Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 26.09.2017, Az.: 7 A 338/16

Abschiebungsanordnung; Abschiebungsverbot; Asylverfahren; Aufnahmebedingungen; Aufnahmerichtlinie; Dublin-III-Rückkehrer; Dublin-III-VO; Einheitlichkeit der europäischen Grundrechtsordnung; Einreise- und Aufenthaltsverbot; Italien; Schutzbedürftige Personen; Schutzstatus; Selbsteintritt; Systemische Mängel; Systemische Schwachstellen; Zuständigkeitsübergang; Überstellung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
26.09.2017
Aktenzeichen
7 A 338/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53986
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. In Italien liegen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende vor, aufgrund derer einem im Dublin-Verfahren rücküberstellten Schutzsuchenden die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung droht.
2. Ein alleinstehender jüngerer gesunder Mann gehört nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne der Art. 21 ff. Aufnahmerichtlinie, die in besonderem Maße der Gefahr einer Verletzung von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt sind.
3. Bei einer Überstellung ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Art. 4 GR-Charta auch dann nicht zu bejahen, wenn der Schutzsuchende bereits einen Schutzstatus in Italien erhalten haben sollte.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rücküberstellung nach Italien.

Der nach eigenen Angaben am F. 1980 in Frambo/Elfenbeinküste geborene Kläger ist nach wiederum eigenen Angaben ivorischer Staatsangehöriger.

Zu seinem Reiseweg erklärte der Kläger, sein Heimatland im März 2014 verlassen zu haben. Sodann sei er über Burkina Faso, Niger, Libyen, Italien und Österreich am 15.09.2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Einen Asylantrag habe er in einem anderen Mitgliedsstaat nicht gestellt.

Am 22.08.2016 stellte der Kläger einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (hiernach: Bundesamt). Ein durch die Beklagte am selben Tag durchgeführter Abgleich mit der EURODAC-Datenbank ergab, dass der Kläger am 13.11.2014 einen Asylantrag in Italien gestellt hatte (EURODAC-Treffer: IT1...). Daraufhin richtete die Beklagte am 26.09.2016 ein Wiederaufnahmegesuch an Italien, das unbeantwortet blieb. Die Beklagte lehnte den Asylantrag des Klägers durch Bescheid vom 08.11.2016 als unzulässig ab. Dies begründete sie damit, dass Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig sei.

Der Kläger hat am 15.11.2016 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Der Kläger begründet die Klage unter anderem mit folgenden Argumenten:

Italien erfülle gegenüber Ausländern, die dort einen Asylantrag stellen würden, nicht die erforderlichen Mindeststandards. Nach allen aktuell zugänglichen Quellen werde in Italien kein konventionsgerechter Verbleib gewährt. Unabhängig von der Tatsache, dass bereits sein Flüchtlingsschicksal deutliche Hinweise auf eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung in Italien aufweise, lasse die Beklagte bei der Beurteilung der aktuellen Asylsituation in Italien jüngst ergangene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 17.09.2014) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 04.11.2014) außer Betracht. Dass vor dem Hintergrund dieser höchstrichterlichen Entscheidungen unter anderem die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl einen generellen sofortigen Abschiebungsstopp nach Italien fordere, erscheine angesichts der Situation in Italien mehr als gerechtfertigt. Die Beklagte habe sich mit den höchstrichterlichen Entscheidungen nicht auseinandergesetzt. Sie beschränke sich auf die Annahme, dass in Italien keine systemischen Mängel des Asylverfahrens vorlegen. Es dürfe nicht verkannt werden, dass sich die Situation der Asylbewerber in Italien insgesamt keineswegs grundlegend verändert habe. Italien sei von der Einhaltung europarechtsweiter Asylstandards weit entfernt und bemühe sich nicht, seine restriktive Flüchtlings- und Asylpolitik substantiell zu verbessern. Deshalb würden die anerkannten Menschenrechtsorganisationen darin übereinstimmen, dass das System der Abschreckung in Italien unverändert flächendeckend praktiziert werde und politisch gewollt sei.

Der Kläger beantragt - wörtlich -,

der Bescheid der Beklagten vom 08.11.2016, zugegangen am 14.11.2016, wird aufgehoben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dies begründet sie mit den Argumenten aus dem angefochtenen Bescheid vom 08.11.2016.

Dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde am 25.11.2016 durch das erkennende Gericht stattgegeben.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 25.09.2017 und die Beklagte mit allgemeiner Prozesserklärung vom 27.06.2017 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das erkennende Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Kläger mit Schreiben vom 25.09.2017 und die Beklagte mit allgemeiner Prozesserklärung vom 27.06.2017 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08.11.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Antrag des Klägers unter Ziffer 1. des Bescheides vom 08.11.2016 als unzulässig abgelehnt hat.

Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Abl. L 180 vom 29.06.2013; hiernach Dublin-III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das ist vorliegend der Fall. Im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl.  § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ist nach der Dublin-III-VO ein anderer Mitgliedsstaat - und zwar Italien - für die sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig.

a. Der Anwendungsbereich der Dublin-III-VO ist eröffnet, da der in der Bundesrepublik gestellte Asylantrag und das Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 23 Abs. 1 Dublin-III-VO nach dem 01.01.2014 als dem gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Dublin-III-VO für die Eröffnung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung maßgeblichen Zeitpunkt gestellt wurden.

b. Nach den Zuständigkeitsvorschriften der Dublin-III-VO ist Italien für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig.

Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden. Welcher Mitgliedstaat dies ist, bestimmt sich nach den Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO und zwar in der Rangfolge ihrer Nummerierung, Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO. Lässt sich anhand dieser Kriterien nicht bestimmen, welcher Mitgliedsstaat zuständig ist, so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO.

Bei Anwendung dieser Kriterien ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. Dies folgt mangels vorrangiger Kriterien aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO. Italien ist in diesem Sinne der Mitgliedsstaat, in dem der Kläger zuerst einen Asylantrag gestellt hat. Insoweit ergab ein Abgleich der Fingerabdrücke des Klägers mit der Europäischen Datenbank zur Speicherung von Fingerabdrücken (EURODAC), dass der Kläger vor der Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland bereits einen Antrag in Italien gestellt hatte (EURODAC-Treffer: IT1…).

c. Ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland liegt nicht vor.

aa. Die Zuständigkeit Italiens ist nicht wegen des Ablaufs der maßgeblichen Antrags- und Überstellungsfristen erloschen.

Hinsichtlich des Wiederaufnahmegesuchs bestimmt sich die Frist nach Art. 23 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO. Aufgrund des am 22.08.2016 erzielten EURODAC-Treffers war das Wiederaufnahmegesuch bis zum 22.10.2016 an die italienischen Behörden zu richten. Diese Frist hat das Bundesamt gewahrt, indem es am 26.09.2016 um Wiederaufnahme des Klägers bei den italienischen Behörden nachgesucht hat.

Ebenso wenig ist die Frist für die Überstellung des Klägers in den zuständigen Mitgliedstaat mit der Folge überschritten, dass die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen wäre.

Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedsstaat über, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) durchgeführt wird. Dieser Übergang der Zuständigkeit nach Ablauf der Sechsmonatsfrist stellt keinen fingierten Selbsteintritt, sondern eine besondere Zuständigkeitsnorm dar, die lediglich vom Ablauf der Frist abhängig ist. Der Regelung liegt die Überlegung zugrunde, dass der Mitgliedsstaat, der die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat nicht zeitgemäß durchführt, die Folgen hiervon tragen muss (BayVGH, Beschluss vom 11.05.2015, - 13a ZB 15.50006 -, juris).

Die sechsmonatige Frist beginnt nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO grundsätzlich mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedsstaat. Vor Ablauf der Überstellungsfrist hat der Kläger aber am 15.11.2016 Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das erkennende Gericht am 25.11.2016 stattgegeben. Der Ablauf der Überstellungsfrist ist jedenfalls bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Begehren des Klägers gehemmt und damit im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt nicht abgelaufen.

bb. Die Beklagte ist nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin-III-VO deshalb zuständig geworden, weil eine Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat Italien aufgrund systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO nicht durchgeführt werden kann.

Gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin-III-VO setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) mit sich bringen (Unterabs. 2); kann eine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, nicht vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat (Unterabs. 3).

Der Regelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin-III-VO liegt das Prinzip gegenseitigen Vertrauens zugrunde, wonach alle am gemeinsamen europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll zu dieser Konvention von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskommission zukommt. Diese Vermutung ist allerdings nicht unwiderleglich. Wegen der gewichtigen Zwecke des gemeinsamen europäischen Asylsystems ist die Widerlegung der Vermutung aber an hohe Hürden geknüpft, so dass nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder jeder Verstoß gegen Bestimmungen des zum Asylrecht ergangenen Sekundärrechts geeignet sind, die Vermutung zu widerlegen (vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, - C-411/10 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 06.06.2014, - 10 B 35/14 -, juris).

Die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO liegen vor, wenn das Gericht zu der Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gelangt, dass der Asylbewerber wegen systemischer Schwachstellen, also strukturell bedingter, größerer Funktionsstörungen, im konkret zu entscheidenden Fall in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt sein würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014, - 10 B 6/14 -, juris).

Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird. Da an die Feststellung systemischer Mängel hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 18.03.2014, - 13 LA 75/13 -, juris), stellen einzelne Missstände noch keine systemischen Schwachstellen dar. Diese liegen erst dann vor, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder wenn der Mitgliedstaat während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 25.06.2015, - 11 LB 248/14 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014, - 1 A 21/12.A -, juris).

Gemäß dieser Voraussetzungen ist die Kammer aufgrund des aktuellen Erkenntnismaterials zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger bei einer Rücküberstellung nach Italien nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta droht (so auch: VG Göttingen, Beschluss vom 19.07.2017, - 3 B 475/17 -; VG Oldenburg, Urteil vom 01.06.2017, - 1 A 2122/17 -; VG Osnabrück, Urteil vom 26.01.2017, - 5 A 303/16 -; VG Stade, Urteil vom 17.10.2016, - 4 A 1099/  15 -; OVG NRW, Urteil vom 22.09.2016, - 13 A 2448/15.A -, juris; VG Lüneburg, Urteil vom 28.06.2016, - 6 A 150/16 -; EGMR, Urteil vom 30.06.2015, - 39359/13 [A.S. vs. Schweiz] -, juris und vom 13.01.2015, - 51428/10 [A.M.E. ./. Niederlande] -, juris und vom 04.11.2014, - 29217/12 [Tarakhel ./. Schweiz] -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 25.06.2015, - 11 LB 248/14 -, juris; OVG NRW, Urteile vom 07.03.2014, - 1 A 21/    12.A -, juris und vom 24.04.2015, - 14 A 2356/12.A -, juris und vom 19.05.2016, - 13 A 516/14.A -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014, - A 11 S 1721/13 -, juris; Bay. VGH, Urteil vom 28.02.2014, - 13a B 13.30295 -, juris; Hess. VGH, Beschluss vom 28.02.2014, - 10 A 10656/13 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 14.11.2013, - 4 L 44/13 -, juris; a. A. hingegen bspw. VG Braunschweig, Urteil vom 21.04.2017, - 5 A 273/16 -; VG Hannover, Urteil vom 07.09.2015, - 10 A 13369/14 -, juris). Das italienische Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen sind in rechtlicher Hinsicht unionsrechtskonform ausgestaltet (aaa.). In tatsächlicher Hinsicht sind die zweifellos bestehenden Mängel im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen in Italien nicht derart gravierend, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung des Klägers in seinen Rechten aus Art. 4 GR-Charta zu bejahen wäre (bbb.). Die der Kammer vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Italien während der Dauer des Asylverfahrens die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbaren Weise wird befriedigen können. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger in Italien bereits als schutzberechtigter anerkannt wurde (ccc.). Die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Art. 4 GR-Charta ergibt sich auch nicht unter Einbezug von individuellen, in der Person des Klägers liegenden Gründen (ddd.).

aaa. Das italienische Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen sind in rechtlicher Hinsicht unionsrechtskonform ausgestaltet (vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.09.2016, - 13 A 2248/15.A -, juris). Die sich aus der Verfahrensrichtlinie und der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 4 GR-Charta angesehen werden können (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, - Rs. C-411/10 u. a. [N.S.] -, juris), hat Italien in nationales Recht umgesetzt. So wurden mit Wirkung vom 30.09.2015 die Neufassungen der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU in das italienische Recht übernommen (Gesetzesdekret 142/2015: decreto legislative 18 agosto 2015, n 143 „Attuzione della direttiva 2013/33/UE racante norme relative all’accoglienza die rechiendenti protezione internazionale, noch, della direttiva 2013/32/UE, racante procedure comuni ai fini del riconoscimento e della revoca dello status die protezione internazionale“).

bbb. In tatsächlicher Hinsicht sind die zweifellos bestehenden Mängel im italienischen Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen nicht derart gravierend, dass dem Kläger bei einer Rücküberstellung nach Italien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung von Art. 4 GR-Charta droht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die sich aus der Verfahrensrichtlinie und der Aufnahmerichtlinie ergebenden und in nationales Recht umgesetzten Verpflichtungen in der Praxis in einem erheblichen Ausmaß nicht beachtet würde (vgl. für Griechenland bspw. EGMR, Urteil vom 21.01.2011, - 30696/09 -, juris). Eine solchermaßen dramatische Lage für Schutzsuchende - einschließlich der Dublin-Rückkehrer - lässt sich gegenwärtig aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen. Dies gilt sowohl für die Zugangsmöglichkeiten zum Asylverfahren und die Dauer des Verfahrens (1.), die Unterbringungsmöglichkeiten und -bedingungen (2.), die Gesundheitsversorgung (3.) und die gewährten finanziellen Leistungen zur Deckung der Bedürfnisse des täglichen Lebens (4.).

(1.) Die Bestimmungen der Art. 6 ff. und Art. 31 ff. Asylverfahrensrichtlinie über den Zugang zum Asylverfahren werden durch die tatsächliche Ausgestaltung des italienischen Asylverfahrens nicht systematisch verletzt.

So ist der Zugang zum Asylverfahren für alle Schutzsuchenden - auch für Dublin-Rückkehrer wie den Kläger - eröffnet. Es gibt keine zeitliche Limitierung hinsichtlich der Asylantragstellung (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 17). Der Antrag kann sowohl bei Grenzübertritt gegenüber der Grenzpolizei als auch bei der örtlichen Polizei („Questura“) gestellt werden. Wenn das Asylgesuch bereits an der Grenze gestellt wurde, werden die Schutzsuchenden zu einer förmlichen Antragstellung bei der örtlichen Questura eingeladen (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 17). Dort folgt die formale Antragstellung, die sogenannte „verbalizzazione“, auf dem Antragsvordruck „Modello C/3“ (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 18 ff.). In den Antrag aufzunehmen sind die biographischen Daten des Schutzsuchenden, der Reiseweg und der Grund für die Ausreise aus dem Herkunftsland. Mit der Aufnahme des Schutzgesuchs wird das förmliche Antragsverfahren abgeschlossen (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 23 f.). Gemäß Gesetzesdekret 142/2015 sollen die Schutzsuchenden nach der Antragstellung binnen 30 Tagen durch die „Commissione nazionale per il diritto di asilo“ (CTRPI) angehört werden. Eine Entscheidung über den Asylantrag soll binnen drei Tagen getroffen werden. Diese Frist kann um sechs, respektive weitere neun Monate verlängert werden (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 25 f.). Ausweislich ASGI wird die 30-Tage-Frist aufgrund der hohen Antragszahlen zwar nie eingehalten (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 26). In großen Städten wie Rom werde eine Entscheidung erst nach sechs bis zwölf Monaten getroffen (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 26). Hierin liegt jedoch keine Verletzung von Art. 31 Asylverfahrensrichtlinie. Gemäß Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 3b kann die Bearbeitungsfrist nämlich auf 15 Monate verlängert werden, wenn eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gleichzeitig internationalen Schutz beantragen, so dass es in der Praxis sehr schwierig ist, das Verfahren innerhalb von sechs Monaten abzuschließen. Dies trifft auf Italien zu. Zudem wird die Höchstfrist für erstinstanzliche Prüfverfahren von 21 Monaten gemäß Art. 31 Abs. 5 Asylverfahrensrichtlinie nicht verletzt.

(2.) Das in das nationale Recht übernommene und in Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2g Aufnahmerichtlinie verankerte Recht auf Unterkunft bleibt nicht systematisch unbeachtet, so dass mit monatelanger Obdachlosigkeit zu rechnen wäre. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass Schutzsuchende eine Unterkunft in Italien finden. Bis Anfang 2017 standen nämlich insgesamt knapp 180.000 Plätze zur Unterbringung von Schutzsuchenden in Italien zur Verfügung. Diese verteilen sich auf das in Italien eingerichtete Erst- und Zweitaufnahmesystem zur Unterbringung von Schutzberechtigten einschließlich Dublin-III-Rückkehrern sowie auf die Notfallzentren CAS („Centri die accoglienza straordinaria“).

Das Erstaufnahmesystem besteht aus den CDA („Centro di accoglienza“) und den „Centri governativi di prima accoglienza“ (ehamals CARA). Gemäß Gesetzesdekret 142/2015 werden die Erstaufnahmeeinrichtungen durch öffentliche und private Träger betrieben. Insgesamt waren diese Anfang 2017 mit 14.290 Personen belegt (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 70).

SPRAR bildet das Zweitaufnahmesystem. Das Zweitaufnahmesystem besteht zu einem Großteil aus Wohnungen (82 Prozent der zur Verfügung stehenden Unterbringungsmöglichkeiten im Zweitaufnahmesystem), kleineren Aufnahmeeinrichtungen (12 Prozent der zur Verfügung stehenden Unterbringungsmöglichkeiten im Zweitaufnahmesystem) und Gemeinschaftshäusern (6 Prozent der zur Verfügung stehenden Unterbringungsmöglichkeiten im Zweitaufnahmesystem; aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 70). Zum 24.01.2017 waren ca. 25.934 Personen im Zweitaufnahmesystem untergebracht (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 71).

Neben den Unterkünften des Erst- und Zweitaufnahmesystems stehen für Schutzsuchende ferner Notfallzentren, die CAS, zur Aufnahme bereit. Die Notfallzentren sind nicht nur auf die Erstaufnahme von Schutzsuchenden ausgerichtet, sondern dienen auch im Notfall als Reserve im Rahmen der Zweitaufnahme. Gegenwärtig werden die Notfallzentren zu diesen Zwecken herangezogen (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 71). Sie sind aufgrund der hohen Ankunftszahlen praktisch in das normale Aufnahmesystem integriert und haben somit ihren Charakter als Notfallzentren verloren. Bis Ende 2016 waren 75 Prozent der Schutzsuchenden in solchen Notfallzentren untergebracht. In absoluten Zahlen waren dies 137.218 Personen (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 72).

Dublin-III-Rückkehrer - wie der Kläger - werden meist in einem Erstaufnahme- oder Notfallzentrum untergebracht, wobei auch die Unterbringung im Zweitaufnahmesystem SPRAR oder in sonstigen Gemeindeunterkünften möglich ist (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 28).

Im Jahr 2016 wurden 123.370 neue Asylanträge gestellt. Darüber hinaus befanden sich noch 99.920 Asylanträge in Bearbeitung. Folglich befinden sich insgesamt 223.290 Personen im italienischen Asylverfahren. Setzt man diese Zahl ins Verhältnis zu den zur Verfügung stehenden Unterbringungsmöglichkeiten im italienischen Erst- und Zweitaufnahmesystem einschließlich der Notfallzentren - insgesamt ca. 180.000 Plätze - ergibt sich, dass dort derzeit ca. 80 Prozent der Schutzsuchenden unterkommen können. Neben diesen Unterbringungseinrichtungen stehen weitere kommunale Einrichtungen, karitative Einrichtungen (bspw. CARITAS, Migrantes in Rom, die Schwestern des Ordens der Mutter Teresa „Suoro Missionarie della Carita“) sowie Einrichtungen von Hilfsorganisationen (bspw. Comunita di Sant’Egidio, Opere Antoniane, Stranieri in Italia, Centro Astalli) zur Verfügung, in denen nicht anderweitig unterkommende Schutzsuchende aufgenommen und versorgt werden (Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG NRW vom 23.02.2016, S. 4), so dass von einer systematischen Verletzung des Rechts auf Unterkunft aus Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2g Aufnahmerichtlinie nicht ausgegangen werden kann.

Dies ist auch nicht deshalb anders zu beurteilen, weil eine Unterbringungsmöglichkeit bis zur „verbalizzazione“ - und mithin bis zur formalen Stellung des Asylantrags - nicht immer garantiert ist (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 21). Insoweit ist von Einzelfällen auszugehen, die keiner systematischen Missachtung des Rechts auf Unterbringung aus Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2g Aufnahmerichtlinie Vorschub leisten. Dublin-Rückkehrer, die bereits - wie der      Kläger - vor ihrer Überstellung nach Italien ein Asylgesuch einen Asylantrag gestellt haben, sind hiervon zudem nicht betroffen (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 21).

Auch die Unterbringungsbedingungen in den vorstehend benannten Einrichtungen führen zu keinem anderen Ergebnis, wobei ausweislich der Erkenntnismittel Defizite im Erstaufnahmesystem und in den Notfallzentren, nicht aber im Zweitaufnahmesystem bestehen.

Schutzsuchende sollen gemäß Art. 18 Abs. 1b Aufnahmerichtlinie in Unterbringungszentren untergebracht werden, die einen angemessenen Lebensstandard gewährleisten. Die Unterbringung sollte in Privathäusern, Wohnungen, Hotels oder andere für die Unterbringung von Antragstellern geeignete Räumlichkeiten erfolgen, Art. 18 Abs. 1c Aufnahmerichtlinie. Aus den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln ergibt sich jedoch, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen oftmals überfüllt seien (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 73). So sollen insbesondere drei der Erstaufnahmeeinrichtungen an Überfüllung leiden: Bari (Plätze für 1.216 Personen; Anfang 2017 belegt mit 1.622 Personen), Catania Mineo (Plätze für 3.000 Personen; Anfang 2017 belegt mit 3.650 Personen) und Gorizia (Plätze für 138 Personen; Anfang 2017 belegt mit 516 Personen; zum Ganzen aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 70). Die hohe Auslastung der Erstaufnahmeeinrichtungen wirke sich auf die Unterstützungsmöglichkeiten, bspw. die rechtliche Beratung aus. Ferner gebe es kaum Gemeinschaftsräume und die Gebäude legen außerhalb der urbanen Zentren (Council of Europe Commissioner for Human Rights, Report by Nils Muiznieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, CommDH (2012) 26, 18.09.2012, S. 36; Doctors without Borders, Neglected Trauma - Asylum seekers in Italy: an analysis of mental health distress and access to healthcare, S. 20). Ebenso seien viele Notfallzentren überfüllt, abgelegen und für die Aufnahme von Schutzsuchenden ungeeignet (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 31).

Diese Mängel führen nicht zu der Annahme systemischer Schwachstellen in den Aufnahmebedingungen. Die als ‚soll‘ Vorschrift formulierten Normen in Art. 18 Abs. 1 Aufnahmerichtlinie indizieren, dass in besonderen Ausnahmefällen - beispielsweise in Zeiten exorbitant hoher Antragszahlen - eine Abflachung dieser Standards möglich ist, um die Unterbringung aller Schutzsuchenden zu gewährleisten. Dies trifft auf die derzeitige Situation im italienischen Erstaufnahmesystem und in den Notfallzentren, den CAS, zu.

Soweit den aktuellen Erkenntnismitteln zudem entnommen werden kann, dass einige Notfallzentren noch hinter den Standards im Erstaufnahmesystem zurückbleiben (Cona [Vendig], Piano Torre di Isnello [Palermo], Telese [Kampanien], Montalto Uffugo [Kalabrien]), ist jedenfalls nicht von einer systemischen Schwachstelle, sondern von einer Unzulänglichkeit einzelner Einrichtungen auszugehen. Vielmehr gibt es sogar CAS, die den Standard der Erstaufnahmeeinrichtungen übertreffen. So erreicht die Einrichtung in Trieste den Standard der SPRAR (vgl. dazu aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 76).

Auch die aktuelle Presseberichterstattung hinsichtlich der Unterbringung von Schutzsuchenden veranlasst nicht zu einer anderen Bewertung. Vielmehr ergibt sich aus dieser ein deutlicher Rückgang der Flüchtlingszahlen in den letzten Monaten, die zu einer Entspannung der Unterbringungslage in Italien führen könnte. Folgendes führt bspw. die Süddeutsche Zeitung aus (Meiler, Wo sind sie?, 16.08.2017):

„Zero, null. Es gibt nun plötzlich Tage, da kommen keine neuen Flüchtlinge an in den Häfen von Sizilien, Kalabrien und Kampanien. Gar keine. Es sind Tage ohne Bilder von müden, aber glücklichen Menschen zumeist aus dem Westen Afrikas und aus Bangladesch, die ihre gefährliche Reise übers zentrale Mittelmeer nach Italien, dieses letzte Wegstück in ein neues Leben, überstanden haben und eingehüllt in goldene Schutzfolie aus Aluminium von Bord geführt werden. Im August gab es bisher schon fünf solcher Tage, es waren die ersten seit Beginn des Jahres. In den vergangenen zwei Monaten ist die Zahl der Neuankömmlinge dermaßen markant zurückgegangen, dass Italiens Medien bereits von einer Trendwende sprechen und sie mit bunten Grafiken illustrieren. Alle Kurven zeigen nach unten. Die Zahlen dazu stammen vom italienischen Innenministerium und vom europäischen Grenzschutzkorps Frontex und stimmen überein. Im Juli kamen demnach 10423 Flüchtlinge über das zentrale Mittelmeer nach Italien, das sind weniger als halb so viele wie ein Jahr zuvor. Im August ist die Abnahme noch deutlicher: Bis Montag zählten die Italiener nur 2080 Ankünfte, während es vor einem Jahr im selben Zeitraum 21294 gewesen waren. Minus 90 Prozent. Natürlich könnte man denken, der Rückgang sei ein Zufall, zum Beispiel dem schlechten Wetter geschuldet oder einer zwischenzeitlichen Organisationsschwäche der lybischen Schleuserbanden. Und vielleicht nehmen der Zahlen auch sehr bald wieder zu. Doch da die Trendwende im Sommer eingesetzt hat, wenn die See ruhiger und die Zahl der Überfahrten normalerweise besonders hoch ist, werden andere Erklärungen herangezogen. Sie sind umso interessanter, als 2017 als Rekordjahr angekündigt worden war. Bisher hieß es immer, man erwarte weit mehr als 200.000 Migranten. Nun ist sogar möglich, dass in diesem Jahr insgesamt weniger Flüchtlinge Italien erreichen werden als 2016. Derzeit, Stand 14. August, sind es 4,5 Prozent weniger.“

Die insoweit beschriebene deutliche Verringerung der Ankunftszahlen in den letzten Monaten wird durch die Angaben der italienischen Behörden bestätigt (vgl. die abrufbaren Zahlen unter http://www.libertaciviliimmigrazione.dlci.interno.gov.it/it/documenta-zione/statistica /i-numeri-dellasilo; zuletzt geöffnet am 29.08.2017).

(3.) Gemäß Art. 19 Abs. 1 Aufnahmerichtlinie tragen die Mitgliedsstaaten dafür Sorge, dass Antragsteller die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Krankheiten umfasst. Dieses in das nationale Recht übernommene Recht wird aufgrund der in Italien bestehenden Aufnahmebedingungen nicht systematisch verletzt.

In Italien hat jede Person nach nationalem Recht einen Anspruch auf medizinische Grund- und Notfallversorgung bei Krankheit oder Unfall sowie auf eine Präventivbehandlung zur Wahrung der individuellen und öffentlichen Gesundheit (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 54). Um von einem weiterführenden Leistungsangebot profitieren zu können müssen sich Schutzsuchende in den SSN („Servizio Sanitario Nazionale) einschreiben. Nach der Einschreibung in den SSN erhalten Schutzsuchende - und damit auch Dublin-III-Rückkehrer wie der Kläger - dieselbe medizinische Behandlung wie italienische Staatsbürger (vgl. dazu aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 79 und SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 54).

(4.) Das in das nationale Recht übernommene und in Art. 17 Abs. 2 und 5 der Aufnahmerichtlinie festgeschriebene Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und auf Gewährung von Leistungen zur Deckung des täglichen Bedarfs wird aufgrund der Aufnahmebedingungen in Italien nicht systematisch verletzt.

Gemäß Art. 17 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie sorgen die Mitgliedsstaaten dafür, dass die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen - neben der Unterkunft, Verpflegung und Kleidung auch Geldleistungen zur Deckung des täglichen Bedarfs (Art. 2 g. Aufnahmerichtlinie) - einem angemessenen Lebensstandard entsprechen, der den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit von Antragstellern gewährleistet. Wenn die Mitgliedsstaaten im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen in Form von Geldleistungen oder Gutscheinen gewähren, bemisst sich deren Umfang auf Grundlage des Leistungsniveaus, dass der betreffende Mitgliedsstaat nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder nach den Gepflogenheiten anwendet, um eigenen Staatsangehörigen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten, Art. 17 Abs. 5 Aufnahmerichtlinie. Neben der Unterkunft, Verpflegung und Kleidung in Form von Sachleistungen (vgl. Art. 2. g. der Aufnahmerichtlinie) erhalten Schutzsuchende in Italien zur Deckung des täglichen Bedarfs ein Taschengeld, dessen Höhe je nach Einrichtung variiert. Üblich ist sowohl im Erst- als auch im Zweitaufnahmesystem sowie in den CAS ein Satz zwischen 1,50 EUR bis 3 EUR pro Tag (aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 64 f.). Anhaltspunkte dafür, dass dieses Vorgehen eine systematische Verletzung der Rechte aus Art. 17 Abs. 2 und 5 der Aufnahmerichtlinie darstellen könnte, sind nicht ersichtlich.

ccc. Bei einer Rückkehr des Klägers ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Art. 4 GR-Charta auch dann nicht zu bejahen, wenn der Kläger bereits einen Schutzstatus in Italien erhalten hat.

Schutzberechtigte, die nach Italien rücküberstellt werden, haben im Rahmen der bestehenden Kapazitäten Zugang zum Zweitaufnahmesystem SPRAR (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 35 ff.) und können - des Weiteren - auch in caritativen Einrichtungen unterkommen (OVG NRW, Urteil vom 22.09.2016, - 13 A 2448/15.A -, juris). In größeren Städten konnten Flüchtlinge zwar vor Jahren teilweise nur in besetzten Häusern, mit zum Teil hunderten von Bewohnern, ohne ausreichende Versorgung mit Elektrizität und Trinkwasser unterkommen (SFH, Aufnahmebedingungen - Aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013, 5.2). Diese Situation hat sich inzwischen aber gebessert. So hat das Auswärtige Amt gegenüber dem OVG NRW mitgeteilt, dass im Ergebnis davon ausgegangen werden könne, dass für anerkannte Flüchtlinge und auch für subsidiär Schutzberechtigte in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder caritative Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 23.02.2016, S. 5).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird für Schutzberechtigte spätestens zwei Monate nach der Schutzgewährung gewährleistet (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 51).

Schutzberechtigte erhalten Sozialleistungen im selben Umfang wie italienische Staatsbürger (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 49 ff.). Zwar gibt es in Italien keine monatlichen Sozialhilfeleistungen (SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 49). Es gibt aber öffentliche Fürsorgeleistungen für gemeldete Ausländer und Flüchtlinge, wenn sie bereit sind, an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, z. B. speziellen beruflichen Lehrgängen, teilzunehmen (OVG NRW, Urteil vom 22.09.2016, - 13 A 2448/15.A -, juris). Soweit solche Leistungen nicht eingreifen oder nicht ausreichend sind können Schutzberechtigte, wenn sie arbeitslos sind, auf Spenden caritativer Organisationen zurückgreifen (vgl. borderline europe e. V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28.09.2012, Dezember 2012, 9.2, 10.4; Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG NRW vom 23.02.2016, S. 5).

Der Zugang zu medizinischen Versorgungsleistungen steht für Schutzberechtigte im selben Umfang wie für Schutzsuchende offen (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien - Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, August 2016, S. 54 ff.).

ddd. Individuelle, in der Person des Klägers liegende, Gründe, die den Kläger in besonderem Maße der Gefahr einer Verletzung von Art. 4 GR-Charta aussetzen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere gehört der Kläger als gesunder 37-jähriger Mann nicht zur Gruppe der besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne der Art. 21 ff. Aufnahmerichtlinie, da zu dieser Gruppe lediglich Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie zum Beispiel Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien, zählen. Unerheblich ist hingegen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner ständigen Rechtsprechung feststellt, dass alle Schutzsuchenden besonders schutzbedürftig sind (EGMR, Urteil vom 21.01.2011, - 30696/09 - [M.S.S.]). Insoweit handelt es sich jedenfalls nicht um einen besonderen individuellen Grund, der den Kläger von der Gruppe der Schutzsuchenden abhebt und der individuellen Gefahr der Verletzung des Art. 4 GR-Charta in besonderem Maße aussetzt.

cc. Die Beklagte ist nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Dublin-III-VO zuständig geworden. Gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 kann jeder Mitgliedsstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Selbsteintrittsrecht), wobei gemäß Unterabs. 2 der Mitgliedsstaat, der beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, dadurch zum zuständigen Mitgliedsstaat wird. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO sieht keine näheren Determinanten für die Ausübung dieser als Ermessensbestimmung konzipierten Norm vor. Das Selbsteintrittsrecht ist jedoch in exzeptionellen Fällen zwingend auszuüben, wenn andernfalls die Durchsetzung einer Zuständigkeit im Einzelfall eine Verletzung der EMRK bzw. der GR-Charta bedeuten würde (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin-III-VO, Art. 17, K2.).

Ein solch exzeptioneller Fall liegt allerdings vorliegend nicht vor, da dem Kläger bei einer Rücküberstellung nach Italien schon keine gegen Art. 4 GR-Charta verstoßende Behandlung droht. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter 1. c. bb. verwiesen.

2. Die Beklagte hat zu Recht unter Ziffer 2. des Bescheides festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen.

Ein national begründetes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG ist nicht gegeben. Dem Kläger droht in Italien keine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung. Diesbezüglich kann aufgrund der Einheitlichkeit der europäischen Grundrechtsordnung (vgl. EuGH, Urteil vom 16.02.2017, - C-578/16 PPU [C.K., H.F. und A.S. ./.              Slowenien] -, juris) auf die zu Art. 4 GR-Charta getätigten Ausführungen unter 1. c. bb. verwiesen werden.

Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Die Feststellung nationalen subsidiären Schutzes kommt nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht, d. h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer im Falle der Abschiebung der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008, - 10 C 43.07 -, juris). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Kläger eine solche konkrete extreme Gefahrenlage in Italien droht. Auf die Ausführungen unter 1. c. bb. wird verwiesen.

Ein Abschiebungsverbot nach der Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann auch darin begründet sein, dass sich durch die Abschiebung die individuelle Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlimmern würde, weil die Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat unzureichend sind und er auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen kann (BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1999, - 9 C 2.99 -, juris). Voraussetzung für die Annahme ist jedoch, dass die dem Ausländer drohende Gefahr erheblich ist, sein Gesundheitszustand sich also wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der Rückkehr eintreten würde. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger hat schon keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend gemacht.

3. Nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte unter Ziffer 3. des Bescheides die Abschiebung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG angeordnet hat. Die Abschiebung kann durchgeführt werden. Das Vorliegen inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse, zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote oder Duldungsgründe ist nicht ersichtlich. Ergänzend wird auf die Ausführungen unter 1. c. bb. und 2. verwiesen.

4. Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid unter Ziffer 4. das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG auf sechs Monate befristet hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.