Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.02.2004, Az.: 1 NDH L 8/03
Beschränkung der Berufung; dienstliche Munition; dienstlicher Laptop; dienstlicher Revolver; Entfernung aus dem Dienst; Gegenstand der berufungsgerichtlichen Würdigung; Laptop; Munition; Nichtrückgabe; Polizeibeamter; Revolver; Schießausbilder; Zueignung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.02.2004
- Aktenzeichen
- 1 NDH L 8/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50497
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 09.05.2003 - AZ: 18 A 3036/01
Rechtsgrundlagen
- § 85 Abs 1 S 1 BG ND
- § 11 DO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bei einer unbeschränkten Berufung hat das Berufungsgericht auch die Anschuldigungspunkte zu prüfen und zu beurteilen, bei denen erstinstanzlich eine Freistellung erfolgt war. Das gilt auch dann, wenn in der Berufungsschrift die Feststellungen der Disziplinarkammer zu dieser Freistellung nicht ausdrücklich angegriffen werden.
Tatbestand:
I. Der am .... 1947 geborene Beamte begann nach dem Besuch der Volksschule eine Konditorlehre, die er aus gesundheitlichen Gründen nicht beendete. Danach war er als Raumgestalter tätig, bevor er 1968 zur Ableistung des Grundwehrdienstes in die Bundeswehr einberufen wurde. Im Anschluss daran übte er seit Oktober 1969 verschiedene Tätigkeiten aus. Im Mai 1976 trat er unter Ernennung zum Polizeiwachtmeister und unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe in den Polizeidienst des Landes Niedersachsen ein. Nachdem er den F-II Lehrgang mit der Note „befriedigend“ abgeschlossen hatte, wurde er im Mai 1980 unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Polizeihauptwachtmeister ernannt. Seit dem 1. September 1982 gehört er der Polizeidirektion G., Abteilung Kriminalpolizei an; 1983 wurde er in den mittleren Vollzugsdienst der Kriminalpolizei übernommen. Im Februar 1986 wurde er zum Kriminalobermeister (Besoldungsgruppe A 8 BBesO) befördert. In den beiden letzten dienstlichen Beurteilungen vom 21. November 1989 und 15. Februar 1992 erhielt er das Gesamturteil „befriedigend (9 Punkte)“.
Aus der im Jahre 1969 geschlossenen und 1985 geschiedenen Ehe des Beamten sind zwei 1969 und 1977 geborene Söhne hervorgegangen. Unterhalt an seine frühere Ehefrau oder an seine Kinder aus der ersten Ehe hat der Beamte nicht zu leisten. Seit 1999 ist der Beamte wieder verheiratet. Seine Ehefrau hat einen Sohn mit in die Ehe gebracht, der jetzt 17 Jahre alt ist und sich in der Ausbildung als Orthopädieschuhmacher befindet.
Bis zu den Vorfällen, die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden, ist der Beamte disziplinarrechtlich nicht aufgefallen.
II. Mit Verfügung vom 30. November 1995 verbot die Polizeidirektion G. dem Beamten mit sofortiger Wirkung gemäß § 67 NBG die Führung seiner Dienstgeschäfte und forderte ihn auf, alle Gegenstände, die er dienstlich empfangen habe, herauszugeben. Dem Beamten wurde vorgeworfen, im März 1992 einen sichergestellten und im damaligen Kriminalkommissariat in H. aufbewahrten Laptop entwendet bzw. unterschlagen zu haben; das Gerät sei anlässlich einer Durchsuchung seiner Wohnung am 9. November 1995 sichergestellt worden. Außerdem seien bei dem Beamten insgesamt 7500 Schuss Munition und weitere 9 Patronen und 69 Geschosshülsen nebst dazugehörigem Schießpulver sichergestellt worden. Von der Gesamtmenge der sichergestellten Munition seien 2350 Patronen dem Bestand des Landes Niedersachsen zuzuordnen. Daraus ergebe sich der Verdacht, dass der Beamte diese Patronen zum Nachteil des Landes Niedersachsen entwendet bzw. unterschlagen habe. Mit Verfügung vom 15. Dezember 1995 leitete die Polizeidirektion G. disziplinarische Vorermittlungen gegen den Beamten ein. Nach dem Abbruch des nichtförmlichen Verfahrens leitete wegen dieses Verdachts die Polizeidirektion G. mit Verfügung vom 23. Januar 1996 das förmliche Disziplinarverfahren gegen den Beamten ein, enthob ihn gleichzeitig gemäß § 91 NDO vorläufig des Dienstes und ordnete die Einbehaltung von 25 % seiner Dienstbezüge an. Bis zum Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurde das förmliche Disziplinarverfahren gemäß § 17 NDO ausgesetzt.
Das Amtsgericht G. stellte durch Beschluss vom 16. Januar 1998 – 238–172/96-238 Ls 57 Js 23316/92 – das sachgleiche Strafverfahren gegen den Beamten gemäß § 153 a StPO ein, nachdem der Beamte 3.000,-- DM an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt hatte.
Unter dem 28. Juli 1998 erhob die Staatsanwaltschaft G. gegen den Beamten Anklage mit dem Vorwurf, den ihm dienstlich zur Verfügung gestellten Revolver der Marke I. & J. mit der Seriennummer BRF 3239 nach seiner Suspendierung vom Polizeidienst am 30. November 1995 nicht wieder herausgegeben, sondern statt dessen behauptet zu haben, die Waffe nicht mehr zu besitzen. Mit Verfügung vom 27. August 1998 dehnte die Untersuchungsführerin im Disziplinarverfahren die Untersuchung auf den Vorwurf aus, dass der Beamte den Dienstrevolver, der Gegenstand des sachgleichen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft war, unterschlagen habe. Mit Urteil vom 11. Mai 1999 – 240-668/98-240 Ds 570 Js 80017/97 – sprach das Amtsgericht G. den Beamten von dem Vorwurf der Unterschlagung des Revolvers frei. Der Tatvorwurf der Unterschlagung lasse sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus tatsächlichen Gründen gegenüber dem Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit aufrechterhalten.
Mit Bericht vom 31. August 2001 teilte die bestellte Untersuchungsführerin der Polizeidirektion G. das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen mit.
III. Nachdem auf den vom Beamten am 1. August 2001 gestellten Antrag der Vorsitzende der Disziplinarkammer durch Beschluss vom 27. September 2001 die beteiligte Behörde verpflichtet hatte, binnen sechs Wochen entweder die Anschuldigungsschrift vorzulegen oder das Verfahren einzustellen, hat der Vertreter der Einleitungsbehörde mit der am 8. November 2001 bei der Disziplinarkammer eingegangenen Anschuldigungsschrift dem Beamten zur Last gelegt, durch folgende Handlungen/Unterlassungen ein Dienstvergehen begangen zu haben:
1. Zueignung von 352 Patronen, die nach Auskunft der Lieferfirma K. auf Grund der vorgefundenen Losnummer Ende 1994 ausschließlich an die Polizei Niedersachsen geliefert wurden.
Bei der Durchsuchung der Wohnung des Beamten am 9. November 1995 seien u.a. 352 Patronen Kaliber 9 mm der Firma K. gefunden worden. Diese Patronen seien ausschließlich für das Land Niedersachsen produziert und ausgeliefert worden. Die Auslieferung der Patronen K. sei zwischen Ende Oktober bis Anfang November 1994 erfolgt. Die Einlassung des Beamten im Strafverfahren, er habe diese Munition im Handel erworben und anschließend in alten Kartons der Polizei gelagert, sei angesichts der vorliegenden Herstellerangaben unzutreffend. Die Mitnahme der großen Menge Munition nach Hause und die Lagerung in der Wohnung noch bis November 1995 widerspreche dienstlichen Weisungen. Der Beamte habe damit schuldhaft gegen die Gehorsamspflicht (§ 63 Satz 3 NBG) verstoßen. Außerdem habe der Beamte durch dieses Verhalten die Wohlverhaltenspflicht aus § 62 Satz 3 NBG verletzt.
2. Erdrückende Indizien zum Abhandenkommen eines dienstlichen Laptops.
Der Beamte habe auf Grund einer Zeugenaussage (gemeint ist die Aussage einer Person, der die Staatsanwaltschaft G. Vertraulichkeit zugesichert hat; die Informationen hatte sie von der damaligen Lebensgefährtin des Beamten L. erhalten, Beiakten K 1, Bl. 212, 213) im Verdacht gestanden, am 24. März 1992 einen Laptop, der auf seiner Dienststelle deponiert gewesen sei, in einer Aktentasche aus der Dienststelle verbracht und zunächst im Keller seiner Mutter untergestellt zu haben. Nach einiger Zeit solle er das Gerät in seine Wohnung geholt haben. Die Straftat habe dem angeschuldigten Beamten nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden können. Mehrere Indizien sprächen jedoch für die Täterschaft des Beamten. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Beamten sei am 9. November 1995 ein Laptop gefunden worden, der mit dem abhanden gekommenen identisch sei. Den Erwerb habe der Beamte nicht nachweisen können. Ferner habe er sich zeitnah nach dem Abhandenkommen des Laptops bei KHM M. nach den Verwendungsmöglichkeiten eines Laptops erkundigt. Durch seinen Rechtsanwalt N. habe der Beamte am 15. November 1995 angegeben, den Laptop im Rahmen einer Auktion ersteigert zu haben. Angaben zu Ort und Zeit seien damals nicht gemacht worden. Zu einer Aufklärung der Vorwürfe habe der Beamte nicht beigetragen, sondern versucht, andere Personen als Täter hinzustellen. Gegen zwei Beamte des damaligen Kommissariats seien dienstrechtliche Maßnahmen wegen des Abhandenkommens des Laptops durchgeführt worden. Dieses Verhalten sei für einen Polizeibeamten unwürdig. Aus der Treuepflicht und der in § 62 Satz 3 NBG normierten Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten ergebe sich die Verpflichtung, gegebenenfalls irrige Vorstellungen des Dienstherrn über dienstlich erhebliche, ihn selbst betreffende Tatsachen richtigzustellen.
3. Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz.
Bei der Durchsuchung der Wohnung des Beamten seien in einem Holzschrank ca. 7500 Patronen, Geschosse, Patronenhülsen und Zündhütchen gefunden und sichergestellt worden. Bis April 1994 habe der Beamte über eine entsprechende Erlaubnis nach dem Sprengstoffgesetz verfügt. Am 10. November 1995 seien diverse Gefäße mit Schwarzpulver und Treibmittel in der Wohnung des Beamten beschlagnahmt worden. Auf Grund seiner Waffenbesitzkarte sei der Beamte berechtigt gewesen, Munition des Kal. 22 lfB, Kal. 45 ACP und Kal. 9 mm P zu erwerben. In den Akten der Polizeidirektion G. seien folgende Schusswaffen für den Beamten registriert gewesen:
Revolver I. & J., Kal. 22 lfB, Revolver I. & J., Kal. 357 Mag., Sportpistole Colt., Kal. 45 ACP, Revolver StW, Kal. 22 lfB und Wechselsystem StW Kal. 9 mm P.
Der Beamte habe durch sein Verhalten gegen folgende Vorschriften verstoßen:
a) §§ 22 a Abs. 1 Nr. 61, Abs. 3 Kriegswaffenkontrollgesetz – KWKG -:
Bei der Durchsuchung der Wohnung des Beamten seien 10 Patronen gefunden worden, die unter das KWKG fielen. Nach dem Gutachten der waffentechnischen Untersuchung beim Landeskriminalamt sei die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen (Munition) verboten, ein legaler Erwerb in der Regel nicht möglich.
b) § 52 a Nr. 2.1 Waffengesetz – WaffG -:
Bei den gefundenen 69 Geschossen mit dem Kal. 38 „O.“ handele es sich um verbotene Geschosse gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2.1 der Verwaltungsvorschrift zum WaffG. Selbst wenn der Beamte die Geschosse zunächst rechtmäßig erworben haben sollte, habe er als Polizeibeamter und Schießausbilder von dem Verbot ihres Besitzes wissen müssen. Der Zeitpunkt des Erwerbs sei unbedeutend, weil der Besitz solcher Gegenstände strafbar sei.
c) § 53 Abs. 3 Nr. 1 a WaffG:
Der Beamte habe verbotswidrig Munition der Kal. 7,65 mm Browning und 7,62 x 51 (.308 Win.) sowie Schrotpatronen erworben.
d) § 40 Abs. 1 Nr. 4 Sprengstoffgesetz – SprengG -:
Der Beamte sei seit dem 1. April 1994 nicht mehr im Besitz einer Erlaubnis nach § 27 SprengG zur Wiederladung von Patronen gewesen. Die bei ihm gefundenen diversen Treibmittel hätten zu diesem Zeitpunkt der Erlaubnispflicht nach § 27 SprengG unterlegen.
Der Beamte habe damit Straftaten gegen das Waffengesetz, das Sprengstoffgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz begangen und damit gegen die Wohlverhaltenspflicht aus § 62 Satz 3 NGB verstoßen. Erschwerend komme die unsachgemäße Aufbewahrung der Munition in einem frei zugänglichen Schrank in der gemeinsam mit der damaligen Lebensgefährtin des Beamten genutzten Wohnung hinzu.
4. Nichtrückgabe/Abhandenkommen eines dienstlich gelieferten Revolvers nach Dienstenthebung.
Zur Ausübung seines Dienstes bei der Polizeidirektion G. habe der Beamte am 6. März 1995 einen Revolver der Marke I. & J. mit der Seriennummer BRF 3239 in Empfang genommen und diesen nach seiner Suspendierung vom Polizeidienst nicht wieder herausgegeben. Er behaupte, diese Waffe nicht mehr zu besitzen.
Auch wenn das Amtsgericht G. den Beamten in seinem Urteil vom 11. Mai 1999 vom Vorwurf der Unterschlagung freigesprochen habe, bleibe festzustellen, dass der Beamte die Waffe nach seiner Suspendierung pflichtwidrig nicht zurückgegeben habe. Er sei mit Schreiben vom 13. Dezember 1995 aufgefordert worden, sonstige noch in seinem Besitz befindliche Ausrüstungsgegenstände abzugeben. Seinen Dienstausweis, die Dienstmarke und den Polizeiführerschein habe er zurückgegeben, den Revolver I. & J. nicht. Mit der Nichtrückgabe des Revolvers habe er schuldhaft gegen dienstliche Weisungen verstoßen (§ 63 Satz 3 NBG).
Der Vertreter der Einleitungsbehörde hat beantragt,
den Beamten aus dem Dienst zu entfernen.
Der Beamte hat beantragt,
auf eine Maßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Dienst zu erkennen.
Durch Urteil vom 9. Mai 2003 hat die Disziplinarkammer den Beamten eines Dienstvergehens für schuldig befunden und ihn deswegen in das Amt eines Kriminalmeisters (Besoldungsgruppe A 7 BBesO) versetzt.
Zu dem dem Beamten zur Last gelegten Verhalten hat die Disziplinarkammer die folgenden Feststellungen getroffen:
Zu Anschuldigungspunkt 1:
Bei der angeschuldigten Zueignung von 352 Patronen 9 mm der Firma K. handele es sich um diejenigen Patronen, die am 9. November 1995 bei der Durchsuchung der Wohnung des Beamten sichergestellt worden seien. Nach anfänglichem Leugnen habe der Beamte in der Hauptverhandlung erstmalig eingeräumt, dienstlich zur Verfügung gestellte K.–Patronen mit dem Aufdruck HP 94 II 9 x 19 an sich gebracht zu haben. Er habe dies damit gerechtfertigt, dass er bei dienstlich veranlassten Schießübungen mit seiner Dienstwaffe private Patronen verschossen habe, weil sie ein besseres Trefferbild ermöglicht hätten. Als Ausgleich für die eingesetzte private Munition habe er die genannten K. -Patronen an sich genommen. In den Schießkladden habe er die von ihm privat verschossene Munition vermerkt und sie als dienstlich verschossene Munition deklariert. Dem Dienstherrn sei hierdurch ein Schaden nicht entstanden. Vielmehr sei nur ein Ausgleich für die von ihm erworbene und eingesetzte private Munition, die er mit der Dienstwaffe verschossen habe, geschaffen worden. Diese Einlassung sei dem Beamten nicht zu widerlegen. Zu Gunsten des Beamten sei deshalb davon auszugehen, dass er die genannten Patronen als Ausgleich für von ihm eingesetzte private Munition unerlaubt an sich genommen habe. Dadurch, dass der Beamte nur dienstliche gegen private Munition eingetauscht habe, sei nicht erwiesen, dass dem Dienstherrn durch das Verhalten des Beamten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei.
Zu Anschuldigungspunkt 2:
Außer den belegten Indizien zum Abhandenkommen eines dienstlichen Laptops habe eine Dienstpflichtverletzung nicht festgestellt werden können. Der Umstand, dass der Beamte den Laptop eingetauscht und dafür keine Rechnung erhalten habe, rechtfertige auch nicht die Annahme, dass er die Straftat begangen habe. Allerdings spreche gegen den Beamten, dass er sich durch sein in der Anschuldigungsschrift geschildertes Verhalten verdächtig gemacht habe. So habe er auch bei diesem disziplinaren Vorwurf seine Einlassung gewechselt. Noch im November 1995 habe er durch seinen Verteidiger vortragen lassen, dass er das Gerät im Rahmen einer Auktion ersteigert habe. Dem Beamten könne aber nicht vorgeworfen werden, dass er nicht zur Aufklärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe beigetragen habe. Hierzu sei er weder nach den Vorschriften der Strafprozessordnung noch nach denen der Niedersächsischen Disziplinarordnung verpflichtet. Seine jetzige Einlassung hinsichtlich des Erwerbs des Laptops passe jedenfalls zu dem Umstand, dass er eine Quittung nicht vorlegen könne, und sei ihm nicht zu widerlegen. Verbleibende Zweifel dürften auch hinsichtlich dieses Vorwurfs nicht zu seinen Lasten gehen.
Zu Anschuldigungspunkt 3:
Hinsichtlich der angeschuldigten Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz seien die tatsächlichen Feststellungen der Anschuldigungsschrift zugrunde zu legen. Hinsichtlich des ihm zur Last gelegten Verstoßes gegen § 40 Abs. 1 Nr. 4 SprengG räume der Beamte ein, dass die ursprünglich einmal vorhanden gewesene Erlaubnis gemäß § 27 SprengG zum 1. April 1994 abgelaufen und nicht verlängert worden sei. Er sei seit dem 26. März 1979 im Besitz einer entsprechenden Erlaubnis gewesen. Weil er schon seit längerem Munition nicht mehr hergestellt und auch dies nicht beabsichtigt habe, habe für ihn auch nicht ein Erfordernis für eine Verlängerung der Erlaubnis bestanden. Als er auf sein Versäumnis aufmerksam gemacht worden sei, habe der Landkreis P. am 26. Juni 1998 die Sprengstofferlaubnis anstandslos verlängert. Zwischen dem Auffinden der Munition in der Wohnung des Beamten im November 1995 und der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens am 23. Januar 1996 lägen nur gut zwei Monate.
Zu Anschuldigungspunkt 4:
Es sei davon auszugehen, dass der Beamte den ihm dienstlich zur Verfügung gestellten Revolver der Marke I. & J. nach seiner Dienstenthebung nicht an die Behörde zurückgegeben habe. Unabhängig von dem Ausmaß der Bindungswirkung des Urteils des Amtsgerichts G. vom 11. Mai 1999 aus § 18 Abs. 1 Satz 1 NDO und dem eventuellen Bestehen eines sogenannten „disziplinaren Überhangs“ könne hinsichtlich der Nichtrückgabe des Revolvers ein Dienstvergehen nicht festgestellt werden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass über den strafrechtlichen Vorwurf der Unterschlagung hinaus die beamtenrechtliche Pflicht des Beamten bestanden habe, an der Wiedererlangung des Revolvers durch seine vorgesetzte Dienstbehörde mitzuwirken, sei dem Beamten nicht zu widerlegen, dass er auf Grund der Aufforderung der Polizeidirektion G. vom 13. Dezember 1995, Ausrüstungsgegenstände zurückzugeben, geglaubt habe, wegen der Dienstwaffe nichts veranlassen zu müssen, weil er sie im Gewahrsam der Behörde geglaubt habe. Verbleibende Zweifel an der Lauterkeit des Beamten könnten auch insofern nicht zu seinen Lasten gehen.
Durch dieses Verhalten habe der Beamte schuldhaft ein Dienstvergehen im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 und 2 NBG begangen. Er habe wegen dienstlich durchgeführter Schießübungen unerlaubt 352 Patronen der Lieferfirma K. an sich gebracht, obwohl ihm als Schießlehrer bewusst gewesen sei, dass es nach den bestehenden Vorschriften nicht gestattet war, private gegen dienstlich empfangene Munition auszutauschen und in den Schießkladden privat verschossene Munition als dienstlich verschossen zu deklarieren. Mit diesem Verhalten habe der Beamte gegen die Gehorsamspflicht aus § 63 Satz 3 NBG und gegen die Wohlverhaltenspflicht aus § 62 Satz 3 NBG verstoßen. Mit seinen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz habe der Beamte außerdienstlich (§ 85 Abs. 1 Satz 2 NBG) die Wohlverhaltenspflicht des § 62 Satz 3 NBG verletzt. Als waffen- und sprengstoffkundiger Beamter, der in der Schießausbildung eingesetzt war, habe er von der Rechtswidrigkeit des ihm zur Last gelegten Verhaltens gewusst. Das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten stelle sich als ein einheitliches Dienstvergehen im Sinne der §§ 2 Nr. 1 NDO, 85 Abs. 1 Satz 1 und 2 NBG dar. Es sei mit einer Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt – hier in das Amt eines Kriminalmeisters (Besoldungsgruppe A 7 BBesO) – zu ahnden. Das Dienstvergehen des Beamten wiege außerordentlich schwer. Wer sich – wie der Beamte – derart bedenkenlos über Gesetze und Dienstvorschriften hinwegsetze, stelle grundsätzlich das Vertrauensverhältnis in Frage, das unabdingbare Voraussetzung für das Fortbestehen eines jeden Beamtenverhältnisses sei. Zu Lasten des Beamten sei zu berücksichtigen, dass er sich als langjährig erfahrener Polizeivollzugsbeamter und versierter Schießausbilder über leicht einsehbare, selbstverständliche Pflichten hinweggesetzt habe. Er habe private und dienstlich ausgegebene Munition in größerem Stil nach seinem Belieben ausgetauscht und diese Pflichtverletzungen durch die fehlerhafte Deklarierung in den Schießkladden vertuscht. Die dem Beamten vorgeworfenen Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz wögen demgegenüber weniger schwer. Der Beamte habe über eine Waffenbesitzkarte verfügt, und ihm sei zumindest zeitweise der Umfang mit Sprengstoff und der Umgang mit Munition erlaubt gewesen. Die Gefahr eines Missbrauchs und der Gefährdung von Menschen durch unsachgemäßen Gebrauch oder Missbrauch habe nicht bestanden. Der Beamte sei mit einer für einen lebens- und berufserfahrenen Polizeivollzugsbeamten seltenen Naivität und Bedenkenlosigkeit ans Werk gegangen. Der Umstand, dass es offenbar eine wirksame Kontrolle seiner Machenschaften als Schießausbilder nicht gegeben habe, habe ihm seine Verfehlungen erleichtert. Angesichts der bis zuletzt ansprechenden dienstlichen Beurteilungen des Beamten und des persönlichen Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung hinterlassen habe, sei es gerechtfertigt, von der an sich möglichen Höchstmaßnahme abzusehen.
Dieses am 27. Juni 2003 zugestellte Urteil greift der Vertreter der Einleitungsbehörde mit der am 22. Juli 2003 bei der Disziplinarkammer eingegangen Berufung an, mit der er weiterhin die Entfernung des Beamten aus dem Dienst erstrebt. Zur Begründung macht er geltend: Der Bewertung der Disziplinarkammer, es sei nicht erwiesen, dass dem Dienstherrn durch das Verhalten des Beamten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, könne nicht gefolgt werden. Die von dem Beamten in der Hauptverhandlung vor der Disziplinarkammer erstmals eingeräumte Aneignung dienstlichen Eigentums stelle eine eindeutige Verletzung beamtenrechtlicher Kernpflichten dar. Nachdem seine vorherigen Aussagen auf Grund der eindeutigen Beweislage nicht mehr haltbar gewesen seien, habe der Beamte in der Hauptverhandlung seine bisherige Argumentation aufgegeben und versucht, mit einer neuen, nach Jahren nicht mehr nachvollziehbaren und nicht glaubhaften Aussage sein Handeln zu rechtfertigen. Aus grundsätzlichen Erwägungen könne der Dienstherr eine Vermischung dienstlichen und privaten Eigentums nicht akzeptieren. Allein aus haftungsrechtlichen Gründen müsse darauf bestanden werden, dass die Beamten ausschließlich dienstlich zur Verfügung gestellte Munition benutzen, und zwar sowohl im täglichen Dienst als auch bei Schießübungen. Der Gebrauch privater Munition in dienstlichen Waffen und Schießstätten sei überdies auch aus Sicherheitsgründen nicht zulässig. Es bestehe eine klare Anweisung, dass aus dienstlichen Waffen keine private Munition verschossen werden darf (so Abschnitt II der Dienstvorschrift über das Besitzen und Führen dienstlich gelieferter Schusswaffen durch Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte, RdErl. des MI v. 05.08.1991, Nds. MBl., S. 982). Mit dem angeblichen Gebrauch privater Munition für dienstliche Schießübungen habe der Beamte für den Dienstherrn keine wirkliche Gegenleistung erbracht. Ein Anspruch auf die von ihm angeeigneten Patronen habe daher nicht bestanden. Trotz der im Bereich der Schießausbildung sichergestellten intensiven Dienstaufsicht könne der Dienstherr nicht verhindern, dass sich Mitarbeiter mit arglistigen Täuschungen über bestimmte Weisungen hinwegsetzen, besonders dann, wenn sie sich in der Funktion des Schießausbilders in einer Position befinden, in der sie selbst als Kontrollinstanz tätig werden sollen, und der Dienstherr gerade deshalb in diese Personen ein besonderes Vertrauen setze. Durch die rechtswidrige Aneignung von 352 Schuss Munition sei dem Dienstherrn ein wirtschaftlicher Nachteil in Höhe von ca. 60 € entstanden. Der lebenserfahrene Beamte habe durch sein wechselndes, sich der jeweiligen Beweislage anpassendes Aussageverhalten nicht nur im Rahmen der Hauptverhandlung vor der Disziplinarkammer, sondern auch schon in den zugrundeliegenden Strafverfahren gezeigt, dass er überaus durchdacht, berechnend und auf Eigennutz orientiert gehandelt habe. Die Einschätzung der Disziplinarkammer, der Beamte sei mit einem hohen Maß an Naivität, Sorglosigkeit und Unwissenheit aufgetreten, treffe nicht zu. Insbesondere durch das widerrechtliche Aneignen der Munition mit dem damit verbundenen wirtschaftlichen Schaden für den Dienstherrn habe der Beamte das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn nachhaltig gestört, zumal eine Einsichtsfähigkeit in sein Fehlverhalten nicht erkennbar sei. Was die Nichtherausgabe des Revolvers der Marke I. & J. angehe, habe es in dem Schreiben vom 13. Dezember 1995 einer ausdrücklichen Erwähnung des dienstlich empfangenen Revolvers nicht bedurft, weil eine dienstbezügliche Aufforderung bereits mit Verfügung vom 30. November 1995 ergangen war, nach welcher der Beamte alle dienstlich empfangenen Gegenstände herauszugeben hatte.
Der Vertreter der Einleitungsbehörde beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.
Der Beamte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Pflichtverstöße, soweit sie nachgewiesen seien, zwar eine Disziplinarmaßnahme erforderten, eine Entfernung aus dem Dienst jedoch nicht angemessen sei. Er habe einzuräumen, dass er Anfang 1995 einmal private 9 mm Para-Patronen beim dienstlichen Schießen verwendet habe, und zwar Patronen des Typs Q. 9 mm Para. Diese von ihm verschossenen Patronen seien jahrelang als dienstliche Munition ausgegeben und beim dienstlichen Schießen verwendet worden. Später seien dienstlich K. -Patronen verwendet worden. Er habe seinerzeit durch einen direkten Vergleich feststellen wollen, ob es gravierende Unterschiede zwischen den beiden Fabrikaten gegeben habe. Diejenigen Patronen, die er privat beim dienstlichen Schießen verschossen habe, habe er getauscht oder gewissermaßen ersetzt gegen die dienstlichen Patronen, die er sonst beim dienstlichen Schießen verschossen hätte. Es sei auch nicht ein Grund dafür ersichtlich, dass er, der selbst mehrere tausend Patronen, allein 3500 Stück vom Kaliber 9 mm Para, besitze, sich 352 Patronen im Wert von 60 € an sich nehmen und dadurch Gefahr laufen sollte, erhebliche berufliche Nachteile zu erleiden. Weil er nur 9 mm K. -Patronen gegen 9 mm Q. Patronen ausgetauscht habe, sei es weiterhin fraglich, ob der Dienstherr überhaupt einen wirtschaftlichen Schaden erlitten habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass er die K. -Patronen in jedem Fall verschossen hätte, so dass sie sich nicht mehr in den dienstlichen Beständen befinden würden. Durch die Verwendung der Q. Patronen seien Gefahren nicht entstanden. Vor dem Wechsel der Fabrikate sei auch die Q. -Munition von der Polizei des Landes Niedersachsen dienstlich verschossen worden. Der Vorwurf, er habe vorsätzlich die Schießkladden gefälscht, sei nicht begründet. In der Schießkladde werde lediglich die empfangene und die verbrauchte Munition eingetragen. Dass der Dienstrevolver I. & J. nicht mehr auffindbar sei, habe er erst im April 1997 durch einen Anruf des Kollegen R. erfahren. Er wisse bis heute nicht, wo der Revolver geblieben sei. Es sei nicht auszuschließen, dass dieser im Zuge der seinerzeitigen Durchsuchungen mitgenommen worden sei, ohne dass die Mitnahme vermerkt wurde. Er sei damals bei der Durchsuchung nicht anwesend gewesen. Nach der Durchsuchung habe er seine Wohnung unverschlossen vorgefunden. Sie sei zwar zunächst versiegelt worden, das Siegel sei aber erbrochen gewesen. Wenn es ihm vor diesem Hintergrund nicht möglich sei, Angaben über den Verbleib des Dienstrevolvers zu machen, könne ihm dies nicht in der Weise ausgelegt werden, er habe diesen unterschlagen. Jedenfalls sei er durch Urteil des Amtsgerichts G. vom 11. Mai 1999 vom Vorwurf der Unterschlagung des Revolvers der Marke I. & J. freigesprochen worden. Das Verfahren wegen der waffenrechtlichen Verstöße sei gemäß § 153 a StPO eingestellt worden, nachdem er 3.000,-- DM an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt habe. Die Ordnungsbehörden hätten keine Zweifel an seiner Zuverlässigkeit, denn er verfüge nach wie vor über seine waffenrechtlichen Befugnisse sowie auch über eine aktuelle Erlaubnis nach § 47 des Sprengstoffgesetzes ohne jegliche Auflagen und Einschränkungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Beiakten A bis J Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
IV. Die von dem Vertreter der Einleitungsbehörde rechtzeitig eingelegte Berufung ist zulässig und auch begründet. Der Beamte hat ein Dienstvergehen begangen, das seine Entfernung aus dem Dienst erfordert.
Mit dem Antrag, mit dem der Vertreter der Einleitungsbehörde die Berufung führt, möchte er erreichen, dass auf eine härtere Maßnahme als die im angefochtenen Urteil verhängte erkannt wird. Die Berufung ist aber nicht maßnahmebeschränkt. Dies hat der Vertreter der Einleitungsbehörde in der mündlichen Verhandlung klargestellt und erklärt, dass er die Feststellungen der Disziplinarkammer in vollem Umfang und nicht nur hinsichtlich des Maßnahmeausspruchs angreife.
Gegenstand der berufungsgerichtlichen Würdigung ist der von der Einleitungsbehörde in der Anschuldigungsschrift zu den Ziffern 1 bis 4 umrissene Sachverhalt. Auch wenn die Disziplinarkammer den Beamten hinsichtlich des Vorwurfs unter Ziffer 2 (Abhandenkommen eines dienstlichen Laptops) und hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 4 (Nichtrückgabe des dienstlich zur Verfügung gestellten Revolvers der Marke S. & J.) vom Vorwurf einer Dienstpflichtverletzung freigestellt hat, unterliegen auch diese Anschuldigungspunkte der eigenständigen Berufung und Bewertung durch den Senat. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Feststellungen der Disziplinarkammer zum Anschuldigungspunkt „Laptop“ von der Berufung gar nicht ausdrücklich angegriffen werden. Zwar ist gemäß § 81 NDO in der Berufungsschrift anzugeben, inwieweit es angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich das Berufungsgericht nur mit solchen Anschuldigungspunkten befassen dürfte, die nach dem Vorbringen des Berufungsführers „umstritten“ sind. Beschränkt der Berufungsführer die Berufung nicht nur auf den Maßnahmeausspruch, sondern greift er auch die Feststellungen der Disziplinarkammer zur Tat und zur Schuld an, dann kommt es nicht darauf an, ob sich seine Angriffe gegen alle oder nur bestimmte Anschuldigungspunkte richten. Prüfungsgegenstand ist dann immer das angeschuldigte Verhalten in seiner gesamten Breite. Dies entspricht der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, nach der eine Beschränkung der Berufung auf einzelne Anschuldigungspunkte nicht zulässig ist, weil nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens nur eine einheitliche Schuldfeststellung ergehen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.3.1980 - 1 D 14.79 -, BVerwGE 63, 353 (366); Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl. 1996, Rn. 5a; Bieler/Lukat, NDO-Kommentar, § 81 Rn. 7; a.A. zur neuen Rechtslage: Köhler/Ratz, Bundesdisziplinargesetz, 3. Aufl. 2003, § 64 Rn. 6). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Hinsichtlich der unter in Ziffer 1 der Anschuldigungsschrift angeschuldigten Zueignung von 352 Patronen der Firma K. ist mit der Disziplinarkammer davon auszugehen, dass es sich hierbei um diejenigen Patronen handelt, die am 9. November 1995 bei der Durchsuchung der Wohnung des Beamten sichergestellt worden sind. Der Beamte hat diese Patronen unter Verstoß gegen dienstliche Anordnungen mit zu sich nach Hause genommen. Außerdem war es dem Beamten nicht erlaubt, in den Schießkladden private Munition als dienstlich verschossen zu deklarieren. Nicht anzuschließen vermag sich der erkennende Senat indessen der Auffassung der Disziplinarkammer, dem Beamten sei zugute zu halten, dass er die genannten Patronen zum Ausgleich für von ihm eingesetzte private Munition an sich genommen habe, und dem Dienstherrn durch dieses Verhalten ein wirtschaftlicher Schaden nicht entstanden sei. Dem Beamten war es zunächst einmal unter keinen Umständen gestattet, im Dienst, namentlich während der Schießausbildung, private Munition zu verwenden. Wie der Vertreter der Einleitungsbehörde im Berufungsverfahren überzeugend vorgetragen hat, ist der Gebrauch privater Munition in dienstlichen Waffen und Schießstätten aus Sicherheitsgründen nicht zulässig, weil ein Gebrauch nicht dienstlich zugelassener Munition haftungsrechtliche Risiken und erhebliche Gefahren mit sich bringen könne. Es gehörte auch nicht zu den dienstlichen Befugnissen des Beamten, den von ihm behaupteten Test der K. -Munition auf ihre Funktionsfähigkeit, sollte er tatsächlich stattgefunden haben, vorzunehmen. Ebensowenig war es dem Beamten gestattet, sich dienstliche Munition anzueignen und nach seinem Ermessen gleichsam ein „Austauschgeschäft“ vorzunehmen, ohne dass sein Dienstherr hiervon Kenntnis hatte. Der Dienstherr hat angeordnet, dass nur zugelassene Munition beim Übungsschießen zu verwenden sei. Der Dienstherr hat daher keinerlei Interesse an Munition, die dienstlich nicht verwendet werden darf. Die Privatmunition des Beamten war somit nicht ein wertgleiches Surrogat. Die Zueignung dienstlich zur Verfügung gestellter Munition durch den Beamten hat deshalb durchaus zu einem Vermögensschaden des Dienstherrn geführt. Die Feststellung der Disziplinarkammer, dem Dienstherrn sei durch das Verhalten des Beamten ein wirtschaftlicher Schaden nicht entstanden, greift daher zu kurz und ist im Ergebnis nicht gerechtfertigt.
Was den Anschuldigungspunkt 2 angeht, hält der Senat es entgegen der Auffassung der Disziplinarkammer für erwiesen, dass sich der Beamte den in seinem Dienstzimmer verwahrten Laptop widerrechtlich zugeeignet hat und der Vorwurf einer Dienstpflichtverletzung daher zu Recht besteht. Zum Begriff des in der Anschuldigungsschrift als „dienstlichen Laptop“ bezeichneten Gegenstandes ist klarzustellen, dass es sich um den Laptop handelt, der am 25. Februar 1992 in der H.straße 43 in Langenhagen in einer Garage sichergestellt und neben anderen sichergestellten Gegenständen im Raum 203 des Kriminalkommissariats Langenhagen untergebracht worden ist, in dem der Beamte seit dem 16. März 1992 seinen Dienst verrichtete. Das gegen den Beamten durchgeführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Hannover zwar zunächst am 15. Mai 1992 ein, weil dem Beamten nicht nachzuweisen war, dass er den Laptop an sich genommen hatte. Die Ermittlungen nahm die Staatsanwaltschaft G. indessen am 3. November 1995 wieder auf, nachdem die Polizei den (vertraulichen) Hinweis erhalten hatte, dass der Beamte den Laptop am 24. März 1995 an sich genommen, ihn zunächst im Keller der Wohnung seiner Mutter untergestellt und später dann in seine Wohnung geholt habe. Wenn es auch nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen ist, weil das Amtsgericht Hannover das Verfahren gemäß § 153a StPO eingestellt hat, nachdem vom Beamten ein Geldbetrag von 3.000,00 DM gezahlt worden war (Beschl. v. 16.1.1998), ist der gegen den Beamten in der Anschuldigungsschrift erhobene Vorwurf, klare und eindeutige Indizien sprächen für seine Täterschaft, begründet. Der Zeuge KHK T. hat bei seiner Vernehmung anschaulich und nachvollziehbar dargelegt, dass und warum er den Beamten für denjenigen hält, der für das Verschwinden des Laptops verantwortlich ist. Bei der am 9. November 1995 durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des Beamten wurde ein Compaq Laptop des Typs LTE 386 S/20 sichergestellt. Dieses Gerät ist hinsichtlich des Typs, des Alters und des Herstellers mit demjenigen identisch, das im Kriminalkommissariat Langenhagen am 24. März 1992 abhanden gekommen ist. Allerdings ist eine Identifizierung anhand der Seriennummer nicht möglich, weil bei dem am 9. November 1995 bei dem Beamten sichergestellten Laptop die Seriennummer entfernt worden war. Den gegen ihn bestehenden Verdacht kann der Beamte nicht mit Erfolg mit dem Hinweis entkräften, dass sein Laptop über eine 120-MB-Festplatte verfüge, während der abhanden gekommene Laptop mit einer 60-MB-Festplatte versehen gewesen sei. Dem Beamten ist entgegenzuhalten, dass zwischen März 1992 und November 1995 ausreichend Zeit bestanden hat, die Festplatte auszuwechseln, was auch ohne besonderen technischen Aufwand möglich ist. Einen gewichtigen Grund für eine Täterschaft des Beamten stellt auch der Umstand dar, dass er nicht in der Lage ist, den Erwerb des bei ihm vorgefundenen Laptops nach Zeit und Ort oder in sonstiger Weise nachzuweisen. Der Neuwert betrug immerhin ca. 5.000,-- DM. Bei einem Gerät, das einen solchen Wert hat, spricht schon die Lebenserfahrung dafür, dass man allein schon wegen der Gewährleistung Belege sammelt. So sind auch bei der Durchsuchung der Wohnung des Beamten sehr viele Belege gefunden worden für Gegenstände, die einen weit geringeren Wert aufweisen. Jedenfalls fehlt es für den von seinem Verteidiger im Strafverfahren gegebenen Hinweis, der Beamte habe den Laptop im Rahmen einer Auktion ersteigert, an jeglichem Nachweis. Im Gegenteil hat der Beamte gegenüber dem Senat eine ganz neue Version der Angelegenheit präsentiert. Nunmehr will er von einem ihm fremden Messegast, den er zufällig in einer Hannoveraner Gaststätte getroffen haben will, den Laptop im defekten Zustand gegen zwei schnurlose Telefone und eine Barzahlung von 300,-- bis 400,-- DM eingetauscht haben. Die diesbezüglichen Einlassungen des Beamten in der Hauptverhandlung erscheinen dem Senat völlig unglaubhaft. Schließlich bestätigt auch das Verhalten des Beamten im Strafverfahren den Verdacht seiner Täterschaft. Mit dem Vorschlag des zuständigen Amtsrichters, das Strafverfahren gemäß § 153 a StPO einzustellen, hat sich der Beamte einverstanden erklärt und hieran auch festgehalten, nachdem die Polizeidirektion G. seiner Verteidigerin am 24. Juni 1997 die Rechtsauffassung der Behörde für den Fall der Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO dargestellt und darauf hingewiesen hatte, dass mit einer derartigen Einstellung der Verdacht eines schwerwiegenden Dienstvergehens nicht ausgeräumt, sondern bestätigt werde. Angesichts dieser doch eindeutigen Gesamtumstände hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass sich der Beamte den Laptop, auf den er im Zusammenhang mit seinem Dienst Zugriff hatte, widerrechtlich zugeeignet hat.
Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 3 (Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz) kann auf die Feststellungen der Disziplinarkammer Bezug genommen werden. Diese Feststellungen hat der insoweit belastete Beamte im Berufungsverfahren nicht in Frage gestellt. Der Senat hält die Feststellungen der Disziplinarkammer für überzeugend und macht sie sich daher zu eigen.
Was die unter Anschuldigungspunkt 4 angeführte Nichtrückgabe eines dienstlich zur Verfügung gestellten Revolvers angeht, berücksichtigt die Disziplinarkammer nicht hinreichend, dass der Beamte in der Verfügung vom 30. November 1995 aufgefordert worden war, alle dienstlich empfangenen Gegenstände herauszugeben. Hierzu gehörten nicht nur die in der späteren Aufforderung der Polizeidirektion G. vom 13. Dezember 1995 ausdrücklich genannten Ausrüstungsgegenstände (Dienstausweis, Dienstmarke und Polizeiführerschein), sondern selbstverständlich auch der dem Beamten am 6. März 1995 gegen Empfangsbekenntnis zur Ausübung seines Dienstes übergebene Revolver der Marke I. & J. mit der Seriennummer BRF 3239. Die Disziplinarkammer übersieht bei ihrer Würdigung des Sachverhalts auch den Umstand, dass die Polizeidirektion in ihrer Verfügung vom 13. Dezember 1995 den Beamten aufgefordert hat, nicht nur die ausdrücklich erwähnten Gegenstände abzuliefern, sondern auch die sonstigen noch in seinem Besitz verbliebenen Ausrüstungsgegenstände, somit auch den besagten Revolver. Auch im Hinblick auf den Umstand, dass die Polizeidirektion G. erst etwa 1 ½ Jahre nach dem dem Beamten erteilten Amtsführungsverbot festgestellt hat, dass der Dienstrevolver I. & J. noch nicht zurückgegeben worden war, ist es nicht gerechtfertigt, den Beamten insoweit von dem Vorwurf, gegen dienstliche Anordnungen verstoßen zu haben (§ 63 Satz 3 NBG), freizustellen. Dass die Behörde es ihrerseits unterlassen hat, die rechtzeitige Rückgabe des Revolvers zu überwachen, und sie bei diesem Vorgang ein erhebliches eigenes Versagen trifft, ändert nichts an der Feststellung, dass der Beamte den ihm dienstlich überlassenen Revolver umgehend nach seiner Dienstenthebung hätte zurückgeben oder einen eventuellen Verlust sofort hätte anzeigen müssen. Die Waffe befand sich bis zuletzt in seinem Besitz. Der Beamte war daher in allererster Linie für diese Waffe verantwortlich.
Durch das danach der disziplinarrechtlichen Würdigung durch das Berufungsgericht zugrundeliegende Verhalten hat der Beamte die ihm obliegenden Dienstpflichten, neben der bereits erwähnten Pflicht des § 63 Satz. 3 NBG insbesondere die Pflichten des § 62 Sätze 2 und 3 NBG, sein Amt uneigennützig zu verwalten und sein Verhalten so einzurichten, dass er innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert, schuldhaft verletzt.
Die danach festzustellenden mehrfachen Verletzungen der beamtenrechtlichen Pflichten, die sich auf den innerdienstlichen Bereich beziehen oder mit diesem in einem sehr engen Zusammenhang stehen, stellen ein einheitliches Dienstvergehen im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 NBG dar.
Anhaltspunkte dafür, dass Rechtfertigungsgründe vorliegen, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Der Beamte hat auch schuldhaft gehandelt. Weder aus seinem Vorbringen noch aus den Akten ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die von ihm missachteten, vorstehend genannten beamtenrechtlichen Pflichten nicht bekannt waren oder er für die begangenen Verfehlungen nicht verantwortlich gemacht werden kann.
Das danach schuldhaft begangene Dienstvergehen erfordert die Entfernung aus dem Dienst.
Die Entfernung aus dem Dienst ist gerechtfertigt, wenn die Begehung des Dienstvergehens dazu geführt hat, dass das für die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes unverzichtbare Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten (vgl. § 4 NBG) endgültig zerstört und nicht wiederherstellbar ist und/oder das Dienstvergehen einen so großen Ansehensverlust bewirkt hat, dass eine Weiterverwendung als Beamter die Integrität des Beamtentums unzumutbar belastet. Die Frage, wann Vertrauens- und/oder Ansehensverlust zu einer Untragbarkeit führen, welche die Entfernung aus dem Dienst rechtfertigt, ist von den Umständen des Einzelfalles abhängig und insbesondere unter Berücksichtigung der Schwere der Verfehlung, des Ausmaßes der Gefährdung dienstlicher Belange bei einer Weiterverwendung und des Persönlichkeitsbildes des Beamten zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.6.1970 – 2 D 26.69 -, BVerwGE 43, 97; NDH, Urt. v. 24.1.2002 – 1 NDH L 1562/01 -; Urt. v. 21.11.2002 – 1 NDH L 2/02 -, jew. m. w. Nachw.).
Für die die disziplinarrechtliche Einordnung des Dienstvergehens ist hier maßgeblich, dass der Beamte durch das Dienstvergehen ihm obliegende Kernpflichten seines Amtes verletzt hat.
Die widerrechtliche Zueignung des Laptops stellt einen während der Ausübung des Dienstes erfolgten Zugriff auf fremdes Eigentum dar, der, für sich genommen, nach der Rechtsprechung der Disziplinargerichte regelmäßig zur Entfernung aus dem Dienst führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 - 1 D 62.74 -, BVerwGE 53, 1; Urt. v. 10.04.1984 - 1 D 65.83 -, DokBer. B 1984, 245; Urt. v. 06.12.1988 - 1 D 23.88 -, DokBer. B 1989, 79; NDH, Urt. v. 12.02.2004 - 1 NDH L 4/03 -).
Was die Dienstpflichtverletzungen im Zusammenhang mit Waffen und Munition angeht, kann der Staat, der das Gewaltmonopol besitzt, es nicht dulden, dass es im Umgang mit Waffen bei den Polizeibeamten zu ernsthaften Unregelmäßigkeiten kommt. Ebenso ist es nicht hinnehmbar, dass ein Kriminalbeamter gerade die Rechtsvorschriften verletzt, zu deren Schutz er berufen ist. Die selbstlose, uneigennützige, auf keinen persönlichen Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte ist eine der wesentlichen Grundlagen des Berufsbeamtentums. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Beamten und einen geordneten Polizeivollzugsdienst ist eine der zentralen Voraussetzungen des Rechtsstaats. Eigennutz ist in besonderem Maße geeignet, dem Ansehen des Beamtentums zu schaden, weil die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung das Verhalten insbesondere eines Polizeibeamten, der gegen Strafgesetze verstößt, weitaus kritischer als bei anderen Staatsbürgern bewertet. Als Schießausbilder war dem Beamten eine besondere Vertrauensstellung eingeräumt worden. Er hatte dafür zu sorgen, dass die mit dem Schießbetrieb verbundenen Dienstvorschriften peinlich genau eingehalten wurden. Der dem Beamten von der Disziplinarkammer zugute gehaltene Umstand, dass es offenbar keine wirksame Kontrolle seiner Machenschaften als Schießausbilder gegeben habe, was ihm seine Verfehlungen erleichtert habe, ist nicht geeignet, sein Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Einer solchen Wertung steht entgegen, dass ein Beamter, zu dessen Dienstpflichten im Bereich der sensiblen und gefährlichen Schießausbildung die Aufsicht und die Verantwortung über die Einhaltung der Dienstvorschriften obliegt, nicht selbst in erheblicher Weise gegen Dienstvorschriften verstoßen darf. Auch wenn mit der Disziplinarkammer die dem Beamten vorgeworfenen Verstöße gegen das Kriegswaffengesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz als demgegenüber weniger schwerwiegend anzusehen sind, weil der Beamte über eine Waffenbesitzkarte verfügt hat, mehrere Faustfeuerwaffen für ihn registriert waren und ihm – zumindest zeitweise - der Umgang mit Sprengstoff und der Umgang mit Munition erlaubt war, so offenbaren auch diese Vorkommnisse einen erheblichen Mangel an Verantwortungsbewusstsein in einem sicherheitsrelevanten Bereich. Bei zusammenfassender Betrachtung führen die Schwere des Dienstvergehens in seiner Gesamtheit, das mit ihm verbundene Ausmaß der Gefährdung dienstlicher Belange und das Persönlichkeitsbild des Beamten zu einem Vertrauens- und Ansehensverlust, der einer Aufrechterhaltung des Beamtenverhältnisses entgegensteht und den Beamten untragbar macht.
Der Umstand, dass der Beamte bisher weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich aufgefallen ist, vermag ein Absehen von der Höchstmaßnahme nicht zu rechtfertigen (vgl. NDH, Urt. v. 21.11.2002 – 1 NDH L 1/02 -).
Dem Beamten wird in Anwendung der §§ 76 Abs. 1, 110 Abs. 1 NDO ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v. Hundert der ihm im Zeitpunkt der Rechtskraft dieser Entscheidung zustehenden Versorgungsbezüge für die Dauer von sechs Monaten bewilligt, weil er dessen nicht unwürdig ist und angesichts der für ihn bestehenden Unterhaltsverpflichtungen die nach den genannten Vorschriften vorausgesetzte Bedürftigkeit besteht.