Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.12.2010, Az.: 10 LB 121/09
Härtefall i.S.d. Art. 40 Abs. 1 Verordnung über gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (VO 1782/2003/EG) bei Vorliegen eines unveränderten Referenzbetrags auch ohne Beeinträchtigungen der Produktion aufgrund von Fällen höherer Gewalt und wegen außergewöhnlicher Umstände
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.12.2010
- Aktenzeichen
- 10 LB 121/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 34342
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:1215.10LB121.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 17.07.2008 - AZ: 6 A 1259/06
Rechtsgrundlagen
- Art. 12 Abs. 2 Buchst. a VO1254/1999/EG
- Art. 40 Abs. 1 VO 1782/2003/EG
- § 5 Abs. 2 BetrPrämDurchfG
- § 122 Abs. 2 S. 3 VwGO
Fundstelle
- AUR 2011, 248-251
Amtlicher Leitsatz
Ein Härtefall im Sinne des Art. 40 Abs. 1Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 liegt nicht vor, wenn der Referenzbetrag auch dann unverändert bliebe, wenn es zu den Beeinträchtigungen der Produktion aufgrund von Fällen höherer Gewalt und wegen außergewöhnlicher Umstände nicht gekommen wäre.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Festsetzung höherer Zahlungsansprüche nach der Betriebsprämienregelung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 unter Berücksichtigung eines weiteren betriebsindividuellen Betrages aufgrund eines Härtefalles.
Er ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Rindermast, den er durch Hofübergabevertrag vom 16. Oktober 2003 mit Wirkung zum 1. November 2003 von seinem Vater erhalten hat.
Im Hinblick auf das Verfahren zur Festsetzung von Zahlungsansprüchen informierte die Landwirtschaftskammer Hannover als Funktionsvorgängerin der Beklagten den Vater des Klägers vorab mit Schreiben vom 11. Januar 2005 über die ihm zustehenden betriebsindividuellen Beträge. Daraufhin beantragten der Kläger und dessen Vater unter dem 31. Januar 2005 die Übertragung der betriebsindividuellen Beträge auf den Kläger. Weiter machte der Kläger höhere Einheiten (Direktzahlungen) für die Jahre 2000 und 2001 bei der Ermittlung der betriebsindividuellen Beträge geltend. Die Landwirtschaftskammer Hannover wies im Schreiben vom 15. Februar 2005 die Einwände des Klägers mit der Begründung zurück, im Jahr 2000 seien zwar für 37 Tiere Sonderprämien für männliche Rinder beantragt worden, aber wegen Großvieheinheiten-Überschreitung sei nur für "22,6667 Tiere" eine Prämie gewährt worden. Auch im Jahr 2001 seien Sonderprämien zwar für 49 Tiere beantragt worden, es sei aber aufgrund der Großvieheinheiten-Überschreitung lediglich für "40,6667 Tiere" eine Prämie bewilligt worden.
Am 17. Mai 2005 stellte der Kläger den Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen bei der Landwirtschaftskammer Hannover. Unter Ziff. II 5 des Antragsformulars - außergewöhnliche Umstände/höhere Gewalt - beantragte er, bei der Ermittlung des betriebsindividuellen Betrages den Zeitraum von 1997 bis 1999 zugrunde zu legen, da der gesamte Bezugszeitraum (2000 bis 2002) von höherer Gewalt bzw. außergewöhnlichen Umständen betroffen gewesen sei. Im Jahr 2000 sei es zu einem Feuerschaden gekommen. Aufgrund eines Brandes am 25. November 2000 seien 80 Stallplätze zerstört und 8 Tiere eingeschläfert worden. Der Großteil der überlebenden Tiere sei anderweitig untergebracht worden. Dies habe einen Mehraufwand an Arbeit verursacht. Ein kleiner Teil der überlebenden Tiere sei in einem anderen Stallgebäude auf dem Hofgelände provisorisch untergebracht worden, wobei es zu einer Überbelegung gekommen sei. Die nach dem Brand erforderlichen Baumaßnahmen hätten den gewöhnlichen Betriebsablauf erheblich gestört. Mitte des Jahres 2002 sei eine Infektion des Tierbestandes mit Viren festgestellt worden, welche die Erkrankung Bovine Virusdiarrhoe (BVD) auslösen. Er habe in diesem Jahr eine übermäßig hohe Anzahl an Kälbern verloren. Weitere BVD-Fälle seien im Jahr 2003 nachgewiesen worden. Das Veterinäramt gehe davon aus, dass der Infektionszeitpunkt der erkrankten Tiere in den Jahren 2001/2002 liege.
Die Landwirtschaftskammer Hannover teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15. Dezember 2005 mit, es sei nicht beabsichtigt, ihm einen zusätzlichen betriebsindividuellen Betrag aus der nationalen Reserve zuzuteilen. In einem Vermerk vom 18. Januar 2006 hielt die Beklagte u.a. fest: Für das Antragsjahr 2002 seien die maximal förderfähigen Großvieheinheiten (GVE) bereits voll ausgenutzt worden; es seien sogar Tiere aufgrund der GVE-Überschreitung "gekürzt" worden.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 7. April 2006 die Zahlungsansprüche nach der Betriebsprämienregelung zugunsten des Klägers fest. Bei der Ermittlung der Höhe der Zahlungsansprüche berücksichtigte sie betriebsindividuelle Beträge für im Bezugszeitraum gewährte Rinder-Sonderprämien in Höhe 5.273,34 EUR (durchschnittlich 25,1111 Einheiten Rindersonderprämie), wobei sie 22,6667 Einheiten für das Jahr 2000, 40,6667 Einheiten für das Jahr 2001 und 12 Einheiten für das Jahr 2002 zuerkannte. Zur Begründung der Ablehnung des Härtefallantrages führte sie aus: Der Betrieb habe in den Jahren 2000 und 2002 die maximal förderfähigen Großvieheinheiten überschritten. Der begrenzende Faktor sei die zu geringe Futterfläche. Eine Förderung über die maximal förderfähigen Großvieheinheiten hinaus sei nicht möglich.
Der Kläger hat am 15. Mai 2006 Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht: Die Anzahl der vermarkteten Rinder habe in den Jahren 2000 bis 2002 deutlich unter der Stückzahl bei normalem Produktionsverlauf gelegen. Dies sei zum einen darauf zurückzuführen, dass seine Mutter bis kurz vor ihrem Tod am 30. August 1999 maßgeblich an der Betriebsführung beteiligt gewesen sei und alle Buchführungs- und sonstigen Verwaltungstätigkeiten hauptverantwortlich verrichtet habe. Als höhere Gewalt sei des Weiteren die Vernichtung des Rinderstalles mit 80 Stallplätzen durch den Brand am 25. November 2000 einzustufen. Es sei zu einem Verlust von acht männlichen Rindern gekommen, die bei Fortsetzung der Mast im Kalenderjahr 2001 vermarktet worden wären. Infolge der provisorischen Unterbringung der Tiere und des Neubaus eines Boxenlaufstalles im Jahr 2001 seien die Arbeits- und Produktionsbedingungen im Betrieb sehr ungünstig gewesen und hätten sich sehr nachteilig auf das Betriebsergebnis ausgewirkt. Zudem hätten aufgrund fehlender Stallplätze nicht prämienberechtigte Rinder verkauft werden müssen. Ebenfalls als höhere Gewalt sei die erstmals Mitte 2002 bei einem Rind diagnostizierte BVD-Erkrankung anzusehen. Im Kalenderjahr 2000 seien bereits 16 männliche Kälber verendet, im Jahr 2001 17 männliche Kälber und im Jahr 2002 20 männliche Kälber. Die außerordentlich hohen Kälberverluste in den Jahren 2000 bis 2002 seien nur durch die BVD-Erkrankung zu erklären.
Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass der Betrieb im Bezugszeitraum die zulässige Besatzobergrenze je Hektar Futterfläche bereits erreicht habe. Aufgrund der außergewöhnlichen Umstände sei eine genaue Kalkulation des Rinderbestandes und der Tierverkäufe nicht möglich gewesen. Dies gelte entsprechend hinsichtlich der Antragstellung auf Bewilligung von Flächenzahlungen und der Zuordnung von Mais als Futterfläche oder Getreide. Die Angaben zur Flächennutzung seien ebenfalls als Folge der höheren Gewalt zu werten. Die Aufstockung des Milchviehs habe nicht zu einer Verringerung des Tierbestandes in der Rindermast geführt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung eines zusätzlichen durchschnittlichen betriebsindividuellen Betrages in Höhe von 4.823,28 EUR festzusetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung erwidert: Die Voraussetzungen für einen Härtefall seien nicht erfüllt. Der Betrieb habe in den Jahren 2000 und 2002 die maximal förderfähigen GVE voll ausgenutzt. Eine Reduzierung der Produktion im Bereich männliche Rinder lasse sich schon deshalb nicht auf das Vorliegen eines Härtefalls zurückführen. Zwar habe der Vater des Klägers im Bezugszeitraum weniger männliche Rinder vermarktet als in den Jahren 1997 bis 1999. Allerdings sei im Bezugszeitraum und in den Folgejahren die Milcherzeugung ausgeweitet und gleichzeitig die Anzahl der vermarkteten Mastbullen reduziert worden, was gegen eine Produktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Härtefalles spreche. Der Vater des Klägers habe im Bezugszeitraum durchschnittlich 37,7 männliche Rinder vermarktet (25 Tiere im Jahr 2000, 49 Tiere im Jahr 2001 und 35 Tiere im Jahr 2002). Gleichzeitig habe er die Milchviehhaltung von 77 auf 98 Tiere ausgeweitet. In den Jahren 2003 bis 2005 habe der Betrieb durchschnittlich 32,3 männliche Rinder vermarktet und etwa 100 Milchkühe gehalten. Daneben könne der Kläger eine Heranziehung der Produktion der Jahre 1997 bis 1999 nicht beanspruchen, weil nicht der gesamte Bezugszeitraum durch die geltend gemachten Umstände betroffen sei. Der Wiederaufbau des abgebrannten Stallgebäudes sei im Jahr 2001 erfolgt. Die aufgrund des Brandes eingeschläferten Tiere seien ebenfalls erst im Jahr 2001 zur Vermarktung vorgesehen gewesen. Im Jahr 2001 sei jedoch eine Produktionsbeeinträchtigung gegenüber der üblichen Produktion nicht feststellbar, weil der Vater des Klägers in diesem Jahr erheblich mehr Tiere, nämlich 49 männliche Rinder, vermarktet habe. Die BVD-Erkrankung sei erst im Jahr 2002 festgestellt worden. Bei einer Haltungsdauer von 24 Monaten hätten sich Kälberverluste in den Jahren 2000 bis 2002 ohnehin erst ab dem Kalenderjahr 2002 auf die Vermarktung auswirken können.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 geändert und die Beklagte verpflichtet, die Zahlungsansprüche des Klägers unter Berücksichtigung eines weiteren betriebsindividuellen Betrages in Höhe von 1.363,82 EUR festzusetzen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Gewährung eines weiteren betriebsindividuellen Betrages in Höhe von 1.363,82 EUR unter Berücksichtigung von 6,56 zusätzlichen Einheiten im Prämienbereich Rindersonderprämie zu. Der Kläger könne unter Berufung auf das Vorliegen eines Härtefalles verlangen, dass der Berechnung des betriebsindividuellen Betrages der Durchschnittsbetrag der in den Jahren 2000 und 2001 gewährten Sonderprämie für männliche Rinder zugrunde gelegt werde. Das Kalenderjahr 2002 bleibe bei der Berechnung des betriebsindividuellen Betrages außer Betracht, weil der Kläger sich - bezogen auf dieses Jahr - auf einen Härtefall berufen könne.
Hingegen könne der Kläger die Berechnung des Referenzbetrages nicht auf der Basis des Zeitraums 1997 bis 1999 verlangen, weil es an einer Beeinträchtigung der Produktion im gesamten Bezugszeitraum fehle. Eine aufgrund eines Härtefalles eingetretene Produktionsbeeinträchtigung sei allein für das letzte Jahr des Bezugszeitraums - das Kalenderjahr 2002 - zu berücksichtigen. Deshalb sei der Referenzbetrag auf der Basis der durch die höhere Gewalt nicht betroffenen Kalenderjahre des Bezugszeitraums - der Jahre 2000 und 2001 - zu berechnen (Art. 40 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003).
Der Kläger habe eine Beeinträchtigung der Produktion aufgrund höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände in den Kalenderjahren 2000 und 2001 nicht nachgewiesen. Der Tod der Mutter des Klägers im August 1999 könne schon deshalb nicht als Fall höherer Gewalt im Kalenderjahr 2000 anerkannt werden, weil der Kläger die Berücksichtigung dieses Umstandes nicht innerhalb der Antragsfrist unter Beifügung geeigneter Nachweise beantragt habe. Diesen Umstand habe er erstmals im Klageverfahren geltend gemacht. Zudem sei nicht erkennbar, dass die fehlende betriebliche Unterstützung durch die Mutter des Klägers, die nicht Betriebsinhaberin im Sinne von Art. 40 Abs. 4a Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 gewesen sei, die Produktion männlicher Rinder beeinträchtigt habe.
Ein in den Kalenderjahren 2000 und 2001 die Produktion beeinträchtigender Härtefall liege auch nicht aufgrund eines Seuchenbefalls vor. Eine BVD-Infektion des Rinderbestandes sei erstmals im Juni 2002 diagnostiziert und in einer Nachuntersuchung im Juli 2002 bestätigt worden. Weitere Fälle seien im Jahr 2003 festgestellt worden. Es sei davon auszugehen, dass es in den Monaten November 2000 bis Januar 2001 zur Infektion gekommen sei. Bei einer Haltungsdauer männlicher Rinder von etwa zwei Jahren könnten Auswirkungen eines BVD-Befalls des Rinderbestandes auf den Umfang der Produktion männlicher Rinder frühestens ab dem Antragsjahr 2002 eingetreten sein. Dasselbe gelte für die in den Jahren 2000 und 2001 verendeten Kälber. Diese Kälber wären frühestens im Jahre 2002 vermarktet worden.
Der Kläger könne sich hinsichtlich der Kalenderjahre 2000 und 2001 nicht darauf berufen, dass am 25. November 2000 bei einem Brand 80 Rinderstallplätze zerstört worden und acht Tiere verendet seien. Es sei nicht erkennbar, dass die Produktion männlicher Rinder in den Jahren 2000 und 2001 durch den Brand des Stallgebäudes beeinträchtigt worden sei. Wie der Kläger selbst vorgetragen habe, hätten die acht männlichen Rinder, die aufgrund des Brandes getötet werden mussten, im Jahr 2000 nicht mehr vermarktet werden können. Vielmehr wären diese Tiere bei Fortsetzung der Mast im Kalenderjahr 2001 vermarktet worden. Im Übrigen sei nicht erkennbar, dass der Vater des Klägers im Jahr 2000 aufgrund des Brandes weniger Tiere vermarktet hätte als geplant. Der Brand habe am 25. November 2000 und damit erst Ende des Jahres stattgefunden. Der Kläger habe eine Einschränkung der Produktion im verbleibenden Monat Dezember 2000 nicht dargelegt. Vielmehr habe der Vater des Klägers noch am 27. Dezember 2000 die Sonderprämie für zwölf männliche Rinder beantragt.
Der Kläger könne sich hinsichtlich des Kalenderjahres 2000 auch nicht darauf berufen, die Beantragung einer geringeren Hauptfutterfläche und die daraus resultierende Begrenzung der Rindersonderprämien seien auf einen Härtefall zurückzuführen. Der Vater des Klägers habe den Antrag Agrarförderung Fläche bis zum 15. Mai 2000 stellen müssen. Der Brand habe sich erst im November 2000 ereignet, so dass ein Zusammenhang nicht bestehe.
Auch eine Produktionsbeeinträchtigung im Jahr 2001 könne der Kläger insoweit nicht geltend machen. Die beabsichtigte Vermarktung der beim Brand getöteten Rinder in 2001 sowie die Beeinträchtigungen aufgrund des Wiederaufbaus des Stallgebäudes und der provisorischen Unterbringung der Rinder in verschiedenen Ersatzställen hätten sich in dem Produktionsergebnis des Kalenderjahres 2001 nicht niedergeschlagen. Der Vater des Klägers habe im Jahr 2001 49 männliche Rinder vermarktet, während er in den Jahren 1997 bis 1999 durchschnittlich aber 48,33 männliche Rinder vermarktet habe. Eine Produktionsbeeinträchtigung im Kalenderjahr 2001 habe danach nicht vorgelegen.
Der Kläger könne jedoch eine Beeinträchtigung der Produktion durch höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände im Kalenderjahr 2002 aufgrund des Auftretens erhöhter Kälberverluste infolge der Tierseuche BVD mit Erfolg geltend machen. Das Tier, das zur erstmaligen Feststellung der Erkrankung BVD im Betrieb des Klägers geführt habe, habe sich im Zeitraum November 2000 bis Januar 2001 infiziert. Seitdem seien in dem Betrieb erhöhte Kälberverluste zu verzeichnen. Auswirkungen auf die Produktion männlicher Rinder seien bei einer Haltungsdauer von etwa zwei Jahren seit dem Jahr 2002 anzunehmen.
Gegen dieses Urteil führt die Beklagte die vom Senat durch Beschluss vom 28. August 2009 - 10 LA 325/08 - wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugelassene Berufung. Dazu trägt sie ergänzend im Wesentlichen vor: Der Kläger könne keine Beeinträchtigung der Produktion durch höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände im Kalenderjahr 2002 mit Erfolg geltend machen, weil der Umfang der Produktion durch das Auftreten erhöhter Kälberverluste aufgrund der Krankheit BVD im Kalenderjahr 2002 nicht beeinträchtigt gewesen sei. Eine Beeinträchtigung der Produktion sei nur gegeben, wenn die bestehende Produktion nachteilig beeinflusst worden sei, nicht jedoch bei hypothetischen Annahmen einer Produktionsbeeinträchtigung. Das Verwaltungsgericht habe lediglich ausgeführt, dass Auswirkungen auf die Produktion männlicher Rinder bei einer Haltungsdauer von etwa zwei Jahren "anzunehmen" seien. Weiterhin habe der Kläger im Jahr 2002 die "maximal förderfähigen GVE" im Rahmen der Rindersonderprämie voll ausgenutzt. Selbst bei Anerkennung eines Härtefalles hätte sich die BVD-Erkrankung auf die Produktion im Bezugszeitraum nicht ausgewirkt. Denn die geltend gemachten hohen Kälberverluste der Jahre 2000 bis 2002 wirkten sich bei der Haltungsdauer von 24 Monaten erst auf die Vermarktung von Bullen im Jahr 2002 bis 2004 aus. Auch eine Berechnung auf der Grundlage des Durchschnitts der Jahre 2000 und 2001 könne nicht zur Anwendung kommen, weil die Anzahl der vermarkteten Tiere im Jahr 2002 mit 35 Tieren im Verhältnis zum Durchschnitt des Bezugszeitraums (2000 bis 2002) mit 37,7 Tieren nur unwesentlich geringer gewesen sei und somit nicht im Zusammenhang mit den im Jahr 2000 verendeten Kälbern hätten stehen können. Außerdem sei die Krankheit BVD keine anerkennenswerte Seuche im Sinne desArt. 40 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit der Klage stattgegeben wurde.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen an: Hier liege ein Fall höherer Gewalt im Sinne der genannten Bestimmung vor. In seinem Betrieb habe durch die BVD eine wirtschaftlich bedeutsame Infektionskrankheit vorgelegen. Es sei bestätigt worden, dass aufgrund der massiven Kälberverluste ein erheblicher betriebswirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Vor diesem Hintergrund sei daher die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Erhöhung der Zahlungsansprüche um 6,56 Einheiten vorzunehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die in ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a Satz 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtmäßig. Der Kläger kann keine Verpflichtung der Beklagten beanspruchen, höhere Zahlungsansprüche nach der Betriebsprämienregelung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 aufgrund eines zusätzlichen betriebsindividuellen Betrages (§ 5 Abs. 2 BetrPrämDurchfG) festzusetzen.
Der Kläger kann einen solchen Anspruch nicht daraus ableiten, dass der für die Höhe des betriebsindividuellen Betrages maßgebliche Referenzbetrag auf Grundlage des Art. 40 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 abweichend von Art. 37 Abs. 1 der Verordnung zu berechnen wäre. Nach Art. 40 Abs. 1 der Verordnung kann der Betriebsinhaber beantragen, dass der Referenzbetrag auf der Basis des oder der durch höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände nicht betroffenen Kalenderjahre(s) des Bezugszeitraums (Art. 38 der Verordnung) berechnet wird. Voraussetzung ist, dass die Produktion des Betriebsinhabers im Bezugszeitraum durch vor diesem Zeitraum oder während dieses Zeitraums eingetretene Fälle höherer Gewalt oder die außergewöhnlichen Umstände beeinträchtigt worden ist. Mithin muss in Fällen höherer Gewalt oder bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände (Art. 40 Abs. 4 der Verordnung) die Produktion derart beeinträchtigt worden sein, dass der Referenzbetrag im maßgeblichen Bezugszeitraum (Art. 37 Abs. 1, 38 der Verordnung) dadurch geringer ausgefallen ist. Denn durch die Härtefallregelung in Art. 40 Abs. 1 der Verordnung soll allein die Benachteiligung aufgrund von Fällen höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände ausgeglichen werden, die sich nachteilig auf den Referenzbetrag auswirken, der letztlich für die Höhe der festzusetzenden Zahlungsansprüche maßgeblich ist. Mit anderen Worten: Bliebe der Referenzbetrag in dem betreffenden Jahr auch dann unverändert, wenn es zu den Beeinträchtigungen der Produktion aufgrund der Fälle höherer Gewalt oder wegen außergewöhnlicher Umstände nicht gekommen wäre, bestünde kein Anlass zur Korrektur und damit zur Annahme eines Härtefalles; der gedachte Wegfall des Härtefalles hätte dann nicht zu höheren Zahlungen im Sinne des Art. 37 Abs. 1 der Verordnung in dem betreffenden Jahr geführt (vgl. hierzu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Februar 2008 - 8 A 11173/07 -, AUR 2008, 277 [OVG Rheinland-Pfalz 27.02.2008 - 8 A 11173/07.OVG]).
Für die Kalenderjahre 2000 und 2001 liegen diese Voraussetzungen für eine abweichende Ermittlung des Referenzbetrages nicht vor. Insoweit folgt der Senat den Gründen der angefochtenen Entscheidung und nimmt in entsprechender Anwendung des § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO hierauf Bezug.
Auch für das Kalenderjahr 2002 sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Selbst wenn die Produktion männlicher Rinder in dem Betrieb des Klägers beginnend im November 2000 durch eine BVD-Erkrankung des Viehbestands beeinträchtigt worden wäre, hätte der Vater des Klägers trotz einer höheren Produktion aufgrund der Besatzdichteregelung keine höhere Sonderprämien für männliche Rinder in 2002 erhalten können (Art. 12 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1254/99 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1512/2001 sowie Art. 31 Verordnung (EG) Nr. 2342/1999 der Kommission vom 28. Oktober 1999 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 169/2002 vom 30. Januar 2002).
Der dagegen erhobene Einwand des Klägers, aufgrund der außergewöhnlichen Umstände sei eine genaue Kalkulation des Rinderbestandes und der Tierverkäufe nicht möglich gewesen und dies gelte entsprechend hinsichtlich der Beantragung von Flächenzahlungen und der damit zusammenhängenden Zuordnung von Mais als Futterfläche oder Getreide, greift nicht durch. Weder hat der Kläger dargelegt noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass es dem Vater des Klägers in 2002 aufgrund des geltend gemachten Härtefalls tatsächlich nicht möglich gewesen ist, über die für die Einhaltung der o.a. Besatzdichteregelung erforderliche innerbetriebliche Futterfläche zu verfügen.
Daneben ist es dem Vater des Klägers unabhängig von dem geltend gemachten Härtefall schon während des Bezugszeitraums nicht gelungen, die o.a. Besatzdichteregelung für die beantragten männlichen Rinder einzuhalten. So sind in den Jahren 2000 bis 2002 jeweils die Sonderprämien für männliche Rinder wegen Überschreiten der o.a. Besatzdichteregelung erheblich gekürzt worden: Der Vater des Klägers hat von den im Jahr 2000 beantragten 37 Tieren lediglich für 22,6667 Einheiten Sonderprämien für männliche Rinder erhalten. Auch im Jahr 2001 hat er wegen Überschreitens der Besatzdichte lediglich für 40,6667 Einheiten jeweils Sonderprämien bekommen, obwohl er die Prämien für 49 Tiere beantragte. Aus demselben Grund sind in 2002 für 21 beantragte männliche Rinder lediglich Sonderprämien im Umfang von 11,5 Einheiten gewährt worden.
Auch belegt der erhebliche Ausbau der Milchviehhaltung und die damit einhergehende Erhöhung der dem Betrieb zur Verfügung stehenden Milchreferenzmenge während des Bezugszeitraums, dass die Begrenzung der Prämienansprüche für männliche Rinder nach der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 in den Jahren 2000 bis 2002 aufgrund der Besatzdichteregelung nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung nicht im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Härtefall stand. So hat nach den unwidersprochen geblieben Angaben der Beklagten der Betrieb des Klägers im Durchschnitt im Jahr 2000 77, im Jahr 2001 91 und im Jahr 2002 98 Milchkühe gehalten. Auch in den Folgejahren ist der durchschnittliche Milchviehbestand weiter gestiegen, während die Anzahl der vermarkteten männlichen Rinder in den Jahren 2003 bis 2005 mit durchschnittliche 32,33 Tieren weiter gesunken ist.
Dabei sind bei der Bestimmung des Besatzdichte eines Betriebes die Anzahl der Milchkühe mit einzurechnen, welche zur Erzeugung der dem Erzeuger zugeteilten gesamten Milchreferenzmenge erforderlich sind (Art. 12 Abs. 2 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 1254/1999), wobei die Besatzdichte eines Betriebes das Verhältnis von den nach Anhang III der genannten Verordnung berechneten Großvieheinheiten zur innerbetrieblichen Futterfläche ausdrückt (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung). Mit einer Erhöhung der betrieblichen Milchreferenzmenge steigt unmittelbar die Besatzdichte, bleiben Tierbestand und Futterfläche im Übrigen unverändert. Der Vater des Klägers hat die dem Betrieb zur Verfügung stehende Milchreferenzmenge in den Jahren vor 2000 erheblich erhöht: So hat der Betrieb über Milchreferenzmengen in den Jahren 1997 und 1998 von jeweils rd. 327.000 kg, in 1999 von rd. 420.000 kg, in den Jahren 2000 und 2001 von jeweils rd. 633.000 kg und in 2002 von rd. 663.000 kg verfügt. Um eine Erhöhung der Besatzdichte infolge der erheblichen Ausweitung der dem Betrieb zur Verfügung stehenden Milchreferenzmenge zu vermeiden, hätte es einer entsprechenden Erhöhung der innerbetrieblichen Futterfläche oder der Abstockung der in Art. 12 Abs. 2 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 genannten Tiere bedurft.
Daneben ist die Gewährung weiterer Sonderprämien für männliche Rinder in 2002 selbst bei Hinwegdenken des geltend gemachten Härtefalls auch deshalb auszuschließen, weil der Betrieb des Klägers im betreffenden Jahr tatsächlich 35 männliche Rinder und damit deutlich mehr als die Anzahl der beantragten Tiere vermarktet hat. Eine höhere Produktion männlicher Rinder im Jahr 2002 hätte sich auch deshalb nicht auf die Höhe der Sonderprämien für dieses Jahr auswirken können.
Es besteht deshalb kein Anlass, die Zahlung der Sonderprämie für männliche Rinder in 2002 bei der Ermittlung des Referenzbetrages nach Art. 37 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 unberücksichtigt zu lassen.