Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.02.2004, Az.: 4 ME 494/03

humanitäre Gründe; Kosovo; Roma

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.02.2004
Aktenzeichen
4 ME 494/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50710
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 17.10.2003 - AZ: 7 B 4693/03

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Für Angehörige der Gruppe der Roma bestehen weiterhin humanitäre Gründe, die sowohl einer freiwilligen Ausreise als auch dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen in den Kosovo oder in andere Gebiete der Republik Serbien und Montenegro entgegenstehen.

Gründe

1

Die gemäß §§ 146 Abs. 4,147 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet. Nach Einschätzung des Senats sind die Voraussetzungen für einen Anspruch der Antragsteller gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG auf Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes glaubhaft gemacht. Allerdings spricht der Senat laufende Leistungen zum Lebensunterhalt im Wege der einstweiligen Anordnung in der Regel erst ab dem Ersten des Monats seiner Entscheidung zu und verweist wegen der geltend gemachten Ansprüche für zurückliegende Zeiträume auf das Hauptsacheverfahren.

2

Aufgrund des Nachweises der Bevollmächtigung des Prozessvertreters der Antragsteller sind die vom Verwaltungsgericht dargelegten Zweifel an der ordnungsgemäßen Antragstellung nicht mehr entscheidungserheblich. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist den Antragstellern eine Rückkehr in ihre Heimat nicht zuzumuten und bestehen deshalb humanitäre Gründe, die sowohl einer freiwilligen Ausreise als auch dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen entgegenstehen (§ 2 Abs. 1 AsylbLG).

3

Der Senat hält für dieses Verfahren an seiner in den Urteilen vom 13. Februar 2002 (4 LB 781/01 und 4 LB 783/01) dargelegten Einschätzung fest, dass für Angehörige des Volkes der Roma humanitäre Gründe sowohl einer (freiwilligen) Ausreise als auch dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen in den Kosovo oder in andere Gebiete der Republik Serbien und Montenegro entgegenstehen (so auch Beschl. d. 12. Senats des Nds. OVG v. 24.1.2003 - 12 ME 781/02 -). Hierfür ist es unerheblich, ob sie zu diesem Zweck statt gültiger jugoslawischer Pässe oder Passersatzpapiere ein von der zuständigen Ausländerbehörde ausgestelltes EU-Laissez-Passer-Papier verwenden können. Entscheidungserheblich ist es weiter nicht, ob die Antragsteller zu den Minderheiten zu rechnen sind, für die im Erlass des Niedersächsischen Ministeriums des Innern und Sport vom 18. März 2003 (41.22-12235-8.4.2.1) eine leistungsrechtliche Besserstellung angeregt wird.

4

Die Zugehörigkeit der Antragsteller zum Volk der Roma ist unter Berücksichtigung der Bescheinigung des „Deutscher und Roma Kultur e.V. Münster“ vom 14. Oktober 2003 hinreichend glaubhaft gemacht; weitergehende Ermittlungen müssen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners fehlen in dieser Bescheinigung nicht „jegliche Angaben“ zu ihren Grundlagen, sondern wird auf „Aussehen, Sprache, kulturellen Hintergrund und ... Gebräuche“ hingewiesen. In dieser Verfahrenssituation braucht der Senat auf die von den Beteiligten erörterte Frage einer Verwechslung in der Antragserwiderung des Antragsgegners vom 15. Oktober 2003 nicht weiter einzugehen.