Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 26.03.2021, Az.: 17 A 859/19

Betriebliche Lohngestaltung; Initiativrecht; Stufenzuordnung; Vortätigkeit; Initiativrecht für die Aufstellung von Grundsätzen für die Berücksichtigung förderlicher Vortätigkeiten

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
26.03.2021
Aktenzeichen
17 A 859/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70305
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2021:0326.17A859.19.00

Amtlicher Leitsatz

Dem Personalrat steht für die Aufstellung von Grundsätzen für die Berücksichtigung förderlicher Vortätigkeiten bei der Stufenzuordnung auch nach Inkrafttreten der Neufassung des § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG zum 1. Januar 2016 ein Initiativrecht zu, wenn der Arbeitgeber solche Vortätigkeiten in der Praxis bereits nach seinem Ermessen berücksichtigt.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass dem Antragsteller das Initiativrecht gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 NPersVG für den von ihm gestellten Initiativantrag zusteht, bei Einstellung von Beschäftigten folgende Grundsätze der Einstufung in die Stufen der Entgelttabelle gemäß § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L anzuwenden:

  • Dienststelle und Personalrat benennen und vereinbaren Berufsgruppen, bei denen die Personalgewinnung durch den Fachkräftemangel erschwert ist, z. B. Gesundheits- und Krankenpflegekräfte, IT-Beschäftigte, Medizintechniker, Lehrkräfte in den schulischen Ausbildungsberufen.

  • Für diese Berufsgruppen sollen alle geleisteten Vorzeiten mit Berufserfahrung (bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern) angerechnet werden.

  • Für die Gruppe der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte sollen auch erworbene Zeiten in der Altenpflege und in Ambulanzen angerechnet werden.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass ihm ein Initiativrecht hinsichtlich der Aufstellung von Grundsätzen für tarifvertragliche Stufenzuordnungen zusteht.

Im Bereich der Medizinischen Hochschule A-Stadt findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Arbeitnehmer werden tätigkeitsbezogen in Entgeltgruppen eingeordnet. Innerhalb der Entgeltgruppen sind wiederum bis zu sechs Stufen vorgesehen, denen die Arbeitnehmer bei einer Einstellung in Abhängigkeit von einschlägiger beruflicher Vorerfahrung zugeordnet werden; der Arbeitgeber kann unabhängig davon weitere für die Tätigkeit förderliche berufliche Vorerfahrung berücksichtigen. § 16 Abs. 2 TV-L regelt dazu Folgendes:

"1Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. 2Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. 3Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise - bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren - in Stufe 3. 4Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist."

Fixierte Grundsätze zur Ausfüllung der tariflichen Ermächtigung in § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L zur Berücksichtigung förderlicher Vortätigkeiten liegen im Bereich der Medizinischen Hochschule A-Stadt nicht vor. Die Dienststelle beabsichtigt nicht, solche Grundsätze aufzustellen. Das Ermessen bei der Berücksichtigung förderlicher Vortätigkeiten für die Stufenzuordnung wird arbeitgeberseitig einzelfallbezogen ausgeübt. Mitbestimmungsverfahren werden dabei nicht durchgeführt.

Unter dem 5. Dezember 2018 stellte der Antragsteller einen Initiativantrag zur Regelung von Grundsätzen bei Stufenzuordnungen bei der Einstellung von Beschäftigten der Medizinischen Hochschule A-Stadt und schlug dabei folgende Kriterien vor:

- Dienststelle und Personalrat benennen und vereinbaren Berufsgruppen, bei denen die Personalgewinnung durch den Fachkräftemangel erschwert ist, z. B. Gesundheits- und Krankenpflegekräfte, IT-Beschäftigte, Medizintechniker, Lehrkräfte in den schulischen Ausbildungsberufen.

- Für diese Berufsgruppen sollen alle geleisteten Vorzeiten mit Berufserfahrung (bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern) angerechnet werden.

- Dazu sollen für die Gruppe der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte auch erworbene Zeiten in der Altenpflege oder in Ambulanzen gelten.

- Forderungen seitens der Bewerber_innen, die über diese Regelungen hinausgehen, bleiben weiterhin möglich und werden zwischen Dienststelle und Bewerber_in individuell verhandelt.

Dazu führte der Antragsteller aus, dass er in der Praxis bereits erkenne, dass die Dienststelle zunehmend nach einer bestimmten Systematik die Zuordnung der Stufen bei der Einstellung anwende. Mit der Regelung von Grundsätzen werde das Ziel verfolgt, diese Systematik zu verfestigen und damit eine Gleichbehandlung sicherzustellen. Für die Gewinnung von Fachkräften in ausgewiesenen Berufsgruppen seien diese Regelungen essentiell.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 teilte der Beteiligte dem Antragsteller mit, dass dem Begehren mangels Initiativrechts nicht nachgekommen werde. Insbesondere mit dem zweiten Punkt des Kriterienkatalogs werde in die freie Ermessensausübung der Dienststelle eingegriffen. Dieser Bereich sei dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers und damit auch dem Initiativrecht entzogen. Seitens der Dienststelle bestehe kein Interesse an der Aufstellung derartiger Grundsätze; die in § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L von den Tarifvertragsparteien gewollte Flexibilität wäre damit nicht mehr gewährleistet.

Der Antragsteller hat am 13. Februar 2019 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Dem Mitbestimmungsrecht des § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG korrespondiere ein Initiativrecht des Antragstellers nach § 69 NPersVG. Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG sei nur dann ausgeschlossen, wenn keine Grundsätze zur Ausfüllung der tariflichen Ermächtigung vorlägen. Der Antragsteller sei berechtigt, solche Grundsätze im Wege des Initiativrechts geltend zu machen.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass dem Antragsteller das Initiativrecht gemäß § 69 NPersVG für den von ihm gestellten Initiativantrag, bei Einstellung von Beschäftigten folgende Grundsätze der Einstufung in die Stufen der Entgelttabelle gemäß § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L

  • Dienststelle und Personalrat benennen und vereinbaren Berufsgruppen, bei denen die Personalgewinnung durch den Fachkräftemangel erschwert ist, z. B. Gesundheits- und Krankenpflegekräfte, IT-Beschäftigte, Medizintechniker, Lehrkräfte in den schulischen Ausbildungsberufen

  • Für diese Berufsgruppen sollen alle geleisteten Vorzeiten mit Berufserfahrung (bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern) angerechnet werden

  • Für die Gruppe der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte sollen auch erworbene Zeiten in der Altenpflege und in Ambulanzen angerechnet werden

anzuwenden, zusteht.

Der Beteiligte beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Ein Initiativrecht stehe dem Antragsteller nicht zu. Die Stufenzuordnung als Ermessensentscheidung sei dem Mitbestimmungsrecht der Antragstellerin nach dem eindeutigen Wortlaut des § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG entzogen. Eine Mitbestimmung bei der Stufenzuordnung sei nur bei gebundenen Entscheidungen gegeben oder wenn sich die Dienststelle durch das Aufstellen von Grundsätzen gebunden habe. Der Bereich der freien Ermessensausübung solle der Mitbestimmung hingegen entzogen bleiben. Durch die beantragte Maßnahme würde in den von § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L zugestandenen Ermessensspielraum eingegriffen. Ein Mitbestimmungsrecht bestehe auch nicht nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG, denn die in 2015 geänderte Bestimmung des § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG sei eine lex specialis für die Stufenzuordnung im Ermessensfall. Die Vorschrift sei geschaffen worden, um den Dienststellen einen Handlungsspielraum bei der Einstellung von Beschäftigten zu schaffen und hierbei flexibel auf personelle Gegebenheiten reagieren zu können. Diesem Sinn und Zweck laufe die vom Antragsteller beantragte Maßnahme entgegen. In der Gesetzesbegründung sei auch ausdrücklich klargestellt, dass der Personalrat bei der Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L gerade nicht stets mitbestimmen solle. Auch wenn jeder mitbestimmungspflichtigen dienststellenseitigen Maßnahme ein Initiativrecht korreliere, so fehle es vorliegend bereits an einer solchen Maßnahme. Aus § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG ergäbe sich im Umkehrschluss, dass bei Nichtexistenz von Grundsätzen kein Mitbestimmungsrecht und auch kein korrelierendes Initiativrecht bestehe. Es wäre systemwidrig, wenn der Personalrat ein ihm ohne entsprechende Grundsätze nicht zustehendes Mitbestimmungsrecht quasi durch die Hintertür einführen könnte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat Erfolg.

Dem Antragsteller steht das beanspruchte Initiativrecht gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 NPersVG zur Schaffung von Grundsätzen für die Stufenzuordnung von neu einzustellenden Beschäftigten nach § 16 Abs. 2 TV-L zu. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 NPersVG kann der Personalrat eine Maßnahme, die seiner Mitbestimmung unterliegt, schriftlich oder durch E-Mail bei der Dienststelle beantragen. Ein solcher Antrag ist gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 NPersVG nicht zulässig bei einer Maßnahme, die nur einzelne Beschäftigte betrifft und keine Auswirkungen auf Belange der Gesamtheit der in der Dienststelle Beschäftigten hat, wenn die betroffenen Beschäftigten selbst klagebefugt sind. Mit dieser einschränkenden Regelung hat der Landesgesetzgeber für das niedersächsische Personalvertretungsrecht klargestellt, dass auch das Initiativrecht nur der Erfüllung der Aufgabe der Personalvertretung dient, die kollektiven Interessen der von ihr vertretenen Beschäftigten wahrzunehmen und auf die Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens in der Dienststelle hinzuwirken (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.11.2019 - 18 LP 3/18 -, juris Rn. 31).

Um ein solches Initiativrecht des Antragstellers im kollektiven Interesse geht es vorliegend. Es bezieht sich der Sache allerdings nicht - wie es wohl irrtümlich in dem Initiativantrag vom 5. Dezember 2018 heißt - auf den Mitbestimmungstatbestand des § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG, sondern auf denjenigen der betrieblichen Lohngestaltung nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG. Zur vergleichbaren Rechtslage auf Bundesebene hat das Bundesverwaltungsgericht Folgendes ausgeführt (Beschl. v. 07.03.2011 - 6 P 15/10 -, juris Rn. 51):

"[D]er Personalrat [muss es] nicht tatenlos hinnehmen, wenn der Dienststellenleiter von seinem Ermessen nach § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund in der Weise Gebrauch macht, dass er zusätzliche Stufen im Wege individueller Entscheidung berücksichtigt. In diesem Fall kann der Personalrat sein Mitbestimmungsrecht bei der Lohngestaltung nach § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG jedenfalls im Wege des Initiativrechts nach § 70 Abs. 1 Satz 1 BPersVG geltend machen. Lässt die Entscheidungspraxis des Dienststellenleiters bereits darauf schließen, dass Grundsätze zur Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund (konkludent) aufgestellt wurden und angewandt werden, so kann der Personalrat sein - vom Dienststellenleiter missachtetes - Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG gerichtlich durchsetzen [...]."

Die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegenden bundesrechtlichen und die landesrechtlichen Rechtsnormen und Tarifvorschriften sind vergleichbar und teils wortidentisch; ein Initiativrecht ist für den Fall, dass der Dienststellenleiter zusätzliche Stufen (bislang nur) im Wege individueller Entscheidung berücksichtigt, ausdrücklich befürwortet worden. Darüber hinaus soll die Feststellung der Verletzung des Mitbestimmungsrechts bzw. dessen Durchsetzung unmittelbar möglich sein, wenn in der Dienststelle bei Lichte betrachtet (konludent) bereits Grundsätze zur Stufenzuordnung aufgestellt wurden. Zumindest die das Initiativrecht eröffnende "erste Stufe" i. S. dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ist hier erfüllt, denn unstreitig werden bereits förderliche Vortätigkeiten für die Stufenzuordnung nach arbeitgeberseitigem Ermessen berücksichtigt. Ob diese Praxis sich bereits zu einer konkludenten Schaffung von Grundsätzen verdichtet hat - wie der Antragsteller meint -, was auf der "zweiten Stufe" i. S. der skizzierten Rechtsprechung unmittelbar zu einer Feststellung der Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei der betrieblichen Lohngestaltung führen kann, ist für das Initiativrecht unerheblich. Die Kammer versteht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts so, dass das Initiativrecht bezogen auf den Mitbestimmungstatbestand der betrieblichen Lohngestaltung schon dann eröffnet sein soll, wenn der Arbeitgeber von seinem Ermessen überhaupt (positiv) Gebrauch gemacht hat, ohne dass es auf die Frage ankommt, in welchem Umfang dies geschehen ist und ob sich das Ermessen bereits an faktisch aufgestellten Grundsätzen orientiert. Nur für den Fall, dass der Arbeitgeber von seinem Ermessen zur Berücksichtigung förderlicher Vortätigkeiten noch überhaupt keinen positiven Gebrauch gemacht hat und dies auch nicht zu tun beabsichtigt, also m. a. W. "die Tür noch nicht aufgestoßen ist", verneint das Bundesverwaltungsgericht nämlich ein Initiativrecht (Beschl. v. 07.03.2011 - 6 P 15/10 -, juris Rn. 48 unter Hinweis auf Beschl. v. 13.10.2009 - 6 P 15/08 -, Rn. 39, in dem es ebenfalls um § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L ging):

"§ 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund stellt es - bei Bejahung der dort normierten tatbestandlichen Voraussetzungen - dem Arbeitgeber frei, ob er bei Neueinstellungen - über die zwingenden Regelungen in § 16 Abs. 3 Satz 1 bis 3 TVöD-Bund hinaus - zusätzliche Stufen gewähren will. Will er davon keinen Gebrauch machen, so kann er vom Personalrat auch im Wege des Initiativrechts nach § 70 Abs. 1 BPersVG nicht zu einer entsprechenden Regelung gezwungen werden. Verbleibt es dabei, so ist für eine die Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund einbeziehende Mitbestimmung des Personalrats bei der Eingruppierung kein Raum. In diesem Fall fehlt es an der Ausfüllung der tariflichen Ermessensvorschrift durch abstrakt-generelle Regelungen, deren Anwendung durch den Dienststellenleiter der Personalrat mitzubeurteilen hätte [...]."

Versteht man dies dahingehend, dass mit der im zweiten Satz des Zitats angesprochenen "Regelung" nicht nur eine solche im Einzelfall gemeint sein soll, sondern allgemein dahingehend, dass die Dienststelle im Wege des Initiativrechts nicht zur Aufstellung von Grundsätzen gezwungen werden können soll (so die vom Beteiligten in Bezug genommene Kommentierung Dembowski/Ladwig/Sellmann: Personalvertretung Niedersachsen, Stand: Januar 2021, § 65 Rn. 179), bezieht sich das nach Auffassung der Kammer eben nur auf die Situation, in der die Dienststelle von der Berücksichtigung förderlicher Vortätigkeiten in der Vergangenheit bislang gänzlich Abstand genommen hat und dies auch für die Zukunft nicht plant. Ist dies der Fall, ist es Ausfluss des Tarifvorbehalts, dass der Personalrat es nicht erzwingen kann, dass die Dienststelle überhaupt förderliche Vortätigkeiten bei der Stufenzuordnung berücksichtigt. M. a. W. stellt die tarifliche Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L nur die Entscheidung über das "Ob" in das mitbestimmungsfreie Ermessen des Arbeitgebers. Sobald hingegen die Entscheidung über das "Ob" seitens des Arbeitgebers gefallen ist, besteht ein Initiativrecht des Personalrats zur Aufstellung von Grundsätzen. In dem vom Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 13.10.2009 - 6 P 15/08 -, Rn. 39) in Bezug genommenen Aufsatz von Kaiser, Zweistufige Mitbestimmung bei abweichender Stufenzuordnung nach §§ 16, 17 TVöD/TV-L (Der Personalrat 2009, S. 66 (69)), heißt es:

"Der Personalrat ist nicht darauf beschränkt, etwaigen Festlegungen des Dienststellenleiters zur Stufenzuordnung zuzustimmen. Vielmehr kann er über sein Initiativrecht aus § 70 Abs. 1 BPersVG selbst aktiv werden, und dem Dienststellenleiter die Aufstellung von Entlohnungsmethoden vorschlagen, und bei Ablehnung die Einigungsstelle anrufen, § 69 Abs. 3, 4 BPersVG. Angesichts der Bindung der Einigungsstelle an die Haushaltsvorgaben nach § 71 Abs. 3 S. 4 BPersVG müssen Dienststellenleiter und Personalrat die im Haushaltsplan veranschlagte Summe der Personalausgaben beachten. Das Initiativrecht geht jedoch nicht weiter als das Mitbestimmungsrecht des Personalrats aus § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG. § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG gibt dem Personalrat keinen Einfluss auf die Entscheidung über die Entgelthöhe, insbesondere auf die Entscheidung, überhaupt zusätzliche Entgelte einzuführen; diese Entscheidung stellen die Tarifverträge (§ 16 Abs. 3 S. 4 TVöD/§ 16 Abs. 2 S. 4 TV-L und § 17 Abs. 2 TVöD/TV-L) mit der Formulierung "kann" in das Ermessen des Dienststellenleiters. Der Personalrat darf daher erst dann eigene Vorschläge machen, wenn der Arbeitgeber entsprechende Regelungen plant. Dafür genügt es, dass der Arbeitgeber in Einzelfällen über die Berücksichtigung von Vordienstzeiten und Leistungen bei der Stufenzuordnung entscheidet, da schon diese scheinbaren Einzelfallentscheidungen das Mitbestimmungsrecht des Personalrats auslösen [...]."

Das demnach vorliegend zu bejahende Initiativrecht des Antragstellers hinsichtlich des Mitbestimmungstatbestandes der betrieblichen Lohngestaltung nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG wurde nach Auffassung der Kammer auch nicht - wie der Beteiligte meint - durch die Änderung des § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG unterbunden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2016 hat § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG seinen jetzigen Wortlaut erhalten, wonach der Personalrat mitzubestimmen hat bei der "Eingruppierung, Höher- oder Herabgruppierung einschließlich der damit jeweils verbundenen Stufenzuordnung, bei Ermessensentscheidungen jedoch nur, wenn Grundsätze zur Ausfüllung der tariflichen Ermächtigung vorliegen, Bestimmung der Fallgruppe, Zahlung tariflicher oder außertariflicher Zulagen"; eingefügt wurde die Wendung "einschließlich der damit jeweils verbundenen Stufenzuordnung, bei Ermessensentscheidungen jedoch nur, wenn Grundsätze zur Ausfüllung der tariflichen Ermächtigung vorliegen". Aus dieser Änderung, mit welcher die (geänderte) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Einzelfallmitbestimmung nur bei der Existenz von Grundsätzen nachvollzogen wurde (vgl. dazu wiederum Beschl. v. 13.10.2009 - 6 P 15/08 -, Rn. 39), lässt sich nicht ableiten, dass dadurch zugleich ein auf § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG bezogenes Initiativrecht unterbunden werden sollte, wenn der Arbeitgeber die Entscheidung über das "Ob" der Berücksichtigung förderlicher Vortätigkeiten bereits getroffen hat. Zwar ist diese Betrachtungsweise nach der Begründung des Gesetzentwurfs nicht fernliegend, denn dort heißt es (LT-Drs. 17/3759, S. 25):

"Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts soll die Mitbestimmung in den Fällen, in denen die Tarifverträge den Dienststellenleitungen Ermessensspielräume einräumen (siehe § 16 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 2 a und § 17 Abs. 2 TV-L, § 16 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 2a und § 17 Abs. 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst - TVöD -), erst zum Zuge kommen, wenn in der Dienststelle abstrakt generelle Regelungen zur Ausfüllung der tariflichen Ermächtigungen erlassen worden sind. Die Mitbestimmung des Personalrats erstreckt sich dann auf die Einhaltung dieser Grundsätze. Der von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Handlungsspielraum für die Arbeitgeber soll nicht durch eine Mitbestimmung des Personalrats eingeschränkt werden. Dies sollte bei Bedarf im Wege der Änderung der Tarifverträge erfolgen."

Hätte der Gesetzgeber mit der Betonung des nicht durch eine Mitbestimmung einzuschränkenden Handlungsspielraums indessen zugleich das in der (zum Zeitpunkt der Neuregelung als bekannt vorauszusetzenden) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - unter den skizzierten Voraussetzungen - ausdrücklich bejahte Initiativrecht zur Aufstellung von Grundsätzen für die Berücksichtigung förderlicher Vortätigkeit unterbinden wollen, hätte eine dahingehende klare gesetzliche Regelung oder zumindest eine deutlichere Klarstellung in der Gesetzesbegründung nahegelegen, die aber gerade nicht erfolgt ist. Dies wäre aber auch ein "Systembruch" gewesen, denn nach gegenwärtiger Gesetzeslage korreliert jeder mitbestimmungspflichtigen dienststellenseitigen Maßnahme auch ein Initiativrecht. Dies gilt auch für die hier in Rede stehende Aufstellung von Grundsätzen für die Berücksichtigung förderlicher Berufstätigkeit, wenn der Arbeitgeber die ihm tariflich freigestellte Entscheidung über das "Ob" bereits getroffen hat. Dass die Neufassung des § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG als speziellere Vorschrift sogleich auch den Mitbestimmungstatbestand des § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG sowie das dem korrelierende Initiativrecht nach § 69 Abs. 1 Satz 1 NPersVG inhaltlich eingeschränkt hätte, lässt sich weder dem Normtext noch der Begründung des Gesetzentwurfs entnehmen. Darin kann letztlich auch nicht die Einführung einer Mitbestimmung durch die Hintertür erblickt werden, obwohl dem Personalrat ohne Existenz von Grundsätzen gerade kein Mitbestimmungsrecht nach § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG zustehen soll. Diese Sicht stellt schon nicht hinreichend in Rechnung, dass es bei § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG und bei § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG um zwei voneinander zu trennende Mitbestimmungstatbestände geht. § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG betrifft die Richtigkeitskontrolle bei der Eingruppierung im Einzelfall, zu der dem Personalrat ein Mitbeurteilungsrecht eingeräumt wird, § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG betrifft hingegen die allgemeine Lohngerechtigkeit in der Dienststelle (vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.12.1998 - 6 P 6/97 -, juris Rn. 41). Die Frage der allgemeinen Lohngerechtigkeit stellt sich indessen ersichtlich schon dann, wenn der Arbeitgeber von der tariflichen Ermächtigung zur Berücksichtigung förderlicher Berufstätigkeit Gebrauch machen will oder - wie vorliegend - sogar bereits Gebrauch macht. Für die Einschränkung der Einzelfallmitbestimmung nach § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG verbleibt dann ein Anwendungsbereich insbesondere in der Situation, dass die Dienststelle nach Ermessen über die Berücksichtigung förderlicher Vortätigkeiten entscheidet und sich der Personalrat an dieser Praxis - wofür es gute Gründe geben kann - nicht stört und deshalb von seinem Initiativrecht keinen Gebrauch macht.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Das Beschlussverfahren ist frei von Gebühren und Auslagen des Gerichts. Eine gerichtliche Festsetzung der den Verfahrensbeteiligten entstandenen Kosten ist nicht vorgesehen.