Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.02.2004, Az.: 7 LA 231/03

Lärmschutz vor einer Wasserkraftanlage; Duldungspflicht Dritter; Gegenstand des Wasserrechts; Bindung einer Wasserkraftanlage an die Regelungen des Bundesimmissionschutzgesetzes (BImSchG); Regelung einer Energieerzeugung durch Wasserkraft durch wasserrechtliche Bewilligung; Anspruch auf Bestandsschutz

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.02.2004
Aktenzeichen
7 LA 231/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 34943
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2004:0210.7LA231.03.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
VG Göttingen - 10.02.2004 - AZ: 4 A 4163/01

Fundstellen

  • NVwZ-RR 2004, 484-485 (Volltext mit red. LS)
  • ZfW 2005, 134

Verfahrensgegenstand

Streitgegenstand: Lärmschutz vor einer Wasserkraftanlage - Antrag auf Zulassung der Berufung -

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 7. Senat -
am 10. Februar 2004
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 4. Kammer - vom 28. August 2003 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 und 5 VwGO nicht vorliegen.

2

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht.

3

Die Klägerin argumentiert - zusammengefasst - dahingehend, dass mit der wasserrechtlichen Bewilligung abschließend alle Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Energieerzeugung durch Wasserkraft geregelt seien und unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes der mit ihrer Wasserkraftanlage einhergehender Lärm von Dritten hinzunehmen sei.

4

Schon die von ihr vorgelegten Auszüge aus dem Wasserbuch belegen indes das Gegenteil: Gegenstand des Wasserrechts ist allein der Stau, die Entnahme und das Einleiten von Wasser zur Stromerzeugung. Mit welcher Technik das entnommene Wasser genutzt wird, ist nicht Gegenstand dieses Wasserrechts. Anderes ist auch nicht dem im Wasserbuch verwendeten Begriff der "Anlagen im gegenwärtigen Umfange" zu entnehmen, denn der kann sich nur auf die die Menge des entnommenen und wieder eingeleiteten Wassers steuernden Anlagen beziehen, nicht jedoch auf die mit dem entnommenen Wasser betriebene Technik: anderenfalls wären technischeÄnderungen an der Wasserkraftanlage, wie sie die Klägerin im Jahr 2000 zur Leistungssteigerung vorgenommen hat, von der wasserrechtlichen Genehmigung nicht gedeckt. Ausweislich der Akten hat die Klägerin selbst in einer rechtsgutachtlichen Stellungnahme im Zusammenhang mit der Absicht, eine zweite Turbine einzubauen, den Standpunkt vertreten, die technische Ausgestaltung der Wasserkraftanlage berühre das Wasserrecht nicht. Es gibt in den beigezogenen Akten ebenso wenig wie in den von der Klägerin vorgelegten Auszügen aus dem Wasserbuch einen Hinweis, dass andere als wasserwirtschaftliche Belange Gegenstand einer behördlichen Prüfung im Zusammenhang mit dem Wasserrecht waren.

5

Damit unterliegt die Wasserkraftanlage der Klägerin, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, auch den Regelungen des BImSchG. Ein Bestandsschutz käme ihrer Anlage nur in diesem Rahmen zu (vgl. etwa § 17 Abs. 3 oder Abs. 2 BImSchG, deren Grundgedanken im Rahmen des gemäß § 24 S. 1BImSchG auszuübenden Ermessens eine Rolle spielen können). Folgte man der Argumentation der Klägerin, wären Wasserkraftanlagen die ersichtlich einzigen Lärm emittierenden Anlagen, die unbeschränkt von den Verpflichtungen des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG (weiter) betrieben werden dürfen. Auch das Fehlen einer wasserrechtlichen "Modernisierungsklausel" bestätigt aber, dass wasserrechtliche Erlaubnisse ohne spezifisch immissionsschutzrechtliche Regelungen den gewerbe- oder immissionsschutzrechtlichen Anlagegenehmigungen in Bezug auf einen - eingeschränkten - Bestandsschutz nicht gleichzustellen sind. Gesichtspunkte die eine Privilegierung dieser Art wirtschaftlicher Betätigung gegenüber Betreibern anderer gewerblicher Anlagen, die auch auf ein Mindestmaß an Investitions- und Bestandsschutz angewiesen sind, rechtfertigen könnten, sind dem Senat auch sonst nicht ersichtlich.

6

Ein "nachbarliches Rücksichtnahmegebot" brauchte das angefochtene Urteil nicht anzusprechen, weil auch die Klägerin auf die Wohnnutzung in der Nachbarschaft Rücksicht zu nehmen hat - das Maß der ihr zugemuteten Rücksichtnahme bestimmt sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.05.1995 - 4 C 20.94 -, NVwZ 1996, 379 (381). Die den Annahmen der TA Lärm über die Schädlichkeit von Lärmimmissionen entgegenstehende Ansicht der Klägerin, es handele sich allenfalls um eine Belästigung, ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu begründen.

7

Mit seinen Ausführungen zur Grunddienstbarkeit setzt sich der Zulassungsantrag nur ungenügend mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass die Anforderungen des Immissionsschutzes nicht disponibel sind. Inwieweit die von der Klägerin angeführte "Einheit der Rechtsordnung" dazu zwingen soll, unterschiedliche Sachverhalte einheitlich (und zwar nur zu Gunsten der Klägerin) zu beurteilen, ist nicht ersichtlich.

8

Die wiederholten Ausführungen der Klägerin zur Unzuständigkeit des Beklagten beruhen auf der Annahme, es handele sich um eine nach Wasserrecht zu beurteilende Streitigkeit. Dass dem nicht so ist, hat der Senat bereits oben (und ausführlich in seinem Beschluss vom 28.02.2002 - 7 MA 7/02 -) ausgeführt. Selbst wenn eine der möglichen Alternativen zur Lärmreduzierung den Zustand des Gewässers verändern und deshalb eine Genehmigung der zuständigen Wasserbehörde einzuholen wäre, spricht dies nicht gegen die immissionsschutzrechtliche Anordnungsbefugnis des Beklagten.

9

2.

Die Rechtssache weist besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht auf. Die Darlegung des Zulassungsantrages fußt auf der unzutreffenden Annahme, dass die technische Ausführung sowie Art und Umfang des Betriebes der Wasserkraftanlage Gegenstand des der Klägerin zustehenden Wasserrechts sind. Die als schwierig bezeichneten Fragen würden sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen.

10

3.

Dementsprechend kommt der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht zu. Das von der Klägerin zu beanspruchende Maß an Bestandsschutz ergibt sich aus dem BImSchG. Gegen die in den 80er-Jahren herannahende Bebauung hätte sich die damalige Anlagenbetreiberin und Rechtsvorgängerin der Klägerin wenden können (und zur Wahrung ihrer Rechte müssen).

11

4.

Die Klägerin rügt als Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, dass das Verwaltungsgericht weitere Ermittlungen zu den technischen Alternativen einer Lärmreduzierung unterlassen hat. Die Rüge der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht erfordert zum einen die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328). Zum anderen muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Verwaltungsgericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge stellt nämlich kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Vorinstanz zu kompensieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.5.1986 - 8 C 10.84 -, BVerwGE 74, 222/223).

12

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin einen Beweisantrag nicht gestellt. Dass jegliche Veränderung an der Bauart der Wasserkraftanlage oder ihrer Betriebsweise technisch unmöglich sei, hat die Klägerin weder in der mündlichen Verhandlung noch im Zulassungsverfahren geltend gemacht; vielmehr argumentiert sie hinsichtlich einiger Alternativen mit Wirtschaftlichkeitserwägungen, ohne auf eine Leistungsreduzierung zur Nachtzeit durch eine andere Regelung der Stauanlage "Wachenhäuser Wehr" auch nur einzugehen. Auch ist nicht erkennbar, dass sie die Genehmigung für einen Gewässerausbau durch eine stellenweise Sohlvertiefung nicht erlangen kann oder ob ein Schwallbetrieb unter Einhaltung der Mindest- und Höchststauziele möglich ist. Ob eine Verringerung der Stromerlöse durch Verminderung der Turbinenleistung bzw. Einstellen des Betriebes zu Zeiten erhöhter Empfindlichkeit wirtschaftlich günstiger ist als Aufwendungen für lärmmindernde Maßnahmen bei gleich bleibenden Stromerlösen, ist Gegenstand vonÜberlegungen, die allein die Klägerin anzustellen hat. Dem Verwaltungsgericht oblag es nur zu überprüfen, dass der Beklagte nichts technisch Unmögliches angeordnet hat, nicht hingegen, dass Lärmschutz gleichsam "gratis" gewährleistet werden kann.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

14

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf den §§ 14 Abs. 3, Abs. 1 S. 2, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Kalz
Peschau
Bremer