Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 15.10.2018, Az.: 3 A 745/17

30-tägige Ausreisefrist; Abschiebungsandrohung; Abschiebungshindernis; Abschiebungsverbot; Adressatengedanke; Adressatentheorie; Anerkannte Schutzberechtigte; Ausreisefrist; begünstigende Regelung; Drittstaatenbescheid; Einwöchige Ausreisefrist; Italien; keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung; Mitgliedstaatenbescheid; Qualifikationsrichtlinie; subjektive Rechtsverletzung; Umgehung des § 37 AsylG; Unzulässiger Asylantrag; Zu lang bemessene Ausreisefrist

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
15.10.2018
Aktenzeichen
3 A 745/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74233
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Setzt das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (bewusst) - entgegen § 36 Abs. 1 AsylG - eine Ausreisefrist von 30 Tagen statt von einer Woche, so ist weder die gesamte Abschiebungsandrohung noch die Ausreisereisefrist aufzuheben. Die Ausreisefrist ist zwar rechtswidrig, verletzt den Kläger jedoch nicht in seinen subjektiven Rechten (entgegen VG Bayreuth, Urteil vom 01.12.2017 - B 3 K 17.33153 -, juris).

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Überstellung nach Italien.

Er ist nach eigenen Angaben am H. geboren, somalischer Staatsangehöriger, vom Clan der I. und sunnitischen Glaubens. Ebenfalls nach eigenen Angaben reiste er im April 2009 von Libyen aus nach Italien ein, von wo er im Dezember 2010 nach Norwegen reiste, von dort im Oktober 2012 zurück nach Italien abgeschoben wurde, wiederum im August 2013 zurück nach Norwegen kehrte und nunmehr am 30.06.2016 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste und am 05.07.2016 hier einen Asylantrag stellte.

Das Bundesamt erhielt am 06.07.2016 in Bezug auf den Kläger zwei Eurodac-Treffer der Kategorie 1 mit Bezug auf Norwegen (J. und J. -2). Am 08.09.2016 wurde ein sog. Wiederaufnahmegesuch an die norwegischen Behörden gerichtet. Daraufhin teilten diese mit Schreiben vom 12.09.2016 mit, dass der Kläger in Norwegen am 29.12.2010 und am 04.09.2013 jeweils einen Asylantrag stellte. Diese wurden jeweils abgelehnt, nämlich am 17.09.2013 und am 10.09.2015, weil der Kläger bereits internationalen Schutz in Italien erhalten habe. Die norwegischen Behörden übersandten ihre alten Eurodac Berichte, die Bestätigung der Asylgewährung in Italien vom 01.03.2011, italienische Identitätsdokumente für Ausländer und eine italienische Aufenthaltsgestattung. Aus diesen Dokumenten ergibt sich, dass der Kläger in Italien unter dem Namen K. L., A., geboren am H. in Mogadishu, Flüchtlingsschutz erhielt. In Norwegen trat er auch unter dem Namen Mohamed K. L. auf und gab an, am M. geboren zu sein.

Mit Bescheid vom 22.11.2017, zugestellt am 28.11.2017, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz nicht vorliegen (Ziffer 2), forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, wobei im Falle der Klageerhebung die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet. Für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist drohte das Bundesamt die Abschiebung nach Italien oder einen anderen aufnahmebereiten oder -verpflichteten Staat an (Ziffer 3 Sätze 1 bis 3), gleichzeitig wurde die Feststellung getroffen, dass der Kläger nicht nach Somalia abgeschoben werden darf (Ziffer 3 Satz 4). Gleichzeitig befristete das Bundesamt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).

Der Kläger hat am 11.12.2017 Klage erhoben. Zur Begründung hat er angeführt, ihm sei nicht bekannt, dass er in Italien als Flüchtling anerkannt worden ist. Ferner habe er nicht um die Anerkennung als Flüchtling in Italien nachgesucht. Zudem drohe ihm im Falle einer Rückkehr nach Italien eine Verletzung seines Rechts aus Art. 3 der Europäischen Menschenrechtkonvention (EMRK). In Italien sei er obdachlos gewesen und habe keine gute medizinische Versorgung erhalten.

Der Kläger hat zunächst den Antrag angekündigt, unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 22.11.2017 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie äußerst hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Nach einem richterlichen Hinweis beantragt er nunmehr,

den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.11.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot in Bezug auf Italien für den Kläger vorliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.

Der Rechtsstreit ist mit Beschluss der Kammer vom 28.05.2018 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte im Übrigen, die Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes, die Ausländerakte sowie die den Beteiligten bekanntgegebene Liste der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel zu Italien (Stand: Juni 2018) Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

I.

Soweit der Kläger den Bescheid des Bundesamts vom 22.11.2017 anficht, ist die Klage als – nunmehr erhobene – Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO statthaft. Geht es – wie vorliegend – um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart gegen den Bescheid des Bundesamts (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.10.2015 - 1 C 32.14 -, juris, Rn. 13 f.; Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris, Rn. 16 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 20.12.2016 - 8 LB 184/15 -, juris, Rn. 24). Eine isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelungen führt zur weiteren Prüfung des Antrags des Klägers durch das Bundesamt und damit zu dem erstrebten Rechtsschutzziel, denn damit wird das Verwaltungsverfahren in den Stand zurückversetzt, in dem es sich vor Erlass der streitgegenständlichen Regelungen befunden hat. Das Bundesamt ist im Falle einer Aufhebung des Bescheides gemäß §§ 24, 31 AsylG gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren weiterzuführen (vgl. etwa VG Bayreuth, Urteil vom 09.11.2017 - B 3 K 17.31964 -, juris, Rn. 23).

In Bezug auf die Anfechtung der Ziffer 3 Satz 4 des angegriffenen Bescheides, der Feststellung, dass der Kläger nicht nach Somalia abgeschoben werden darf, fehlt es dem Kläger an der erforderlichen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Denn der Kläger kann durch diese ihn begünstigende Regelung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in seinen Rechten verletzt sein.

II.

Die im Übrigen zulässige Anfechtungsklage ist aber unbegründet. Der Bescheid vom 22.11.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.

Die Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides ist rechtmäßig. Denn der Asylantrag des Klägers ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Deutschland unzulässig.

Gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Hiermit wird Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) - Asylverfahrensrichtlinie - (Richtlinie 2013/32/EU) umgesetzt, welcher in seinem Absatz 2 abschließend regelt, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten einen Asylantrag als unzulässig betrachten dürfen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.08.2016 - 13 A 63/16.A -, juris, Rn. 30). Dies ist nach Art. 33 Abs. 2 lit a) Asylverfahrensrichtlinie u. a. dann der Fall, wenn ein anderer Mitgliedstaat bereits internationalen Schutz gewährt hat. Dies ist hier der Fall. Ausweislich des Schreibens des italienischen Innenministeriums vom 01.03.2011 wurde dem Kläger dort der Flüchtlingsstatus („refugee status“) und damit internationaler Schutz i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt.

Dass der Kläger behauptet, er habe in Italien nie einen Asylantrag gestellt und auch nie einen Bescheid erhalten, ändert nichts an der Tatsache der Anerkennung als Flüchtling durch Italien, die als solche für das Eingreifen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG genügt.

2.

In Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids hat das Bundesamt zu Recht angenommen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen.

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK sind im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) hinsichtlich Italiens nicht gegeben.

Hinsichtlich der Feststellung etwaiger zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote ist zu beachten, dass ein Flüchtling in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83/389 vom 30.03.2010; EUGrCh), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (BGBl. II 1953, S. 559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (BGBl. II 1952, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.10.2010 [BGBl. II S. 1198]; EMRK) behandelt wird. Italien unterliegt als Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Unionsrecht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards eines gemeinsamen Asylsystems verpflichtet. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris, Rn. 180 f.) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris, Rn. 79 ff.) gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber dort – wie in jedem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – den Erfordernissen der EUGrCh sowie der Genfer Flüchtlingskonvention (GK) und der EMRK entspricht und dass das italienische Asylrecht im Allgemeinen in Einklang mit den internationalen und europäischen Standards steht sowie die wichtigsten Garantien einhält. Insoweit wird zunächst vermutet, dass die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge in Italien nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen. Diese Vermutung kann allerdings widerlegt werden, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a. a. O., Rn. 81). Die Widerlegung der oben genannten Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.08.2018 - 1 B 25/18 -, juris, Rn. 8; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 9). Das erfordert eine aktuelle Gesamtwürdigung der zur jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen, wobei regelmäßigen und übereinstimmenden Berichten von internationalen Nichtregierungsorganisationen besondere Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.04.2016 - 2 BvR 273/16 -, juris Rn. 11; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a. a. O., Rn. 90 f.). Das gilt insbesondere für die Stellungnahmen des UNHCR angesichts der Rolle, die diesem in Hinblick auf die Überwachung der Einhaltung der GFK (vgl. dort Art. 35) übertragen worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 - C-528/11 -, juris, Rn. 44). Zur Bestimmung der wesentlichen Kriterien für das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu dem mit Art. 4 EUGrCh übereinstimmenden Art. 3 EMRK zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.08.2018, a. a. O., Rn. 11; Beschluss vom 02.08.2017 - 1 C 37.16 -, juris, Rn. 20; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2018 - 10 LB 82/17 -, juris, Rn. 31; Urteil vom 25.06.2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 43; OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 112).

In der Rechtsprechung des EGMR ist geklärt, dass die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren ein gewisses "Mindestmaß an Schwere" (minimum level of severity) erreichen müssen, um ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EUGrCh zu begründen (vgl. EGMR, Große Kammer, Urteil vom 13.12.2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien -, Rn. 174). Die Bestimmung dieses Mindestmaßes an Schwere ist relativ und hängt von allen Umständen des Falls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, den daraus erwachsenen körperlichen und mentalen Folgen für den Betroffenen und in bestimmten Fällen auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen (vgl. EGMR, Urteil vom 13.12.2016, a. a. O., Rn. 174). Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts beim EuGH Wathelet vom 25. Juli 2018 (C-163/17 -, juris, Rn. 143) muss sich der Betroffene in "einer besonders gravierenden Lage" befinden. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 23 und 25 sowie zum vorstehenden insgesamt BVerwG, Beschluss vom 08.08.2018, a. a. O., Rn. 9).

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR liegt eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK – zusammenfassend – (insbesondere) vor, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit Blick auf das Gewicht und das Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass der Betroffene in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) – im Unterschied zu den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats – nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. EGMR, Große Kammer, Urteil vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09 - M.S.S. / Belgien u. Griechenland, NVwZ 2011, 413, Rn. 263 f.; BVerwG, Beschluss vom 08.08.2018, a. a. O., Rn. 9 - 11; Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018 - 10 LB 109/18 -, juris, Rn. 31; Urteil vom 29.01.2018 - 10 LB 82/17 -, juris, Rn. 32 und 34) und der betreffende Mitgliedstaat dem mit Gleichgültigkeit begegnet, weil er auf die gravierende Mangel- und Notsituation nicht mit (geeigneten) Maßnahmen reagiert (vgl. EGMR, Urteil vom 21.12.2011, a. a. O., Rn. 53; Urteil vom 04.11.2014 - Nr. 29217/12 -, Tarakhel / Schweiz, NVwZ 2015, 127, 129 ff., Rn. 98; BVerwG, Beschluss vom 08.08.2018, a. a. O.; Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018, a. a. O.; Urteil vom 29.01.2018, a. a. O., Rn. 32 und 40; VG Göttingen, Urteil vom 11.12.2017 - 3 A 186/17 -, juris, Rn. 36 ff.).

Dies zugrunde gelegt ist das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK hinsichtlich des in der Abschiebungsandrohung bezeichneten sicheren Drittstaates Italien – unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.08.2018, a. a. O., Rn. 11) – nicht festzustellen (vgl.Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018, a. a. O., Rn. 33 ff.; OVG NRW, Urteil vom 24.08.2016 - 13 A 63/16. A -, juris, Rn. 51 ff.; VG Braunschweig, Urteil vom 26.09.2017 - 7 A 338/16 -, juris, Rn. 57 ff.; VG Magdeburg, Urteil vom 06.04.2017 - 8 A 92/16 -, juris, Rn. 15 ff.). Denn nach den dargestellten strengen Maßstäben bestehen in Italien keine grundlegenden Defizite im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, da diese in ihrer Gesamtheit zur Überzeugung des Einzelrichters nicht die Annahme rechtfertigen, dass anerkannten Schutzberechtigten – wie dem Kläger – bei einer Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK droht. Auch die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie sind für diesen Personenkreis erfüllt.

Der erkennende Einzelrichter folgt der umfassenden Auswertung und Bewertung neuster Erkenntnismittel durch das Nds. OVG im Hinblick auf das Asylverfahren, die Unterkunftssituation, die medizinische Versorgung und die Bereitstellung der übrigen materiellen Leistungen (vgl. Urteil vom 06.04.2018, a. a. O., Rn. 35 – 53) und macht sich diese Ausführungen – insbesondere auch in Bezug auf die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie – nach eigener Prüfung zu Eigen. Aus den Ausführungen des Nds. OVG ergibt sich als tragende Erwägung, dass anerkannte Schutzberechtigte bezüglich der genannten sozialen Rechte und dem Zugang zu Sozialleistungen den italienischen Staatsangehörigen völlig gleichgestellt sind. Es wird von ihnen – wie auch von italienischen Staatsangehörigen – grundsätzlich erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Dies ist unionsrechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden (vgl. nochmals Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018, a. a. O., Rn. 31; OVG NRW, Urteil vom 24.08.2016 - 13 A 63/16. A -, juris, Rn. 51 ff., 58). Außerdem werden anerkannte Schutzberechtigte in Italien – im Unterschied beispielsweise zu der Lage in Bulgarien (siehe hierzu Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2018 - 10 LB 82/17 -, juris, Rn. 36 ff., 45 ff. und 49 ff.; VG Göttingen, Urteil vom 11.12.2017 - 3 A 186/17 -, juris, Rn. 39 ff., 51) – nicht durch die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des Zugangs zu den Sozialleistungen von diesen ausgeschlossen (vgl. nochmals Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018, a. a. O., Rn. 38). Da Italien anerkannte Schutzberechtigte im Hinblick auf die Sozialleistungen genauso behandelt wie seine eigenen Staatsangehörigen, scheidet deshalb auch ein Verstoß gegen die Qualifikationsrichtlinie von vornherein aus (Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018, a. a. O., Rn. 3; vgl. ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.08.2016, a. a. O., Rn. 58):

„Höhere Anforderungen an die Versorgung von anerkannten Flüchtlingen ergeben sich auch nicht aus der Qualifikationsrichtlinie. Denn nach deren Art. 29 Abs. 1 tragen die Mitgliedstaaten “nur“ dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe – wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats – erhalten. Nach Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie tragen die Mitgliedstaaten ferner dafür Sorge, dass diese Personen zu denselben Bedingungen – wie Staatsangehörige des ihren Schutz gewährenden Mitgliedstaats – Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Schließlich muss nach Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie auch der Zugang zu Wohnraum “nur“ unter den Bedingungen gewährleistet werden, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhalten.“

Unabhängig von dem genannten Gesichtspunkt der sogenannten Inländergleichbehandlung kann auch deshalb eine Verletzung der Rechte aus Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK nicht festgestellt werden, weil rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte bei umfassender Auswertung und Bewertung neuster Erkenntnismittel – neben den Hilfen durch kommunale und karitative Einrichtungen sowie NGO’s – auch im Hinblick auf staatliche Hilfen keineswegs gänzlich auf sich selbst gestellt sind (OVG, Urteil vom 29.01.2018 - 10 LB 82/17 -, juris, Rn. 41 f.):

„Anerkannte Flüchtlinge haben im Rahmen der bestehenden Kapazitäten und sofern die maximale Aufenthaltsdauer von 6 Monaten, die unter bestimmten Voraussetzungen (bei Gesundheitsproblemen oder im Hinblick auf bestimmte Integrationsziele) um weitere 6 Monate verlängert werden kann, noch nicht ausgeschöpft ist, Zugang zum Zweitaufnahmesystem SPRAR, das zur Zeit über 31.313 Plätze verfügt. (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1, Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1, und Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 29, 35 f. und 39; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seite 3). Bei den SPRAR handelt es sich um eine dezentrale auf lokaler Ebene organisierte (Zweit-)Unterbringung, die aus einem Netzwerk von Unterkünften und überwiegend aus Wohnungen besteht, auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGO‘s basiert und die Teilhabe am kommunalen Leben fördern soll. Die Unterbringung wird von Unterstützungs- und Integrationsmaßnahmen (Rechtsberatung, Sprachkurse, psychosoziale Unterstützung, Jobtrainings, Praktika, Unterstützung bei der Suche einer Stelle auf dem Arbeitsmarkt) begleitet (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 35 f. und 53, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 6; BAMF, Länderinformation: Italien, Mai 2017, Seiten 1 und 2). Neben Lebensmitteln erhalten die Bewohner auch ein Taschengeld je nach SPRAR-Projekt zwischen 1,50 Euro/Tag und 3 Euro/Tag (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 50, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 3; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seiten 1 und 2). Soweit (in der Vergangenheit) die Plätze in den SPRAR-Einrichtungen (wie möglicherweise auch in anderen Einrichtungen) nicht ausreichend (gewesen) sein sollten, ergibt sich daraus schon deshalb keine Verletzung der Rechte aus Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK, weil diese Rechte die Staaten weder verpflichten, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer "Spitzenbelastung" vorzuhalten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.07.2016 – 13 A 2302/15.A –, juris Rn. 90).“

Darüber hinaus ist eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK auch deshalb zu verneinen, weil der italienische Staat auf die Situation der anerkannten Schutzberechtigten keineswegs mit Gleichgültigkeit reagiert (Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018, a. a. O., Rn. 55 -58):

„Denn zum einen hat er nach den obigen Feststellungen die Unterkunftskapazitäten insgesamt nahezu verdreifacht und auch die Zahl der Unterkunftsplätze im SPRAR-System erheblich um 10.000 Plätze auf nunmehr 31.313 Plätze erhöht (SFH, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 2). Zum anderen hat er im Oktober 2017 einen Nationalen Integrationsplan erlassen, der insbesondere Hilfen für anerkannte Schutzberechtigte enthält. Der Plan wird durch EU-Gelder finanziert und wurde mithilfe lokaler Regierungen und NGOs entwickelt (The Local, „Italy launches forst official migrant integration plan: Five Things you need to know“, 27.09.2017). Er beinhaltet eine Verpflichtung anerkannter Schutzberechtigter zu italienischen Werten (Verfassung), Rechten und zum Erlernen der italienischen Sprache. Er sieht spezielle Hilfen für Analphabeten, die Aufnahme anerkannter Schutzberechtigter in regionale Notfallunterkünfte nach Verlassen der Aufnahmezentren sowie die Unterstützung bei der Arbeitssuche und eine Bekräftigung des Rechts auf Zugang zum Gesundheitssystem vor. Nach diesem Plan ist Italien bestrebt, das CAS-System weitestgehend in das SPRAR-System zu überführen, um effektive nationale Integration zu ermöglichen (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, http://www.interno.gov.it/sites/default/files/piano_nazionale_integrazione_eng.pdf, Seite 17). Ferner möchte Italien laut dem Nationalen Integrationsplan eine vollständige Umsetzung der Übereinkunft zwischen der Zentralregierung und den Regionen zur Gesundheit von Migranten von 2012 erreichen, wobei der Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst verbessert werden und eine Überwachung auf nationaler und regionaler Ebene erfolgen soll, ob die Vereinbarung von 2012 umgesetzt wird. Im Übrigen ist geplant, die Organisationen und das Angebot im Bereich der Gesundheitsversorgung zu stärken, indem spezifische Wege für jede Krankheit aufgezeigt werden, besonders auch für psychiatrische Fälle und PTBS. Die Zahl kostenloser Dienste soll angepasst und Präventionsprogramme mit Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen und für die Gesundheit von Mutter und Kind sollen gestärkt werden (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 25). Des Weiteren will Italien Anreize für Sprachkurse schaffen, die außerhalb der Unterbringungseinrichtungen angeboten werden. Zu diesem Zweck sollen Sprachkurse mit Lehrern angeboten werden, die spezialisiert sind und interaktive und experimentelle Methoden nutzen (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 22). Ziel ist es, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Zugang zu sekundärer und höherer Bildung zu ermöglichen und die Anerkennung vorheriger Kompetenzen und Abschlüsse zu garantieren (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 23). In diesen gerade auf die Situation anerkannter Schutzberechtigter reagierenden Hilfebemühungen und in den bereits tatsächlich umgesetzten Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lage (Erhöhung der Zahl der Unterkunftsplätze im SPRAR-System um 10.000 Plätze) liegt auch ein wesentlicher Unterschied zu der Situation anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien, die sich dort letztlich staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sehen (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 40). Außerdem besteht ein maßgeblicher Unterschied darin, dass der bulgarische Staat seinen Staatsangehörigen soziale Leistungen anbietet, zu denen anerkannte Schutzberechtigte jedoch keinen Zugang haben (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 36 ff., 46 f. und 50), während der italienische Staat anerkannte Schutzberechtigte in jeder Hinsicht gleich behandelt mit italienischen Staatsangehörigen.“

An der vorliegenden Einschätzung der allgemeinen Lebenssituation in Italien für anerkannte Schutzberechtigte ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kläger im konkreten Einzelfall in Italien bei seinem zweiten Aufenthalt – nach Rückführung durch die norwegischen Behörden im Jahre 2012 – teilweise obdachlos war und – wie er angibt – viel Elend gesehen hat. Denn solche einzelfallbezogenen Erfahrungen allein führen in Anbetracht der sonstigen Erkenntnislage nicht zur Feststellung regelhafter und größerer Funktionsstörungen im oben genannten Sinne, zumal sich die letzte Erfahrung des Klägers auf das Jahr 2013 bezieht und seitdem nach den vorliegenden aktuellen Erkenntnismitteln Verbesserungen im Zweitaufnahmesystem zu verzeichnen sind. Gleiches gilt auch in Bezug auf das Vorbringen des Klägers, dass er Dokumente in Italien teils nicht ausgehändigt bekommen habe. So habe er insbesondere seine Reisedokumente („documento di viaggio“) nicht erhalten, hingegen aber seine italienische Aufenthaltsgestattung („permesso di soggiorno per stranieri“) schon.

Der Kläger gehört auch nicht zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis, bei dem nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 04.11.2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.) eine Abschiebung nach Italien nur zulässig ist, wenn zuvor besondere Garantien von den italienischen Behörden eingeholt worden sind. Zur Gruppe der besonders verletzlichen Personen gehören nach der Rechtsprechung des EGMR insbesondere auch Familien mit Neugeborenen und Kleinkindern. Der EGMR hat in seiner „Tarakhel“-Entscheidung insoweit ausgeführt, dass insbesondere minderjährige Asylbewerber eines besonderen Schutzes bedürften, weil sie besondere Bedürfnisse hätten und extrem verwundbar seien (vgl. dazu EGMR, Große Kammer, Urteil vom 04.11.2014, a. a. O., S. 131, Rn. 118 f.). Zur Gruppe der besonders Schutzbedürftigen können nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts im Einzelfall insbesondere Familien bzw. familienähnliche Lebensgemeinschaften mit Neugeborenen und kleinen Kindern oder Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern sowie Personen mit behandlungsbedürftigen schweren Krankheiten oder gravierenden psychischen Störung gehören (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 05.07.2018 - 3 A 535/17 -, UA., S. 11; Beschluss vom 26.04.2017 - 3 B 267/17 -, juris, Rn. 15; siehe auch Art. 21 ff. der Aufnahmerichtlinie).

Die Situation des Klägers ist mit derjenigen, die der „Tarakhel“-Entscheidung zugrunde gelegen hat, nicht vergleichbar. Als junger – achtundzwanzigjähriger –, alleinstehender, gesunder und arbeitsfähiger Mann gehört er offensichtlich nicht zur Gruppe der besonders schutzbedürftigen Personen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018, a. a. O., Rn. 60 ff.).

Auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind nicht gegeben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG allerdings nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. Für eine derart schwerwiegende Erkrankung fehlen im Falle des Klägers jegliche Anhaltspunkte. Vielmehr hat er gegenüber dem Bundesamt angegeben, nicht an schwerwiegenden Erkrankungen zu leiden.

Der Einzelrichter sieht sich durch den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.03.2017 (- 1 C 17/16 -, juris) nicht an einer Entscheidung gehindert (vgl. hierzu und zum Folgenden Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018, a. a. O., Rn. 22). Denn in dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall ging es um einen Folgeantrag mit dem Ziel der "Aufstockung" und um die Frage, ob ein Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes unzulässig ist, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Frage der „Aufstockung“, da dem Kläger in Italien nicht nur der subsidiäre Schutzstatus, sondern die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen wurde. Deswegen geht es allein um die Frage, ob der Abschiebung des Klägers nach Italien die nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG entgegenstehen bzw. ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens dieser Abschiebungsverbote hat.

Auch der Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2017 (- 1 C 26/16 -, juris) ist hier nicht einschlägig (vgl. hierzu und zum Folgenden wiederum Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018, a. a. O., Rn. 23). Denn diese Vorlage betrifft die Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt werden kann wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Italien, wenn die dortigen Lebensbedingungen möglicherweise den Anforderungen der Artikel 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) nicht genügen, ohne bereits gegen Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen. Jedoch verstoßen nach Auffassung des Einzelrichters – in Übereinstimmung mit der aktuellen Rechtsprechung des Nds. OVG – die Lebensverhältnisse in Italien für anerkannte Schutzberechtigte – wie oben bereits dargestellt wurde – nicht gegen die Qualifikationsrichtlinie (vgl. nochmals Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018, a. a. O., Rn. 34 ff.), so dass die Vorlagefrage aus diesem Grunde hier nicht einschlägig ist.

3.

Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids ist – nach den soeben erfolgten Ausführungen – ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

Auch die in Ziffer 3 gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, da der Kläger durch die rechtswidrig zu lang gesetzte Frist nicht in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Setzt das Bundesamt im Falle eines Drittstaatenbescheids (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) dem Kläger eine zu lange Ausreisefrist (30-Tage-Frist gemäß § 38 Abs. 1 AsylG statt richtigerweise die Wochenfrist gemäß § 36 Abs. 1 AsylG), so ist der Bundesamtbescheid, der diesbezüglich zum Gegenstand einer gerichtlichen Nachprüfung gemacht werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.08.2010 - 10 C 18.09 -, juris, Rn. 9 m. w. N.), nicht aufzuheben. Denn er ist insoweit zwar objektiv rechtswidrig, da die Wochenfrist nach dem Gesetzeswortlaut zwingenden Charakter hat und § 36 Abs. 1 AsylG gegenüber § 38 Abs. 1 AsylG eine Spezialregelung darstellt (vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 01.12.2017 - B 3 K 17.33153 -, juris, Rn. 33 m. w. N.). Jedoch verletzt das Setzen der längeren 30-Tage-Frist nach § 38 Abs. 1 AsylG den Kläger nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in eigenen subjektiven Rechten, da ihn dies nur begünstigt (vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 04.09.2018 - 22 K 16303/17.A -, juris, Rn. 30 f.; VG Chemnitz, Beschluss vom 27. August 2018 - 3 L 354/18.A -, juris, Rn. 36; VG Schwerin, Urteil vom 18.06.2018 - 3 A 3589/17 As SN -, juris, Rn. 53).

Zwar gilt bei der Anfechtung durch den Bescheidadressaten grundsätzlich, dass die objektive Rechtswidrigkeit die subjektive Rechtsverletzung indiziert, d. h. dass der objektiv rechtswidrige Verwaltungsakt den Adressaten zumindest in Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, da der Eingriff nicht von der (zutreffenden) Befugnisnorm gedeckt ist (sog. Adressatengedanke; vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, juris, Rn. 16 m. w. N.; grundlegend: BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 -, BVerfGE 6, 32, 36 ff.). Jedoch greift der auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützte Adressatengedanke nicht ein, wenn die Behörde dem Adressaten des angegriffenen Verwaltungsakts mit ihrem rechtswidrigen Handeln im Ergebnis nur einen rechtlichen Vorteil verschafft. Denn aufgrund von Art. 2 Abs. 1 GG sollen Bürger nur auf Grund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formal und materiell der Verfassung gemäß sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.04.2005 - 2 BvR 1027/02 -, juris, Rn. 79; BVerfGE 29, 402, 408). Wenn aber schon im Vergleich zum eigentlich rechtmäßigen Verwaltungshandeln (hier: Wochenfrist gemäß § 36 Abs. 1 AsylG) dem Adressaten kein rechtlicher Nachteil erwächst (sondern die vorteilhafte 30-Tage-Frist gemäß § 38 Abs. 1 AsylG), kann er auch nicht im Sinne des Adressatengedankens belastet sein.

Vielmehr bleibt der Kläger bei der gesetzten Ausreisefrist von einem Monat länger von der – ihn rechtlich belastenden – Pflicht zur Duldung seiner Abschiebung verschont. Denn nach § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, dem eine Ausreisefrist gesetzt wurde, nicht vor deren Ablauf abgeschoben werden.

Die Belastung kann aus Sicht des Einzelrichters nicht daraus hergeleitet werden, dass mit der Aufhebung der Abschiebungsandrohung (richtigerweise – wegen Trennbarkeit von Abschiebungsandrohung und Ausreisefrist – allein der Ausreisefrist, vgl. BVerwG, Urteil vom 03.04.2001 - 9 C 22/00 -, juris, Rn. 9; VG Aachen, Beschluss vom 07.05.2018 - 6 L 202/18.A -, juris, Rn. 67 f.; jeweils m. w. N.) eine Abschiebung überhaupt nicht mehr, auch nicht mit Ablauf von 30 Tage nach der unanfechtbaren Entscheidung, möglich sei (so aber VG Berlin, 28. Kammer, Beschlüsse vom 09.01.2018 - VG 28 L 741.17 A -, juris, Rn. 20 und vom 25.01.2018 - 28 L 872.17 A -, juris, Rn. 9; dem folgend noch VG Göttingen, 3. Kammer – Einzelrichter –, Beschluss vom 03.04.2018 - 3 B 155/18 -, BA., S. 3; a. A. VG Berlin, 23. Kammer, Beschluss vom 01.12.2017 - VG 23 L 767.17 A -, n. v. [zitiert nach dem Beschluss der 28. Kammer vom 09.01.2018, a. a. O.]). Denn bei dieser Betrachtung werden mittelbare – erst durch das gerichtliche Urteil geschaffene – Folgen der Teilaufhebung des angegriffenen Bescheides miteinbezogen. Richtigerweise ist allein der nach dem Gesetz rechtmäßige Soll-Zustand (Wochenfrist gemäß § 36 Abs. 1 AsylG) mit dem durch die Behörde in rechtswidriger Weise geschaffenen Ist-Zustand (30-Tage-Frist gemäß § 38 Abs. 1 AsylG) zu vergleichen, da nur dies unmittelbare – mit Erlass des Bescheides entstehende – Folgewirkungen für den Adressaten hat.

Für dieses Ergebnis spricht auch die Betrachtung der mit der Ausreisefrist verfolgten gesetzgeberischen Zwecke. Die Ausreisefrist soll es dem Ausländer ermöglichen, seine beruflichen und persönlichen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet abzuwickeln und einer Abschiebung durch freiwillige Ausreise zuvorzukommen; darüber hinaus gewährleistet sie im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, dass der Ausländer wirksamen Rechtsschutz erlangen kann (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17.08.2010, a. a. O., Rn. 18 m. w. N.). Vor dem Hintergrund dieser beiden Zwecke der Ausreisefrist kann kein Zweifel daran bestehen, dass eine vom Bundesamt gesetzte zu kurze Ausreisefrist als rechtswidrig und den Kläger in eigenen Rechten verletzend im gerichtlichen Anfechtungsverfahren aufzuheben ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.08.2010, a. a. O., Rn. 9 und 11). Für den hier vorliegenden umgekehrten Fall – Setzung einer mit dem AsylG nicht zu vereinbarenden zu langen Ausreisfrist – kann dies aber gerade nicht gelten. Denn die längere Ausreisefrist nach § 38 Abs. 1 AsylG wirkt sich auch in Anbetracht der verfolgten Zwecke ausschließlich positiv für den Kläger aus (vgl. den rechtlichen Vorteil ebenfalls betonend VG Freiburg, Beschluss vom 14.05.2018 - A 5 K 2982/18 -, juris, Rn. 4; VG Stade, Beschluss vom 14.05.2018 - 3 B 1170/18, BA, S. 3 f.). Deren Verwirklichung wird durch die längere Ausreisefrist ausschließlich verbessert.

Der erkennende Einzelrichter folgt auch nicht der Einschätzung des Verwaltungsgerichts Bayreuth, wonach die objektiv rechtswidrige zu lange Ausreisefrist nach § 38 Abs. 1 AsylG jedenfalls dann zu einer subjektiven Rechtsverletzung führen soll, wenn – was vorliegend zumindest naheliegt – die Behörde bewusst eine objektiv rechtswidrige Ausreisefrist setzt, um unter dem Deckmantel des § 38 Abs. 1 AsylG den nach § 36 Abs. 3 i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG gesetzlich angeordneten Sofortvollzug auszuhebeln, damit der Kläger ggf. um die – für ihn günstige – Rechtsfolge des § 37 AsylG gebracht wird (vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 01.12.2017, a. a. O.). Selbst wenn die gesetzte zu lange Ausreisfrist nicht nur einer schlichten Verkennung der Rechtslage, sondern in erster Linie oder zumindest auch dem Versuch des Bundesamtes geschuldet gewesen sein sollte, vor dem Hintergrund des § 37 Abs. 1 AsylG keine Veranlassung für ein – möglicherweise erfolgreiches – gerichtliches Eilverfahren gegen die Abschiebungsandrohung zu geben, so begründet dies keine subjektive Rechtsverletzung des Klägers. Denn diese ist unabhängig von etwaigen Sanktionsüberlegungen gegenüber der (bewusst) rechtswidrig handelnden Behörde festzustellen. Wie aus der subjektiven Zielrichtung einer Behörde ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch – welcher so nicht existiert (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 26.01.2017 - 3 Bf 52/15 -, juris, Rn. 95; Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, 33. EL Juni 2017, VwGO, § 113, Rn. 30) – abgeleitet werden soll, erschließt sich nicht. Darüber hinaus ist es nach aktueller Rechtslage und in Anbetracht der stark divergierenden Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit von Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO in der vorliegenden Konstellation völlig offen, ob ein gerichtliches Eilverfahren gegen die Abschiebungsandrohung wegen rechtswidrig zu langer Ausreisefrist nach § 38 Abs. 1 AsylG nicht Erfolg hätte und es so zu keiner Umgehung des § 37 AsylG gekommen wäre (so etwa VG Göttingen, 3. Kammer – Einzelrichter –, Beschluss vom 03.04.2018 - 3 B 155/18 -, BA., S. 2; VG Magdeburg, Beschluss vom 03.01.2018 - 1 B 651/17 -, juris, Rn. 9 ff.; VG Berlin, Beschlüsse vom 09.01.2018 - 28 L 741.17 A -, juris, Rn. 7 ff. und vom 22.12.2017 - 23 L 896.17 A -, juris, Rn. 4 ff. m. w. N.; a. A. wegen fehlender Statthaftigkeit etwa Beschluss der 2. Kammer – Einzelrichter – des erkennenden Gerichts vom 15.06.2018 - 2 B 218/18 -, BA., S. 2; VG München, Beschluss vom 23.04.2018 - M 26 S 18.30201 -, juris, Rn. 13 f. oder mangels Rechtschutzbedürfnisses etwa VG Göttingen, Beschluss vom 13.07.2018 - 1 B 377/18 -, juris, Rn. 14 ff.; VG Köln, Beschluss vom 09.05.2018 - 14 L 826/18.A -, juris Rn. 4 ff.; VG Freiburg, Beschluss vom 04.07.2018 - A 5 K 3911/18 -, juris, Rn. 2 ff.).

4.

Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) beruht auf § 11 Abs. 2 i. V. m. § 75 Nr. 12 AufenthG und begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

III.

Soweit der Kläger mit dem weiteren Verpflichtungsantrag von der Beklagten die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bezüglich Italien begehrt, ist die Klage zwar zulässig (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 06.04.2018, a. a. O., Rn. 68), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten, § 113 Abs. 5 VwGO. Denn aus den vorgenannten Gründen sind die Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Italien nicht gegeben.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11711 ZPO.