Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.02.2004, Az.: 18 LP 15/02

künstlerische Tätigkeit; Normalvertrag-Solo

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.02.2004
Aktenzeichen
18 LP 15/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50496
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 05.11.2002 - AZ: 10 A 5/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Feststellung, ob eine künstlerisch geprägte Tätigkeit vorliegt, lässt sich nicht allein deshalb treffen, weil der Abschluss eines sog. "Normalvertrages-Solo" gegeben ist.

Es ist vielmehr eine Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob die konkrete Tätigkeit des betreffenden Beschäftigten als künstlerisch zu verstehen ist. Maßgeblich sind alle Umstände des konkreten Einzelfalles im Zeitpunkt der im Gesetz vorgesehenen Beteiligung des Personalrates.

Gründe

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Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass der Beteiligte durch die Einstellung einer Orchesterinspektorin sein Mitbestimmungsrecht verletzt habe.

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Der Beteiligte hat für die Spielzeiten 2002 bis 2004 Frau F. G. als „künstlerische Mitarbeiterin im Orchesterbüro sowie Orchesterinspektorin“ nach Maßgabe des „Normalvertrages Solo“ eingestellt. Frau G. hat ein Studium der Kulturwissenschaften und ästhetischen Praxis (vormals Kulturpädagogik) absolviert und bezieht für die Spielzeit 2002/2003 ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.533,88 Euro und für 2003/2004 in Höhe von 1.789,52 Euro. Die betreffende Tätigkeit wurde früher von einem Orchestermusiker im Rahmen einer Nebentätigkeit ausgeübt. Nach Freiwerden der Stelle führte der Beteiligte zunächst eine hausinterne Ausschreibung durch, verpflichtete dann aber die von außerhalb kommende Frau G..

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Nachdem der Antragsteller vergeblich außergerichtlich sein Mitbestimmungsrecht reklamiert hatte, hat er am 1. Juli 2002 das Beschlussverfahren eingeleitet. Er vertritt die Auffassung, ihm stehe trotz der inzwischen durchgeführten Einstellung ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung der Fachkammer zu, weil Wiederholungsgefahr bestehe. Die Maßnahme sei nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG auch mitbestimmungspflichtig. Weder § 65 Abs. 3 Nr. 3 NPersVG noch § 106 NPersVG stehe dem entgegen, weil es sich bei der Einstellung von Frau G. nicht um eine Maßnahme handele, die die künstlerische Gestaltung von Aufführungen oder Veranstaltungen wesentlich beeinflussen könne. Der Aufgabenbereich der Orchesterinspektorin umfasse lediglich die Organisation und Verwaltung der Künstler und ihres Einsatzes. Ihr obliege die Organisation des dienstplanmäßigen Einsatzes der Orchestermitglieder (ohne Dienstplangestaltung) und die Beschaffung von Krankheitsvertretungen, Aushilfen etc. unter Verwendung der dafür bereitgestellten Haushaltsmittel.

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Der Antragsteller hat beantragt,

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festzustellen, dass der Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des

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Antragstellers bei der Einstellung einer Mitarbeiterin im Orchesterbüro

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und Orchesterinspektorin verletzt hat.

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Der Beteiligte hat beantragt,

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den Antrag abzulehnen,

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und erwidert: Die Aufgabenschwerpunkte der Tätigkeiten von Frau G. lägen in der Planung des Musiktheaterspielplans und des Konzertplanes hinsichtlich möglicher Besetzungsvarianten. Hier seien umfangreiche Kenntnisse über die Möglichkeiten der Besetzungsstärken von Stimmgruppen innerhalb der Musik- und Konzertliteratur verlangt. Von der Stelleninhaberin werde erwartet, dass sie gemeinsam mit dem Generalmusikdirektor und dem Orchestermanager sowohl unter künstlerischen, qualitativen als auch unter organisatorischen Gesichtspunkten die Spielzeit plane. Weiterhin werde von ihr eine sehr umfangreiche Betreuung des Kinder- und Jugendprogramms in konzeptioneller und organisatorisch eigenständiger und eigenverantwortlicher Arbeit erwartet. Die Stelleninhaberin werde in erheblichem Umfang mit der Durchführung und Planung des Festivals „Festliche Tage Neuer (Kammer)Musik“ betraut sein.

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Mit Beschluss vom 5. November 2002 hat die Fachkammer festgestellt, dass der Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Einstellung einer Mitarbeiterin im Orchesterbüro und Orchesterinspektorin verletzt hat. Der Antrag sei zulässig. Zwar sei Frau G. bereits eingestellt worden, und ihre Einstellung könne nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es gehe jedoch um die personalvertretungsrechtliche Frage, ob der Beteiligte verpflichtet sei, in entsprechenden Fällen die Zustimmung des Antragstellers einzuholen. Hierbei handele es sich – schon wegen der üblichen Befristung der Arbeitsverträge – um einen Streit, der erwarten lasse, dass sich die zur Entscheidung stehende Rechtsfrage in naher Zukunft zwischen den Beteiligten erneut stellen könne.

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Der Antrag sei auch begründet: Die Fachkammer sei der Überzeugung, dass die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses eine überwiegend künstlerische Tätigkeit nicht zum Inhalt habe. Frau G. sei lediglich für die organisatorische und technische Planung des Musiktheaterspielplans und des Konzertplanes verantwortlich. Zwar benötige sie für die Verpflichtung von Aushilfen etc. musikalischen und künstlerischen Sachverstand. Allerdings übernehme die Auswahl der Generalmusikdirektor im Einvernehmen mit dem Manager, so dass ihr insoweit wenig Entscheidungsspielraum verbleibe und ihr eigener künstlerischer Wirkungskreis sehr stark eingeschränkt sei. Es handele sich insoweit um die Organisation und Verwaltung des Einsatzes der Künstler nach den Vorgaben ihrer Vorgesetzten. Im Übrigen spreche auch das geringe Gehalt gegen eine für die Planung des Theaterbetriebes bedeutsame Funktion. Soweit der Beteiligte geltend mache, Frau G. habe das Kinder- und Jugendprogramm zu betreuen, fehle eine arbeitsvertragliche Regelung. Diese umfasse lediglich die künstlerische Mitarbeit im Orchesterbüro und die Tätigkeit als Orchesterinspektorin, jedoch keine Betreuungstätigkeit, die im Übrigen noch keinen künstlerischen Spielraum für eine Darbietung (Schauspiel, Konzert etc.) biete. Aus ihrem Arbeitsvertrag ergebe sich ferner nicht, dass Frau G. mit der Durchführung und Planung des Festivals „Festliche Tage Neuer (Kammer)Musik“ betraut sein solle. Unabhängig davon verbleibe ihr jedenfalls nicht ein künstlerischer Gestaltungsspielraum, weil sie – wenn auch mit künstlerischem Sachverstand – überwiegend Weisungen Dritter umzusetzen habe. So habe der Vertreter des Beteiligten auf Nachfrage im Anhörungstermin nicht behauptet, dass Frau G. selbständig Musikstücke und Künstler auswählen könne und dass ihr dabei ein Entscheidungsspielraum zustehe. Vielmehr habe er ausdrücklich herausgestellt, dass Frau G. insoweit den Anweisungen des Generalmusikdirektors und weiterer Vorgesetzter unterworfen sei.

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Zusammenfassend sei festzustellen, dass Frau G. lediglich die für die Umsetzung der künstlerischen Konzeption der Orchester- und Theaterwerke notwendigen Rahmenbedingungen schaffe und den reibungslosen Ablauf des täglichen Schauspiel- und Orchesterbetriebs sichere. Dazu benötige sie ein künstlerisches Grundverständnis, über das sie aufgrund ihres kulturwissenschaftlichen Studiums unstreitig in hohem Maße verfüge. Eine überwiegend künstlerische Tätigkeit liege jedoch nicht vor.

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Dem stehe auch § 106 Abs. 1 Satz 1 NPersVG nicht entgegen, wonach die Vorschriften des NPersVG für öffentliche Theater und Orchester nur insoweit gälten, als dem nicht die Eigenart dieser Einrichtungen entgegenstehe. Diese Vorschrift werde hier schon durch § 65 Abs. 3 Nr. 3 NPersVG als speziellere Norm verdrängt. Eine Maßnahme, die mitbestimmungspflichtig sei, weil der Arbeitnehmer nicht überwiegend künstlerisch tätig sei, könne auch nicht durch den „Tendenzschutz für Theater“ in § 106 Abs. 1 NPersVG der Mitbestimmung entzogen werden. Der „Tendenzschutz“ sei beschränkt auf die Erfüllung des kulturellen Auftrages. Darunter fielen lediglich Mitarbeiter, die schöpferisch tätig seien, nicht aber eine Mitarbeiterin im Orchesterbüro sowie Orchesterinspektorin.

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Gegen den ihm am 22. November 2002 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte am 4. Dezember 2002 Beschwerde eingelegt und diese begründet. Er hält die Nichtbeteiligung des Antragstellers bei der Stellenausschreibung und bei der Einstellung weiterhin für rechtens. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen und macht insbesondere geltend: Das Niedersächsische Personalvertretungsgesetz habe in § 65 Abs. 3 Nr. 3 Beschäftigte, die nach Umfang und Gewicht ihres Aufgabenbereichs überwiegend künstlerisch tätig seien, von der Mitbestimmung ausgenommen. Im Gesetzgebungsverfahren seien hierfür Beispiele aufgelistet worden. Danach liege die Untergrenze künstlerisch geprägter Tätigkeit an Bühnen bei den aufgrund von „Normalverträgen (Solo, Chor, Tanz)“ Beschäftigten. Bei der eingestellten Mitarbeiterin im Orchesterbüro und Orchesterinspektorin handele es sich nach Maßgabe ihres Arbeitsvertrages und der von ihr ausgeübten Tätigkeit um ein Bühnenmitglied im Sinne des „Normalvertrages Solo“, nämlich um eine „Person in ähnlicher Stellung“. Dem stehe nicht entgegen, dass Frau G. an der künstlerischen Darbietung selbst nicht beteiligt sei. Nach der Rechtsprechung des BAG liege das gemeinsame Merkmal der in § 1 „Normalvertrag Solo“ genannten Personen und damit der Anknüpfungspunkt für die Bestimmung von „Personen in ähnlicher Stellung“ darin, dass sie durch ihre Tätigkeit an der Erarbeitung und Umsetzung der künstlerischen Konzeption eines Werkes unmittelbar mitarbeiteten und damit im Gegensatz zu solchen Personen stünden, die hierfür lediglich die notwendigen technischen Rahmenbedingungen schafften und die Funktionsfähigkeit der technischen Hilfsmittel überwachten. Inzwischen hätten die Tarifvertragsparteien die Bühnentarifverträge weiter vereinheitlicht, indem eine Einigung dahin erzielt worden sei, alle tarifvertraglichen Bestimmungen für Solisten, künstlerische Bühnentechnik, Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder in einem einheitlichen Tarifvertrag zusammenzufassen. Für Solisten hätten sich insbesondere im persönlichen Geltungsbereich Änderungen bzw. Erweiterungen ergeben. Das BAG habe in seiner älteren Rechtsprechung nur diejenigen Arbeitnehmer zu dem Kreis der „Tendenzträger“ gerechnet, deren Tätigkeit für die vom Betrieb bzw. Unternehmen verfolgte „Tendenz“ prägend sei. Inzwischen würden jedoch einzelne Arbeitsgerichte den tarifvertraglichen Zuordnungen der am Theater beschäftigten Arbeitnehmer wieder eine entscheidende Bedeutung zumessen. So habe das Arbeitsgericht Osnabrück in einem Beschluss vom 4. Juli 1989 pauschal alle durch den „Bühnentechnikertarifvertrag“ erfassten Arbeitnehmer zur Konkretisierung der „Tendenzträgereigenschaft“ herangezogen. Dieses Gericht erblicke in den einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen am Theater zu Recht einen brauchbaren dogmatischen Ansatz für die inhaltliche Bestimmung der „Tendenzträgereigenschaft“. Würde man der genannten Rechtsauffassung des BAG folgen, müsste jeweils im Einzelfall für den betreffenden Mitarbeiter entschieden werden, ob er maßgeblich zur „Tendenzverwirklichung“ beitrage.

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Frau H. sei als künstlerische Mitarbeiterin im Orchesterbüro sowie Orchesterinspektorin eingestellt worden. Die Aufgabenschwerpunkte der Tätigkeit lägen in der Planung des Musiktheaterspielplans und des Konzertplans hinsichtlich möglicher Besetzungsvarianten. Hier seien umfangreiche Kenntnisse über die Möglichkeiten der Besetzungsstärken von Stimmgruppen innerhalb der Musik- bzw. Konzertliteratur verlangt. Von der Stelleninhaberin werde erwartet, dass sie gemeinsam mit dem Generalmusikdirektor und dem Orchestermanager sowohl unter künstlerischen, qualitativen als auch organisatorischen Gesichtspunkten die Spielzeit plane. Ein weiterer Schwerpunkt werde in der sehr umfangreichen Betreuung des Kinder- und Jugendprogramms liegen. Dies solle zukünftig noch erweitert werden.

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Der Beteiligte beantragt,

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den angefochtenen Beschluss zu ändern und den

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Antrag des Antragstellers abzulehnen.

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Der Antragsteller beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Er erwidert: Das Beschwerdevorbringen sei darauf gerichtet, durch Bezeichnung einer Tätigkeit mit der Überschrift „künstlerisch“ in Verbindung mit der Vereinbarung einer bestimmten tarifvertraglichen Regelung möglichst sämtliche Mitarbeiter im Haus des Beteiligten, losgelöst von deren konkreten Tätigkeiten, aus dem Schutzbereich des Personalvertretungsrechts herauszulösen. Entsprechend zielten die Ausführungen darauf, den „Tendenzschutz für Theater“ in § 106 Abs. 1 NPersVG soweit „vor die Klammer zu ziehen“, dass jedwede Beteiligungspflicht entfalle. Dies sei mit den Grundsätzen der Mitbestimmung der Personalvertretung nicht zu vereinbaren.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

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II. Die zulässige Beschwerde, über die gemäß § 83 Abs. 2 NPersVG iVm §§ 90 Abs. 2 und 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG ohne mündliche Anhörung entschieden werden kann, ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag zu Recht stattgegeben. Der Senat folgt der umfassenden und überzeugenden Begründung der Fachkammer und verweist darauf gemäß § 83 Abs. 2 NPersVG iVm §§ 91 Abs. 1 ArbGG, 540 ZPO. Das Beschwerdevorbringen kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Es gibt lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

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In dem Beschlussverfahren ist zu entscheiden, ob der Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG bei der Einstellung einer „Mitarbeiterin im Orchesterbüro sowie Orchesterinspektorin“ verletzt hat. Nach § 65 Abs. 3 Nr. 3 NPersVG erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht u.a. nicht auf personelle Maßnahmen für Beschäftigte, die nach Umfang und Gewicht ihres Aufgabenbereichs überwiegend künstlerisch tätig sind, sofern für ihre Beschäftigung die Beurteilung der künstlerischen Befähigung entscheidend ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.

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Die Prüfung dessen, was als künstlerische Tätigkeit i.S. dieser Vorschrift anzusehen ist, setzt zunächst eine Bestimmung des Kunstbegriffs voraus. Unter Kunst ist die Gestaltung eines seelisch-geistigen Gehalts durch eine eigenwertige Form nach bestimmten Gesetzen zu verstehen, wobei Gestaltungsmittel und Gesetze bei jeder Kunstform anders sind; es muss auf jeden Fall eine schöpferische Begabung und eine schöpferische Leistung gegeben sein (Dembowski/Ladwig/Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, § 65 RdNr. 200 unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 18.3.1981, 6 P 26.79, PersV 1982, 284 [BVerwG 18.03.1981 - BVerwG 6 P 17.79]). Soweit der Beteiligte offenbar meint, die Feststellung, ob eine künstlerisch geprägte Tätigkeit vorliege, lasse sich bereits allein auf der Grundlage des Abschlusses eines sog. „Normalvertrages-Solo“ treffen“, ist dem mit dem Verwaltungsgericht entgegenzutreten. Ungeachtet der Tatsache, dass die Abgrenzung zwischen künstlerischem und nichtkünstlerischem Personal im Einzelfall schwierig sein mag, ist auch nach dem Vorbringen des Beteiligten eine Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob die konkrete Tätigkeit des betreffenden Beschäftigten als in dem genannten Sinne künstlerisch zu verstehen ist, die nach § 65 Abs. 3 Nr. 3 NPersVG auch noch überwiegen muss. Dies entspricht der herrschenden Auffassung. Ob eine überwiegend künstlerische Tätigkeit ausgeübt wird, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles zu entscheiden (vgl. Bieler/Müller-Fritsche, NPersVG, 11. Aufl., § 106 RdNr. 3). Der Hinweis des Beteiligten auf das Gesetzgebungsverfahren, wonach die Untergrenze künstlerisch geprägter Tätigkeit an Bühnen bei den aufgrund von „Normalverträgen“ Beschäftigten liegen solle, steht dieser Auffassung keineswegs entgegen; denn auch der Gesetzgeber ist ersichtlich davon ausgegangen, dass nur bei solchen Beschäftigten die Mitwirkung der Personalvertretung bei personellen Maßnahmen ausgeschlossen sein soll, bei denen nicht eine atypische Tätigkeit z.B. im Bereich des „Normalvertrages– Solo“ ausgeübt werden soll. In seinem Schriftsatz vom 19. März 2003 weist der Beteiligte selbst darauf hin, dass etwa die Sekretärin des Generalmusikdirektors oder Intendanten eine derartig atypische Tätigkeit im Bereich des „Normalvertrages-Solo“ ausübe, so dass hier die Mitbestimmung des Personalrates erforderlich wäre.

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Auch beim Abschluss von „Normalverträgen“ ist also zur Beantwortung der Frage, ob das Mitbestimmungsrecht des Personalrates eingeschränkt ist, zu prüfen, ob zum einen eine künstlerische Tätigkeit ausgeübt werden soll und zum anderen, ob diese überwiegt. Ein Überwiegen der künstlerischen Tätigkeit setzt voraus, dass diese die Haupttätigkeit des Beschäftigten bildet, der gegenüber seine nichtkünstlerischen Aufgaben nur einen unbedeutenden, das Beschäftigungsverhältnis nichtprägenden Annex darstellen (Dembowski/ Ladwig/Sellmann, aaO, RdNr. 199 m.w.N.). Dieser Prüfung hat das Verwaltungsgericht zu Recht allein die Regelungen des mit Frau G. geschlossenen Arbeitsvertrages nebst Anlagen zugrundegelegt. Es geht nicht an – wie es der Beteiligte unternimmt – in die Prüfung Tätigkeitsbereiche einzustellen, hinsichtlich derer möglicherweise mündliche Nebenabreden getroffen worden sind. Maßgeblich für die Prüfung sind allein die Verhältnisse im Zeitpunkt der im Gesetz vorgesehenen Beteiligung des Personalrats. Außer Betracht bleiben müssen damit etwa Entwicklungen, die sich erst nach der Einstellung und im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens ergeben haben; denn diese Umstände waren im Zeitpunkt der Einstellung des Beschäftigten noch nicht absehbar.

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Danach ist der Beurteilung der Fachkammer zu folgen. Das Beschwerdevorbringen vermag demgegenüber schon deshalb nicht zu überzeugen, weil es in Widerspruch zu den Einlassungen des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten in der öffentlichen Anhörung vor dem Verwaltungsgericht steht. Die Behauptung, die Prägung der Tätigkeit von Frau G. unter künstlerischen, qualitativen und organisatorischen Gesichtspunkten ergebe sich daraus, dass sie die Spielzeit plane und nicht deshalb als geringer einzustufen sei, weil die Auswahl im Einvernehmen mit dem Generalmusikdirektor und dem Manager erfolge, steht nicht im Einklang mit den Angaben, die der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten auf Nachfrage im Anhörungstermin gemacht hat. Dort hat er nämlich nicht bestätigt, dass Frau G. selbständig Musikstücke und Künstler auswählen könne und dass ihr dabei ein eigener Entscheidungsspielraum zustehe. Vielmehr hat er ausdrücklich herausgestellt, dass Frau G. insoweit den Anweisungen des Generalmusikdirektors und weiterer Vorgesetzter unterworfen sei. Mithin kann nicht die Rede davon sein, sie treffe die Auswahl im bloßen Einvernehmen mit dem Generalmusikdirektor.

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Soweit der Beteiligte auch im vorliegenden Verfahren auf Tätigkeitsbereiche der Frau G. hinweist, die nicht im Arbeitsvertrag oder dessen Anlagen erwähnt sind, muss deren Berücksichtigung außer Betracht bleiben. Es kommt allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens des Mitbestimmungsrechts an und nicht auf mögliche Entwicklungen, die sich erst im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses ergeben haben. Sofern der Beteiligte mit Frau G. zum Arbeitsvertrag mündliche Nebenabreden getroffen hat, ist nicht nachvollziehbar, weshalb die angeblich jetzt als derartig evident angesehenen Tätigkeiten nicht schriftlichen Eingang in diesen Vertrag gefunden haben. Es drängt sich jedenfalls nicht auf, dass solche Tätigkeiten dem ansonsten im wesentlichen organisatorisch geprägten Aufgabenbereich von Frau G. Anlass zu der Feststellung eines überwiegend künstlerischen Arbeitsbereiches geben könnten.

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Anderes ergibt sich auch nicht aus § 106 Abs. 1 Satz 1 NPersVG. Diese Vorschrift ist als Ergänzung und Erweiterung des § 65 Abs. 3 Nr. 3 NPersVG anzusehen (vgl. Bieler/Müller-Fritsche, aaO., § 106 RdNr. 1; Dembowski/Ladwig/Sellmann, aaO, § 106 RdNr. 1). Der Senat ist dazu mit der Fachkammer der Auffassung, dass eine Maßnahme, die mitbestimmungspflichtig ist, weil der Arbeitnehmer nicht (überwiegend) künstlerisch tätig sei, nicht gleichzeitig durch den „Tendenzschutz“ für Theater in § 106 Abs. 1 NPersVG der Mitbestimmungspflicht entzogen werden kann. Denn der „Tendenzschutz“ ist beschränkt auf die Erfüllung des kulturellen Auftrages. Dies ergibt sich aus § 106 Abs. 1 Satz 2, wonach die Vorschriften des NPersVG insbesondere nicht bei Maßnahmen gelten, die die künstlerische Gestaltung von Aufführungen oder Veranstaltungen wesentlich beeinflussen können. Deshalb trifft es zu, dass unter den „Tendenzschutz“ lediglich solche Mitarbeiter fallen können, die schöpferisch tätig sind, jedenfalls nicht aber eine Orchesterinspektorin mit einem Aufgabenbereich, wie ihn Frau G. ausfüllt.

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Nach allem war die Beschwerde zurückzuweisen.