese anderen Anlagen prüffähige Genehmigungsanträge eingereicht wurden (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 13.9.2017 - 8 B 1373/16 -, BeckRS 2017, 127118, Rnrn 5 ff. [= Bl. 217 ff. BA 2] und Urt. v. 18.9.2018 - 8 A 1886/16 -, BauR 2019, 498 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 50 ff.).

3. Zum weiteren Verwaltungsverfahren gibt der Senat im Interesse der Beteiligten lediglich folgende (allerdings unverbindliche) Hinweise:

a) Unter Berücksichtigung der Belegenheit der WEA, der Zeitpunkte der Antragstellung, des jeweils zur Beurteilung gestellten Anlagentyps sowie der Erstellung eines gemeinsamen Gutachtens für die insgesamt sechs geplanten WEA der Klägerin („Avifauna Windpark K. L. -R.“ des Diplom-Biologen S. T. vom Oktober 2017 = Anlage I zum Schriftsatz des Beklagten vom 4.8.2021) dürfte es nicht fernliegen, zumindest für die insgesamt sechs geplanten WEA der Klägerin einen funktionalen Zusammenhang zu bejahen. Es liegt ebenfalls nicht fern, dass eine Überschneidung der Einwirkungsbereiche zumindest dieser sechs Anlagen vorliegen könnte (vgl. etwa Abb. 4 auf der Seite 18 des soeben genannten Gutachtens). Die Klägerin mag im Übrigen bedenken, dass selbst dann, wenn im Verfahren zur Erteilung eines Vorbescheids für die WEA 1 und 3 nur eine standortbezogene Vorprüfung für eine aus den WEA 1 bis 3 gebildete Windfarm durchzuführen wäre, auch diese Vorprüfung u. a. wegen der Betroffenheit eines Landschaftsschutzgebietes gemäß § 3c Satz 2 UVPG a. F. i. V. m. Nr. 2.3.4 der Anlage 2 zur Feststellung einer UVP-Pflicht des Vorhabens führen könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2019 - BVerwG 7 C 5.18 -, BVerwGE 166, 321 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 40; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 4.10.2018 - 10 S 1637.19 - NVwZ-RR 2019, 179 ff, hier zitiert nach juris, Rn. 10).

b) Sollte die nachzuholende Vorprüfung – was nicht unwahrscheinlich ist – zu einem nachvollziehbaren Ergebnis gelangen, wonach eine UVP-Pflicht des Vorhabens besteht, würde der Beklagte unter Berücksichtigung der Ergebnisse der (zuvor anhand von der Klägerin beizubringender Unterlagen durchzuführenden) Umweltverträglichkeitsprüfung (zu der insoweit anzuwendenden Gesetzesfassung vgl. Peters/Balla/Hasselbarth, UVPG, 4. Aufl. 2019, § 74 Rn. 3) u. a. über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Vorgaben der LSG-VO zu entscheiden haben und hierbei ggf. auch über die Gewährung einer Befreiung befinden müssen (vgl. dazu: OVG NRW, Urt. v. 21.4.2020 - 8 A 311/19 -, UPR 2020, 305 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 53 ff. und 67 ff., m. w. N., und Nds. OVG, Beschl. v. 16.9.2016 - 12 LA 145/15 -, NuR 2016, 780 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 38). Den Annahmen der Klägerin, die von ihr im Landschaftsschutzgebiet geplanten insgesamt vier WEA seien bereits im Hinblick auf eine (teilweise) Funktionslosigkeit der LSG-VO oder wegen der fehlenden Eignung dieser WEA, das dortige Landschaftsbild zu verunstalten, zulässig, begegnet der Senat allerdings mit Skepsis. Gleiches gilt für die Möglichkeit einer zugunsten der Klägerin drittschützenden Ermessensreduktion auf Null in Richtung auf die Erteilung von Befreiungen für diese WEA.

D) Erfolglos bleibt die Berufung mit dem Hilfsantrag zu 4., der zur Entscheidung gelangt, weil der Hilfsantrag zu 3. nur teilweise Erfolg hat und er sich im Verhältnis zu diesem auf ein „aliud“ bezieht. Insoweit gelten dann allerdings die obigen Ausführungen unter B) 2. entsprechend.

E) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 3, 155 Abs. 1 Satz 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Die im ersten Rechtszug angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) sind aus Billigkeit teilweise der Klägerin aufzuerlegen, weil die Beigeladene zu 1) in erster Instanz mit einer eigenen Antragstellung ebenfalls ein Kostenrisiko eingegangen ist. Im Übrigen entsprach es dagegen nicht der Billigkeit, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen herbeizuführen.

F) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

G) Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.