Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.11.2019, Az.: 11 LC 606/18

Amtshandlung; Auslagen; Bombe; Ersatzvornahme; Evakuierungskosten; Kampfmittel; Kampfmittelbeseitigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.11.2019
Aktenzeichen
11 LC 606/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69870
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 05.09.2018 - AZ: 5 A 49/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Gefahrenabwehrbehörde kann den Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein Bombenblindgänger gefunden wurde, auf der Grundlage von § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG zu Kosten heranziehen, die ihr für die Evakuierung der von der Bombenräumung betroffenen Bevölkerung entstanden sind.

Die Durchführung der Evakuierung stellt eine zusätzlich zur Ausführung der Bombenbeseitigung erforderliche Amtshandlung dar, für die Auslagen nach dem Niedersächsischen Verwaltungskostengesetz (NVwKostG) zu erstatten sind. Der Grundstückseigentümer hat kostenrechtlich zu den Evakuierungsmaßnahmen Anlass gegeben.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 5. Kammer - vom 5. September 2018 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Kosten einer Evakuierung der Bevölkerung aufgrund des Fundes eines Bombenblindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks E. 15 in A-Stadt (Gemarkung F., Flur 4, Flurstück 442/12). Auf diesem Grundstück errichtete die Klägerin in den Jahren 2014 und 2015 ein Einkaufszentrum. In der der Klägerin für den Neubau des Einkaufszentrums mit zwei Parkdecks und Außenanlagen erteilten Baugenehmigung der Beklagten vom 17. Februar 2014 wird der Klägerin aufgegeben, eine Kampfmittelerkundungsfirma mit einer Überprüfung der Baufläche auf Kampfmittel zu beauftragen. Die Überprüfung ist - abhängig von der Bodenbeschaffenheit - entweder mit Hilfe einer Oberflächensondierung auf Kampfmittel oder einer baubegleitenden Überwachung des Bodenaushubs mit anschließender Sohlensondierung durchzuführen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Baugrundstück in einem Bereich liege, der im Zweiten Weltkrieg bombardiert worden sei. Die Überprüfung werde angeordnet, damit die Baumaßnahme die öffentliche Sicherheit nicht gefährde und die Nutzung der baulichen Anlage anschließend gefahrlos möglich sei.

Nachdem das Gebäude des Einkaufszentrums fertig gestellt, das Zentrum aber noch nicht eröffnet war, wurde am 20. Juli 2015 gegen 11.30 Uhr bei Tiefbauarbeiten für einen Regenwasserkanal durch einen Bagger in einer Tiefe von zwei Metern eine 500 kg schwere Sprengbombe aus dem Zweiten Weltkrieg freigelegt. In diesem Grundstücksbereich hatte die Klägerin aus technischen Gründen keine Oberflächensondierung auf Kampfmittel durchführen lassen. Es fand auch keine baubegleitende Überwachung des Bodenaushubs durch eine Kampfmittelerkundungsfirma statt. Der Fahrer des Baggers stellte eine Verfärbung des Sandes in dem ausgehobenen Graben fest und wies auf eine mögliche Bombe hin. Die Baggerarbeiten wurden eingestellt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Bombe zuvor mit der Baggerschaufel berührt worden war. Die Klägerin informierte die Feuerwehr und den Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Niedersachsen (KBD). Nach einer Inaugenscheinnahme gab der Sprengmeister des KBD die Einschätzung ab, dass von der Bombe eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben ausgehe. Der Zünder könne durch die Berührung der Bombe mit dem Bagger in einem Zustand sein, in dem jede weitere Berührung zu einer Explosion führe. Auch könne eine Explosion ohne weitere Einwirkung nicht ausgeschlossen werden. Diese Gefahreneinschätzung machte sich die Beklagte zu eigen (vgl. Aktenvermerk vom 19.4.2016, Blatt 47 BA 001). Die Gefahrenleitstelle der Feuerwehr der Beklagten traf in Abstimmung mit dem KBD die Entscheidung, die Bombe noch am selben Tag zu entschärfen.

Die Beklagte hielt aus Gründen der öffentlichen Sicherheit eine Evakuierung des Gefahrenbereichs für zwingend erforderlich, da die Wahrscheinlichkeit einer Explosion während der Entschärfung am größten sei. Als Gefahrenbereich, in dem ein Splitterflug im Falle einer Explosion zu erwarten sei, bestimmte sie angesichts der Größe der Bombe und den Erfahrungen des KBD einen Radius von 1.000 Metern um den Fundort der Bombe (vgl. Aktenvermerk vom 19.4.2016, Blatt 47 BA 001). Die Bevölkerung wurde daraufhin auf Veranlassung der Beklagten unter anderem durch Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr A-Stadt in dem Gefahrenbereich evakuiert. Die Beklagte richtete in der Stadthalle ein Notquartier ein, wo die Anwohner durch Helfer des Deutschen Roten Kreuzes versorgt wurden. Die Evakuierung war um 22.00 Uhr abgeschlossen. Um 23.16 Uhr wurde die Bombe vom KBD entschärft.

Die Kosten der Bombenentschärfung durch den KBD trug das Land Niedersachsen. Die Beklagte entschied sich, die Klägerin zwar nicht zu den sämtlichen weiteren Kosten, wohl aber zu den Kosten der Evakuierung heranzuziehen. Nach Anhörung der Klägerin zog die Beklagte diese mit Bescheid vom 14. Dezember 2016 zu den Kosten der Evakuierung der im Gefahrenbereich wohnenden Bevölkerung in Höhe von insgesamt 24.549,25 EUR heran. Von dieser Summe entfielen nach der dem Bescheid beigefügten Gesamtkostenübersicht 4.208,30 EUR auf Verdienstausfälle der Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr, 1.588,38 EUR auf Verpflegung und 18.752,57 EUR auf diverse Kosten, etwa wegen des Einsatzes von Kranken- und Rettungstransportwagen des Arbeiter-Samariter-Bundes, der Inanspruchnahme der Stadthalle oder der Betreuung evakuierter Personen durch das Deutsche Rote Kreuz. Die Beklagte stützte den Kostenerstattungsanspruch auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2, § 5 Abs. 1 und § 13 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes (NVwKostG). Die Durchführung der Evakuierung sei eine Amtshandlung zur Gefahrenabwehr und nach § 11 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) rechtmäßig gewesen. Eine konkrete Gefahr aufgrund einer möglichen Explosion der Bombe habe abgewehrt werden müssen. Die Klägerin habe als Handlungsverantwortliche zu der Bombenräumung und damit auch zu der notwendigen Evakuierung Anlass gegeben. Sie habe die Baggerarbeiten auf dem Grundstück in Auftrag gegeben, in deren Zuge die Bombe gefunden worden sei. Trotz ausdrücklichen Hinweises in der Baugenehmigung habe sie keine baubegleitende Überwachung des Bodenaushubs durch eine Kampfmittelerkundungsfirma durchführen lassen. Außerdem habe die Klägerin als Grundstückseigentümerin und damit als Zustandsverantwortliche Anlass für die Bombenräumung und die Evakuierung gegeben. Die Zustandsverantwortlichkeit sei selbst dann zu bejahen, wenn der polizeiwidrige, gefährliche Zustand durch Dritte oder höhere Gewalt herbeigeführt worden sei, da die ordnungsrechtlichen Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit allein an die aus der Sachherrschaft des Grundstückseigentümers hergeleitete Rechtspflicht anknüpften, dafür zu sorgen, dass von dem Grundstück keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe. Eine Zustandsverantwortlichkeit eines Grundstückseigentümers werde auch im Falle von im Boden aufgefundenen Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg angenommen. Die für die Evakuierung entstandenen Kosten seien als Auslagen zu erstatten.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 16. Januar 2017 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Beklagte sei hier nicht in einem gestuften Verfahren der Verwaltungsvollstreckung eines vorangegangenen Verwaltungsaktes nach § 64 Abs. 1 Nds. SOG tätig geworden, weil sie vor der Bombenentschärfung bzw. Evakuierung keinen schriftlichen Bescheid oder mündlichen Verwaltungsakt erlassen habe. Es liege auch keine unmittelbare Ausführung ohne vorangegangenen Verwaltungsakt nach § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG vor, da sie nicht zur Evakuierung habe verpflichtet werden sollen. Die Evakuierung sei überdies keine vertretbare Handlung im Sinne des § 66 Nds. SOG, die Teil einer Ersatzvornahme einer Verfügung zur Gefahrenabwehr sein könne. Deshalb komme ein Kostenerstattungsanspruch über die Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme nicht in Betracht. Außerdem scheide eine Anwendung der Bestimmung über Auslagen in § 13 NVwKostG über § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG aus. Diese Vorschrift ermögliche die Heranziehung zu Gebühren und Auslagen nur in Zusammenhang mit der Ausführung der erforderlichen Amtshandlungen. Zu der Amtshandlung der Evakuierung habe sich die Beklagte unabhängig von etwaigen polizeirechtlichen Maßnahmen ihr gegenüber entschlossen. Da die spezielleren Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung über die Gefahrenabwehr und damit auch die Erstattung der damit zusammenhängenden Kosten abschließend seien, sei die Anwendung von Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes als allgemeine Regelungen gesperrt. Selbst bei einer unmittelbaren Anwendung des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes als Rechtsgrundlage der Kostenerstattung für Gefahrenabwehrmaßnahmen neben dem Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung könne die Klägerin nur Kostenschuldnerin sein, wenn sie zu der Amtshandlung der Evakuierung Anlass gegeben habe. Dies sei nicht der Fall. Die Beklagte habe den Tatbestand der Evakuierung selbst geschaffen. Zur Eingrenzung der kostenrechtlichen Verantwortlichkeit sei hier das gefahrenabwehrrechtliche Kriterium der Unmittelbarkeit anzuwenden, welches räumlich anzuwenden und damit auf den Fundort bzw. das Grundstück begrenzt sei. Andernfalls ergebe sich eine uferlose und unbegrenzte Haftung des Grundstückseigentümers.

Die Klägerin hat beantragt,

den Heranziehungsbescheid vom 14. Dezember 2016 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid gestützt. Ergänzend hat sie erwidert, es entspreche der geltenden Rechtslage, dass die Kosten der Kampfmittelbeseitigung von dem jeweiligen Grundstückseigentümer als Zustandsverantwortlichem zu tragen seien. Daraus folge, dass der Grundstückseigentümer kostenrechtlich für sämtliche anlässlich der Kampfmittelbeseitigung notwendigen Maßnahmen einzustehen habe. Die vorsorgliche Evakuierung stehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Entschärfung der Bombe. Ohne Evakuierung sei die Gefahrenabwehr nicht möglich gewesen. Derzeit übernehme das Land Niedersachsen einen Teil der bei der Beseitigung von Kampfmitteln angefallenen Kosten lediglich aus Billigkeitsgründen. Darunter fielen die Kosten, welche der Abwehr der unmittelbaren Gefahr dienten. Die Eigentümer würden in Niedersachsen zu den Kosten der tatsächlichen Bergung, der Entschärfung, des Transportes und der Vernichtung des Kampfmittels nicht herangezogen. Die übrigen Kosten, insbesondere die Evakuierungskosten, könne sie jedoch im Wege des Auslagenersatzes geltend machen. Die Evakuierungskosten seien als Kosten der Ersatzvornahme im Zuge der unmittelbaren Ausführung nach § 64 Abs. 2 Nds. SOG angefallen. Die Bombenräumung sei eine vertretbare Handlung im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG. Zu den Kosten der Bombenräumung gehörten auch die Kosten der dafür notwendigen Evakuierung der Bevölkerung. Das Kriterium der Unmittelbarkeit sei nicht verletzt. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Zustandsverantwortlichkeit und die daraus resultierende Kostenpflicht sei die tatsächlich von einem Grundstück ausgehende Gefahr. Hier sei die Gefahr einer Explosion des Blindgängers von dem Grundstück der Klägerin ausgegangen. § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG verweise auf den Auslagenersatz nach dem Niedersächsischen Verwaltungskostengesetz. Eine uferlose und unbegrenzte Haftung des Grundstückseigentümers komme nicht in Betracht, weil das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts klargestellt habe, dass das Ausmaß dessen, was dem Eigentümer eines Grundstücks als Zustandsstörer zur Gefahrenabwehr abverlangt werden dürfe, durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt sei. Vorliegend sei die Zumutbarkeitsgrenze bei Kosten von rund 24.500 EUR offenkundig nicht überschritten.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 5. September 2018 den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2016 aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass es für die Heranziehung zu Auslagen an einer Rechtsgrundlage fehle. Die Beklagte habe die Evakuierung nicht im Wege der Ersatzvornahme nach § 64 Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG durchgeführt. Die Kosten der Evakuierung dürften auch nicht über § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG verlangt werden.Die Evakuierunghabe nicht zu den Handlungen im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG gehört, zu denen die Beklagte die Klägerin rechtmäßig habe verpflichten dürfen. Daher sei die Evakuierung auch nicht im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG „auf Kosten“ der dazu verpflichteten Klägerin durchgeführt worden. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet, die Kosten der Evakuierung als Auslagen nach § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds.SOG i.V.m. § 13 NVwKostG zu erstatten, weil die Evakuierung nicht zu den zusätzlich zur Ausführung der Handlung erforderlichen Amtshandlungen im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG gehöre. Die Evakuierung erweise sich bei wertender Betrachtung nicht mehr als Amtshandlung im Zuge der Gefahrenbeseitigung auf dem Grundstück (Bombenentschärfung), sondern als zusätzliche Amtshandlung gegenüber Dritten, die im vorliegenden Fall (ausnahmsweise) notwendig geworden sei. Eine Anwendung des § 13 NVwKostG sei auch nicht über einen unmittelbaren Rückgriff auf diese Bestimmung zulässig. Der Anspruch auf Auslagenerstattung folge aus einem verwaltungskostenrechtlichen Schuldverhältnis, welches durch die Bombenentschärfung begründet worden sei. Die Amtshandlungen, welche die Evakuierung durchsetzten (Straßensperrungen, Platzverweise, Wohnungswegweisungen etc.), seien aber nicht gegenüber der Klägerin, sondern gegenüber Dritten vorgenommen worden, weshalb die deswegen bei der Beklagten entstandenen Kosten (ungeachtet einer Gebührenfreiheit) keine Auslagen für besondere Aufwendungen in dem bestehenden verwaltungskostenrechtlichen Schuldverhältnis darstellten. Selbst wenn sich das Schuldverhältnis auf die Amtshandlungen zur Evakuierung erstrecken sollte, habe die Klägerin dazu jedenfalls nicht im Sinne des §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 NVwKostG Anlass gegeben. Die Klägerin sei zwar gefahrenabwehrrechtlich als Störerin für die von der Bombe ausgehende Gefahr verantwortlich, kostenrechtlich sei ihr die Evakuierung aber nicht zuzurechnen. Es fehle an einer der Klägerin kostenrechtlich individuell zurechenbaren Leistung der Beklagten. Behördliche Maßnahmen, die nicht mehr unmittelbar mit dem Grundstück oder dem Bauvorhaben in Zusammenhang stünden, griffen über den Kreis der kostenrechtlich noch dem Grundstückseigentümer oder Bauherrn zurechenbaren Maßnahmen hinaus. Die Evakuierung beruhe auf einem eigenständigen Entschluss der Beklagten, zur Gefahrenabwehr weitere ordnungsbehördliche Verfügungen zu erlassen. Darauf habe die Klägerin keinen Einfluss nehmen können. Die behördliche Leistung der Ersatzvornahme (Bombenentschärfung) sei zudem nicht typischerweise mit einer Evakuierung verbunden. Auch habe die Klägerin als Eigentümerin eines Grundstücks in Bahnhofsnähe nicht damit rechnen müssen, dass zur Beseitigung einer eventuellen Gefahr im Falle eines Bombenfundes die Bevölkerung in der näheren Umgebung evakuiert werden würde.

Die Beklagte hat am 30. Oktober 2018 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, aus der Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers folge, dass dieser für sämtliche anlässlich der Kampfmittelbeseitigung notwendigen Maßnahmen einzustehen habe. Daher habe er neben den Kosten der Bombenräumung auch die Kosten der Evakuierung zu tragen. Eine Bombenentschärfung im Stadtgebiet könne ohne vorausgehende Evakuierung nicht durchgeführt werden, zumal wenn - wie hier - Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Bombe berührt worden sei, und nach Einschätzung des KBD eine Explosion nicht ausgeschlossen werden könne. Für die Annahme des Verwaltungsgerichts, behördliche Maßnahmen, die nicht mehr unmittelbar mit dem Grundstück in Zusammenhang stünden, gingen über die kostenrechtlich noch dem Grundstückseigentümer zurechenbaren Maßnahmen hinaus, finde sich im Gesetz kein Anhaltspunkt. Mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts, die Klägerin habe auf die Evakuierung keinen Einfluss nehmen können, dürften einem Grundstückseigentümer auch keine Kosten für die Bombenräumung auferlegt werden. Denn dieser habe jedenfalls in Eilfällen keinen Einfluss auf die Bombenräumung, welche vom KBD durchgeführt werde. Auch sie als Gefahrenabwehrbehörde habe nur einen stark verengten Entscheidungsspielraum für die Evakuierung gehabt. Diese sei zum Schutz der Bevölkerung zwingend erforderlich gewesen. Der Braunschweiger Hauptbahnhof sei als zentraler Knotenpunkt für den Schienenverkehr und für den Straßen- und Stadtbahnverkehr stark frequentiert. Im Falle einer Explosion sei mit erheblichem Personen- und Sachschaden zu rechnen gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 5. Kammer - vom 5. September 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie erwidert, dass die Evakuierung mangels Grundverwaltungsaktes keine Ersatzvornahme sei und die Kosten der Evakuierung auch nicht über § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG als Auslagen geltend gemacht werden könnten. Diese Kostenregelung knüpfe an eine durchgeführte Ersatzvornahme an und umfasse nur die bei einer Ersatzvornahme zusätzlich angefallenen Auslagen der Behörde. Mangels Ersatzvornahme für die Evakuierung scheide auch diese Vorschrift aus. Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung regele abschließend, welche Kosten von einem Polizeipflichtigen im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr verlangt werden könnten. Daneben bleibe kein Raum für die allgemeine Regelung des § 13 NVwKostG. Andernfalls könnten die Polizei- und Verwaltungsbehörden neben den abschließenden Regelungen der Ersatzvornahme beliebig Kosten auf der Grundlage des Verwaltungskostenrechts als Auslagen geltend machen. Sie sei auch nicht kostenrechtliche Veranlasserin der Evakuierung. Die Beklagte habe die Evakuierung nicht für sie, sondern aus allgemeinen Gefahrenabwehrgründen zum Schutz der Bevölkerung vorgenommen. Ihre Mitarbeiter hätten das Grundstück freiwillig verlassen. Die Evakuierung und die Bombenentschärfung seien abends nach dem Ende der üblichen Arbeitszeit erfolgt. Sie sei auch deshalb nicht kostenrechtliche Veranlasserin, weil die Evakuierung außerhalb des Grundstücks im weiten Umfeld stattgefunden habe. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass sie selbst Opfer und nicht Verursacherin der Gefahr gewesen sei. Ihre polizeirechtliche Verantwortlichkeit als Zustandsverantwortliche für das Grundstück oder Verhaltensverantwortliche für die Baumaßnahme sei keine „Veranlassung“ im Sinne des Verwaltungskostenrechts, da es sich dabei nicht um eigenes Handeln oder Unterlassen handele. Anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall zur Geltendmachung von polizeilichen Kosten bei sogenannten gewinnorientierten Hochrisikoveranstaltungen der deutschen Fußballbundesliga (Urt. v. 29.3.2019 - 9 C 4/18 -, juris) gebe es im vorliegenden Fall keinen speziellen Gebührentatbestand für Auslagen im Zusammenhang mit der Entschärfung von Kampfmitteln. Aus dem Urteil lasse sich ableiten, dass die polizeirechtlichen Verantwortlichkeiten des Zustands- und Handlungsstörers nur im Polizeirecht, nicht aber im allgemeinen Verwaltungsrecht als Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des Kostenschuldners geeignet seien. Würde der Anspruch auf Erstattung behördlicher Auslagen auf nicht vorhersehbare und überraschend auftretende Gefahren zu Lasten des Grundstückseigentümers anwendbar sein, wäre weder die Auslösung des Gebührentatbestandes noch die ungefähre Höhe der Kosten auch nur ansatzweise schätzbar, was mit den rechtsstaatlichen Anforderungen nicht vereinbar sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2016, mit dem diese die Klägerin zu einer Erstattung von Evakuierungskosten in Höhe von 24.549,25 EUR herangezogen hat, ist rechtmäßig. Das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher zu ändern.

Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu den Evakuierungskosten ist § 66 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Nds. SOG - (hier anwendbar i.d.F. v. 19.1.2005, Nds. GVBl. 2005, 9, zuletzt geändert d.G.v. 12.11.2015, Nds. GVBl. 2015, 307 - das seit dem 24.5.2019 geltende Niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz - NPOG - enthält in § 66 Abs. 1 NPOG eine mit § 66 Abs. 1 Nds. SOG identische Vorschrift -) i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes - NVwKostG -.

Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG kann die Verwaltungsbehörde, sofern die Verpflichtung, eine vertretbare Handlung vorzunehmen, nicht erfüllt wird, auf Kosten der Person, die die Handlung vorzunehmen hätte, die Handlung selbst ausführen oder eine andere Person mit der Ausführung beauftragen (Ersatzvornahme). Für die zusätzlich zur Ausführung der Handlung erforderlichen Amtshandlungen werden Gebühren und Auslagen nach den Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes erhoben (§ 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG).

Die Heranziehung zu Kosten auf der Grundlage von § 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nds. SOG setzt voraus, dass die Ersatzvornahme ihrerseits rechtmäßig war. Regelfall für die Anwendung von Zwangsmitteln ist der Erlass eines Verwaltungsaktes. Nach § 64 Abs. 1 Nds. SOG kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Einen Verwaltungsakt, mit der der Klägerin das zur Gefahrenabwehr erforderliche Verhalten aufgegeben worden ist, hat die Beklagte nicht erlassen. Die Ersatzvornahme ist hier rechtmäßig im Wege des Sofortvollzugs nach § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG durchgeführt worden. Danach können Zwangsmittel ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr, insbesondere, weil Maßnahmen gegen Personen nach den §§ 6 bis 8 Nds. SOG nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, erforderlich ist und die Verwaltungsbehörde oder die Polizei hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt. Diese Voraussetzungen lagen hier vor.

Zunächst ist klarzustellen, dass die Heranziehung zu den Evakuierungskosten an die im Wege der Ersatzvornahme durchgeführte Bombenbeseitigung anknüpft. Dass die Beklagte die Klägerin nicht zur Durchführung der Evakuierung hätte verpflichten können, weil dafür hoheitliche Maßnahmen wie Straßensperrungen, Platzverweise und Wohnungswegweisungen erforderlich waren, und die Evakuierung somit nicht im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG auf Kosten der Klägerin durchgeführt worden ist, steht der Geltendmachung der Evakuierungskosten nicht entgegen.

Die Beklagte durfte in Bezug auf die Beseitigung der Bombe das Zwangsmittel der Ersatzvornahme ohne vorausgehenden Verwaltungsakt anwenden, weil dies zur Abwehr der von dem Grundstück der Klägerin ausgehenden gegenwärtigen Gefahr im Sinne des § 2 Nr. 1 b) Nds. SOG erforderlich war.

Hier bestand die Gefahr, dass der auf dem Grundstück der Klägerin bei Baggerarbeiten am 20. Juli 2015 freigelegte, aus dem Zweiten Weltkrieg stammende Bombenblindgänger explodierte. Nach der Einschätzung des in Amtshilfe für die Beklagte tätigen Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Niedersachsen (KBD), die sich die Beklagte im Rahmen ihrer Gefahrenprognose zu eigen machte, ging von der Bombe eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben aus, die es erforderte, diese noch am selben Tag zu entschärfen. Der KBD hat in einer von der Beklagten im Berufungsverfahren übersandten E-Mail vom 13. März 2019 ergänzend mitgeteilt, dass der Bombenblindgänger mechanisch beansprucht worden sei und er von einer leichten Bewegung des Blindgängers habe ausgehen müssen. Aufgrund der mechanischen Beanspruchung und der anfänglich unklaren Bezünderung (eventuell Langzeitzünder) durch eine Überdeckung mit dem Leitwerk habe Gefahr im Verzug bestanden und sei eine Entschärfung nicht aufschiebbar gewesen. Angesichts der vom KBD dargelegten Explosionsgefahr bestand eine hinreichend konkrete Lebens- und Gesundheitsgefahr für Menschen in dem Bereich, in dem im Falle einer Explosion ein Splitterflug zu erwarten war. Die Klägerin, die gefahrenabwehrrechtlich als Zustandsstörerin nach § 7 Abs. 2 Nds. SOG für die Beseitigung der von der auf ihrem Grundstück gefundenen Bombe ausgehenden Gefahr und damit für die Beseitigung des Kampfmittels verantwortlich war, hätte dieser Gefahr nicht rechtzeitig begegnen können. Sie verfügte nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit Blindgängern und wäre deshalb nicht in der Lage gewesen, die notwendigen Maßnahmen zur Entschärfung und Räumung der Bombe einzuleiten.

Die streitigen Evakuierungskosten betreffen allerdings nicht die unmittelbar für die Beseitigung der Bombe angefallenen Kosten der Ersatzvornahme nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG und können deshalb nicht auf dieser Rechtsgrundlage geltend gemacht werden.

In Niedersachsen wird der Grundstückseigentümer aus Billigkeitsgründen nicht zu den Kosten für die Bergung, die Entschärfung oder Sprengung, den Transport und die Vernichtung eines Kampfmittels herangezogen. Diese Kosten trägt das Land Niedersachsen (vgl. Ziff. 4.2 der Hinweise, Informationen und Empfehlungen zur Kampfmittelbeseitigung in Niedersachsen, Stand: Juli 2019, abrufbar unter: https://www.lgln.niedersachsen.de/). Eine im Wege der Ersatzvornahme durchgeführte Kampfmittelbeseitigung kann zwar neben der eigentlichen Räumung des Kampfmittels aus Gründen der Gefahrenabwehr vorbereitende oder begleitende Maßnahmen wie z.B. Sondierungsmaßnahmen oder Erdarbeiten notwendig machen. Kosten, die der Gefahrenabwehrbehörde für solche Vor- und Nacharbeiten entstehen, fallen unter die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG zu erstattenden Kosten der Ersatzvornahme (vgl. Senatsbeschl. v. 14.8.2018 - 11 LA 118/17 - zu Kosten für Sondierungsmaßnahmen; Senatsbeschl. v. 13.6.2008 - 11 LA 413/07 - zu Kosten für Aushubmaßnahmen; Senatsbeschl. v. 13.12.2005 - 11 LA 243/04 - zu Kosten für Begleitmaßnahmen, u.a. Einziehen von Spundwänden und Erdarbeiten; siehe auch BVerwG, Urt. v. 14.6.2006 - 3 A 6/05 -, NVwZ-RR 2007, 75, juris, Rn. 16, zu Kosten für Vor-, Neben- und Nacharbeiten als Kosten einer Kampfmittelräumung). Kosten für eine wegen einer Bombenräumung erfolgte Evakuierung der Bevölkerung - wie im vorliegenden Fall - werden davon nicht erfasst.

Einschlägig ist hier § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG. Danach werden für die zusätzlich zur Ausführung der Handlung erforderlichen Amtshandlungen Gebühren und Auslagen nach dem Niedersächsischen Verwaltungskostengesetz erhoben.

Die Durchführung der Evakuierung stellt eine zusätzlich zur Ausführung der Bombenbeseitigung erforderliche Amtshandlung im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG dar. Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Evakuierung sei nicht mehr als Amtshandlung im Zuge der Gefahrenbeseitigung auf dem Grundstück der Klägerin (Bombenentschärfung), sondern als zusätzliche Amtshandlung gegenüber Dritten anzusehen, die im vorliegenden Fall (ausnahmsweise) notwendig geworden sei, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr war, wie noch im Einzelnen ausgeführt wird, die von der Beklagten angeordnete Evakuierung zwingend erforderlich, um die vom Grundstück der Klägerin ausgehende Gefahr beseitigen können, so dass ein enger Zusammenhang mit der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Bombenräumung vorgelegen hat.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NVwKostG werden für Amtshandlungen im übertragenen Wirkungskreis der Gebietskörperschaften nach diesem Gesetz Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wenn die Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Kostenschuldner ist derjenige, der zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat (§ 5 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG). Werden bei der Vorbereitung oder Vornahme einer Amtshandlung Auslagen notwendig, so hat der Kostenschuldner sie, auch wenn die Amtshandlung nicht gebührenpflichtig ist, zu erstatten; dies gilt nicht, wenn die Auslagen durch die Gebühr abgegolten werden (§ 13 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG).

Die Beklagte hat im Rahmen der ihr im übertragenen Wirkungskreis obliegenden Aufgabe der Gefahrenabwehr nach § 97 Abs. 6, Abs. 1 Nds. SOG Maßnahmen zur Evakuierung der von der Kampfmittelbeseitigung betroffenen Bevölkerung durchgeführt und damit Amtshandlungen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NVwKostG vorgenommen, für die der Kostenschuldner ggf. angefallene notwendige Auslagen zu erstatten hat. Bei den Auslagen handelt es sich um besondere Aufwendungen, die die erhebungsberechtigte Behörde für die Vorbereitung und Durchführung der Amtshandlung im Einzelfall selbst zu leisten hat. In dem - nicht abschließenden - Auslagenkatalog des § 13 Abs. 3 NVwKostG werden in § 13 Abs. 3 Nr. 1 NVwKostG als ein Regelbeispiel Aufwendungen für Leistungen Dritter genannt. Dass die von der Beklagten durchgeführten Evakuierungsmaßnahmen (auch) gegenüber dritten Personen ergangen sind, steht einer Erstattungspflicht der Klägerin nicht entgegen. Maßgebend ist allein, ob die Klägerin Kostenschuldnerin ist. Ist dies zu bejahen, wie nachstehend ausgeführt werden wird, besteht auch ein verwaltungskostenrechtliches Schuldverhältnis.

Die Maßnahmen der Beklagten zur Evakuierung der von der Bombenentschärfung betroffenen Bevölkerung sind auf der Grundlage von § 11 Nds. SOG zu Recht ergangen. Danach kann die Verwaltungsbehörde die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren. Nach § 2 Nr. 1 b) Nds. SOG ist eine gegenwärtige Gefahr eine Sachlage, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht.

Wie bereits ausgeführt worden ist, bestand hier die Gefahr, dass der auf dem Grundstück der Klägerin bei Baggerarbeiten freigelegte Bombenblindgänger explodierte, so dass nach Einschätzung des KBD und der Beklagten eine sofortige Entschärfung der Bombe erforderlich war. Da die Wahrscheinlichkeit einer Explosion während der Entschärfung der Bombe am größten war, sah die Beklagte für die Entschärfung eine Evakuierung des Gefahrenbereichs als zwingend erforderlich an. Den Gefahrenbereich, in dem ein Splitterflug im Falle einer Explosion zu erwarten war, legte die Beklagte angesichts der Größe der Bombe und den Erfahrungen des KBD auf einen Radius von 1.000 Meter um den Fundort der Bombe fest (vgl. Aktenvermerk vom 19.4.2016, Blatt 47, BA 001).

Damit waren die von der Beklagten getroffenen Maßnahmen zur Evakuierung der Bevölkerung in dem Gefahrenbereich notwendig, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen, da die von dem Kampfmittel ausgehende Gefahr nur durch Entschärfung und Räumung der Bombe beseitigt werden konnte und ohne die Evakuierung eine Bombenentschärfung nicht hätte vorgenommen werden können.

Die Klägerin ist zu Recht als Kostenschuldnerin in Anspruch genommen worden. Denn sie hat entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu den Evakuierungsmaßnahmen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG Anlass gegeben.

Im Sinne der genannten Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes gibt schon derjenige zu einer Amtshandlung Anlass, der einen Tatbestand setzt, der die Behörde zur Vornahme der Amtshandlung veranlasst (vgl. grundlegend OVG Lüneburg, Urt. v. 20.2.1984 - 6 OVG A 76/83 -, OVGE 37, 464, 466; Urt. v. 22.4.1970 - IV OVG A 151/69 -, OVGE 26, 446, 447 f.). Der niedersächsische Landesgesetzgeber hat sich bewusst für diesen weiten Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verhalten eines Betroffenen und der gebührenpflichtigen Amtshandlung entschieden (vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung von Gebühren und Auslagen in der Verwaltung, LT-Drs. 4/222, S. 8) und nicht gefordert, dass die Amtshandlung von dem Betroffenen willentlich herbeigeführt worden ist (vgl. Senatsbeschl. v. 22.5.2002 - 11 LA 100/02 -, NVwZ-RR 2002, 834, juris, Rn. 10, und v. 13.7.2000 - 11 L 312/00 -, juris, Rn. 13). Einen hinreichenden Anlass gibt danach auch derjenige, der eine bloße Ursache für die Amtstätigkeit setzt (vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung von Gebühren und Auslagen in der Verwaltung, LT-Drs. 4/222, S. 11; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 27.8.1980 - 9 A 114/78 -, GewArch 1981, 346), der objektiv einen Tatbestand verwirklicht, an den das Gesetz für Aufsichts- oder Ordnungsbehörden eine Ermächtigung für ein Einschreiten knüpft (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 26.11.2012 - 8 LA 3/12 -, juris, Rn. 18; Urt. v. 20.2.1984 - 6 OVG A 76/83 -, a.a.O., S. 466), oder derjenige, in dessen Pflichtenkreis die Amtshandlung erfolgt (vgl. Senatsbeschl. v. 13.7.2000 - 11 L 312/00 -, juris, Rn. 14; VG Hannover, Urt. v. 22.9.2016 - 15 A 610/15 -, juris, Rn. 17; zum Vorstehenden: Niedersächsisches OVG, Urt. v. 3.5.2018 - 13 LB 80/16 -, juris, Rn. 33).

Voraussetzung der individuellen Zurechenbarkeit ist nicht, dass es sich bei der Verwaltungsleistung um eine für den Kostenschuldner wie auch immer positive Entscheidung handelt. Der zur Zahlung verpflichtende Tatbestand liegt nicht in der Begünstigung, sondern in der Veranlassung der Amtshandlung (Loeser/Barthel, Niedersächsisches Verwaltungskostengesetz, Stand: Februar 2016, § 1 Anm. 3.1.11 und 5.1.2.2). Weiter steht der individuellen Zurechenbarkeit der Amtshandlung nicht entgegen, dass der Kostenschuldner die Leistung selbst nicht gewollt hat oder kein subjektiv empfundenes Interesse an der Verwaltungsleistung besitzt (Loeser/Barthel, a.a.O., § 1 Anm. 5.1.2.2).

Nach den vorstehend aufgezeigten Maßstäben ist von einer der Klägerin kostenrechtlich individuell zurechenbaren Leistung der Beklagten auszugehen.

Die Klägerin war, wie dargelegt worden ist, gefahrenabwehrrechtlich als Zustandsstörerin nach § 7 Abs. 2 Nds. SOG für die Beseitigung der von der auf ihrem Grundstück gefundenen Bombe ausgehenden Gefahr verantwortlich. Die Beseitigung des Kampfmittels auf dem Grundstück der Klägerin durch den in Amtshilfe für die Beklagte tätigen KBD konnte erst nach einer Evakuierung der von einer Sprengung betroffenen Bevölkerung erfolgen. Somit war die Evakuierung zwingend erforderlich, damit der KBD die von der Bombe ausgehende Gefahr beseitigen konnte. Unabhängig davon, dass die kostenrechtliche Veranlassung eine Begünstigung nicht voraussetzt, kamen die von der Beklagten aufgrund ihrer gefahrenabwehrrechtlichen Einschätzung durchgeführten Evakuierungsmaßnahmen im kostenrechtlichen Sinne (auch) der Klägerin als der für die Beseitigung der Gefahr Verantwortlichen zugute. Dass die Klägerin auf die Evakuierungsmaßnahmen keinen Einfluss nehmen konnte, ist unerheblich. Auf die Beseitigung der unmittelbaren Gefahr durch Entschärfung und Räumung der Bombe durch den KBD konnte sie ebenso wenig Einfluss nehmen, ohne dass dieser Aspekt geeignet wäre, ihre Verantwortlichkeit als Zustandsstörerin in Frage zu stellen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ist eine Bombenentschärfung im dicht besiedelten Stadtgebiet auch nicht nur ausnahmsweise, sondern aufgrund der damit verbundenen Gefahren für die Bevölkerung in der Regel mit Evakuierungsmaßnahmen verbunden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sprechen die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29. März 2019 (- 9 C 4/18 -, juris) aufgestellten Grundsätze nicht für den Erfolg ihrer Klage. In dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegenden Sachverhalt ist an den Veranstalter eines als Hochrisikospiel eingestuften Fußballspiels der Bundesliga ein Gebührenbescheid für den Polizeieinsatz ergangen. Rechtsgrundlage dafür ist ein spezieller landesgesetzlicher Gebührentatbestand, nach dem von Veranstaltern bestimmter gewinnorientierter Großveranstaltungen (Teilnahme von mehr als 5.000 Personen) eine Gebühr für die zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften erhoben werden kann. Da von der Klägerin keine Gebühr verlangt wird, ist auch kein spezieller Gebührentatbestand erforderlich. Auslagen sind tatsächlich entstandene besondere Aufwendungen der Behörde, die nicht in eine Gebühr einpauschaliert sind. Soweit die Klägerin aus dem Urteil ableiten will, dass die polizeirechtlichen Verantwortlichkeiten des Zustands- und Handlungsstörers nur im Polizeirecht, nicht aber im allgemeinen Verwaltungsrecht als Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des Kostenschuldners geeignet seien, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Veranstaltergebühr in keinem Wertungswiderspruch zum Polizeirecht steht. Der Veranstalter werde nicht polizeirechtlich als Störer der öffentlichen Sicherheit, sondern ausschließlich gebührenrechtlich als Nutznießer der verstärkten Polizeipräsenz in Anspruch genommen. Eine solche gebührenrechtliche Inanspruchnahme des Nichtstörers verbiete das Verfassungsrecht nicht, sofern die Gefahr von „Doppelabrechnungen“ für dieselbe staatliche Leistung vermieden werde (Urt. v. 29.3.2019 - 9 C 4/18 -, juris, Rn. 35 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass Kosten für einzelne polizeiliche Maßnahmen, die gegen einzelne Störer ergriffen worden sind, diesen gegenüber geltend zu machen sind und nicht dem Veranstalter in Rechnung gestellt werden dürfen (Urt. v. 29.3.2019 - 9 C 4/18 -, juris, Rn. 112). Hier hat die Klägerin aufgrund ihrer Verantwortlichkeit für die Beseitigung der Gefahr die Evakuierungsmaßnahmen kostenrechtlich veranlasst und ist somit zu Recht zur Erstattung der dafür angefallenen Kosten herangezogen worden.

Bedenken gegen die Höhe der von der Beklagten als Auslagen geltend gemachten Evakuierungskosten sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Die Gesamtkosten in Höhe von 24.549,25 EUR setzen sich nach der dem angefochtenen Bescheid beigefügten Übersicht aus Verdienstausfällen der Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr in Höhe von 4.208,30 EUR, Kosten für Verpflegung in Höhe von 1.588,38 EUR sowie weiteren Kosten in Höhe von 18.752,57 EUR u.a. wegen des Einsatzes von Kranken- und Rettungstransportwagen des Arbeiter-Samariter-Bundes, der Inanspruchnahme der Stadthalle und der Betreuung evakuierter Personen durch das Deutsche Rote Kreuz zusammen. Die Abrechnungen und Zahlungsanweisungen zu den jeweiligen Kostenpositionen sind in der Beiakte 002 enthalten. Insofern ist im Einzelnen nachvollziehbar, dass die von der Beklagten als Auslagen geltend gemachten Kosten der Evakuierung tatsächlich angefallen sind.

Im vorliegenden Fall werden durch die Höhe der geltend gemachten Evakuierungskosten auch nicht die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 16.2.2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 -, DVBl. 2000, 1275, juris) aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers für Altlasten überschritten. Zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an Belastungen zugemutet werden darf, kann bei der Altlastensanierung als Anhaltspunkt das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sanierung dienen (BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 -, a.a.O., juris, Rn. 56). Dementsprechend kann auch die Belastung eines Grundstückseigentümers mit Kosten einer Kampfmittelbeseitigung unverhältnismäßig sein, wenn der Verkehrswert unter den geltend gemachten Kosten liegt (Senatsbeschl. v. 3.11.2005 - 11 ME 146/05 -, juris, Rn. 35). Dass die Klägerin in Höhe von 24.549,25 EUR zu den Evakuierungskosten herangezogen worden ist, überschreitet danach ersichtlich nicht die Grenze der zumutbaren Belastung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.