Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.02.2010, Az.: 4 LB 58/09
Rundfunkgebührenpflicht für ein Autoradio in einem für Fahrten zwischen der Wohnung und der Praxis eines niedergelassenen Arztes genutzten Kfz
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.02.2010
- Aktenzeichen
- 4 LB 58/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 12970
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0209.4LB58.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 3 S. 1 RGebStV
- § 5 Abs. 2 S. 1 RGebStV
Fundstellen
- ArztR 2010, 218
- DAR 2010, 281
- DVBl 2010, 666
- DÖV 2010, 525
Amtlicher Leitsatz
Die Nutzung des Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen der Wohnung und der Praxis einer niedergelassenen Ärztin hat nach § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV den Ausschluss der Gebührenfreiheit für das im Kraftfahrzeug vorhandene Autoradio zur Folge, weil diese Nutzung zu anderen als privaten Zwecken erfolgt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Rundfunkgebühren.
Die Klägerin, deren privat genutzte Rundfunkempfangsgeräte bei der Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland (GEZ) angemeldet sind, betreibt in der Innenstadt von C. eine Facharztpraxis für Gynäkologie. Sie verfügt über einen für sie zugelassenen Pkw, der mit einem Autoradio ausgestattet ist.
Der Beklagte setzte durch Bescheid vom 2. Oktober 2006 die rückständigen Rundfunkgebühren für das Autoradio für den Zeitraum von September 2005 bis Mai 2006 einschließlich eines Säumniszuschlags auf 54,79 EUR fest.
Daraufhin hat die Klägerin am 2. November 2006 Klage erhoben und zu deren Begründung vorgetragen, dass eine Rundfunkgebührenpflicht für das Autoradio in ihrem Fahrzeug nicht bestehe. Bei dem Radio handele es sich um ein gebührenfreies Zweitgerät, da der Pkw nicht zu beruflichen Zwecken genutzt werde. Sie nutze das Fahrzeug weder zu Hausbesuchen noch anderweitig als Ärztin. Vielmehr setze sie es ausschließlich für private Zwecke ein, zu denen auch die Fahrten von ihrer Wohnung zu ihrer Praxis und zurück zählten. Da das Fahrzeug nicht Bestandteil ihres Betriebsvermögens sei, dürfe sie nicht anders behandelt werden als abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, die für Rundfunkgeräte in ihren Fahrzeugen auch nicht zu Rundfunkgebühren herangezogen würden.
Die Klägerin hat beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2006 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und erwidert, dass die Fahrten der Klägerin von ihrer Wohnung zur Praxis der beruflichen Tätigkeit zuzurechnen seien und deshalb eine Rundfunkgebührenpflicht für das Autoradio auslösten.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 26. April 2007 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Bei dem in dem Pkw der Klägerin eingebauten Radio handele es sich nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Sätze 1 und 2 RGebStV um ein gebührenfreies Zweitgerät, weil die Klägerin bereits für die in ihrer Wohnung vorhandenen Rundfunkempfangsgeräte Rundfunkgebühren entrichte und ihren Pkw sowie das Autoradio allein zu privaten Zwecken nutze. Ihre Fahrten von und zu ihrer Arbeitsstelle seien der privaten Nutzung des Kraftfahrzeugs zuzurechnen, weil sie der Erwerbstätigkeit "vorgelagert" seien. Die Erwerbstätigkeit beginne erst nach der Ankunft am Arbeitsplatz und ende mit dessen Verlassen. Die Fahrten zum Arbeitsplatz und zurück seien somit nicht Bestandteil der beruflichen Tätigkeit, sondern "Privatsache". Insofern könne zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen nicht unterschieden werden. Selbständige dürften auch nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht anders als Arbeitnehmer behandelt werden.
Gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtet sich die Berufung des Beklagten, die der Senat durch Beschluss vom 26. Februar 2009 (4 LA 601/07) zugelassen hat.
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte unter Bezugnahme auf seine Ausführungen im Berufungszulassungsverfahren vor, dass es sich bei dem im Pkw der Klägerin eingebauten Rundfunkempfangsgerät nicht um ein gebührenfreies Zweitgerät im Sinne des § 5 Abs. 2 RGebStV handele. Da die Klägerin, die als Ärztin selbständig tätig sei, ihr Kraftfahrzeug jedenfalls für die Fahrten von ihrer Wohnung zu ihrer Praxis und zurück nutze, diene es auch anderen als privaten Zwecken. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts seien diese Fahrten nicht der privaten Nutzung, sondern der selbständigen Erwerbstätigkeit der Klägerin zuzurechnen. Ob das Kraftfahrzeug steuerlich als Betriebsfahrzeug behandelt werde, sei für die rundfunkgebührenrechtliche Einordnung nicht maßgeblich. Im Übrigen lägen substantiierte Angaben der Klägerin, dass sie als Ärztin keine Hausbesuche mache und ihren Pkw selbst in Notfällen nicht beruflich nutze, auch nicht vor.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 2. Kammer - vom 26. April 2007 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und erwidert bezugnehmend auf ihr Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren, das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem in ihrem Pkw eingebauten Rundfunkempfangsgerät um ein gebührenfreies Zweitgerät handele. Denn sie nutze das Kraftfahrzeug nicht einmal im geringen Umfang zu gewerblichen Zwecken, sondern ausschließlich privat. Sie sei auf die Benutzung des Kraftfahrzeugs zu beruflichen Zwecken nicht angewiesen und mache auch keine Hausbesuche. Das Fahrzeug sei überdies nicht Bestandteil ihres Betriebsvermögens. Eine ausschließlich private Nutzung des Kraftfahrzeugs werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie mit dem Wagen täglich von ihrer Wohnung zur Praxis und zurück fahre. Diese Nutzung bringe ihr für die Ausübung ihrer Tätigkeit als Frauenärztin keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass sie nicht anders als ein Arbeitnehmer, der sein Fahrzeug für den Weg zur Arbeit nutze, behandelt werden dürfe, da ansonsten ein Verstoß gegenArt. 3 Abs. 1 GG vorläge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist begründet.
Diese Entscheidung trifft der Senat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht als notwendig erachtet.
Die Berufung des Beklagten ist begründet, da das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2006 zu Unrecht aufgehoben hat. Denn dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages - RGebStV - in der im Veranlagungszeitraum geltenden Fassung vom 8./15. Oktober 2004 (Nds. GVBl. 2005 S. 61) hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelungen der §§ 5 und 6 RGebStV für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Rundfunkgebühr zu entrichten. Für das in ein Kraftfahrzeug eingebaute Rundfunkempfangsgerät gilt gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 RGebStV derjenige als Rundfunkteilnehmer, für den das Kraftfahrzeug zugelassen ist.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV ist eine Rundfunkgebühr für weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person oder ihrem Ehegatten in ihrer Wohnung oder ihrem Kraftfahrzeug zum Empfang bereitgehalten werden, nicht zu leisten. Das gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV jedoch nicht für Zweitgeräte in solchen Räumen oder Kraftfahrzeugen, die zu anderen als privaten Zwecken genutzt werden, wobei es auf den Umfang der Nutzung der Rundfunkempfangsgeräte, der Räume oder der Kraftfahrzeuge zu den in § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV genannten Zwecken nicht ankommt (§ 5 Abs. 2 Satz 2 RGebStV).
Nach diesen Vorschriften ist die Klägerin für den Zeitraum von September 2005 bis Mai 2006 rundfunkgebührenpflichtig, weil sie in diesem Zeitraum über ein mit einem Radiogerät ausgestattetes, für sie zugelassenes Kraftfahrzeug verfügt hat, das auch zu anderen als privaten Zwecken genutzt worden ist. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, dieses Fahrzeug nur privat und für Fahrten zwischen ihrer Wohnung und ihrer Arztpraxis genutzt zu haben. Die Nutzung des Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen der Wohnung und der Praxis hat aber nach § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV den Ausschluss der Gebührenfreiheit für das im Kraftfahrzeug vorhandene Autoradio zur Folge, weil diese Nutzung zu anderen als privaten Zwecken erfolgt ist.
Der VGH Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 18. Mai 2009 (2 S 1203/08) zu einem vergleichbaren Fall Folgendes ausgeführt:
"Der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV a.F. erfasst lediglich einen bestimmten Bereich der beruflichen Nutzung eines Kraftfahrzeugs, nämlich die freiberufliche, selbständige, mit wirtschaftlichen Vorteilen verbundene Tätigkeit. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll keine Gebührenfreiheit für solche in einem Kraftfahrzeug zum Empfang bereitgehaltenen Zweitgeräte bestehen, die eine gewinnbringende Tätigkeit des Kraftfahrzeugnutzers (oder eines Dritten) fördern. Folglich besteht das maßgebliche Kriterium für die Abgrenzung des gebührenpflichtigen "geschäftlichen" von dem gebührenbefreiten "privaten" Bereich darin, dass die mit Hilfe des Kraftfahrzeugs (und damit auch des Autoradios) ausgeübte Berufstätigkeit dem Kraftfahrzeugnutzer oder dem Dritten einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil verschafft (vgl. zum Ganzen: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.01.1998 - 2 S 2828/97 - und Urteil vom 12.08.1983 - 2 S 49/83 - zur Vorgängervorschrift des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 RGebStV 1974). Wie § 5 Abs. 2 Satz 2 RGebStV verdeutlicht, kommt es auf den Umfang der Nutzung des Kraftfahrzeugs zu gewerblichen Zwecken bzw. zur selbständigen Erwerbstätigkeit nicht an. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Freistellung von der Mehrfachzahlung ausschließlich den privaten Bereich erfassen (vgl. die Begründung zum Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland, LT-Drs. 10/5930, S. 112; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.04.1994 - 2 S 2521/93 - VBlBW 1994, 417). Mithin reicht - auch eine völlig untergeordnete - Nutzung des Kraftfahrzeugs zu den angeführten Zwecken und damit zum Ausschluss der Gebührenfreiheit aus (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.04.1994, a.a.O.). ...
aa)
Bei der Beantwortung der Frage, ob bei Selbständigen die Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte der selbständigen Tätigkeit oder dem privaten Bereich zuzurechnen sind, ist auf die Begriffe und die Systematik des Einkommensteuerrechts zurückzugreifen. Mit dem Einkommensteuerrecht werden die Einkünfte des Bürgers (vgl. § 2 Abs. 1 EStG) und damit seine gesamte wirtschaftliche Betätigung steuerlich geregelt. Das Einkommensteuerrecht ist damit das Hauptanwendungsgebiet für die Abgrenzung zwischen gewerblicher/betrieblicher Betätigung einerseits und privater Betätigung andererseits. Zur Abgrenzung der betrieblichen/beruflichen Aufwendungen von den privaten Aufwendungen (vgl. etwa §§ 4, 9 EStG) hat sich ein differenziertes System herausgebildet, auf das bereits aus Gründen der Rechtseinheit und der Verwaltungspraktikabilität auch für das (enge) Rechtsgebiet der Rundfunkgebührenerhebung zurückzugreifen ist. Besonderheiten dieses Rechtsgebiets, die eine vom Einkommensteuerrecht abweichende Bewertung und Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.bb)
Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der Gesetzgeber des Einkommensteuerrechts nach dem objektiven Nettoprinzip, wie es in § 2 Abs. 2 EStG zum Ausdruck kommt. Danach unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den betrieblichen Erwerbsaufwendungen andererseits. Deshalb sind Aufwendungen für die Erwerbstätigkeit gemäß § 4 EStG grundsätzlich steuerlich abziehbar. Im Rahmen des objektiven Nettoprinzips hat der Gesetzgeber die Zuordnung von Aufwendungen zum betrieblichen Bereich, derentwegen diese Aufwendungen von den Einnahmen grundsätzlich abzuziehen sind, danach vorgenommen, ob eine betriebliche Veranlassung besteht (vgl.§ 4 Abs. 4 EStG).Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind Fahrten von der Wohnung zum Betrieb nach der bis zum 31.12.2006 geltenden Rechtslage - vom Grundsatz her - als betrieblich veranlasst anzusehen (vgl. § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG a.F.). Es galt der allgemeine Grundsatz, dass Fahrtkosten mit dem eigenen Kraftfahrzeug bei betrieblicher Veranlassung grundsätzlich voll, bei privater Veranlassung grundsätzlich nicht, bei Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte nur mit pauschalen Höchstbeträgen des§ 9 Abs. 2 EStG a.F. wie Betriebsausgaben abgesetzt werden können (vgl. zum Ganzen Heinicke in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 27. Aufl., § 4 RdNr. 580). Dass die Fahrten von der Wohnung zur Arbeit nur mit pauschalen Höchstbeträgen abgesetzt werden konnten und demzufolge eine gewisse Einschränkung des objektiven Nettoprinzips galt, ändert nichts an dem Grundsatz, wonach Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte als betrieblich veranlasst zu qualifizieren sind. ...
In Bezug auf den nach Inkrafttreten der Neufassung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages liegenden Zeitraum von April 2005 bis einschließlich Juli 2007 besteht für das Autoradio des Klägers ebenfalls keine Gebührenfreiheit.
Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV n.F. (diese Fassung entspricht der im vorliegenden Fall maßgeblichen) gilt die Gebührenfreiheit nach Abs. 1 Satz 1 nicht für Zweitgeräte in solchen Räumen oder Kraftfahrzeugen, die zu anderen als privaten Zwecken genutzt werden. Mit dieser wenig geglückten Formulierung sollte der Vorschrift kein neuer Inhalt gegeben werden. Vielmehr wollte der Gesetzgeber die bisherige Rechtslage lediglich bestätigen und verdeutlichen, nach der es Normzweck ist, die Gebührenfreiheit für solche Geräte auszuschließen, die einer gewinnbringenden, auf einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil gerichteten Tätigkeit dienen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.12.2007 - 2 A 10913/07 - ZUM-RD 2008, 268 und Göhmann/Naujock/Siekmann in: Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, § 5 RGebStV, RdNr. 38; vgl. auch BayLT-Drs. 15/1921, S. 19). Damit führt weiterhin nur die Nutzung zu gewerblichen Zwecken bzw. zur selbstständigen Erwerbstätigkeit des Rundfunkteilnehmers oder eines Dritten zu einer gesonderten Gebührenpflicht. Eine weitere Einschränkung der Gebührenfreiheit für Zweitgeräte - über die geschäftliche Betätigung hinaus - sollte dagegen mit der Neuregelung nicht erfolgen. Arbeitnehmer, die ihr mit einem Radio ausgestattetes Kraftfahrzeug für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte nutzen, sind folglich weiterhin gebührenbefreit. Im Gegensatz dazu sind beim Kläger diese Fahrten auch nach der neuen Rechtslage seiner geschäftlichen Tätigkeit zuzuordnen.
Die sich auf der Grundlage der dargestellten Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV sowohl in der ursprünglichen als auch in der heutigen Fassung ergebende Ungleichbehandlung von Selbständigen, die ihr Fahrzeug wie der Kläger nur für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nutzen und dafür gesondert Rundfunkgebühren entrichten müssen, gegenüber Arbeitnehmern, die ihr Fahrzeug in gleicher Weise nutzen, aber keine gesonderten Rundfunkgebühren zahlen müssen, ist mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (ebenso VG Regensburg, Urteil vom 23.08.2005 - RO 3 K 05.434 - [...]; a.A. VG Göttingen, Urteil vom 26.04.2007 - 2 A 394/06 - ZUM-RD 2007, 394; VG München, Urteil vom 15.02.2000 - M 32a K 99.370 - [...]).
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Hinsichtlich der Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genaue Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl. etwa zuletzt Urteil vom 09.12.2008, a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund ist bei der Gewährung von Befreiungen, die den gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV geltenden Grundsatz durchbrechen, dass für jedes Rundfunkgerät eine Rundfunkgebühr zu zahlen ist, dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum einzuräumen, der erst an der Willkürgrenze endet (BVerwG, Beschluss vom 06.02.1996 - 6 B 72.95 - NJW 1996, 1163). Ob der Gesetzgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, ist deshalb nicht zu prüfen. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein. Die Grenze liegt dort, wo ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung wesentlich gleicher oder die gesetzliche Gleichbehandlung wesentlicher ungleicher Sachverhalte auch mit Blick auf die Verwaltungsvereinfachung fehlt (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3.93 - NVwZ-RR 1995, 594).
a)
Die Ungleichbehandlung von Selbständigen gegenüber Arbeitnehmern wird in Anwendung des dargestellten Maßstabs durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten den Rundfunkanstalten mit der Regelung in § 5 Abs. 2 RGebStV klare Abgrenzungskriterien an die Hand gegeben werden, um das Gebühreneinzugsverfahren so einfach wie möglich zu gestalten (BVerwG, Beschluss vom 06.02.1996, a.a.O.). Deshalb sieht § 5 Abs. 2 Satz 2 RGebStV sinngemäß vor, dass auch eine geringfügige Nutzung des Kraftfahrzeugs zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbständigen Erwerbstätigkeit des Rundfunkteilnehmers bzw. - nach der Neufassung - zu anderen als privaten Zwecken die Gebührenfreiheit ausschließt. Denn die notwendigen Feststellungen, in welchem Umfang ein Kraftfahrzeug und damit das Zweitradio eines Kraftfahrzeughalters einmal geschäftlichen und zum anderen privaten Zwecken dient, würde zeitraubende Ermittlungen erfordern und damit einen außerordentlichen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen.Auch die Behauptung eines Selbständigen, er nutze sein Kraftfahrzeug betrieblich nur für die Fahrten von seiner Wohnung zur Betriebsstätte und darüber hinaus nicht für weitere betriebliche Fahrten, können die Rundfunkanstalten - wenn überhaupt - nur mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verifizieren. Bereits das Anfordern der Steuererklärung des Selbständigen - einschließlich der Beiziehung und Überprüfung der Steuerakte des Finanzamts - würde für die Rundfunkanstalten zu einem unvertretbaren Verwaltungsaufwand führen, zumal sie in jedem Einzelfall auf Mitwirkungshandlungen des Steuerpflichtigen (etwa Einverständniserklärung hinsichtlich der Einsichtnahme in die Steuerakten des Finanzamts) angewiesen sind und sich in diesem Zusammenhang zudem datenschutzrechtliche Fragestellungen ergeben. Auch wenn den Mitarbeitern der Rundfunkanstalten alle erforderlichen Steuerunterlagen vorliegen würden, müssten sie zur Aufklärung des Sachverhalts in aller Regel eine aufwändige und komplizierte Bewertung dieser Unterlagen vornehmen, zu der die Mitarbeiter nicht ohne weiteres in der Lage sein dürften. Im Fall des Klägers war die Aufklärung dem Senat zwar ausnahmsweise möglich, weil bei einer Gesamtschau der Gewinn- und Verlustrechnungen sowie der dazugehörigen Aufstellung seiner Fahrtkosten für die jeweiligen Steuerjahre ersichtlich ist, dass er lediglich die Fahrten zwischen Wohnung und Friseursalon steuerlich geltend gemacht hat. Im Regelfall aber, bei dem ein Selbständiger sein Kraftfahrzeug in seinem Betriebsvermögen führt, lassen allein seine Steuerunterlagen keinen sicheren Schluss darauf zu, ob das Fahrzeug betrieblich lediglich für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstelle oder auch darüber hinaus genutzt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob der Privatanteil bei der Kraftfahrzeugnutzung nach der sogenannten Listenpreismethode oder der sogenannten Fahrtenbuchmethode ermittelt wird (vgl. dazu § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 - 4 EStG und § 4 Abs. 5 a Satz 2 EStG). Schließlich kann ein Selbständiger die Nutzung seines Kraftfahrzeugs "lediglich für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeit" auch jederzeit wieder ändern, was zu einem weiteren Kontroll- und Überwachungsaufwand für die Rundfunkanstalten führen würde.
Vor diesem Hintergrund ist Zweck der typisierenden Regelung in § 5 Abs. 2 RGebStV auch, die Anzahl der "Befreiungsbegehren" von Selbständigen möglichst gering zu halten und dadurch den mit der Bearbeitung von streitigen Abgrenzungsfällen verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Selbständige sind nach der gesetzlichen Regelung für das Zweitgerät in ihrem Kraftfahrzeug nur dann gebührenbefreit, wenn sie das Kraftfahrzeug ausschließlich privat nutzen. Die Bearbeitung und Überprüfung dieser seltenen Ausnahmefälle wird den Rundfunkanstalten ohne größeren Verwaltungsaufwand möglich sein. In diesen Fällen wird der Selbständige für sein Kraftfahrzeug auch keine Kosten steuerlich geltend machen; eine Überprüfung des Vortrags wird dementsprechend durch "einen Blick" in die Steuerunterlagen möglich sein. Wird dagegen § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV einschränkend dahingehend ausgelegt, dass Selbständige sich auch dann auf die Gebührenfreiheit für ihr im Auto befindliches Zweitgerät berufen können, wenn sie mit dem Kraftfahrzeug von der Wohnung zur Betriebsstätte fahren, kann - nach allgemeiner Lebenserfahrung - mit einer Vielzahl von streitigen Fällen gerechnet werden.
b)
Würde § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV einschränkend dahingehend ausgelegt, dass Selbständige sich auch dann auf die Gebührenfreiheit für ihr im Auto befindliches Zweitgerät berufen können, wenn sie mit dem Kraftfahrzeug betrieblich nur von der Wohnung zur Betriebsstätte fahren, würde dies wiederum eine Ungleichbehandlung in der Gruppe der Selbständigen nach sich ziehen. Die Selbständigen, die ihr Kraftfahrzeug betrieblich nur für Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte nutzen, würden dann besser gestellt als diejenigen, die ihr Kraftfahrzeug betrieblich nur in geringem Umfang nutzen und etwa mit ihrem Kraftfahrzeug weniger Kilometer zurücklegen als die erstgenannte Gruppe; man könnte beispielsweise an einen Selbständigen denken, der sein Kraftfahrzeug nur einmal in der Woche für die Materialbeschaffung benötigt und dazu nur wenige Kilometer zurücklegt. Ein sachlicher Grund für eine Schlechterstellung dieser Gruppe von Selbständigen ist für den Senat nicht ersichtlich. Auch dieser Beispielsfall zeigt, dass allein eine pauschalierende und typisierende Regelung, wonach die Zweitgerätefreiheit für Selbständige dann entfällt, wenn das Kraftfahrzeug und damit das Autoradio für irgendeine betriebliche Betätigung genutzt wird, dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität gerecht wird; nur die vorgenommene Auslegung des § 5 Abs. 2 RGebStV macht das Gebühreneinzugsverfahren für die Rundfunkanstalten handhabbar.c)
Schließlich wird die dargestellte Ungleichbehandlung auch durch den sogenannten Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt. Dieser Grundsatz gestattet dem Abgabengesetzgeber die verallgemeinernde und pauschalierende Anknüpfung an die Regelfälle eines Sachbereichs aber nur so lange, als die Zahl der dem "Typ" widersprechenden "Ausnahmen" geringfügig ist; widersprechen mehr als 10% der von einer Regelung erfassten Fälle dem Regeltyp, so soll der Grundsatz der Typengerechtigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 59) die Ungleichbehandlung nicht mehr im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen können.Bei pauschalierender und generalisierender Betrachtung durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass Selbständige ihr Kraftfahrzeug betrieblich nicht nur für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nutzen, sondern darüber hinaus - ausgehend von den Betriebsabläufen im jeweiligen Einzelfall - in vielfältiger Weise das Kraftfahrzeug für ihren Betrieb einsetzen. Der Einsatz eines Kraftfahrzeugs bei einem Selbständigen unterscheidet sich demnach in aller Regel grundlegend vom Einsatz eines Kraftfahrzeugs bei einem Arbeitnehmer. Dementsprechend besteht für einen Selbständigen - im Vergleich zum Arbeitnehmer - in weitaus größerem Umfang die Möglichkeit, die mit dem Halten eines Kraftfahrzeugs verbundenen Kosten (einschließlich der Autoradiokosten) steuerlich geltend zu machen. Der Selbständige kann insbesondere sein Kraftfahrzeug ins Betriebsvermögen überführen und damit die mit dem Halten des Kraftfahrzeugs insgesamt verbundenen Kosten - abzüglich des Privatanteils (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 bis 4 EStG) - steuerlich geltend machen. An diese Regelfälle des Sachbereichs knüpft § 5 Abs. 2 RGebStV und der damit verbundene Ausschluss der Gebührenfreiheit für Zweitgeräte bei Selbständigen an. Lediglich bei einer geringen Anzahl von Selbständigen und damit in atypischen Fällen liegt dagegen eine vergleichbare Situation wie bei einem Arbeitnehmer vor. Selbständige wie der Kläger, die weder für die Erbringung ihrer Leistungen auf das Kraftfahrzeug angewiesen sind noch die für jeden Gewerbebetrieb typischen "Tätigkeiten" - wie etwa Fahrten zur Bank, zur Post, zum Steuerberater, zur Materialbeschaffung und dergleichen mehr - mit Hilfe ihres Kraftfahrzeugs erledigen, und die deshalb ihr Kraftfahrzeug ausschließlich betrieblich für die Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte nutzen, sind seltene Ausnahmefälle."
Diese Rechtsauffassung vertritt auch der beschließende Senat (vgl. Senatsbeschl. v. 2.12.2009 - 4 LB 559/07 -). Daher steht der Heranziehung der Klägerin zu Rundfunkgebühren für das Autoradio nicht entgegen, dass die Klägerin das mit einem Radiogerät ausgestattete Fahrzeug nur privat und für Fahrten zwischen ihrer Wohnung und ihrer Arztpraxis genutzt hat.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten erweist sich auch hinsichtlich des Säumniszuschlags als rechtmäßig. Denn die Festsetzung des Säumniszuschlags findet in § 4 Abs. 7 RGebStV i.V.m. § 6 Abs. 1 der Satzung des Norddeutschen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkgebühren ihre Rechtsgrundlage.