Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.02.2004, Az.: 9 ME 112/03

Baugrenze; Bebauungsplan; Erschließung; Erschließungsaufwand; Erschließungsbeitrag; Grundfläche; Lärmschutzstreifen; Lärmschutzwand; Nebenanlage; Pflanzstreifen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.02.2004
Aktenzeichen
9 ME 112/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50934
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.03.2003 - AZ: 1 B 210/03

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Grundfläche eines Lärmschutzstreifens, der im Bebauungsplan als eine ein Meter breite Lärmschutzwand mit einem beiderseits davon anzulegenden jeweils 5,40 m breiten Pflanzstreifen festgesetzt ist, muss bei der Ermittlung des Erschließungsbeitrages nicht von vornherein in Abzug gebracht werden.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der für das Flurstück C. des Antragstellers festgesetzte Erschließungsbeitrag für die Erschließungsanlage "B." der Höhe nach nicht zu beanstanden ist. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, führt zu keiner anderen Beurteilung.

3

Die Auffassung des Antragstellers, bei der Ermittlung der Beitragsfläche seines Buchgrundstücks seien sowohl die Grundfläche des im einschlägigen Bebauungsplan Nr. D.- 1. Änderung - quer über sein Grundstück festgesetzten Immissionsschutzstreifens (ca. 900 qm) als auch die Teilfläche seines Grundstücks zwischen diesem und der Bundesstraße 70 (ca. 2.400 m ²) in Abzug zu bringen, ist unzutreffend.

4

Bei Grundstücken in - wie hier - beplanten Gebieten ist grundsätzlich die gesamte im Plangebiet gelegene Fläche des (Buch-) Grundstücks als erschlossen zu qualifizieren und deshalb bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands in vollem Umfang zu berücksichtigen. Hindert eine öffentlich-rechtliche Baubeschränkung die Ausschöpfung des für ein Grundstück durch Bebauungsplan vorgesehenen Maßes der zulässigen baulichen Nutzung, ist dem nicht durch eine Verminderung der Grundstücksfläche, sondern bei der Anwendung der satzungsmäßigen Verteilungsregelung Rechnung zu tragen, wenn das behinderte Nutzungsmaß eine Komponente des einschlägigen Verteilungsmaßstabes darstellt (BVerwG, Urt. v. 3.2.1989 - 8 C 66.87 - BVerwGE 81, 251 = DÖV 1989, 855 = NVwZ 1989, 1076 = KStZ 1989, 172 = Buchholz 406.11 § 131 Nr. 78 und Urt. v. 10.10.1995 - 8 C 12.94 - DVBl 1996, 376 = NVwZ 1996, 800 = ZMR 1996, 159; Urt. d. Sen. v. 10.2.1998 - 9 L 5292/95 -; Beschl. d. Sen. v. 22.10.1999 - 9 M 3461/99 - NVwZ-RR 2000, 318 und vom 31.3.2000 - 9 L 3534/98 -). Die Festsetzung des Immissionsschutzstreifens wirkt sich - ebenso wie die festgesetzten Baugrenzen - auf die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks des Antragstellers aus. Die Erschließungsbeitragssatzung der Antragsgegnerin stellt indes in ihrer Verteilungsregelung auf die tatsächliche Grundstücksfläche (zuzüglich Geschossfläche) ab und sieht nicht die Grundstücksfläche nur insoweit als maßgeblich an, als diese bebaut werden darf. Dem Maß der baulichen Nutzung und damit auch einer Behinderung der Ausschöpfung dieses Nutzungsmaßes kommt keine Bedeutung für die Aufwandsverteilung zu, so dass die Grundsätze über den Verminderungszwang hier keine Anwendung finden können.

5

Die Grundfläche des Lärmschutzstreifens, der als eine 1 m breite Lärmschutzwand mit einem beiderseits davon anzulegenden, jeweils 4,50 m breiten Pflanzstreifen festgesetzt ist, muss auch nicht deshalb von der Grundstücksfläche in Abzug gebracht werden, weil der Antragsteller dadurch gehindert ist, sein Grundstück auch in diesem - außerhalb der festgesetzten Baugrenzen gelegenen - Bereich im Rahmen des § 23 Abs. 5 BauNVO für Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO zu nutzen. Dies wäre nach der den Beteiligten bekannten Entscheidung des Senats vom 22.10.1999 ( - 9 M 3461/99 - a.a.O.) nur der Fall, wenn der Fläche durch die Festsetzungen im Bebauungsplan jede erschließungsbeitragsrechtlich relevante Nutzbarkeit entzogen worden wäre. Davon kann hier aber nur für die 90 qm große Grundfläche der 1 m breiten und 90 m langen Lärmschutzwand ausgegangen werden. Dieser "Flächenverlust" ist in Anbetracht der Gesamtgröße des Grundstücks des Antragstellers von 6.116 qm nicht relevant. Für die beiden 4,50 m breiten Korridore längs der Lärmschutzwand besteht keine vergleichbare öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkung. Der Antragsteller ist nicht gehindert, diese Flächen gärtnerisch zu nutzen, sofern er dem im Bebauungsplan festgesetzten Anpflanzgebot entsprechend hier nur Heckenrosen, Silberpappeln und Erlen ansiedelt.

6

Der Umstand, dass eine durchgehende Lärmschutzwand einen Zugang von der abgerechneten Straße aus über den vorderen Grundstücksteil des Antragstellers zu dem zwischen der Wand und der Bundesstraße 70 gelegenen hinteren Grundstücksteil tatsächlich nicht zuließe, hat nicht zur Folge, dass sich der Erschließungsvorteil durch die Straße "B." nicht auch auf diese Teilfläche erstreckt. Denn auf einem Anliegergrundstück vorhandene Hindernisse tatsächlicher Art, welche die Zugänglichkeit des Grundstücks berühren, hindern dass Erschlossensein nur dann, wenn sie nicht mit dem Grundeigentümer zumutbaren (finanziellen) Mitteln ausgeräumt werden können. Der Aufwand finanzieller Mittel für die Beseitigung von Hindernissen, die der bebauungs- und bauordnungsrechtlich gebotenen Erreichbarkeit des Grundstücks entgegenstehen, ist zumutbar, wenn ein "vernünftiger" Eigentümer sie aufbringen würde, um durch eine entsprechende Maßnahme die Bebaubarkeit seines Grundstücks der abzurechnenden Straße wegen herzustellen, um also aus unter diesem Blickwinkel nicht bebaubarem Land Bauland zu machen. Davon ist auszugehen, wenn der finanzielle Aufwand hinter der Wertsteigerung zurückbleibt, die das Grundstück durch die infolge der Beseitigung dieses Hindernisses eintretende Bebaubarkeit erfährt (BVerwG, Urt. v. 25.10.1996 - 8 C 21.95 - DVBl 1997, 497 = ZMR 1997, 98 = KStZ 1998, 17). Der Antragsteller ist nach den Angaben der Antragsgegnerin nicht gehindert, über die 2 m hohe Lärmschutzwand eine Überwegung (Brücke) zu führen, oder die Wand mit Türen zu versehen, um dergestalt die Erreichbarkeit des hinteren Teils seines Grundstücks zu ermöglichen. Der dafür erforderliche finanzielle Aufwand ist ihm zumutbar angesichts dessen, dass dadurch - im Hinblick auf die abgerechnete Straße - weitere 2.400 qm seines Grundstücks zu Bauland werden. Zwar liegt diese Fläche außerhalb der festgesetzten Baugrenzen. Die nicht überbaubare Fläche kann aber nach § 23 Abs. 5 BauNVO und den Festsetzungen des Bebauungsplans in Verbindung mit einem auf dem vorderen Grundstücksteil zu errichtenden Hotel für die Anlegung von Tennishallen, Kegel- und Bowlingbahn, Kinderspielplatz, Golfplatz, Tennisplätzen, Trimm-Dich-Bahn oder ähnlichen Freizeiteinrichtungen baulich genutzt werden.

7

Die erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragenen weiteren Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abrechnung teilt der Senat ebenfalls nicht : Das Flurstück E. zwischen dem Grundstück des Antragstellers und der abgerechneten Straße ist nach den Festsetzungen des Bebauungsplans überwiegend mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten des Gasversorgungsträgers F. belastet und nimmt eine unterirdische Erdgasleitung auf. Die außerhalb der so belasteten Teilfläche gelegene Restfläche ist zu klein und auch von ihrem Zuschnitt her nicht für eine bauliche oder sonstige erschließungsbeitragsrechtlich relevante Nutzung geeignet. Das Flurstück ist deshalb zu Recht nicht in den Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke aufgenommen worden. Der auf einer 1.537 qm großen Teilfläche des Flurstücks G. vorhandene Parkplatz war nicht in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen, weil es sich hierbei nach den Festsetzungen des Bebauungsplans um eine öffentliche Parkplatzfläche handelt und Grundflächen von öffentlichen Parkplätzen nicht zu den im Sinne der §§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 BauGB erschlossenen Grundstücken gehören (st. Rspr., z.B. Beschl. d. Sen. v. 28.4.1998 - 9 M 4249/98 - u. v. 13.11.2001 - 9 LA 3196/01 -).