Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.11.2019, Az.: 10 PA 204/19
Eingliederungshilfe; Hilfe zur Erziehung; Leistung zur Teilhabe; Prozesskostenhilfe; Rechtsweg; Rehabilitationsträger
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 25.11.2019
- Aktenzeichen
- 10 PA 204/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 69850
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 14.08.2019 - AZ: 4 A 83/18
Rechtsgrundlagen
- § 17 Abs 2 S 1 GVG
- § 16 Abs 1 S 1 SGB 1
- § 37 SGB 1
- § 14 Abs 1 S 1 SGB 9
- § 5 SGB 9
- § 6 Abs 1 Nr 6 SGB 9
Tenor:
Auf die Beschwerde der Klägerin zu 1. wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 4. Kammer - vom 14. August 2019 geändert.
Der Klägerin zu 1. wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin H. I., B-Stadt, zu den Bedingungen einer im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwältin zur Vertretung in diesem Verfahren beigeordnet
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Neuverbescheidung ihres Antrags auf Übernahme der Kosten für eine Gebäudesanierung mit behindertengerechtem Umbau und die Klägerin zu 1. die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre Klage.
Der Beklagte gewährt der im Oktober 2004 geborenen Klägerin zu 1., die an Mukoviszidose erkrankt ist, seit dem 1. Dezember 2012 Vollzeitpflege im Sinne des § 33 SGB VIII.
Die Diakonie J. teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 30. Juni 2017 mit, dass die Kläger zu 2. und 3. – die Pflegeeltern der Klägerin zu 1. – einen Antrag auf Finanzierung der Haussanierung stellten, weil sich die Klägerin zu 1. in dem gemeinsam bewohnten Haus in einem gesundheitsschädlichen Umfeld befände. Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 4. August 2017 angekündigt hatte, den Antrag abzulehnen, meldeten sich die Prozessbevollmächtigten für die Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 10. Oktober 2017, nahmen zu der Auffassung des Beklagten Stellung und baten, unter Bezugnahme auf den Antrag vom 30. Juni 2017, um eine schnelle Entscheidung. Mit an die Prozessbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 19. Januar 2018 lehnte der Beklagte die beantragte Hilfe mit der Begründung ab, dass sie in § 33 i.V.m. § 39 SGB VIII nicht vorgesehen sei, § 35a SGB VIII nicht zur Anwendung komme, weil eine seelische Behinderung nicht vorliege, und auch § 14 SGB VIII nicht einschlägig sei.
Die Kläger haben am 9. Februar 2018 Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, dass sich der Anspruch der Klägerin zu 1. aus § 35a SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 5 SGB IX ergebe und den Klägern zu 2. und 3. ein solcher nach § 27 SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 5 SGB IX zukommen würde. Die Klägerin zu 1. sei durch die Mukoviszidose in ihrer körperlichen Funktion erheblich eingeschränkt und habe deshalb einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne des §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX in Form von Geldleistungen zur Sanierung und zum Umbau des Hauses. Da § 14 SGB IX zur Anwendung komme, sei der Beklagte hierfür zuständig.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 19. Januar 2018 aufzuheben und sie nach der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Vorschriften des SGB IX nicht einschlägig seien, weil er nicht nach § 35a SGB VIII und damit nicht als Rehabilitationsträger tätig geworden sei. Auch sei zweifelhaft, ob die Kläger zu 2. und 3. berechtigt seien, einen Antrag nach §§ 53, 54 SGB IX zu stellen, da ihnen als Pflegeeltern lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge sowie das Recht der Antragstellung im SGB VIII übertragen worden seien.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin zu 1. als unzulässig angesehen, weil sie gegenüber dem Jugendhilfeträger keinen Antrag gestellt habe, und dementsprechend die hinreichende Erfolgsaussicht ihres Begehrens verneint.
In ihrer Beschwerdebegründung führt die Klägerin zu 1. aus, dass es ausreichend sei, dass die hierzu berechtigte Pflegeperson für sie einen Antrag gestellt habe. Diese sei auch bereits nach § 1688 Abs. 1 Satz 2 BGB antragsberechtigt. Selbst wenn die Befugnis nicht ausreichend wäre, wäre der Beklagte zwar nicht als Träger der Kinder- und Jugendhilfe, jedoch als Träger der Sozialhilfe zur Leistung verpflichtet. Bei den Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII handele es sich nicht um Antragsleistungen.
II.
Die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das auf Neuverbescheidung hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Eingliederungshilfe gerichtete Klageverfahren abgelehnt hat, hat Erfolg.
Der Klägerin zu 1. ist für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags hatte die Rechtsverfolgung der Klägerin zu 1. die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Klägerin zu 1. ist nach der vorgelegten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. etwa BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.08.2018 – 2 BvR 2647/17 –, juris Rn. 14). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung in dem dafür vorgesehenen Verfahren zugeführt werden können; das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (BVerfG, Beschluss vom 08.07.2016 – 2 BvR 2231/13 –, juris Rn. 10). Dementsprechend sieht das Gesetz mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vor, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 –, juris Rn. 26). An das Tatbestandsmerkmal "hinreichende Erfolgsaussicht" als Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 30.10.1991 - 1 BvR 1386/91 -, juris Rn. 8). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im summarischen Verfahren der Prozesskostenhilfe (BVerfG, Beschluss vom 26.02.2007 – 1 BvR 474/05 –, juris Rn. 11; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 17.05.2016 – 8 LA 40/16 –, juris Rn. 45) ist dabei der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (Senatsbeschluss vom 21.11.2018 – 10 PA 356/18, juris 1. Leitsatz und Rn. 5, und vom 05.09.2019 – 10 PA 187/19 –, nicht veröffentlicht; Bayerischer VGH, Beschluss vom 06.06.2016 – 10 C 15.1347 –, juris Rn. 13; vgl. dazu auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.08.2018 – 2 BvR 2647/17 –, juris Rn. 15).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage im Sinne des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO daraus, dass nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen lediglich summarischen Prüfung die Erfolgsaussichten zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags im Hinblick auf die sich stellenden Rechtsfragen insoweit als hinreichend anzusehen gewesen sind, dass sie der Klärung in einem Hauptsacheverfahren bedürfen.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass unter Berücksichtigung aller Umstände davon auszugehen sei, dass nicht die Klägerin zu 1. den Antrag auf Übernahme der Sanierungskosten des Hauses gestellt habe, sondern die Kläger zu 2. und 3.
Die Beantwortung dieser Frage ist nicht dafür geeignet, in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert zu werden. Denn wer den Antrag vom 30. Juni 2017 für wen gestellt hat, lässt sich nicht ohne weiteres in einer für das Prozesskostenhilfeverfahren ausreichenden Deutlichkeit entscheiden.
Gemäß § 37 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB I sind Anträge auf Sozialleistungen grundsätzlich beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Der Antrag ist eine einseitige, empfangsbedürftige und auf eine bestimmte Leistung des Leistungsträgers gerichtete öffentlich-rechtliche Willenserklärung des Antragstellers, mit der er zum Ausdruck bringt, Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu wollen (Öndül in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage 2018, § 16 Rn. 15; vgl. auch BSG, Urteil vom 26.01.2000 – B 13 RJ 37/98 R –, juris Rn. 38 f.). Anträge auf Sozialleistungen bedürfen keiner besonderen Form; sie müssen lediglich in erkennbarer Weise zum Ausdruck bringen, dass vom Antragsrecht Gebrauch gemacht wird (BSG, Urteil vom 26.01.2000 – B 13 RJ 37/98 R –, juris Rn. 38; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.04.2008 – 12 A 510/08 –, juris Rn. 14). Auch eine Mitteilung von Tatsachen kann als Leistungsantrag aufzufassen sein (Öndül in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage 2018, § 16 Rn. 16; BSG, Urteil vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 –, juris Rn. 21) ebenso mündliche Erklärungen oder Erklärungen von Dritten im Auftrag des Berechtigten (Öndül in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage 2018, § 16 Rn. 25; die grundsätzliche Möglichkeit der Antragstellung durch Dritte anerkennend: BSG, Urteil vom 26.01.2000 – B 13 RJ 37/98 R –, juris Rn. 39). Dass ein formloser Antrag ausreichend ist, gilt auch im Rahmen der Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX (BSG, Urteil vom 30.10.2014 – B 5 R 8/14 R –, juris Rn. 32). Auch die Gewährung von Leistungen der Jugendhilfe (vgl. dazu Öndül in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage 2018, § 16 Rn. 27) setzt grundsätzlich eine Antragstellung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor Hilfebeginn voraus, der Antrag kann aber auch hier in der Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden (BVerwG, Beschluss vom 17.02.2011 – 5 B 43.10 –, juris Rn. 6; Senatsbeschluss vom 08.02.2018 – 10 LA 28/18 –, nicht veröffentlicht; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 02.08.2013 – 4 LA 112/12 –, juris Rn. 3 m.w.N.). Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung ist ein Sozialleistungsantrag zudem so auszulegen, dass er dem mutmaßlichen Interesse des Betroffenen und der Verwirklichung seiner sozialen Rechte am besten entspricht (Öndül in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage 2018, § 16 Rn. 24; vgl. auch BSG, Urteil vom 30.10.2014 – B 5 R 8/14 R –, juris Rn. 30). An seinen Inhalt sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (BSG, Urteil vom 30.10.2014 – B 5 R 8/14 R –, juris Rn. 32). Die Auslegung (§ 133 BGB) hat nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen. Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt, unabhängig davon, welchen Ausdruck er gewählt hat (BSG, Urteil vom 30.10.2014 – B 5 R 8/14 R –, juris Rn. 32). Ein Sozialleistungsantrag ist so auszulegen, dass er dem mutmaßlichen Interesse des Betroffenen und der Verwirklichung seiner sozialen Rechte am besten entspricht (Öndül in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage 2018, § 16 Rn. 24). Rechtlich maßgebend für den Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Antrags ist, wie die Behörde einen Antrag unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände sowie nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung auf die in Frage stehenden Äußerungen in ihrer Gesamtheit und das mit ihnen erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel beziehen (BSG, Urteil vom 30.10.2014 – B 5 R 8/14 R –, juris Rn. 34; BVerwG, Urteil vom 12.12.2001 – 8 C 17.01 –, juris Rn. 40). Auf den inneren Willen der erklärenden Partei kommt es nicht an, sondern darauf, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Der Wortlaut tritt dabei hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück (BVerwG, Urteil vom 12.12.2001 – 8 C 17.01 –, juris Rn. 40)
Auch wenn in dem Schreiben vom 30. Juni 2017 – wie das Verwaltungsgericht zutreffend anmerkt – die Formulierung enthalten ist, dass „die Pflegeeltern einen Antrag auf Finanzierung dieser Haussanierung“ stellen, wird mit den weiteren Ausführungen ausschließlich auf den Gesundheitszustand der Klägerin zu 1., dessen Verschlechterung mit der beantragten Finanzierung des Hausumbaus verhindert werden soll, eingegangen, woraus deutlich wird, dass der Antrag die Rechte der Klägerin zu 1. betrifft. Auch wird bereits in der Betreffzeile der Bezug zu dem Gesundheitszustand der Klägerin zu 1. hergestellt. Aus dieser Formulierung des Schreibens kann bereits nicht mit der erforderlichen Gewissheit der Schluss gezogen werden, dass die Kläger zu 2. und 3. den Antrag ausschließlich im eigenen Namen gestellt haben. Hinzu kommt, dass im Hinblick auf einen Anspruch aus § 35a SGB VIII die zum Zeitpunkt der Antragstellung zwölfjährige Klägerin zu 1. selbst einen Antrag auch nicht stellen konnte, sondern die Kläger zu 2. und 3. für sie handeln mussten. Denn sofern eine hilfebedürftige Person das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (vgl. § 37 i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB I), ist der Anspruch aus § 35a SGB VIII durch die gesetzlichen Vertreter, etwa durch die Eltern (vgl. § 1626 BGB) oder die Pflegepersonen (vgl. § 1688 Abs.1 Satz 2 BGB), geltend zu machen (vgl. Boetticher/Meysen in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, § 35a Rn. 15). Den Klägern zu 2. und 3. hat das Familiengericht im September 2010 das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge sowie das Antragsrecht nach dem SGB VIII übertragen (Bl. 306 BA 2).
Schon auf dieser Grundlage kann vorliegend im Prozesskostenhilfeverfahren nicht mit der die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage verneinenden Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Kläger zu 2. und 3. einen Antrag nur im eigenen Namen und nicht (auch) für die Klägerin zu 1. gestellt haben.
Zwar hat der Beklagte in seinem Schreiben vom 19. Oktober 2017, wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt hat, ausgeführt, dass das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 10. Oktober 2017 als Antrag der Kläger zu 2. und 3. aufgefasst werde, daraus folgt aber bereits nicht in einer ausreichend deutlichen Weise, dass angenommen werde, dass der Antrag der Kläger zu 2. und 3. nicht für die Klägerin zu 1. gestellt worden sei, zumal auf das Schreiben der Diakonie vom 30. Juni 2017 kein Bezug genommen wird und aus den Verwaltungsvorgängen hervorgeht, dass eine „Weiterleitung an Eingliederungshilfe“ erwogen wurde (Bl. 292 / 293 BA 2), aber letztlich – nach Rücksprache mit dem Abteilungsleiter – abgelehnt worden ist.
Unabhängig davon hat das Schreiben vom 19. Oktober 2017 entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts keine “Zugeständnisfunktion“ hinsichtlich der weiteren Korrespondenz ausgelöst, da der Beklagte den Sachverhalt in diesem Schreiben unzutreffend bewertet hat. Mit der Einleitung, dass sie die anwaltliche Vertretung „von K.“ anzeigten, und den weiteren Ausführungen zu § 35a SGB VIII haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger in ihrem Schreiben vom 10. Oktober 2017 vielmehr klar zum Ausdruck gebracht, dass es um den Anspruch des Kindes geht und folglich auch das Schreiben vom 30. Juni 2017 bei sachgerechter Auslegung als Antrag des Kindes vertreten durch seine Pflegeeltern auszulegen ist.
Auch im Übrigen sind die Erfolgsaussichten der Klage im Prozesskostenhilfeverfahren als hinreichend im Sinne des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen.
Zwar scheidet ein Anspruch der Klägerin zu 1. selbst (vgl. hierzu Boetticher/Meysen in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Auflage 2019, § 35a Rn. 1; von Koppenfels-Spies in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Auflage 2018, § 35a Rn. 14, 16) nach § 35a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 53 Abs. 3 und Abs. 4, 54 SGB XII bereits deshalb aus, weil ihre seelische Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Sie ist zwar an Mukoviszidose erkrankt, jedoch ist weder ihrem Vortrag noch den vorgelegten ärztlichen Unterlagen zu entnehmen, dass damit – neben den körperlichen Auswirkungen – eine seelische Beeinträchtigung im vorbeschriebenen und von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII vorausgesetzten Sinne einherginge.
Inwieweit der Beklagte aber über § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen zu der von der Klägerin zu 1. begehrten Leistung verpflichtet ist, ist im Hauptsacheverfahren zu klären. Entgegen der Auffassung des Beklagten scheidet eine Anwendung des § 14 SGB IX aller Voraussicht nach nicht bereits deshalb aus, weil er (bislang) lediglich Leistungen der Jugendhilfe in Form von Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII erbringt (i.E wohl a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.04.2011 – 12 A 153/10 –, JAmt, 2011, 539 [541]).
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat der Rehabilitationsträger, wenn Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist […]. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX den Rehabilitationsbedarf […] fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Erstangegangener Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist (BSG, Urteil vom 20.11.2008 – B 3 KN 4/07 KR R –, juris Rn. 24).
Zwar unterfällt der Beklagte – wie er zutreffend ausführt – nicht der Vorschrift des § 14 SGB IX, soweit er als Träger der öffentlichen Jugendhilfe Hilfe zur Erziehung (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII) leistet, da der Jugendhilfeträger insoweit kein Rehabilitationsträger im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX ist (vgl. Boetticher/Meysen in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Auflage 2019, § 35a Rn. 86). Auch der Jugendhilfeträger kann zwar Rehabilitationsträger sein. Voraussetzung hierfür ist aber, dass Leistungen zur Teilhabe gemäß § 5 Nr. 1, 2, 4 oder 5 SGB IX (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX) beantragt werden (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.11.2018 – 12 B 615/18 –, juris Rn. 5), was bei der Hilfe zur Erziehung nicht der Fall ist. Gleichwohl könnte hier eine Leistung nach § 5 SGB IX beantragt worden sein. Die Klägerin zu 1. begehrt die Übernahme der Kosten der Sanierung des Hauses, in dem sie lebt, zur Verhinderung einer Verschlimmerung bzw. Minderung der Symptome ihrer Erkrankung, die eine Behinderung im Sinne des §§ 1, 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX darstellen könnte. Dabei könnte es sich zumindest um eine Leistung zur Teilhabe nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 4, 5 Nr. 5, 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3, Abs. 2 Nr. 1, 77 Abs. 1 SGB IX bzw. gemäß § 8 Nr. 4, 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 SGB IX in der bis 31. Dezember 2017 gültigen Fassung vom 23. April 2004 handeln.
Inwieweit der gegenüber dem Beklagten geltend gemachte Anspruch, den der Träger auf den grundsätzlich in einem umfassenden Sinne zu verstehenden Antrag bei einer Zuständigkeit aufgrund von § 14 SGB IX an Hand aller Rechtsgrundlagen für Teilhabeleistungen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind, und unter Beachtung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Leistungsgesetze zu prüfen hat (BSG, Urteil vom 30.10.2014 – B 5 R 8/14 R –, juris Rn. 29; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.02.2015 – L 9 SO 427/14 B –, juris Rn. 13), besteht, ist ebenso wie die Zulässigkeit des Rechtswegs im Hauptsacheverfahren, auch unter Berücksichtigung von § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG (vgl. dazu Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 02.08.2006 – 4 OB 171/06 –, juris Rn. 3), zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.2015 – 6 PKH 10.15 –, juris Rn. 9).
Die Entscheidung über die Beiordnung beruht auf § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2, Abs. 3 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 166 Abs.1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO und § 188 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).