Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.05.2014, Az.: 11 ME 74/14

Ablegung einer erfolgreichen Jägerprüfung im Bundesgebiet i.R.d. Erteilung und Verlängerung eines Jagdscheins an einen deutschen Staatsangehörigen; Ausreichen des Bestehens der Jagdprüfung im Ausland (hier: Tschechien)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.05.2014
Aktenzeichen
11 ME 74/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 16690
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0519.11ME74.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 13.03.2014 - AZ: 11 B 621/14

Fundstellen

  • DÖV 2014, 719
  • NVwZ-RR 2014, 6
  • NVwZ-RR 2014, 672
  • NdsVBl 2014, 320-321
  • NordÖR 2014, 460-461

Amtlicher Leitsatz

Die Erteilung und Verlängerung eines Jagdscheins an einen im Bundesgebiet wohnhaften erwachsenen deutschen Staatsangehörigen setzt die erfolgreiche Ablegung einer Jägerprüfung im Bundesgebiet voraus. Das Bestehen der Jägerprüfung im Ausland (hier: Tschechien) reicht hierfür nicht aus.

Gründe

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die von dem Antragsgegner verfügte Rücknahme des Jagdscheins.

Der Antragsteller, ein deutscher Staatsangehöriger mit ständigem Wohnsitz im Bundesgebiet, erhielt im Jahr 2009 vom Antragsgegner nach Vorlage eines tschechischen Jagdscheines für Ausländer einen deutschen Jagdschein sowie eine Waffenbesitzkarte; der deutsche Jagdschein wurde mit Bescheid des Antragsgegners vom 21. März 2012 mit Wirkung bis zum 31. März 2015 verlängert. Der Antragsteller hat lediglich in der Tschechischen Republik, nicht aber im Bundesgebiet eine Jägerprüfung erfolgreich bestanden. Deshalb hatte der Landkreis B. im Jahr 2007 eine zuvor beantragte Ausstellung eines Jagdscheines bestandskräftig abgelehnt. Nachdem dem Antragsgegner der Umstand der fehlenden deutschen Jägerprüfung im September 2013 bekannt geworden war, nahm er mit für sofort vollziehbar erklärten Bescheiden vom 5. Februar 2014 den dem Antragsteller erteilten Jagdschein sowie die Waffenbesitzkarte zurück.

Hiergegen hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht jeweils Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist, und zugleich jeweils erfolglos um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Die gegen den die Rücknahme des Jagdscheins betreffenden Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobene Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotenen Interessenabwägung zutreffend dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Rücknahmebescheides des Antragsgegners vom 5. Februar 2014 den Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers eingeräumt, von der Vollziehung vorläufig verschont zu werden, weil die Rücknahme des Jagdscheins offensichtlich rechtmäßig ist und die dagegen erhobene Klage daher voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Der Senat macht sich die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses zu Eigen und verweist deshalb auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Rücknahme der dem Antragsteller zuletzt mit Wirkung bis zum 31. März 2015 erteilten Verlängerung des Jagdscheins beruht auf §§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 48 Abs. 1 und 3 VwVfG und ist rechtmäßig. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angeführt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung sowohl in formeller (dazu 1.) als auch in materieller Hinsicht (dazu 2.) nicht zu beanstanden ist.

1. Der Einwand des Antragstellers, die Begründung des Antragsgegners genüge nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da seine individuellen Interessen überhaupt nicht berücksichtigt worden seien, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, in der Begründung sei einzelfallbezogen und schlüssig darauf abgestellt worden, dass der Antragsteller ansonsten während des gegebenenfalls langwährenden Rechtsstreites weiterhin die Jagd mit Waffen ausüben könne, ohne die erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Welche gewichtigen Individualinteressen demgegenüber zugunsten des Antragstellers durchschlagen sollen, hat dieser nicht hinreichend konkret dargelegt. Dass die Einschätzung des Antragsgegners maßgeblich aus der vorherigen Begründung für die zu vollziehende Maßnahme selbst hergeleitet wird, liegt in der Natur der Sache und rechtfertigt im Hinblick auf das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

2. Auch mit seiner Kritik gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Rücknahme des Jagdscheines werde sich aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen, dringt der Antragsteller nicht durch.

Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller darauf, dass aufgrund des im Jahr 2009 erteilten Jagdscheins gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 BJagdG vermutet werde, er habe die Jägerprüfung erfolgreich bestanden, und dass diese Vermutung nicht hinreichend widerlegt worden sei, da er bei der Verlängerung im Jahr 2012 alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt habe. Der Antragsteller berücksichtigt bei dieser Argumentation nicht, dass die Verlängerung des Jagdscheins nicht - wie er meint - rechtmäßig, sondern rechtswidrig war. Denn auch die Verlängerung eines Jagdscheins setzt - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - eine im Bundesgebiet abgelegte und bestandene Jägerprüfung voraus. Hieran fehlt es unstreitig, sodass die Vermutung im Fall des Antragstellers hinreichend widerlegt ist.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die einjährige Frist der §§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nicht abgelaufen. Nach dem oben Gesagten trifft bereits die in diesem Zusammenhang aufgestellte Prämisse des Antragstellers, die Verlängerung des erteilten Jagdscheins sei rechtmäßig gewesen, nicht zu. Entgegen der Ansicht des Antragstellers hatte der Antragsgegner auch nicht bereits 2009, sondern erst im Oktober 2013 Kenntnis davon, dass die Erteilung und die Verlängerung des Jagdscheins wegen der fehlenden Ablegung und des fehlenden Bestehens einer Jagdprüfung im Bundesgebiet rechtswidrig sind. Der Antragsgegner hat überdies entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht "aus eigenem Antrieb ausdrücklich" und "wissentlich auf die Vorlage einer bestandenen deutschen Jägerprüfung verzichtet".

Ein anderes Ergebnis ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich der Antragsteller unter Vorlage eines Auszuges des Kataloges des Bundeslandwirtschaftsministeriums (Referat 611-7231/16) mit Stand vom Februar 1994 über die Gleichwertigkeit ausländischer Jägerprüfungen sowie einer aus der tschechischen in die deutsche Sprache übersetzten Bestätigung über abgelegte und bestandene Prüfungen im Jagdwesen vom 3. Dezember 2006 nebst Anlagen auf die Vergleichbarkeit der tschechischen mit der deutschen Jägerprüfung beruft. Die Frage der Gleichwertigkeit einer ausländischen und der deutschen Jägerprüfung stellt sich ausschließlich im Zusammenhang mit der Erteilung eines Ausländerjagdscheins nach § 15 Abs. 6 BJagdG, nicht aber bei der Erteilung eines für eine Dauer von bis zu drei Jahren ausgestellten Jagdscheins für einen erwachsenen Bundesbürger auf der Grundlage des § 15 Abs. 5 BJagdG. Zu diesem Zweck führen die zuständigen deutschen Behörden Listen wie die von dem Antragsteller vorgelegte, in denen ausländische Staaten erfasst sind, deren Jägerprüfungen als mit der deutschen vergleichbar bewertet werden (Tausch, in: Schuck, BJagdG, 1. Aufl. 2010, § 15, Rdnr. 10). Deutschen Staatsangehörigen, die im Ausland die dortige Jägerprüfung bestanden und einen entsprechenden Jagdschein erworben haben, kann im Bundesgebiet ein Ausländerjagdschein nach § 15 Abs. 6 BJagdG nicht ausgestellt werden (Bayerischer VGH, Urt. v. 20.10.1994 - 19 B 94.1271 -, BayVBl. 1995, 210, [...], Rdnr. 14 ff.; VG Schleswig, Urt. v. 25.6.2002 - 7 A 222/00 -, [...], Rdnr. 20 ff.). Dieser Personenkreis ist vielmehr grundsätzlich - auf die unter Umständen mögliche Ausnahme für den Fall, dass dem betroffenen deutschen Staatsangehörigen die Absolvierung einer deutschen Jägerprüfung nicht möglich oder unzumutbar ist (vgl. hierzu etwa VG Schleswig, Urt. v. 25.6.2002 - 7 A 222/00 -, [...], Rdnr. 23), kommt es hier nicht entscheidungserheblich an - darauf angewiesen, die Jägerprüfung im Bundesgebiet nach den hiesigen Prüfungsvorschriften und -anforderungen zu absolvieren, um nach auf dieser Grundlage bestandener Prüfung einen Jagdschein (allein) auf der Grundlage des § 15 Abs. 5 BJagdG zu erhalten (so auch Bayerischer VGH, Urt. v. 23.4.1997 - 19 B 96.763 -, [...], Rdnr. 27 ff.). Eine - wie hier - im Ausland abgelegte Jägerprüfung ersetzt mithin nicht die erforderliche deutsche Jägerprüfung (Tausch, in: Schuck, a.a.O., § 15, Rdnr. 11 f. m.w.N.). Einem deutschen Staatsangehörigen mit ständigem Wohnsitz im Bundesgebiet wie hier dem Antragsteller kann ein Ausländerjagdschein nach § 15 Abs. 6 BJagdG deshalb nicht erteilt werden.

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz und Ermessensfehler berufen. Ihm war aufgrund der zuvor verweigerten Erteilung eines von ihm beantragten Jagdscheines durch den Landkreis B. bereits seit dem Jahr 2007 bekannt, dass er als deutscher Staatsangehöriger für die Erteilung eines Jagdscheines zwingend das Bestehen einer im Bundesgebiet absolvierten Jägerprüfung belegen muss. Im Übrigen teilt der Senat die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es habe den Anschein, dass der Antragsteller die Anmeldung im Gebiet des Antragsgegners allein deshalb vorgenommen habe, um die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners zu begründen. Ungeachtet des Umstandes, dass der Antragsteller in C. und damit im Gebiet des Landkreises B. Mitglied einer Jagdgenossenschaft ist und dort eine Hofanlage sowie eine Landschlachterei besitzt, besteht das Wohnobjekt D. in E. im Gebiet des Antragsgegners, unter dessen Anschrift sich der Antragsteller umgemeldet hat, nach Angaben des Antragsgegners aus einem Mehrfamilienhaus mit vier Wohneinheiten, die sämtlich an Dritte vermietet sind. Hierzu verhält sich der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung nicht. Eine andere Einschätzung folgt entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht aus dem bloßen Umstand, dass zwischen den zwei Anträgen des Antragstellers aus den Jahren 2007 und 2009 ein Zeitraum von rund zwei Jahren liegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für die Beschwerdeinstanz folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und folgt - wie die des Verwaltungsgerichts - der Empfehlung in Ziffer 20.3 in Verbindung mit Ziffer 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 2013 (NordÖR 2014, 11).