Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.12.2018, Az.: 9 ME 142/18
Ablaufhemmung; Absendedatum; Bekanntgabe; Bekanntgabefiktion; Beweisvorsorge; Bindungswirkung; Festsetzungsfrist; Festsetzungsverjährung; Folgebescheid; Gewerbesteuer; Gewerbesteuermessbescheid; Grundlagenbescheid; Inhaltsadressat; Kenntnisnahme; Legalitätsprinzip; Nachforderungszinsen; Realsteuer; Rechenzentrum; Rechtssicherheit; ressortfremd; Sachaufklärungspflicht; Steuererhebungspflicht; Steuermessbescheid; Steuerpflichtiger; Verjährungsfrist; Willkür; Zerlegungsbescheid; Zinsbescheid
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 07.12.2018
- Aktenzeichen
- 9 ME 142/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74286
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 14.09.2018 - AZ: 7 B 1139/18
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 2 Nr 4 AO
- § 122 Abs 1 S 1 AO
- § 122 Abs 2 Nr 1 AO
- § 169 Abs 2 Nr 2 AO
- § 171 Abs 10 S 2 AO
- § 171 Abs 10 S 1 AO
- § 184 Abs 1 S 1 AO
- § 184 Abs 3 AO
- § 186 AO
- § 188 Abs 1 AO
- § 233a AO
- § 3 Abs 2 AO
- § 47 AO
- § 78 Nr 2 AO
- § 80 Abs 1 S 1 VwGO
- § 80 Abs 2 S 1 Nr 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung spricht viel dafür, dass die Festsetzungsfrist für die Erhebung einer Gewerbesteuer durch eine hebeberechtigte Gemeinde entsprechend § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe eines vom zuständigen Finanzamt erlassenen Zerlegungsbescheids über die Aufteilung des Gewerbesteuermessbetrags auf die einzelnen hebeberechtigten Gemeinden sowohl an den betreffenden Steuerpflichtigen als auch an die betreffende hebeberechtigte Gemeinde endet.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover – 7. Kammer – vom 14. September 2018 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 123.387,40 EUR festgesetzt.
Gründe
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
Die Antragstellerin führt beim Verwaltungsgericht Hannover unter dem Aktenzeichen 7 A 1136/18 ein Klageverfahren gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. Dezember 2017 über die Erhebung von Gewerbesteuern für das Jahr 2011 in Höhe von 385.595,60 EUR und gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin vom selben Tag über die Erhebung von Steuernachforderungszinsen in Höhe von 107.954 EUR.
Mit dem im Beschwerdeverfahren angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht Hannover den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Es hat ihn für unzulässig gehalten, soweit die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz gegen den Zinsbescheid begehrt. Im Übrigen hat es den Antrag für unbegründet erachtet.
Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ganz oder teilweise stattzugeben.
Bezogen auf den Zinsbescheid erhebt die Antragstellerin ausschließlich materiell-rechtliche Einwände. Den Erwägungen des Verwaltungsgerichts dazu, dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes insoweit unzulässig sei, weil eine Klage gegen die Festsetzung von Steuernachforderungzinsen gemäß § 233a AO – bei denen es sich nicht um Abgaben i. S. d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO handele – bereits nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfalte (vgl. Senatsbeschluss vom 8.7.2013 – 9 ME 110/12 – NdsVBl 2014, 54 = juris, Leitsatz), hat sie nichts entgegengesetzt.
Auch die Darlegungen der Antragstellerin zu der vom Verwaltungsgericht angenommenen Unbegründetheit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Übrigen gebieten keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die insoweit vertretene Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Gewerbesteueranspruch der Antragsgegnerin gegen sie für das Jahr 2011 nicht nach § 47 AO durch Festsetzungsverjährung erloschen sein dürfte.
Der dieser Auffassung zugrundeliegenden Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Festsetzungsverjährung nach den Vorschriften der Abgabenordnung regulär mit Ablauf des 31. Dezember 2016 eingetreten wäre, ist die Antragstellerin nicht entgegengetreten.
Das Verwaltungsgericht hat weiter ausgeführt, dass dieser Verjährung jedoch eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO entgegenstehen dürfte. Danach ende die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids, soweit ein solcher für die Festsetzung der Steuer bindend sei. Bei der Erhebung von Gewerbesteuern sei gegebenenfalls der Zerlegungsbescheid ein solcher Grundlagenbescheid. Unter einer Bekanntgabe i. S. d. § 171 Abs. 10 Satz 1 AO sei die Bekanntgabe an alle Beteiligten zu verstehen. Dazu zähle hier nach §§ 188 Abs. 1, 186 Satz 1 AO auch die Antragsgegnerin. Die Festsetzungsfrist für deren Gewerbesteueranspruch gegen die Antragstellerin für das Jahr 2011 sei danach im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bescheide vom 5. Dezember 2017 noch nicht verstrichen gewesen. Denn nach dem Inhalt der von der Antragsgegnerin und vom Finanzamt D. vorgelegten Verwaltungsvorgänge seien der Antragsgegnerin weder der Zerlegungsbescheid des Finanzamts D. vom 24. Januar 2013 noch dessen Messbescheid vom selben Tag noch dessen Bescheide vom 17. Juni 2015, mit denen jeweils der Vorbehalt der Nachprüfung aus den Bescheiden vom 24. Januar 2013 aufgehoben worden sei, bekanntgegeben worden.
Die Antragstellerin vertritt demgegenüber die Ansicht, nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO sei ausschließlich auf die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids an den Steuerpflichtigen abzustellen. Eine Absicht des Gesetzgebers, bei einem Zerlegungsbescheid als Grundlagenbescheid auf dessen Bekanntgabe an alle Beteiligten i. S. d. § 186 AO abzustellen, sei nicht erkennbar. Die am 1. Januar 2017 in Kraft getretene Neuregelung in § 171 Abs. 10 Satz 2 AO knüpfe für die Ablaufhemmung bei einem ressortfremden Grundlagenbescheid an den Zeitpunkt der Kenntnisnahme der für den Folgebescheid zuständigen Finanzbehörde an. Demgegenüber sei in § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nur von der „Bekanntgabe des Grundlagenbescheids“ die Rede, ohne dass auf eine Kenntnis der für den Folgebescheid zuständigen Behörde abgestellt werde. Ein Steuerpflichtiger müsse den Eintritt der Festsetzungsverjährung zur Erlangung von Rechtssicherheit eindeutig erkennen können, um vor behördlicher Willkür geschützt zu sein. Er sei schutzwürdiger als die steuerberechtigte Gemeinde. Diese sei nach dem Legalitätsprinzip zum Vollzug der gewerbesteuerrechtlichen Vorschriften verpflichtet. Daher dürfe sich ihre Beteiligung am Besteuerungsverfahren nicht darin erschöpfen, die Zusendung eines Zerlegungsbescheids abzuwarten. Dies gelte insbesondere, wenn sich diese um vier Jahre verzögere. Vielmehr müsse sie die Verjährungsfristen überwachen und beim Finanzamt Nachforschungen anstellen, wenn bei einem eingetragenen Gewerbetreibenden hinsichtlich eines einzelnen Erhebungszeitraums eine „unerklärliche Lücke“ auftrete. Selbst wenn ein Steuerpflichtiger seiner Steuererklärungspflicht nicht nachkomme, könne das Finanzamt nämlich die Besteuerungsgrundlagen schätzen und einen Steuermessbescheid und einen Zerlegungsbescheid erlassen. Die Antragsgegnerin sei zur Sachaufklärung verpflichtet. Sie hätte das Fehlen des Zerlegungsbescheids erkennen, es dem Finanzamt anzeigen und sich mit diesem über die Frist verständigen müssen. Dies folge auch aus ihrer Obliegenheit zur Beweisvorsorge.
Dieses Vorbringen rechtfertigt keine Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts. § 171 Abs. 10 Satz 1 AO – der für die Gewerbesteuer als Realsteuer (vgl. § 3 Abs. 2 AO) nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO entsprechend gilt – lautet:
„Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.“
Der Senat teilt auch in Ansehung des Vorbringens der Antragstellerin bei summarischer Prüfung die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Festsetzungsfrist für die Erhebung einer Gewerbesteuer durch eine hebeberechtigte Gemeinde entsprechend § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe eines vom zuständigen Finanzamt erlassenen Zerlegungsbescheids über die Aufteilung des Gewerbesteuermessbetrags auf die einzelnen hebeberechtigten Gemeinden sowohl an den betreffenden Steuerpflichtigen als auch an die betreffende hebeberechtigte Gemeinde endet.
§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO enthält dem Wortlaut nach keine Beschränkung auf eine Bekanntgabe des Grundlagenbescheids an den Steuerpflichtigen. Die Vorschrift knüpft vielmehr allgemein an die „Bekanntgabe des Grundlagenbescheids“ an.
Wem ein Verwaltungsakt nach der Abgabenordnung bekannt zu geben ist, ergibt sich – vorbehaltlich spezieller Regelungen – aus § 122 Abs. 1 Satz 1 AO. Danach ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist. Beteiligte sind – wiederum vorbehaltlich spezieller Regelungen – nach § 78 Nr. 2 AO u. a. diejenigen, an welche die Finanzbehörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat. Bestimmt ist ein Verwaltungsakt für denjenigen, der nach dem Willen der Behörde als Inhaltsadressat von ihm betroffen sein soll (vgl. Ratschow, in: Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 122 Rn. 22). Betroffen ist von einem Verwaltungsakt, wer durch diesen in eigenen Rechten und Pflichten betroffen wird (vgl. Ratschow, a. a. O., § 122 Rn. 24). Nach diesem allgemeinen Begriffsverständnis einer „Bekanntgabe“ ist ein Verwaltungsakt i. S. d. Abgabenordnung nicht zwingend allein dem Steuerpflichtigen bekannt zu geben. Dies spricht dafür, auch den in § 171 Abs. 10 Satz 1 AO verwendeten Begriff „Bekanntgabe des Grundlagenbescheids“ nicht einschränkend als Bekanntgabe allein an den Steuerpflichtigen zu verstehen.
Auch die in § 171 Abs. 10 Satz 1 AO definierten Grundlagenbescheide sind nicht stets nur dem Steuerpflichtigen bekannt zu geben. Vielmehr gelten je nach Art des Grundlagenbescheids unterschiedliche Bekanntgabeerfordernisse: Für diejenigen Fälle, in denen der Grundlagen- und der Folgebescheid von derselben Behörde erlassen werden, schreibt die Abgabenordnung keine Bekanntgabe des Grundlagenbescheids an diese Behörde vor. Denn der Grundlagenbescheid stammt in diesem Fall von der Behörde selbst. Diese kann daher verwaltungsintern sicherstellen, dass der Inhalt des Grundlagenbescheids im Folgebescheid umgesetzt wird. Werden der Grundlagen- und der Folgebescheid hingegen von verschiedenen Behörden erlassen, sieht das Gesetz nur teilweise eine Bekanntgabe des Grundlagenbescheids allein an den Steuerpflichtigen vor. So sind die Grund- und Gewerbesteuermessbescheide der Finanzämter i. S. d. § 184 Abs. 1 Satz 1 AO – bei denen es sich um Grundlagenbescheide i. S. d. § 171 Abs. 10 Satz 1 AO für die Grund- bzw. Gewerbesteuerbescheide der hebeberechtigten Gemeinden handelt (vgl. BFH, Urteile vom 7.9.2016 – IV R 31/13 – BFHE 255, 266 = juris Rn. 33; vom 11.11.2009 – II R 14/08 – BFHE 228, 1 = juris Rn. 17) – nur den Grund- bzw. Gewerbesteuerpflichtigen bekanntzugeben. Die hebeberechtigten Gemeinden sind nicht Inhaltsadressatinnen dieser Grundlagenbescheide und können grundsätzlich auch keine Rechtsbehelfe dagegen ergreifen (vgl. Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Stand: Sep. 2018, § 184 AO Rn. 98). Ihnen ist daher nach § 184 Abs. 3 AO lediglich der Inhalt des Steuermessbescheids mitzuteilen. Auch Verwaltungsakte von Behörden außerhalb der Finanzverwaltung, denen Bindungswirkung für eine Steuerfestsetzung durch Finanzbehörden zukommt (dazu Banniza, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 171 AO Rn. 210), sind grundsätzlich der für den Folgebescheid zuständigen Behörde nicht von Gesetzes wegen bekannt zu geben. Etwas Anderes gilt hingegen für auf §§ 185 ff. AO beruhende Zerlegungsbescheide des Finanzamts über die Aufteilung eines Grundsteuer- oder Gewerbesteuermessbetrags auf die einzelnen hebeberechtigten Gemeinden, bei denen es sich – wie bei Grund- und Gewerbesteuermessbescheiden – um Grundlagenbescheide i. S. d. § 171 Abs. 10 Satz 1 AO für die Grund- bzw. Gewerbesteuerbescheide handelt (vgl. BFH, Urteil vom 13.5.1993 – IV R 1/91 – BFHE 172, 97 = juris Rn. 14; Banniza, a. a. O., § 171 AO Rn. 208; Tipke/Kruse, AO, FGO, Kommentar, Stand: Aug. 2018, § 188 AO Rn. 1 und 91). Diese sind nach § 188 Abs. 1 AO den „Beteiligten“ bekannt zu geben, soweit sie betroffen sind. Erforderlich ist insoweit eine Bekanntgabe an sämtliche Beteiligte des Zerlegungsverfahren i. S. d. § 186 AO (vgl. BFH, Urteil vom 27.3.1996 – I R 83/94 – BFHE 180, 227 = juris Rn. 14), d. h. sowohl an den Steuerpflichtigen als auch an die Steuerberechtigten, denen ein Anteil am Steuermessbetrag zugeteilt worden ist oder die einen Anteil beanspruchen. Von einem Zerlegungsbescheid sind sämtliche Beteiligte unmittelbar betroffen. Denn mit ihm wird sowohl das Verhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und den Steuerberechtigten als auch das Verhältnis der Steuerberechtigten zueinander geregelt (vgl. BFH, Urteil vom 27.3.1996, a. a. O., Rn. 16). Dementsprechend können alle Beteiligten Rechtsbehelfe gegen den Zerlegungsbescheid einlegen (vgl. Boeker, a. a. O., § 188 AO Rn. 7 f.). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist § 188 Abs. 1 AO so zu verstehen, dass dem Steuerpflichtigen der vollständige Zerlegungsbescheid und den einzelnen steuerberechtigten Gemeinden ein kurzgefasster Bescheid mit den sie betreffenden Daten bekanntzugeben ist (vgl. BFH, Urteil vom 27.3.1996, a. a. O., Rn. 16; siehe auch den Bericht und Antrag des Finanzausschusses vom 7.11.1975 zum Entwurf einer Abgabenordnung, BT-Drucks. 7/4292, S.34). Dabei ist der Inhalt des dem Steuerpflichtigen bekanntzugebenden Bescheids nicht vorrangig (vgl. BFH, Urteil vom 27.3.1996, a. a. O., Rn. 16).
Angesichts des unbeschränkten Wortlauts von § 171 Abs. 10 Satz 1 AO, des der Abgabenordnung zu entnehmenden allgemeinen Begriffsverständnisses der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts und der unterschiedlichen gesetzlichen Bekanntgabeerfordernisse je nach Art des Grundlagenbescheids liegt eine Auslegung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO dahingehend nahe, dass die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids an den- oder diejenigen, denen er von Gesetzes wegen bekannt zu geben ist und um dessen oder deren konkretes Steuerverhältnis es geht, endet (vgl. auch BFH, Urteil vom 19.1.2005 – X R 14/04 – BFHE 208, 410 = juris Rn. 11: „Bekanntgabe des Grundlagenbescheids (§ 122 AO 1977) an den/die Adressaten“). Dies bedeutet, dass die Frist für die Festsetzung der Gewerbesteuer durch eine hebeberechtigte Gemeinde entsprechend § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe eines etwaigen vom Finanzamt erlassenen Zerlegungsbescheids sowohl an den betreffenden Gewerbesteuerpflichtigen als auch an die betreffende hebeberechtigte Gemeinde enden dürfte.
Eine solche Auslegung trägt auch dem Sinn und Zweck des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO Rechnung. Dieser wird im Bericht des Finanzausschusses vom 5. November 1996 zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1997 wie folgt beschrieben:
„Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO soll den Erlaß oder die Anpassung des Folgebescheides auch in den Fällen ermöglichen, in denen die Festsetzungsfrist für die vom Grundlagenbescheid abhängige Steuer ansonsten abgelaufen wäre. Die Finanzbehörde kann nach bisher geltendem Recht den Folgebescheid auch nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides erlassen, aufheben oder ändern (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO).
Bei überschaubaren Verhältnissen reicht bisher die einjährige Frist zur Anpassung des Folgebescheides aus. Wenn allerdings in einem Folgebescheid eine Vielzahl von Grundlagenbescheiden zu berücksichtigen sind und diese wiederum mehrfach geändert werden, ist es bisher erforderlich, den Folgebescheid jeweils zeitnah und damit mehrfach in kurzen zeitlichen Abständen zu korrigieren. Dies erfordert aber sowohl auf Seiten der Finanzverwaltung als auch auf Seiten des Steuerpflichtigen erheblichen Verwaltungsaufwand.
Besondere Probleme ergeben sich insbesondere, wenn der Steuerpflichtige an mehreren Personengesellschaften beteiligt ist und bei ihm eine Außenprüfung durchgeführt wird. Eine aus praktischer Sicht naheliegende Bündelung der Auswertung der Prüfungsfeststellungen und der Grundlagenbescheide scheitert regelmäßig m Ablauf der Festsetzungsfrist. Denn die Ablaufhemmung aufgrund der Durchführung der Außenprüfung bei dem Gesellschafter einer Personengesellschaft nach § 171 Abs. 4 AO umfaßt nach dem BFH-Urteil vom 4. November 1992 (BStBl 1993 II S. 425) nicht die Besteuerungsgrundlagen, die im Grundlagenbescheid verbindlich festgestellt werden.
Durch die Verlängerung der Anpassungsfrist auf zwei Jahre soll es ermöglicht werden, die notwendigen Anpassungen des Folgebescheides zu bündeln.“
(vgl. BT-Drucks. 13/5952, S. 55 f.; siehe zum Zweck der Einräumung einer ausreichenden Frist für die Auswertung des Grundlagenbescheids auch bereits die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Abgabenordnung zu § 153 Abs. 6 AO a. F., BT-Drucks. 6/1982, S. 152).
Dieser Zielrichtung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO, der für den Folgebescheid zuständigen Behörde eine ausreichend lange Zeitspanne für die Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid einzuräumen, entspricht die genannte Auslegung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO. Denn durch sie wird verhindert, dass in dem Fall, dass der Grundlagen- und der Folgebescheid – wie hier – durch verschiedene Behörden erlassen werden, und der für den Folgebescheid zuständigen Behörde der Grundlagenbescheid entgegen einer gesetzlichen Vorgabe nicht bekannt gegeben wird, die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO bereits mit der Bekanntgabe des Grundlagenbescheids an den Steuerpflichtigen zu laufen beginnt, ohne dass die für den Folgebescheid zuständige Behörde den Inhalt des Grundlagenbescheids überhaupt auswerten kann.
Etwas Anderes ist entgegen der Annahme der Antragstellerin wohl nicht aus der (erst) zum 1. Januar 2017 in Kraft getretenen (und schon deshalb für den vorliegenden Fall, in dem die reguläre Festsetzungsfrist unstreitig mit Ablauf des Jahres 2016 endete, nicht entsprechend geltenden) Vorschrift des § 171 Abs. 10 Satz 2 AO zu schließen. Diese lautet:
„Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat.“
Es kann dahinstehen, ob diese Neuregelung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO – wonach § 171 AO für Realsteuern entsprechend gilt – auch für die umgekehrte Konstellation, dass der Grundlagenbescheid von einer Finanzbehörde und der Folgebescheid von einer anderen Behörde erlassen wird, entsprechende Anwendung findet. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, bedürfte es zwar in Konstellationen der vorliegenden Art der genannten Auslegung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nicht, weil dasselbe Ergebnis über § 171 Abs. 10 Satz 2 AO erreicht würde. Dies rechtfertigt aber nicht den Umkehrschluss, dass § 171 Abs. 10 Satz 1 AO (und zwar schon für die Zeit vor seiner Geltung) entgegen seinem unbeschränkten Wortlaut dahingehend teleologisch zu reduzieren ist, dass auf eine Bekanntgabe des Grundlagenbescheids allein an den Steuerpflichtigen abzustellen ist. Vielmehr ist die Neuregelung in § 171 Abs. 10 Satz 2 AO für die zahlreichen Konstellationen gedacht, in denen der Folgebescheid von der Finanzbehörde und der Grundlagenbescheid von einer anderen Behörde erlassen wird und der Grundlagenbescheid der Finanzbehörde nicht bekannt zu geben ist (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.12.2015, BR-Drucks. 631/15, S. 104 f.). Für diese Fälle greift § 171 Abs. 10 Satz 2 AO unabhängig von der erläuterten Auslegung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO, welche diejenigen Fälle betrifft, in denen der Grundlagenbescheid der Folgebehörde bekannt zu geben ist.
Auch die Erwägungen der Antragstellerin zur Steuererhebungspflicht dürften keine andere Auslegung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO gebieten. Durch die genannte Auslegung wird der Steuererhebungspflicht gerade Rechnung getragen. Denn durch sie wird verhindert, dass die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO bereits mit der Bekanntgabe des Grundlagenbescheids an den Steuerpflichtigen zu laufen beginnt, obwohl die für den Folgebescheid zuständige Behörde den Inhalt eines an sie bekanntzugebenden Grundlagenbescheids bei einer fehlenden Bekanntgabe an sie nicht auswerten kann.
Die Festsetzungsverjährung tritt voraussichtlich auch dann nicht im Fall einer Nichtbekanntgabe des Grundlagenbescheids an die für den Steuerbescheid zuständige Behörde ein, wenn diese – wie hier – keine Nachforschungen bei der für den Grundlagenbescheid zuständigen Behörde nach dem Verbleib eines seit Längerem ausstehenden Grundlagenbescheids anstellt. Zwar könnte sich eine für den Steuerbescheid zuständige Behörde bei der für den Grundlagenbescheid zuständigen Behörde erkundigen, ob und wann voraussichtlich ein Grundlagenbescheid ergehen wird. Sie ist hierzu aber nicht verpflichtet. Sie darf sich vielmehr darauf verlassen, dass die für den Grundlagenbescheid zuständige Behörde, die an Gesetz und Recht gebunden ist (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG), ihr einen etwaigen Grundlagenbescheid bekannt gibt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist ein Steuerpflichtiger in Konstellationen der vorliegenden Art nicht schutzwürdiger als die steuerberechtigte Gemeinde. Denn diese kann ihren Steueranspruch nicht verfolgen, wenn ihr der Grundlagenbescheid entgegen einer gesetzlichen Vorgabe nicht bekannt gegeben wird. Diese Störung im Informationsfluss ist ihr nicht anzulasten. Der Steuerpflichtige hingegen weiß in einer Konstellation der vorliegenden Art, wenn (nur) ihm der Grundlagenbescheid bekannt gegeben wurde, dass der steuerberechtigten Gemeinde dem Grunde nach ein Steueranspruch entsprechend dem Grundlagenbescheid gegen ihn zusteht. Will er Rechtssicherheit darüber erlangen, ob gegen ihn aus diesem Grundlagenbescheid noch vorgegangen werden kann, kann er sich bei der für den Steuerbescheid zuständigen Behörde erkundigen, ob und wann dieser der Grundlagenbescheid bekannt gegeben wurde. Zwar ist er hierzu ebenso wenig verpflichtet, wie die für den Steuerbescheid zuständige Behörde zu Nachforschungen nach einem Grundlagenbescheid bei der dafür zuständigen Behörde verpflichtet ist. Es ist ihm aber umgekehrt auch nicht verboten, sich nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Grundlagenbescheids an die für den Steuerbescheid zuständigen Behörde zu erkundigen, um für sich selbst Rechtssicherheit zu erhalten.
Die Antragstellerin wendet sich des Weiteren gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zerlegungsbescheid des Finanzamts D. vom 24. Januar 2013 sei der Antragsgegnerin nach dem Inhalt der von dieser und vom Finanzamt D. vorgelegten Verwaltungsvorgänge bis zum Erlass des Gewerbesteuerbescheids vom 5. Dezember 2017 nicht bekannt gegeben worden.
Sie vertritt die Auffassung, dass der Zerlegungsbescheid nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als der Antragsgegnerin am 28. Januar 2013 bekannt gegeben gelte und damit gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO mit Ablauf des 31. Dezember 2016 die Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Nach im Einzelnen bezeichneten Gerichtsentscheidungen entspreche bei einer Erstellung und einem Versand eines Bescheids durch ein Rechenzentrum das auf dem Bescheid aufgedruckte Datum dem Postaufgabetag. Aus den Schreiben des Finanzamts D. an das Verwaltungsgericht vom 9. Juli 2018 und an die Antragsgegnerin vom 26. Juni 2018 ergebe sich, dass die durch das Rechenzentrum der sächsischen Finanzverwaltung gefertigten und versandten Grundlagenbescheide jeweils am Tag ihrer Erstellung zur Post gegeben worden seien. Den Akten des Finanzamts D., das nach einer Auskunft vom 25. Juli 2018 die an die Gemeinden versandten Bescheide erst seit dem 5. April 2017 speichere, sei nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Um eine Beweislast der Behörde zu begründen, müsse der Adressat eines Verwaltungsakts nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs substanziiert darlegen, dass er nicht rechtzeitig in den Besitz des Bescheids gelangt sei. Er müsse Tatsachen vortragen, die den Schluss darauf zuließen, dass ein anderer Geschehensablauf als ein Zugang binnen drei Tagen nach der Aufgabe zur Post ernstlich in Betracht komme. Das pauschale Bestreiten des Zugangs der Grundlagenbescheide durch die Antragsgegnerin genüge insoweit nicht. Die Antragsgegnerin behaupte, in den Jahren 2013 und 2015 jeweils zwei verschiedene Bescheide nicht erhalten zu haben. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen habe zu einem ähnlichen Fall in einem Beschluss vom 29. Februar 2016 (13 L 2292/15) ausgeführt, es widerspreche der Erfahrung des täglichen Lebens, dass mehrere an eine Person gerichtete Schriftstücke auf dem Postweg verloren gingen. Da die Antragstellerin Posteingänge nicht zentral erfasse, könnte Post hausintern falsch verteilt worden sein.
Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, sie habe von dem Zerlegungsbescheid erst durch eine E-Mail der Steuerberaterin der Antragstellerin vom 27. November 2017 erfahren. Die Akte des Finanzamts D. enthalte keinen Hinweis darauf, dass der Zerlegungsbescheid vom Rechenzentrum der sächsischen Finanzverwaltung an sie versandt worden sei. Mangels Dokumentation zu dem Zerlegungsbescheid könne nicht einfach unterstellt werden, dass er ihr zugegangen sei. Nach der Privatisierung der Postleistungen kämen Briefe oft nicht beim Adressaten an. Es sei nicht auszuschließen, dass die Finanzverwaltung im betreffenden Zeitraum einen nicht über jeden Zweifel erhabenen Dienstleister beauftragt habe. Eingehende Briefe würden von ihr entsprechend der „Allgemeinen Dienst- und Geschäftsanweisung der Stadt E.“ mit Eingangsstempeln versehen und unverzüglich der betreffenden Fachabteilung vorgelegt.
Die Antragstellerin bestreitet „mit Nichtwissen“, dass es infolge der Privatisierung der Postleistungen allgemein und im konkreten Fall Störungen bei Zustellungen gegeben habe.
Auf der Grundlage dieses Vorbringens beider Beteiligten ist bei summarischer Prüfung anzunehmen, dass der Zerlegungsbescheid vom 24. Januar 2013 nicht gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als der Antragsgegnerin bekannt gegeben gilt.
Nach dieser Vorschrift gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Steht nur das Datum eines Bescheids, nicht aber das Datum seiner Aufgabe zur Post fest, ist die Zugangsfiktion nicht anwendbar (vgl. BFH, Beschluss vom 6.7.2011 – III S 4/11 (PKH) – juris Rn. 11; Urteil vom 22.5.2002 – VIII R 53/00 – juris Rn. 12).
Nach derzeitigen Erkenntnissen steht bereits nicht fest, dass der an die Antragsgegnerin adressierte Zerlegungsbescheid vom 24. Januar 2013 an sie zur Post aufgegeben wurde:
Aus dem von der Antragstellerin angeführten Schreiben des Finanzamts D. vom 9. Juli 2018 an das Verwaltungsgericht ergibt sich dies nicht. Vielmehr hat das Finanzamt D. dem Verwaltungsgericht mit dem Schreiben eine Kopie der Gewerbesteuer- und Gewerbesteuerzerlegungserklärung der Antragstellerin für das Jahr 2011 sowie Aktenausfertigungen der durch das Rechenzentrum der sächsischen Finanzverwaltung versandten Bescheide vorgelegt und erklärt, weitere Unterlagen lägen für den Veranlagungszeitraum 2011 für die Gewerbesteuer nicht vor. Die vorgelegten Aktenausfertigungen beschränken sich auf den an die Bevollmächtigte der Antragstellerin ergangenen Gewerbesteuermessbescheid für das Jahr 2011 und den an die Bevollmächtigte der Antragstellerin adressierten Zerlegungsbescheid für das Jahr 2011.
Zwar heißt es in dem weiteren von der Antragstellerin genannten Schreiben des Finanzamts D. vom 26. Juni 2018 an die Antragsgegnerin, der Bescheid vom 24. Januar 2013 sei am selben Tag zentral vom Rechenzentrum erstellt worden; dieser Tag stelle den Tag der Aufgabe zur Post dar. Die letztgenannte Aussage gibt aber nur die persönliche Ansicht des Verfassers des Schreibens wieder. Dies ist aus einem Schreiben des Finanzamts D. an das Verwaltungsgericht vom 25. Juli 2018 zu schließen. Darin wurde nämlich mitgeteilt, dass Aktenausfertigungen der an die Gemeinden versandten Bescheide im Freistaat F. erst seit dem 5. April 2017 gespeichert würden. Da der Zerlegungsbescheid für 2011 bereits am 24. Januar 2013 ergangen sei, existiere keine Aktenausfertigung im Datenbestand der sächsischen Finanzverwaltung. Ebenso wenig sei eine Dokumentation über die Erstellung und Versendung des Bescheids vorhanden.
Die Antragstellerin geht fehl in der Annahme, dass bei einer Versendung von Bescheiden durch ein Rechenzentrum aus dem aufgedruckten Datum des Bescheids stets darauf zu schließen sei, dass der Bescheid an diesem Tag auch an den Adressaten zur Post aufgegeben worden sei. Dies ergibt sich nicht aus den von ihr zitierten Gerichtsentscheidungen. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Beschluss vom 5. Dezember 2013 (X B 262/12) – und zwar ausschließlich zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch das Rechenzentrum der Finanzverwaltung für das Land Nordrhein-Westfalen – lediglich entschieden: „Soweit aufgrund des Auszugs aus der Überwachungsdatenbank wie auch dem sog. Troubleticket davon auszugehen ist, dass eine Sendung ohne Störung durchgelaufen und einer von zwei Verwaltungsakten dem Steuerpflichtigen zugegangen ist, wird dies auch für den anderen Verwaltungsakt gelten, wenn dieser die Codierung neben dem Adressfeld enthalten muss.“ Das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 6. Mai 2008 (13 K 874/06) betrifft einen Fall, in dem der Bescheid unstreitig zugegangen und damit unzweifelhaft zur Post aufgegeben worden war. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 22. Juni 2017 (2 A 218/16) bezieht sich ebenfalls auf eine Kon-stellation, in der nach den Feststellungen des Gerichts feststand, dass das betreffende Schriftstück die Behörde in Richtung Adressat verlassen hatte. Die Antragstellerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach einem Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 21. März 2001 (1 K 358/99) das auf dem Steuerbescheid aufgedruckte Datum bei dem in Mecklenburg-Vorpommern praktizierten computergestützten Be-scheiderstellungsverfahren dem Absendedatum entspricht. Dieses sich allein auf die Situation in Mecklenburg-Vorpommern beziehende Urteil ist aber nicht auf andere Bundesländer übertragbar. Vielmehr ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geklärt, dass das auf einem Bescheid aufgedruckte Datum nicht zwingend mit dem Tag der Aufgabe eines Bescheids zur Post identisch ist (vgl. BFH, Urteile vom 22.5.2002 – VIII R 53/00 – juris Rn. 12; vom 3.5.2001 – III R 56/98 – ZKF 2002, 186 = juris Rn. 14; vom 19.12.1984 – I R 7/82 – BFHE 143, 200 [BFH 19.12.1984 - I R 7/82] = juris Rn. 8). Bei einer Erstellung der Bescheide durch ein Rechenzentrum kann nicht ohne weitere Sachaufklärung in Bezug auf die genauen Abläufe im betreffenden Rechenzentrum von der Erstellung bis zur Absendung der Bescheide davon ausgegangen werden, dass aufgrund des Bescheiddatums der Absendetag feststeht (vgl. BFH, Beschlüsse vom 6.7.2011, a. a. O., Rn. 11; vom 23.8.2005 – V B 115/04 – juris Rn. 7 f.; vgl. auch BFH, Urteil vom 28.9.2000 – III R 43/97 – BFHE 193, 28 = juris Rn. 27 ff.).
Selbst wenn weitere Aufklärungen ergäben, dass der Zerlegungsbescheid vom 24. Januar 2013 vom Rechenzentrum der sächsischen Finanzverwaltung an die Antragsgegnerin zur Post aufgegeben wurde, griffe die Zugangsfiktion nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO aller Voraussicht nach gleichwohl nicht ein. Denn § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO enthält ausdrücklich die Einschränkung „außer wenn er nicht … zugegangen ist“. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, ist den von der Antragsgegnerin und vom Finanzamt D. vorgelegten Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen, dass der Zerlegungsbescheid der Antragsgegnerin zugegangen ist. Das einzige vorliegende Exemplar des an die Antragsgegnerin adressierten Zerlegungsbescheids vom 24. Januar 2013 – welches die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 8. Februar 2018 zur Gerichtsakte gereicht hat – ging ausweislich des Eingangsstempels bei der Steuerberaterin der Antragstellerin ein. Hinsichtlich des Nichtzugangs des Zerlegungsbescheids bedurfte es wohl keiner Substanziierungen seitens der Antragsgegnerin. Die von der Antragstellerin in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach nicht jedes beliebige Bestreiten des Zugangszeitpunkts die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO außer Kraft setzt, sondern der Empfänger substanziiert Tatsachen vortragen muss, die schlüssig auf den verspäteten Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 5.9.2017 – IV B 82/16 – juris Rn. 9; vom 23.11.2016 – IX B 54/16 – juris Rn. 5 m. w. N.), bezieht sich ausschließlich auf solche Fälle, in denen der Adressat des Bescheids diesen tatsächlich erhalten hat, aber den Zugang innerhalb des in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO genannten Drei-Tage-Zeitraums bestreitet. Sie gilt nicht für diejenigen Fälle, in denen der Adressat – wie hier die Antragsgegnerin – den Zugang des Schriftstücks überhaupt bestreitet (vgl. BFH, Urteil vom 14.6.2018 – III R 27/17 – juris Rn. 9; Beschlüsse vom 18.4.2013 – X B 47/12 – juris Rn. 14; vom 20.10.2011 – V B 17/11 – ZSteu 2012, R1382 = juris Rn. 14, Senatsbeschluss vom 3.12.2018 – 9 LA 124/18 –). Die dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechende Ansicht des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen in seinem Beschluss vom 29. Februar 2016 (13 L 2292/15), wonach das schlichte Bestreiten des Betroffenen, dass ihm ein Verwaltungsakt zugegangen sei, regelmäßig nicht ausreicht, um die Zugangsvermutung nach § 122 Abs. 2 AO zu entkräften, teilt der Senat nicht. Sie führt zu einer unbilligen Verlagerung der Beweislast.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 39, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (NordÖR 2014, 11). Der Streitwert beträgt danach ein Viertel von 493.549,60 EUR (385.595,60 EUR + 107.954 EUR), d. h. 123.387,40 EUR.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).