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Abschnitt 1.078 VVNBG - Zu § 78 - Annahme von Belohnungen und Geschenken -

Bibliographie

Titel
Verwaltungsvorschriften zum Niedersächsischen Beamtengesetz (VV zum NBG)
Redaktionelle Abkürzung
VVNBG,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
20411010000034

1.1
"Belohnungen" und "Geschenke" sind alle Vorteile wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Art, die der Beamtin oder dem Beamten unmittelbar oder mittelbar (z.B. Angehörigen) zugewendet werden, ohne daß sie oder er darauf einen Anspruch hat. Hierzu gehören u.a. auch die Einräumung besonderer Vergünstigungen bei Privatgeschäften (z.B. zinsgünstige Darlehen, verbilligter Einkauf, Zahlung nicht angemessenen Lohns für die Entgegennahme von Arbeitsleistungen), die Gewährung unverhältnismäßig hoher Vergütungen für private Nebentätigkeiten (z.B. Gutachten, Vorträge), die vergünstigte oder kostenlose Mitnahme auf Informations- und Urlaubsreisen, die vergünstigte oder kostenlose Überlassung von Unterkunft, Fahrzeugen oder anderen Gebrauchsgegenständen sowie Leistungen jeder Art ohne Rücksicht darauf, ob sie von der Geberin oder dem Geber oder in ihrem oder seinem Auftrag von anderen erbracht werden. Auf den Wert der Belohnung oder des Geschenkes kommt es grundsätzlich nicht an. Dies gilt selbst dann, wenn im Einzelfall nach Art oder Wert des erwarteten oder verlangten Vorteils nicht zu besorgen ist, daß die Beamtin oder der Beamte dadurch in ihrer oder seiner Objektivität beeinträchtigt werden könnte. Die Beamtin oder der Beamte muß nämlich schon den Anschein vermeiden, im Rahmen ihrer oder seiner Amtsführung für persönliche Vorteile empfänglich zu sein.

1.2
"In bezug auf das Amt" ist ein Vorteil immer dann gewährt, wenn die Geberin oder der Geber sich davon bestimmen läßt, daß die Beamtin oder der Beamte ein bestimmtes Amt bekleidet oder bekleidet hat oder eine bestimmte Amtshandlung vornimmt oder vorgenommen hat. Daß die Geberin oder der Geber sich durch das Amt der Beamtin oder des Beamten zur Gewährung eines Vorteils bestimmen läßt, wird stets dann anzunehmen sein, wenn für die Zuwendung nach den Umständen des Falles kein anderer Beweggrund der Geberin oder des Gebers zu finden ist als der, daß die Beamtin oder der Beamte Inhaberin oder Inhaber des betreffenden Amtes ist oder eine bestimmte Amtshandlung vornimmt oder vorgenommen hat. Zum "Amt" gehören sowohl das Hauptamt als auch jedes Nebenamt und jede sonstige, auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung der oder des Dienstvorgesetzten ausgeübte oder im Zusammenhang mit den dienstlichen Aufgaben der Beamtin oder des Beamten stehende Nebentätigkeit. Vorteile, die ausschließlich mit Rücksicht auf Beziehungen innerhalb der privaten Sphäre der Beamtin oder des Beamten gewährt werden, dürfen nicht mit Erwartungen in bezug auf die dienstliche Tätigkeit der Beamtin oder des Beamten verknüpft sein. Erkennt die Beamtin oder der Beamte, daß an den persönlichen Verkehr derartige Erwartungen geknüpft werden, darf sie oder er

Vorteile nicht annehmen und muß sich im persönlichen Umgang die gebotene Zurückhaltung auferlegen.

1.3
Die "Annahme" des Geschenkes oder der Belohnung liegt in der Entgegennahme der Zuwendung oder der sonstigen Vergünstigung. Es bedarf weder einer Annahmeerklärung noch einer sonstigen Tätigkeit der Beamtin oder des Beamten. Soweit ein der Beamtin oder dem Beamten nahestehender Dritter unmittelbar Zuwendungsempfängerin oder -empfänger ist, ist dies der Beamtin oder dem Beamten zuzurechnen, wenn die Annahme mit ihrem oder seinem Wissen und Wollen erfolgt. Wird der Beamtin oder dem Beamten der Vorteil zunächst ohne ihr oder sein Wissen zugewendet - an nahestehende Dritte oder auf ihr oder sein Konto -, so ist eine Annahme auch dann gegeben, wenn die Zuwendung nach Kenntnisnahme nicht unverzüglich zurückgegeben wird; eine Erklärung, die Zuwendung nicht annehmen zu wollen, hindert die Annahme nicht.

2.1
Eine Zustimmung wird für die nachfolgenden Fälle allgemein erteilt:

  1. a)
    Die Annahme von üblichen und nach allgemeiner Auffassung nicht zu beanstandenden geringwertigen Aufmerksamkeiten (z.B. Reklameartikel einfacher Art wie Kalender, Kugelschreiber, Füllhalter, Schreibblocks usw.) sowie von Geschenken aus dem Mitarbeiterkreis der Beamtin oder des Beamten (z.B. aus Anlaß eines Dienstjubiläums),
  2. b)
    die übliche Bewirtung bei allgemeinen Veranstaltungen, an denen die Beamtin oder der Beamte auf Grund ihres oder seines Amtes, im dienstlichen Auftrag oder mit Rücksicht auf die ihr oder ihm durch ihr oder sein Amt auferlegten gesellschaftlichen Verpflichtungen teilnimmt (z.B. Einführungen und Verabschiedungen, offizielle Empfänge, gesellschaftliche Veranstaltungen, die der Pflege dienstlicher Interessen dienen, Jubiläen, Einweihungen, Richtfeste, Eröffnungen von Ausstellungen, Betriebsbesichtigungen sowie Sitzungen von Organen wirtschaftlicher Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist); die Zustimmung gilt im allgemeinen nur für Behördenleiterinnen oder -leiter, deren Vertreterinnen oder Vertreter oder die mit der Teilnahme an der Veranstaltung beauftragten Beamtinnen oder Beamten,
  3. c)
    die Teilnahme an üblichen Bewirtungen aus Anlaß oder bei Gelegenheit dienstlicher Handlungen, Besprechungen, Besichtigungen oder dergleichen, die der Vorbereitung oder Ausführung bestimmter Maßnahmen der Verwaltung dienen, wenn sie ihren Grund in den Regeln des Verkehrs und der Höflichkeit haben, denen sich auch eine Beamtin oder ein Beamter nicht entziehen kann, ohne gegen gesellschaftliche Formen zu verstoßen und damit unter Umständen sogar das Ansehen der Behörde zu schädigen. Hierzu kann in besonderen Ausnahmefällen auch die Annahme von Dienstleistungen gehören, die die Durchführung eines Dienstgeschäftes erleichtern oder beschleunigen (z.B. die Abholung einer Beamtin oder eines Beamten mit einem Wagen vom Bahnhof).

2.2
Die Zustimmungserteilung nach Nr. 2.1 gilt nicht

  1. a)
    für die Annahme von Bargeld auch in geringer Höhe,
  2. b)
    für Gegenstände, die unter Berücksichtigung der Stellung der Empfängerin oder des Empfängers wegen ihres Wertes das als allgemein und sozial adäquat üblich anzusehende Maß übersteigen oder die wegen ihrer Ausführung mehr als geringwertige Aufmerksamkeiten darstellen, oder wenn der Werbecharakter einer Sache gegenüber ihrem tatsächlichen Wert zurücktritt,
  3. c)
    wenn durch die Vorteilsgewährung behördliche Entscheidungen beeinflußt werden sollen,
  4. d)
    wenn die für die Erteilung der Zustimmung zuständige Stelle aus begründetem Anlaß eine Zustimmung in bestimmten Fällen für erforderlich erklärt hat oder die generell erteilte Zustimmung widerruft.

2.3
Ist die Zustimmung für die Annahme einer Zuwendung nicht nach Nr. 2.1 allgemein erteilt, darf die Beamtin oder der Beamte sie erst annehmen, wenn die Zustimmung der zuständigen Behörde vorliegt. Kann diese nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, darf die Beamtin oder der Beamte die Zuwendung ausnahmsweise vorläufig annehmen; um die Zustimmung muß sie oder er unverzüglich nachsuchen. Die Beamtin oder der Beamte hat gewissenhaft selbst zu prüfen, ob die Annahme eines Vorteils der Zustimmung bedarf oder ob für sie nach Nr. 2.1 die Zustimmung bereits allgemein erteilt ist. Bestehen hier Zweifel, hat die Beamtin oder der Beamte die Zustimmung zu beantragen. Sie oder er ist ferner verpflichtet, jeden Versuch, ihre oder seine Amtsführung durch Belohnungen oder Geschenke zu beeinflussen, ihren Dienstvorgesetzten unverzüglich mitzuteilen.

2.4
Die Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn nach Lage des Falles nicht zu besorgen ist, daß die Annahme der Zuwendung die objektive Amtsführung der Beamtin oder des Beamten beeinträchtigt oder bei Dritten, die von der Zuwendung Kenntnis erlangen, der Eindruck der Befangenheit der Beamtin oder des Beamten entstehen kann. Die Zustimmung ist zu versagen, wenn mit der Zuwendung von Seiten der Geberin oder des Gebers erkennbar eine Beeinflussung des amtlichen Handelns beabsichtigt ist oder in dieser Hinsicht Zweifel bestehen. Die Zustimmung zur Teilnahme an Informationsreisen von Firmen, die die Reisekosten und sonstige, damit zusammenhängende Nebenkosten übernehmen, soll nur erteilt werden, wenn die Reisen überwiegend unter fachlichen Gesichtspunkten stattfinden und für die Teilnahme ein dienstliches Bedürfnis besteht.

2.5
Die Zustimmung für die Annahme einer Zuwendung kann mit der Auflage erteilt werden, daß die Zuwendung einer sozialen Einrichtung, dem Dienstherrn oder einer sonstigen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zu übereignen ist; ggf. sollte die Geberin oder der Geber benachrichtigt werden. Die Zustimmung erfolgt, ausgenommen in den Fällen der Nr. 2.1, durch schriftlichen Bescheid.

3.
Beamtinnen und Beamte sowie Ruhestandsbeamtinnen und -beamte, die gegen § 78 verstoßen, begehen ein Dienstvergehen nach § 85 Abs. 1, 2 Nr. 3, das zur Einleitung des Disziplinarverfahrens führt, unabhängig davon, ob eine strafbare Handlung gemäß § 331 StGB (Vorteilsannahme) oder § 332 StGB (Bestechlichkeit) vorliegt. Die Annahme baren Geldes oder die Ausführung einer als Entgelt für einen Vorteil gedachten pflichtwidrigen Amtshandlung hat grundsätzlich die Entfernung der betroffenen Beamtinnen oder Beamten aus dem Dienst zur Folge (Urteil des BVerwG vom 8.3.1988, DVBl. 1989 S. 195).

4.
Die oder der Dienstvorgesetzte hat Verstößen gegen § 78 und die §§ 331, 332 StGB durch geeignete organisatorische und personalwirtschaftliche Maßnahmen vorzubeugen. Hierzu gehört u.a., daß Beamtinnen und Beamte, deren wirtschaftliche Verhältnisse nicht geordnet sind, nach Möglichkeit nicht auf solchen Dienstposten beschäftigt werden, auf denen sie der Gefahr einer unerlaubten Beeinflussung durch Dritte ausgesetzt sind.