Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.02.2010, Az.: 5 LA 340/08

Gewährung eines Tags Sonderurlaub für den Sanatoriumsaufenthalt eines Beamten; Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung außerhalb des anerkannten Behandlungszeitraums

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.02.2010
Aktenzeichen
5 LA 340/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 10557
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0203.5LA340.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 03.07.2008 - AZ: 2 A 5420/07

Redaktioneller Leitsatz

§ 9b S. 3 Nds. SUrlV knüpft beim Umfang der Sonderurlaubsbewilligung (für eine Sanatoriumsbehandlung) an den Zeitraum der Verordnung im Beihilfebescheid an. Wenn ein Sanatoriumsaufenthalt mit einer Dauer von 21 Tagen als beihilfefähig anerkannt wird, sind hierunter nicht 21 Übernachtungen zu verstehen. Wenn im nachhinein unter Abweichung vom Bewilligungsbescheid ein weiterer Tag als beihilfefähig anerkannt wird, folgt hieraus nicht, dass auch ein weiterer Tag Sonderurlaub zu bewilligen ist.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von einem Tag Sonderurlaub für den Sanatoriumsaufenthalt des Klägers in der Klinik C. in D. vom 27. August 2007 bis zum 17. September 2007 (22 Tage mit 21 Übernachtungen), der zuvor durch das frühere Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV - nunmehr: Oberfinanzdirektion Niedersachsen, Landesweite Bezüge- und Versorgungsstelle <LBV>) mit Bescheid vom 16. Juli 2007 nach § 7 BhV a.F. für die Dauer der Behandlung von 21 Tagen anerkannt wurde. Der Beklagte bewilligte mit Blick auf die Anerkennung der Sanatoriumsbehandlung lediglich 15 an Stelle der beantragten 16 Werktage Sonderurlaub und einen - vom Kläger lediglich hilfsweise beantragten - Tag Erholungsurlaub. Mit Bescheid vom 28. September 2007 lehnte der Beklagte den nochmaligen Antrag des Klägers, ihm auch für den 17. September 2007 Sonderurlaub zu gewähren, ab. Der Beihilfeanspruch sei durch den Bescheid vom 16. Juli 2007 nur für die Dauer von 21 Tagen genehmigt, sodass insgesamt nur 15 Tage Sonderurlaub gewährt werden dürften.

2

Die anschließend erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor genannten Urteil abgewiesen. Eine nachträgliche Bewilligung von Sonderurlaub sei zwar zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht schon ausgeschlossen, weil der bisher genommene Tag Erholungsurlaub noch gutgeschrieben werden könne. Entscheidend sei aber, dass die Sanatoriumsbehandlung nicht für einen bestimmten Zeitraum, sondern für 21 Tage als beihilfefähig anerkannt worden sei und § 9b Satz 3 der Niedersächsischen Sonderurlaubsverordnung i.d.F. vom 16. Januar 2006 (Nds. SUrlV) an diese Anerkennung für die Sonderurlaubsbewilligung anknüpfe. Wenn der Kläger abweichend von dem Bescheid vom 16. Juli 2007 Beihilfeleistungen für den gesamten Zeitraum von 22 Tagen erhalten habe, habe sich das NLBV nicht an seinen Bewilligungsbescheid gebunden gefühlt und Aufwendungen für die Dauer von 22 Tagen als beihilfefähig anerkannt. Dies führe nicht zu dem geltend gemachten Anspruch auf weiteren Sonderurlaub, weil nach dem eindeutigen Wortlaut der Verordnung auf den Beihilfebescheid abzustellen sei, der die Sanatoriumsbehandlung anerkannt habe. Dieser Bewilligungsbescheid bilde gleichsam den Grundlagenbescheid für die Gewährung von Sonderurlaub. Auf die Anerkennung einzelner Aufwendungen als beihilfefähig komme es demgegenüber nicht an.

3

Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

4

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, hat keinen Erfolg. Die Zulassungsgründe sind teilweise bereits nicht hinreichend dargelegt und im Übrigen nicht gegeben.

5

1.

Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.4.2008 - 5 LA 200/07 -; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838). Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substanziell mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen (Happ, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2006, Rn. 63 zu § 124a). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt dementsprechend wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (vgl. Happ, a.a.O., Rn. 64 zu § 124a, m.w.N.).

6

Der Kläger meint, er und das NLBV seien sich einig darüber gewesen, dass mit dem Bescheid 21 Übernachtungen bewilligt seien. Indiz hierfür sei, dass das NLBV tatsächlich auch die Kosten für die 21. Übernachtung im Rahmen der Beihilfebewilligung erstattet habe. Auf der Grundlage des so verstandenen Anerkennungsbescheides sei ihm daher nach § 9b Satz 3 Nds. SUrlV Sonderurlaub zu gewähren.

7

Mit diesem Vorbringen stellt der Kläger das angefochtene Urteil nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Das Verwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass für die Bewilligung des Sonderurlaubs nach § 9b Satz 3 Nds. SUrlV der Anerkennungsbescheid des NLBV vom 16. Juli 2007 maßgebend ist, der nach seinem eindeutigen Wortlaut einen Sanatoriumsaufenthalt mit einer Dauer von 21 Tagen und nicht 21 Übernachtungen als beihilfefähig anerkannt hat. Dies entspricht einem Zeitraum von drei Wochen im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 2 BhV a.F., innerhalb dessen Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung und Pflege beihilfefähig sind. Wegen der Bindung der Bewilligung von Sonderurlaub an den Anerkennungsbescheid sind Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung dann nicht mehr beihilfefähig, wenn sie außerhalb des anerkannten Behandlungszeitraums - hier von 21 Tagen - entstanden sind (vgl. Topka/Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, Bd. 3, § 7 Erl. 5.2 unter Hinweis auf VG Oldenburg, Urt. v. 2.4.2003 - 6 A 4205/00 -).

8

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beihilfestelle nach Abschluss des Sanatoriumsaufenthalts sämtliche Aufwendungen für 22 Tage bzw. 21 Übernachtungen als beihilfefähig anerkannt hat, denn für die Auslegung eines Bescheides gemäß § 133 BGB analog sind die objektiv vorliegenden Begleitumstände maßgeblich, die für den Erklärungsempfänger bei Zugang der Erklärung erkennbar waren (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 3.3.2005 - BVerwG 2 C 13.04 -, Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 32 = NVwZ-RR 2005, 591 f., zitiert nach [...] Langtext, Rn. 20). Zum Zeitpunkt des Erlasses des Anerkennungsbescheides war aber für den Kläger nicht erkennbar, dass das NLBV abweichend vom Wortlaut des Bescheides tatsächlich 21 Übernachtungen hat anerkennen wollen. Aus den genannten Gründen kommen auch die Grundsätze der falsa demonstratio non nocet, auf die der Kläger sich beruft, nicht zur Anwendung. Denn auch insoweit ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen erkannt hat (siehe Ellenberger in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 133, Rn. 8). Hiervon ist vorliegend bereits deshalb nicht auszugehen, weil zum Zeitpunkt des Erlasses des Anerkennungsbescheides der Zeitraum des Sanatoriumsaufenthalts noch nicht festgestanden hat und nicht ersichtlich gewesen ist, dass dieser Zeitraum dem Kläger und dem NLBV bereits bekannt gewesen ist.

9

Soweit der Kläger sich auf die Praxis der gesetzlichen Krankenkassen bei der Auslegung des § 40 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. SGB V beruft, nach der die ebenfalls dort genannte dreiwöchige Dauer im Sinne von 21 Übernachtungen verstanden werde, genügt sein Vorbringen bereits nicht den Darlegungsanforderungen. Es handelt sich hierbei um eine unsubstantiierte Behauptung, die nicht geeignet ist, das Urteil des Verwaltungsgerichts schlüssig in Frage zu stellen. Gleiches gilt für die Fristberechnung des Klägers. § 9b Satz 3 Nds. SUrlV stellt auf die im Bescheid anerkannte Behandlungsdauer ab, die vorliegend nicht eine Wochenfrist darstellt, sondern nach Tagen bemessen ist.

10

2.

Die Zulassung der Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kommt nicht in Betracht. Solche Schwierigkeiten sind anzunehmen, wenn die mit der Beantwortung einer entscheidungserheblichen Tatsachen- oder Rechtsfrage verbundene Klärung in qualitativer Hinsicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Hinsichtlich der Frage, ob besondere Schwierigkeiten in diesem Sinne vorliegen, ist dem Berufungsgericht durch § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 1.7.2003 - 5 LA 58/02, NVwZ-RR 2004, 125 m.w.N.). Die ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert, dass es einer konkreten Bezeichnung der Fragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, und des Aufzeigens, worin diese besonderen Schwierigkeiten bestehen, bedarf (vgl.: Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 124a, Rn. 53). Mit Blick auf die zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemachten Ausführungen vermag der Senat überdurchschnittliche Schwierigkeiten in Bezug auf die Auslegung des Anerkennungsbescheides des NLBV vom 16. Juli 2007 nicht zu erkennen, weshalb die insoweit gestellte Frage die Berufungszulassung nicht rechtfertigt. Mangels Entscheidungserheblichkeit aus den oben genannten Gründen bedarf es der Zulassung der Berufung auch nicht wegen der geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage, ob es sich bei der 3-Wochen-Frist des § 7 Abs. 2 BhV a.F. um eine Ereignisfrist handelt, deren Ende sich entsprechend der Regelung des § 188 Abs. 2 BGB berechnet. Die Frage würde sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen, weil die Vorschrift des § 7 Abs. 2 BhV a.F. eine solche Frist nicht enthält. Aus diesem Grunde vermag die dritte Rechtsfrage des Klägers, ob die "Drei-Wochen-Regelung" des § 7 Abs. 2 BhV a.F. wegen der gesetzgeberisch gewollten Parallelität der Absicherung von Beamten und Angestellten inhaltlich der "Drei-Wochen-Regelung" des § 40 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. SGB V entspricht, so dass sie identisch auszulegen und anzuwenden sind, die Berufungszulassung nicht rechtfertigen. Insoweit ist im Übrigen nicht einmal ansatzweise innerhalb dieses Zulassungsgrundes dargelegt, dass und unter welchen Gesichtspunkten die Rechtsfrage entscheidungserheblich ist.

11

3.

Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO scheidet ebenfalls aus. Die ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert nach 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, dass die Grundsatzfrage, die grundsätzlich geklärt werden soll, zu bezeichnen und zu formulieren ist. Dabei ist substantiiert zu begründen, warum sie für grundsätzlich klärungsbedürftig gehalten wird, weshalb sie entscheidungserheblich und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl.: Kopp/Schenke, a.a.O., § 124a, Rn. 54). Letzteres hat der Kläger nicht gemacht. Er hat sich vielmehr auf die Bezeichnung der Frage und den Hinweis einer fehlenden obergerichtlichen Rechtsprechung zu den von ihm aufgeworfenen Fragen beschränkt, ohne ihre Entscheidungserheblichkeit und ihre voraussichtliche Klärung im Berufungsverfahren aufzuzeigen.

12

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).