Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.02.2010, Az.: 11 LC 322/09
Kostentragung von Abschleppmaßnahmen oder Umsetzungsmaßnahmen durch die Polizei bei Veranlassung im Rahmen ihrer Eilzuständigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.02.2010
- Aktenzeichen
- 11 LC 322/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 11981
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0223.11LC322.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 Nds. SOG
- § 105 Abs. 1 Nds. SOG (i.d.F. 19.1.2005)
- § 6 ZustVO-SOG
Fundstellen
- DVBl 2010, 526
- NdsVBl 2010, 179-180
- NordÖR 2010, 174-176
Amtlicher Leitsatz
Veranlasst die Polizei im Rahmen ihrer Eilzuständigkeit Abschlepp- oder Umsetzungsmaßnahmen, so trägt sie hierfür die Kosten, die sie gegenüber dem Verantwortlichen für die Gefahr geltend machen kann; ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Verwaltungsbehörde scheidet aus.
Tatbestand
Der Kläger - Land Niedersachsen - begeht von der beklagten Stadt A. die Erstattung von Kosten, die ihm für das Abschleppen eines Kraftfahrzeuges entstanden sind.
Ausweislich eines Reports der Polizeiinspektion A. beschwerten sich am Sonnabend, dem 28. Januar 2006 gegen 12.36 Uhr Anwohner und Verkehrsteilnehmer über einen auf der Fahrbahn der B. Straße in A. abgestellten Pkw, der eine Durchfahrt verhinderte. Nach Ermittlung des Halters erreichte die Polizei dessen Ehefrau, die um Umsetzung des Pkw zum C. bat. Die Polizeidienststelle beauftragte daraufhin ein privates Abschleppunternehmen mit der Umsetzung des Fahrzeugs. Nach der an die Beklagte gerichteten Rechnung des Abschleppunternehmens betrugen die Kosten der Umsetzung 31,73 EUR.
Mit Schreiben vom 23. März 2006 übersandte die Beklagte die bei ihr am 18. März 2006 eingegangene Rechnung des Abschleppunternehmens vom 31. Januar 2006 mit dem Hinweis an die Polizeiinspektion A., dass ihre Zuständigkeit nicht gegeben sei. Die Polizeidirektion Hannover nahm mit Schreiben vom 16. Juli 2006 gegenüber der Beklagten dahingehend Stellung, dass die Abschleppkosten nach § 105 Abs. 1 Nds. SOG i.V.m. § 6 ZustVO-SOG von der Beklagten zu tragen seien. Die Kosten, die den Verwaltungsbehörden und der Polizei bei Aufgaben der Gefahrenabwehr entstünden, seien von der Körperschaft zu tragen, deren Behörde für die Erfüllung der Aufgaben zuständig sei. Die Gemeinden seien zuständig für Maßnahmen nach dem Nds. SOG, die zur Entfernung von Fahrzeugen wegen Verstoßes gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften nötig seien. Zuständigkeit und Verfahren bei Abschleppen von Kraftfahrzeugen zur Gefahrenabwehr seien zudem mit Runderlass des Ministers des Innern vom 11. September 1997 geregelt. Nach Ziffer 2 des Runderlasses obliege das Abschleppen und Sicherstellen von Kraftfahrzeugen aus Gründen der Gefahrenabwehr grundsätzlich den Verwaltungsbehörden. Habe die Polizei im ersten Zugriff ein Kraftfahrzeug abgeschleppt und/oder sichergestellt, habe die Verwaltungsbehörde das Kraftfahrzeug zu übernehmen und zu verwahren. Hier sei eine Verwahrung des Fahrzeugs zwar nicht erforderlich gewesen, da das Fahrzeug lediglich umgesetzt worden sei. Gleichwohl finde der Runderlass auch hier Anwendung, wie sich aus Ziffer 1.5 ergebe.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2006 teilte die Beklagte der Polizeidirektion Hannover mit, dass sie ihre Zuständigkeit weiterhin nicht als gegeben ansehen könne. Zwar hätten die Kommunen originär die Aufgabe den ruhenden Verkehr zu überwachen und Ordnungswidrigkeiten zu ahnden und ggf. Umsetzungen vorzunehmen. Dies könne jedoch nur zu den Dienstzeiten der städtischen Vollzugsbeamten geschehen. Außerhalb dieser Dienstzeiten seien diese Aufgaben von der Polizei wahrzunehmen.
Die Rechnung des Abschleppunternehmens wurde am 2. August 2006 vom Kläger beglichen.
Nach weiterem Schriftwechsel hat der Kläger am 23. Januar 2007 Klage erhoben.
Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die Beklagte für die Umsetzung originär zuständig gewesen sei. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Polizeidienststelle wegen Gefahr im Verzuge das Abschleppunternehmen beauftragt habe, die Umsetzung des Kraftfahrzeugs vorzunehmen. Er sei insofern lediglich anstelle der Beklagten tätig geworden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für eine Abschleppmaßnahme am 28. Januar 2006 im Rahmen der Gefahrenabwehr in Höhe von 31,73 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ergänzend vorgetragen, dass sich zum Zeitpunkt des Abschleppvorgangs kein Mitarbeiter im Ordnungsamt befunden habe. Das Ordnungsamt sei am Wochenende geschlossen, ein Notdienst existiere nicht.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 2. Februar 2009 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass offenbleiben könne, ob die Regelung des § 105 Abs. 1 Nds. SOG auf einen internen Kostenausgleich zwischen den Körperschaften der gemeinsam zur Aufgabe der Gefahrenabwehr berufenen Verwaltungsbehörde einerseits und der Polizei andererseits überhaupt Anwendung finde. Vieles spreche dafür, diese Bestimmung lediglich auf die Fälle anzuwenden, in denen für die Aufgabenerfüllung eine dritte Behörde originär zuständig gewesen wäre. Auch bei Anwendung des § 105 Abs. 1 Nds. SOG trage aber der Kläger die der Polizei entstandenen Kosten in Höhe von 31,73 EUR selbst. Das Land sei als Körperschaft Kostenträger, weil die Polizei im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeit gehandelt habe. Die Verwaltungsbehörden und die Polizei hätten gemeinsam die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Die Polizei sei gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG originär zuständig, wenn sie in den Fällen der Gefahrenabwehr tätig werde, soweit die Gefahrenabwehr durch die Verwaltungsbehörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheine. Ein solcher Fall der Eilzuständigkeit der Polizei liege auch dem vorliegenden Kostenerstattungsbegehren zugrunde. Die Anordnung der Ersatzvornahme in Form der Umsetzungsverfügung sei an einem Sonnabend in der Mittagszeit erfolgt. Zu dieser Zeit sei das Ordnungsamt der Beklagten nicht besetzt und ein Notdienst nicht eingerichtet gewesen. Der umzusetzende Pkw sei aber so abgestellt gewesen, dass ein Durchgangsverkehr nicht mehr möglich gewesen sei und somit eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden habe. Der sich daraus ergebenden Zuständigkeit der Polizei stehe auch nicht die - nur für den Kläger - bindende Erlasslage oder die einschlägige Zuständigkeitsverordnung entgegen. Der Runderlass des Ministeriums des Inneren vom 11. September 1997 über das Abschleppen von Kraftfahrzeugen zur Gefahrenabwehr sei aufgrund seiner Rechtsnatur als Verwaltungsvorschrift schon nicht geeignet, gesetzlich normierte Zuständigkeitsregelungen zu modifizieren. Auch § 6 der Verordnung über Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr - ZustVO-SOG - stehe einer eigenen Zuständigkeit der Polizei nicht entgegen, denn sie könne nur soweit gelten, wie die Verordnungsermächtigung reiche. Letztere ermächtige aber lediglich zur Übertragung von Zuständigkeiten der Gemeinden nach § 101 Abs. 2 NGefAG auf andere Verwaltungsbehörden und nicht zu einer Übertragung von Zuständigkeiten der Polizei auf die Gemeinde. Auch § 97 Abs. 2 Nds. SOG lasse die eigene Zuständigkeit der Polizei im vorliegenden Fall unberührt. Denn diese Zuständigkeitsregelung sei dahingehend eingeschränkt, dass sie nur gelte, sofern keine andere Zuständigkeitsregelung bestehe. Die Eilzuständigkeit unterliege, sobald ihre Voraussetzungen gegeben seien, keinen Einschränkungen und sei keine "Zuständigkeit zweiter Klasse".
Gegen das ihm am 29. Mai 2009 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Kläger am 17. Juni 2009 die darin zugelassene Berufung eingelegt.
Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, dass die originäre Zuständigkeit für die Abschleppmaßnahme unbestritten bei der Verwaltungsbehörde gelegen habe und die Polizei das Fahrzeug lediglich im Rahmen ihrer subsidiären Eilzuständigkeit habe umsetzen lassen. Sie sei nur deshalb im ersten Zugriff tätig geworden, weil die grundsätzlich zuständige Verwaltungsbehörde nicht besetzt gewesen sei. Mit ihrem Eingreifen habe die Polizei ihrer Verpflichtung Genüge getan, eine Gefahrenlage zu beseitigen. Für die verwaltungsmäßige Bearbeitung der Abschleppmaßnahme wie Kostenerstattung und Rückforderung beim Fahrzeughalter habe jedoch keine polizeiliche Notzuständigkeit mehr bestanden. Die begehrte Kostenerstattung könne durchaus auf§ 105 Abs. 1 Nds. SOG gestützt werden, auch wenn keine dritte Behörde originär zuständig gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 10. Kammer - vom 2. Februar 2009 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für eine Abschleppmaßnahme am 28. Januar 2006 im Rahmen der Gefahrenabwehr in Höhe von 31,73 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils sowie ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der im Rahmen der Gefahrenabwehr entstandenen Abschleppkosten in Höhe von 31,73 EUR.
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 105 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (i.d.F. v. 19.1.2005, Nds. GVBl. 2005, 9 - Nds. SOG -). Danach trägt die Kosten, die den Verwaltungsbehörden und der Polizei bei Aufgaben der Gefahrenabwehr entstehen, die Körperschaft, deren Behörde für die Erfüllung der Aufgaben zuständig ist.
§ 105 Abs. 1 Nds. SOG ist bereits nicht für die geltend gemachte Kostenerstattung zwischen Verwaltungsbehörde und Polizei anwendbar. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift regelt diese die Kostentragungspflicht der Körperschaft einer dritten Behörde, die für die Erfüllung einer Aufgabe zuständig ist, welche von der Verwaltungsbehörde bzw. der Polizei im Rahmen der ihnen nach § 1 Abs. 1 Nds. SOG gemeinsam obliegenden Aufgabe der Gefahrenabwehr wahrgenommen worden ist, und kann nicht für einen internen Kostenausgleich zwischen Verwaltungsbehörde und Polizei herangezogen werden (Urt. d. Senats v. 29.9.2006 - 11 LC 185/06 -; VG Osnabrück, Urt. v. 14.7.2004 - 3 A 176/02 -).
Aber auch wenn § 105 Abs. 1 Nds. SOG für einen solchen internen Kostenausgleich Anwendung finden könnte, würde ein Anspruch auf Kostenerstattung jedenfalls daran scheitern, dass die Polizeidienststelle, die hier das Abschleppen des Kraftfahrzeuges veranlasst hat, für diese Maßnahme auch zuständig gewesen ist, so dass der Kläger die dafür entstandenen Kosten zu tragen hat. Nach der Aufgabengeneralklausel des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG haben die Verwaltungsbehörden und die Polizei gemeinsam die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Daraus folgt, dass grundsätzlich beide eine Pflicht zur Aufgabenerfüllung haben. Die Zuständigkeitsabgrenzung erfolgt nach§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG. Danach wird die Polizei in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 tätig, soweit die Gefahrenabwehr durch die Verwaltungsbehörden nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint.
Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Der auf der Fahrbahn der B. Straße in A. abgestellte Pkw versperrte diese, so dass Durchgangsverkehr nicht mehr möglich und eine Umsetzung des Fahrzeugs erforderlich war. Da zu dieser Zeit - einem Sonnabend gegen Mittag - unstreitig das Ordnungsamt der Stadt A. nicht besetzt und auch kein Notdienst eingerichtet war, ist die Polizei zu Recht davon ausgegangen, dass eine Maßnahme der Verwaltungsbehörde nicht rechtzeitig möglich und sie damit im Rahmen ihrer Eilkompetenz nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG für die Anordnung der Umsetzung des Fahrzeugs zuständig war.
Dass nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG keine Aufgabenaufteilung nach Sachgebieten sondern nach der Eilbedürftigkeit vorgenommen worden ist, führt nicht dazu, die subsidiäre Zuständigkeit der Polizei im Rahmen der Kostentragungspflicht nicht als "richtige" Zuständigkeit anzusehen und die Kostentragung auch in Eilfällen immer dann der Verwaltungsbehörde aufzuerlegen, wenn diese sonst zuständig gewesen wäre.
Eine solche originäre Zuständigkeit der Beklagten wäre hier allerdings im Unterschied zu den vom Senat bisher entschiedenen Fällen (siehe Urt. v. 28.9.2006 - 11 LC 185/06 - u. Beschl. v. 19.1.2004 - 11 LA 319/03 -) gegeben. Den genannten Entscheidungen des Senats lagen Sachverhalte zugrunde, in denen es für den fraglichen Aspekt der Gefahrenabwehr (überhaupt) keine zuständige Verwaltungsbehörde gab (Suche nach vermissten Personen, Suizidverdacht). Der Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. Januar 2004, auf den er in dem Urteil vom 28. September 2006 Bezug genommen hat, Folgendes ausgeführt:
"§ 1 Abs. 2 Nds. SOG grenzt die Zuständigkeiten zwischen Verwaltungsbehörde und Polizei ab, die grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 Nds. SOG gleichermaßen für die Gefahrenabwehr zuständig sind. Gibt es danach für die bestehende Gefahrenlage eine zuständige Verwaltungsbehörde, so ist grundsätzlich diese zuständig. Lediglich wenn die Verwaltungsbehörde diese Gefahr "nicht rechtzeitig" abwehren kann, greift sekundär die polizeiliche Notzuständigkeit ein. Gibt es dagegen für den fraglichen Aspekt der Gefahrenabwehr (überhaupt) keine zuständige Verwaltungsbehörde, (ist also eine Gefahrenabwehr durch die Verwaltungsbehörden "nicht" möglich), so greift die originäre eigene Zuständigkeit der Polizei ein (vgl. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Landesrecht Niedersachsen, 2000, S. 213, RdNr. 291 ff.; Ipsen, Nds. Gefahrenabwehrrecht, 2. Aufl., 2001, S. 184, RdNr. 607 ff.). Such- und Fahndungsmaßnahmen nach vermissten Kindern, Kranken und alten Menschen sowie z.B. Maßnahmen bei Selbsttötungsversuchen gehören herkömmlich zu diesem originären Zuständigkeitsbereich der Polizei; denn für Suchmaßnahmen nach Vermissten ist nur die Polizei zum Handeln in der Lage. Die öffentliche Sicherheit ist in diesen Fällen deswegen betroffen, weil aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine Schutzpflicht des Staates zu Gunsten des menschlichen Lebens folgt (vgl. z.B. zum Einschreiten gegen einen mutmaßlichen Selbstmörder, Wernsmann, JuS 2002, 582). Derartige Maßnahmen erfolgen zudem grundsätzlich im überwiegenden öffentlichen Interesse, so dass in der Regel von dem "Geschützten" keine Gebühren erhoben werden (vgl. z.B. so ausdrücklich der frühere Runderlass des MI vom 05.10.1982, Nds. MBl. 1982, 1835 zu § 2 Abs. 2 Nds. Verwaltungskostengesetz)".
Um einen derartigen Fall, in dem originäre Aufgaben der Polizei betroffen sind, geht es hier jedoch nicht. Das Abschleppen eines verkehrsordnungswidrig abgestellten Kraftfahrzeugs gehört vielmehr zu den Aufgaben der Beklagten als der zuständigen Straßenverkehrsbehörde. Nach § 97 Abs. 2 Nds. SOG ist für die zur Einhaltung von Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts notwendigen Maßnahmen der Gefahrenabwehr die Behörde zuständig, der nach der jeweiligen Rechtsvorschrift die Aufgabenerfüllung im Übrigen obliegt. Hier ist die Beklagte als Gemeinde der Region Hannover gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 StVO, § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Region Hannover (vom 5.6.2001, Nds. GVBl. S. 348) und § 3 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG als untere Straßenverkehrsbehörde sachlich zuständig für die Überwachung des fließenden und ruhenden Verkehrs.
Die Beklagte ist jedoch nicht ausschließlich sachlich zuständig, wie sich aus § 1 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG ergibt. Zwar handelt es sich bei dieser Vorschrift, die die Zuständigkeit der Polizei in Eilfällen begründet, nicht um eine die generelle Zuständigkeit der Beklagten ausschließende Zuständigkeitsregelung im Sinne des § 97 Abs. 2 2. Halbsatz Nds. SOG (so auch zu § 79 Abs. 2 Nds. SOG a.F.: Urt. d. 12. Senats d. Nds. OVG v. 23.6.1994 - 12 L 6214/92 -, Nds.VBl. 1994, 60). Denn die Einschränkung "soweit keine andere Zuständigkeitsregelung besteht" bezieht sich auf die in § 97 Abs. 2 1. Halbsatz Nds. SOG genannten Aufgaben der Gefahrenabwehr zur Einhaltung von Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts und damit auf besondere Zuständigkeitsregelungen in Gesetzen oder Verordnungen, die die Erfüllung der Fachaufgaben betreffen.
Soweit der 12. Senat des erkennenden Gerichts in seinem Urteil vom 23. Juni 1994 (a.a.O.) in einem obiter dictum daraus den Schluss gezogen hat, dass die Verwaltungsbehörde trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG aufgrund ihrer originären Zuständigkeit die durch die Maßnahme der Gefahrenabwehr entstandenen Kosten zu tragen hat, folgt dem der nunmehr zuständige erkennende Senat nicht. Denn § 97 Nds. SOG regelt ohnehin nur die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden, d.h. welche Verwaltungsbehörde für die Gefahrenabwehr zuständig ist, und nicht die Zuständigkeit der Polizeibehörden. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Verwaltungsbehörde und Polizei erfolgt vielmehr nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG. Gibt es keine zuständige Verwaltungsbehörde für den speziellen Aspekt der Gefahrenabwehr, ist allein die Polizei zuständig. Gibt es eine zuständige Verwaltungsbehörde und liegt kein Eilfall vor, so ist ausschließlich diese zuständig. In Eilfällen sind dagegen Verwaltungsbehörde und Polizei nebeneinander zuständig, d.h. auch die Polizei ist dann sachlich zuständig. In diesen Fällen begründet § 1 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG eine eigene Zuständigkeit der Polizei für unaufschiebbare Maßnahmen (vgl. Ipsen, Nds. Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Aufl., Rn. 689; Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 291 ff.; Saipa, Nds. SOG, Kommentar, Stand: Mai 2009, § 105 Rn. 1).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 6 der Verordnung über Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr - ZustVO-SOG - (v. 18.10.1994, Nds. GVBl. S. 457), der am 15. August 2009 außer Kraft getreten und damit im Zeitpunkt der hier streitigen Maßnahme noch gültig gewesen ist. Danach sind die Gemeinden zuständig für Maßnahmen nach dem Nds. SOG, die zur Entfernung von Fahrzeugen wegen Verstoßes gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften nötig sind. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, deckte die Verordnungsermächtigung in dem zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung geltenden § 101 Abs. 3 NGefAG (jetzt: § 97 Abs. 3 Nds. SOG) nur die Übertragung von Zuständigkeiten der Gemeinden nach § 101 Abs. 2 NGefAG auf andere Verwaltungsbehörden und nicht die Übertragung von Zuständigkeiten der Polizei auf die Gemeinde.
Der Runderlass des Ministers des Innern vom 11. September 1997 über das Abschleppen von Kraftfahrzeugen zur Gefahrenabwehr (Nds. MBl. S. 1810), den das Verwaltungsgericht wegen seines Rechtscharakters als Verwaltungsvorschrift nicht als geeignet angesehen hat, gesetzlich normierte Zuständigkeitsregelungen zu modifizieren, ist bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2004 außer Kraft getreten (aufgrund Abschnitt 6 des Gem. RdErl. d. StK u. d. übr. Min. v. 1.2.2004, Nds. MBl. S. 109) und daher ohnehin nicht mehr anwendbar. In Ziffer 2.4 dieses Erlasses war vorgesehen, dass die Verwaltungsbehörde mit der Polizei eine Vereinbarung schließen konnte, wonach die Polizei berechtigt war, im Auftrag und zu Lasten der Verwaltungsbehörde private Abschleppunternehmen mit dem Abschleppen zu beauftragen. Eine solche Verwaltungsvereinbarung war in dem vom 12. Senat des erkennenden Gerichts mit Urteil vom 23. Juni 1994 (a.a.O.) entschiedenen Fall auf der Grundlage des damals geltenden Gemeinsamen Runderlasses des Ministers des Innern und des Ministers der Justiz vom 12. Oktober 1983 (Nds. MBl. S. 938), ergänzt durch Gemeinsamen Runderlass vom 4. März 1991 (Nds. MBl. S. 385), geschlossen worden.
Ein Vergleich mit den in § 102 Abs. 1 und 2 Nds. SOG getroffenen Regelungen spricht ebenfalls dagegen, dass die in einem Eilfall sachlich zuständige Polizei auf Kosten der originär zuständigen Verwaltungsbehörde handelt. Darin ist für die dort genannten Fälle einer außerordentlichen sachlichen Zuständigkeit ausdrücklich festgelegt worden, dass die Maßnahmen der außerordentlich zuständigen Behörde auf Kosten der sachlich zuständigen Verwaltungsbehörde oder Polizeibehörde erfolgen. Eine solche Regelung findet sich für den Fall der Eilzuständigkeit der Polizei nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG gerade nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass aufgrund der eigenen Zuständigkeit der Polizei in einem Eilfall diese auch die Kosten für Maßnahmen zu tragen hat, die sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit zum ersten Zugriff angeordnet hat. Veranlasst die Polizei somit im Rahmen ihrer Eilzuständigkeit Abschlepp- oder Umsetzungsmaßnahmen, so trägt sie hierfür die Kosten nach§ 105 Nds. SOG, die sie nach §§ 6 bis 8 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nds. SOG gegenüber dem Verantwortlichen für die Gefahr geltend machen kann (vgl. Saipa, Nds. SOG, a.a.O., § 105 Rn. 1).
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus öffentlich - rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag. Denn nach den vorstehenden Ausführungen hat die im Rahmen der Eilzuständigkeit handelnde Polizei eine eigene Aufgabe wahrgenommen und kein fremdes Geschäft für die Beklagte geführt.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach § 99 Nds. SOG die Verwaltungsbehörden sicherzustellen haben, dass Aufgaben der Gefahrenabwehr auch außerhalb der Dienstzeit wahrgenommen werden können. Dies gilt jedenfalls für solche Aufgaben, die in vorhersehbarer Weise auch außerhalb der Dienstzeiten anfallen, wie hier die Sicherstellung bzw. das Umsetzen von Kraftfahrzeugen an einem Sonnabend während der Geschäftsöffnungszeiten. Dass die Beklagte dieser Verpflichtung offenbar nicht nachgekommen ist, da an dem fraglichen Sonnabend gegen Mittag weder das Ordnungsamt besetzt noch eine Telefonbereitschaft eingerichtet war, führt allerdings nicht dazu, dass dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers stattzugeben ist. Wiederholte Fälle dieser Art könnten aber Anlass zu einem fachaufsichtlichen Einschreiten gegen die Beklagte geben.