Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.02.2002, Az.: 8 LB 13/02

Abschiebungsschutz; Asyl; Asylanerkennung; Asylberechtigter; Asylberechtigung; Ausländer; Beurteilungszeitpunkt; Flüchtling; Flüchtlingseigenschaft; Kosovo; Verfolgungslage; Widerruf

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.02.2002
Aktenzeichen
8 LB 13/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43797
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 23.01.2001 - AZ: 5 A 329/00
nachfolgend
BVerwG - 28.06.2002 - AZ: BVerwG 1 B 141.02
BVerwG - 08.05.2003 - AZ: 1 C 15/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur zulässig, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse erheblich geändert haben und die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG deshalb nunmehr ausgeschlossen ist. Dabei muss die Änderung der Verhältnisse nach Ergehen des Feststellungsbescheides eingetreten sein, wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge diesen Bescheid in eigener Verantwortung erlassen hat. Ist das Bundesamt hingegen durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil zum Erlass des Feststellungsbescheides verpflichtet worden, kommt es darauf an, ob sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach dem Erlass des Verpflichtungsurteils erheblich verändert haben.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und begehrt Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG.

2

Der 1980 im Kosovo geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 27. Juli 1998 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung gab er an, dass er von der serbischen Polizei im Kosovo verfolgt worden sei. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte diesen Asylantrag durch Bescheid vom 21. September 1998 ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen; zugleich forderte es den Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung nach Jugoslawien an. Diesen Bescheid hob das Verwaltungsgericht Schwerin durch Urteil vom 14. Mai 1999 (6 A 2659/98 As) auf, soweit das Bundesamt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG verneint und die Abschiebung des Klägers angedroht hatte. Zugleich verpflichtete es die Beklagte festzustellen, dass bei dem Kläger hinsichtlich Jugoslawiens die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und wies die Klage im Übrigen ab. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Kläger zwar nicht als Asylberechtigter anzuerkennen sei, weil er über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei, aber Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG beanspruchen könne, weil die jugoslawischen Staatsangehörigen albanischer Abstammung, zu denen er gehöre, im Kosovo einer regionalen Gruppenverfolgung ausgesetzt seien. Daraufhin stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 22. Juni 1999 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Zur Begründung erklärte das Bundesamt, dass es durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin rechtskräftig zu dieser Feststellung verpflichtet worden sei.

3

Durch Bescheid vom 27. Juni 2000 widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die im Bescheid vom 22. Juni 1999 getroffene Feststellung. Zugleich stellte es fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Diese Entscheidung begründete das Bundesamt damit, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG seit dem Einmarsch die KFOR-Truppen in den Kosovo und dem Abzug der serbischen Sicherheitskräfte nicht mehr vorlägen. Außerdem drohten Kosovo-Albanern keine Gefahren, die ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG begründen könnten.

4

Daraufhin hat der Kläger am 10. Juli 2000 Klage erhoben und geltend gemacht, dass keine nachträgliche Änderung der Sachlage, die zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG geführt habe, eingetreten sei. Die obergerichtliche Rechtsprechung gehe seit 1994 einhellig davon aus, dass keine Gruppenverfolgung der ethnischen Albaner im Kosovo stattfinde.

5

Der Kläger hat beantragt,

6

den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27. Juni 2000 aufzuheben.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.

10

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. Januar 2001 abgewiesen. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG sei – so das Verwaltungsgericht - nach § 73 Abs. 1 AsylVfG zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorlägen. Das sei der Fall, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich verändert hätten. Dabei müsse auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgestellt werden. Nach dem Erlass des Verpflichtungsurteils des Verwaltungsgerichts Schwerin sei eine erhebliche Änderung der Verhältnisse im Kosovo eingetreten, weil alle serbischen und jugoslawischen Truppen, sonderpolizeilichen Einheiten und paramilitärischen Gruppen den Kosovo im Juni 1999 verlassen hätten und die KFOR-Truppen einmarschiert seien. Seitdem übten die Serben dort keine staatliche Gewalt mehr aus. Daher drohe dem Kläger bei einer Rückkehr in den Kosovo keine politische Verfolgung wegen seiner albanischen Volkszugehörigkeit.

11

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, die der seinerzeit zuständige 10. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts durch Beschluss vom 12. April 2001 zugelassen hat.

12

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, eine Änderung der dafür maßgeblichen Sachlage nach dem Eintritt der Bestandskraft des Feststellungsbescheides voraussetze. Das Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, dass auf den Zeitpunkt des "bestandskräftigen Anerkennungsbescheides" abzustellen sei. Daher liege kein Fall der nachträglichen Änderung der Verhältnisse vor, wenn das Bundesamt einen Feststellungsbescheid in Kenntnis der Tatsache erlasse, dass die Voraussetzungen für diese Feststellung nicht mehr vorliegen. Nach dem Erlass des Bescheides vom 22. Juni 1999 sei keine wesentlich Änderung der Verhältnisse im Kosovo mehr erfolgt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe festgestellt, dass die serbischen und jugoslawischen Behörden im Kosovo seit der Verabschiedung der Kosovo-Friedensresolution im UN-Sicherheitsrat am 10. Juni 1999 und dem Abzug aller serbischen und jugoslawischen Truppen, sonderpolizeilichen Einheiten und paramilitärischen Gruppen, der am 20. Juni 1999 beendet gewesen sei, keine Staatsgewalt mehr ausübten.

13

Der Kläger beantragt sinngemäß,

14

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück – 5. Kammer (Einzelrichterin) – vom 23. Januar 2001 zu ändern und den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27. Juni 2000 aufzuheben.

15

Die Beklagte und der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten haben sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

17

Der Senat hat das mit Verfügung vom 4. Februar 2002 in das Verfahren eingeführte Erkenntnismaterial zum Gegenstand der Beratung gemacht und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt.

II.

18

Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130 a VwGO durch Beschluss entscheidet, ist unbegründet.

19

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zur Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27. Juni 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

20

Der Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, findet in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seine Rechtsgrundlage. Danach ist die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt sind, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für diese Feststellung nicht mehr vorliegen. Das ist der Fall, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse erheblich geändert haben und die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG deshalb nunmehr ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.2000 – 9 C 12.00 –, NVwZ 2001, 335). Dabei muss die Änderung der für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgebenden Verhältnisse nach dem Ergehen des Feststellungsbescheides eingetreten sein, wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge diesen Bescheid in eigener Verantwortung erlassen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.2000, a.a.O.). Ist das Bundesamt hingegen – wie im vorliegenden Fall - durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil zum Erlass des Feststellungsbescheides verpflichtet worden, kommt es darauf an, ob sich die für die Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach dem Erlass des Verpflichtungsurteils erheblich verändert haben (Nds. OVG, Beschl. v. 3.5.2001 - 13 A 1619/01 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.11.1999 - 6 S 1974/98 -, DVBl. 2000, 435; Hess. VGH, Urt. v. 2.4.1993 – 10 UE 1413/91 –, DVBl. 1993 S. 1026; a. A. Bay. VGH, Beschl. v. 16.11.2000 – 20 ZBH 00.3237 –, AuAS 2001 S. 23). Dafür spricht, dass die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in dem letztgenannten Fall aufgrund der Verhältnisse, die bei Erlass des Verpflichtungsurteils im Verfolgerstaat bestanden haben (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG), getroffen worden ist. Außerdem steht mit der Unanfechtbarkeit des Verpflichtungsurteils zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass der Kläger nach der Sach- und Rechtslage, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorhanden ist, einen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG hat (VGH Bad.-Württ., a.a.O.; Hess. VGH, a.a.O.; vgl. dazu auch: BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 9 C 53.97 -, BVerwGE 108, 30 (33)).

21

Diese Rechtsauffassung steht entgegen der Annahme des Klägers keineswegs im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2000 (a.a.O.). Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar entschieden, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter nur dann im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht mehr vorliegen, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach Ergehen des bestandskräftigen Anerkennungsbescheides erheblich geändert haben und die Anerkennung als Asylberechtigter deshalb nunmehr ausgeschlossen ist. Dieser Rechtssatz betrifft aber ausschließlich den Fall, dass die Anerkennung als Asylberechtigter auf einer originären Sachentscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge beruht. Mit der hier vorliegenden Fallkonstellation, dass der angefochtene Bescheid des Bundesamts lediglich ein zugunsten des Ausländers ergangenes rechtskräftiges Verpflichtungsurteil umsetzt, hat sich das Bundesverwaltungsgericht nicht befasst. Daher ist die Annahme unzutreffend, aus dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei zu entnehmen, dass es für die Frage der Nachträglichkeit der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auch bei der vorliegenden Fallkonstellation auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Feststellungsbescheides des Bundesamtes und nicht den des Erlasses des Verpflichtungsurteils ankomme (a.A. Bay. VGH, a.a.O.).

22

Der Einwand, dass der Zeitpunkt des Ergehens des Feststellungsbescheides des Bundesamtes maßgebend sei, weil dieser Bescheid bei einer erheblichen Änderung der Verhältnisse nach Erlass des Verpflichtungsurteils nicht hätte ergehen dürfen (Bay. VGH, a.a.O.), überzeugt ebenfalls nicht. Er berücksichtigt nicht hinreichend, dass das Bundesamt den Feststellungsbescheid, ohne zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch vorliegen, in Vollzug des Verpflichtungsurteils erlassen hat. Daher hat das Bundesamt dem Kläger Abschiebungsschutz aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse gewährt, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Kosovo bestanden. Das hat zur Folge, dass die Voraussetzungen für die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG dann nicht mehr vorliegen, wenn nach Erlass des Verpflichtungsurteils wesentliche Änderungen der für die Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse eingetreten sind und die Feststellung deshalb nunmehr ausgeschlossen ist. Davon ist hier auszugehen.

23

Die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse haben sich nach dem Erlass des Urteils des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 14. Mai 1999 erheblich geändert, weil die Bundesrepublik Jugoslawien und die Republik Serbien die effektive Gebietsgewalt auf dem Territorium des Kosovo, die eine politische Verfolgung der dort lebenden Bevölkerung ermöglichen könnte, im Juni 1999 durch das Einrücken der UN-Friedenstruppe Kosovo Force (KFOR) und den vollständigen Abzug aller serbischen bzw. jugoslawischen Armeetruppen, sonderpolizeilichen Einheiten und paramilitärischen Gruppen vorübergehend verloren haben (ebenso: Nds. OVG, Urt. v. 24.2.2000, a.a.O. u. Beschl. v. 30.3.2000, a.a.O.; VGH Kassel, Beschl. v. 15.2.2000, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.3.2000 - A 14 S 1167/98 -; Urt. v. 27.4.2000 - A 14 S  2559/98 -; OVG Münster, Beschl. v. 15.5.2000, a.a.O.; Thür. OVG, Urt. v. 17.5.2000, a.a.O.; AA, Lagebericht v. 21.11.2000). Die vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Kosovo-Friedensresolution Nr. 1244 autorisiert sowohl die Anwesenheit der KFOR-Truppen als auch eine internationale Zivilpräsenz, die die Einrichtung einer Übergangsverwaltung im Kosovo zum Ziel hat. Durch die Präsenz der KFOR-Truppen ist es auch für absehbare Zeit ausgeschlossen, dass die Bundesrepublik Jugoslawien bzw. die serbische Republik auf militärischem Weg die effektive Gebietsherrschaft im Kosovo wiedererlangen könnten. Die zitierte Resolution bestimmt, dass die internationale zivile Präsenz und die internationale Sicherheitspräsenz zunächst für einen Zeitraum von 12 Monaten eingerichtet werden, dass dieser Zeitraum jedoch zu verlängern ist, wenn der Sicherheitsrat nichts anderes beschließt. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr gehen die KFOR-Truppen selbst von einer mindestens fünfjährigen Präsenz im Kosovo aus. Dass sie den Kosovo vorzeitig verlassen werden, nachdem Kostunica zum Präsidenten Jugoslawiens gewählt worden ist, die Demokratische Opposition die Parlamentswahlen in Serbien gewonnen hat, Jugoslawien erneut in die Vereinten Nationen, die OSZE sowie den Stabilitätspakt für Südosteuropa aufgenommen wurde und die EU ihre Sanktionen gegen Jugoslawien weitgehend aufgehoben hat, ist nicht ersichtlich, zumal die Stationierung der KFOR-Truppen zur Sicherung der dauerhaften Rückkehr der Vertriebenen und zur allgemeinen Befriedung der Region erfolgt ist; das vorhandene Erkenntnismaterial bietet für einen solchen Schritt jedenfalls keinerlei Hinweise (vgl. zu Vorstehendem: AA, Lageberichte v. 4.9.2001, 21.11.2000 u. 8.12.1999; SFH, Lagebericht v. 20.11.1999; UNHCR, Lagebericht v. 9.12.1999 gegenüber OVG Lüneburg; dpa v. 12.9.1999; Die Welt v. 24.3.2000; Neue Zürcher Zeitung v. 7.10.2000, 1.11.2000 u. 27.12.2000; Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.10.2000, 27.10.2000 u. 3.11.2000; Süddeutsche Zeitung v. 9.10.2000, 21.10.2000 u. 11.11.2000; Nds. OVG, Urt. v. 24.2.2000, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.3.2000, a.a.O.; OVG Münster, Urt. v. 5.5.2000 - 14 A 3334/94.A.-; Thür. OVG, Urt. v. 17.5.2000, a.a.O.).

24

Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG für den Kläger ist nunmehr auch ausgeschlossen. Denn für albanische Volkszugehörige besteht eine inländische Fluchtalternative im Sinne einer hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung im Kosovo; für sie sind nicht asylerhebliche, aber gegebenenfalls verfolgungsbedingte existenzbedrohende Gefahren auch nicht beachtlich wahrscheinlich.

25

Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des Asylrechts nach Art. 16 a Abs. 1 GG sind deckungsgleich, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft, und sie unterscheiden sich auch nicht hinsichtlich der Frage, ob die Gefahr politischer Verfolgung droht (BVerwG, Urt. v. 18.2.1992 - 9 C 59.91 -, NVwZ 1992, 892; BVerwG, Urt. v. 10.5.1994 - 9 C 501.93 -, BVerwGE 96, 24).

26

Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt ist, wer in Anknüpfung an die politische Überzeugung, die religiöse Grundüberzeugung, die Volkszugehörigkeit oder in Anknüpfung an andere unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt intensive und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgrenzende Rechtsverletzungen erlitten hat oder wem diese unmittelbar drohten oder noch drohen (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - u.a. BVerfGE 80, 315, 333). Politische Verfolgung ist somit grundsätzlich staatliche Verfolgung, wobei solche staatsähnlichen Organisationen dem Staat gleichstehen, die den Staat verdrängt haben oder denen dieser das Feld überlassen hat und die ihn daher insoweit ersetzen (BVerfG, Beschl. v. 10.8.2000 - 2 BvR 260/98, 1353/98 -).

27

Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann nicht nur aus einer gegen den Asylbewerber selbst gerichteten Maßnahme folgen, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, welches der Asylbewerber mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet, so dass es als eher zufällig anzusehen ist, dass er bislang von ausgrenzenden Rechtsgutsverletzungen verschont geblieben ist (gruppengerichtete Verfolgung) (BVerfG, Beschl. v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85, 515/89, 1827/89 -, BVerfGE 83, 216, 232 f -).

28

Hat eine bestimmte Personengruppe asylerhebliche Verfolgung nicht landesweit, sondern nur in bestimmten Teilen des Staatsgebietes zu befürchten, so kann eine regionale Gruppenverfolgung oder aber auch nur eine örtlich begrenzte Verfolgung vorliegen (BVerwG, Urt. v. 30.4.1996 - 9 C 171.95 -, BVerwGE 101, 134, 139; BVerwG, Urt. v. 9.9.1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204). Eine regionale Gruppenverfolgung ist dadurch gekennzeichnet, dass der unmittelbar oder mittelbar verfolgende Staat die gesamte, durch eine oder mehrere Merkmale oder Umstände verbundene Gruppe im Blick hat, sie aber - als "mehrgesichtiger Staat" - beispielsweise aus Gründen politischer Opportunität oder wegen fehlender Verfolgungsmöglichkeiten lediglich regional, aber nicht landesweit verfolgt. Bei einer derartigen Regionalisierung des äußerlichen Verfolgungsgeschehens, welches unter ungewissen Bedingungen stets in eine landesweite Verfolgung umschlagen kann, bleiben die außerhalb der Region, in der die Verfolgung praktiziert wird, lebenden Gruppenmitglieder mitbetroffen. Anders ist es hingegen, wenn sich die Verfolgungsmaßnahmen nicht gegen alle durch übergreifende Merkmale wie die Volkszugehörigkeit oder die Religion verbundenen Personen richten, sondern nur gegen solche, die beispielsweise zusätzlich aus einem bestimmten Ort oder einem bestimmten Gebiet stammen und dort ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Grundbesitz innehaben. Dann besteht schon die Gruppe, die der Verfolger im Blick hat, lediglich aus solchen Personen, die sowohl die asylerheblichen Kriterien wie etwa die Ethnie oder die Religion und andererseits die gebietsbezogenen Kriterien erfüllen (örtlich begrenzte Verfolgung) (BVerwG, Urt. v. 9.9.1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204).

29

Die zur Feststellung politischer Verfolgung erforderliche gegenwärtige Verfolgungsbetroffenheit ist gegeben, wenn dem Schutzsuchenden im Falle der Rückkehr bei verständiger Würdigung aller bekannten Umstände politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die in diesem Zusammenhang erforderliche Prognose einen absehbaren zukünftigen Zeitraum mit einzubeziehen hat (BVerwG, Urt. v. 3.12.1985 - 9 C 22.85 -, NVwZ 1986, 760; BVerwG, Urt. v. 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162). Einem Ausländer, der schon vor seiner Ausreise politisch verfolgt worden ist, kann eine Rückkehr in das Heimatland hingegen nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, d.h. wenn keine ernsthaften Zweifel an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bestehen. Insofern gilt für die erforderliche Prognose ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab (BVerfG, Beschl. v. 2.7.1980 – 1 BvR 147, 181, 182/80 – BVerfGE 54, 341, 360 f;  BVerwG, Urt. v. 25.9.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169; BVerwG, Urt. v. 18.2.1997 - 9 C 9.96 -, BVerwGE 104, 97).

30

Wer nur von regionaler politischer Verfolgung betroffen ist, ist nur dann schutzbedürftig im Sinne des Asylrechts, wenn er auch in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann und dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird, wenn er also über keine inländische Fluchtalternative verfügt (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 15.5.1990 - 9 C 17.87 -, BVerwGE 85, 139; BVerwG, Urt. v. 30.4.1996 - 9 C 170.95 -, BVerwGE 101, 123).

31

Für einen nicht landesweit, sondern nur regional Verfolgten besteht eine inländische Fluchtalternative in anderen Landesteilen, wenn der Betroffene dort nicht in eine ausweglose Lage gerät. Das setzt voraus, dass er in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existenzielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, a.a.O.). Dem liegt zugrunde, dass einem regional Verfolgten zwar nicht zugemutet werden darf, sich in eine existenzielle Notlage zu begeben, um der Verfolgung zu entgehen, dass er aber andererseits dann, wenn er dieser Notlage schon an seinem Herkunftsort ausgesetzt war, durch die Wohnsitznahme an einem verfolgungssicheren Ort keine verfolgungsbedingte und deshalb unzumutbare Verschlechterung seiner Lebensumstände erleidet (BVerwG, Urt. v. 9.9.1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204, 211). Das Fehlen eines wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort einer inländischen Fluchtalternative ist damit nur asylerheblich, wenn es verfolgungsbedingt ist.

32

Der Zeitpunkt für den Vergleich der einander gegenüberzustellenden wirtschaftlichen Situationen hängt davon ab, für welchen Zeitpunkt die Frage des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative zu beurteilen ist. Ist zu ermitteln, ob der Asylsuchende vorverfolgt ausgereist ist, ob er also vor seiner Flucht landesweit in einer ausweglosen Lage war oder an den Ort einer innerstaatlichen Fluchtalternative hätte ausweichen können, kommt es für die Erheblichkeit einer dort bestehenden wirtschaftlichen Notlage darauf an, ob diese Notlage im Zeitpunkt der Ausreise auch an dem Herkunftsort des Asylsuchenden ohne Berücksichtigung der dortigen Verfolgung bestanden hat. Im Falle der Bejahung scheidet eine Vorverfolgung aus. Geht es hingegen um die Frage, ob dem bereits geflohenen   Asylsuchenden im Falle einer gegenwärtigen Rückkehr in sein Heimatland eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht, so muss die wirtschaftliche Lage, die im verfolgungsfreien Gebiet herrscht, mit der Lage verglichen werden, die im Rückkehrzeitpunkt an dem Herkunftsort des Asylsuchenden besteht (BVerwG, Urt. v. 9.9.1997, a.a.O.). Daraus folgt, dass sich die Frage nach der wirtschaftlichen Existenzmöglichkeit oder einer sonstigen existenziellen Gefährdung am Ort der inländischen Fluchtalternative nicht stellt, wenn bezogen auf den Rückkehrzeitpunkt der ursprüngliche Herkunftsort des Asylsuchenden mit dem zum heutigen Zeitpunkt verfolgungssicheren Gebiet identisch ist (BVerwG, Urt. v. 9.9.1997, a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 5.10.1999 - 9 C 15.99 -, InfAuslR 2000, 32, 33; Nds. OVG, Urt. v. 24.2.2000 - 12 L 748/99 -).

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Sind der Herkunftsort des Asylsuchenden und der aus heutiger Sicht verfolgungssichere Ort identisch, entbindet dieser Umstand nicht von der Prüfung der sonstigen für die Bejahung einer inländischen Fluchtalternative erforderlichen Voraussetzungen. Denn für die Prognose, ob dem Ausländer bei einer Rückkehr in den Heimatstaat politische Verfolgung droht, ist das Staatsgebiet in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 5.10.1999, a.a.O.). Daher ist auch bei einem Zusammentreffen dieser beiden Orte grundsätzlich zu prüfen, ob der zurückkehrende Asylbewerber bei einer unterstellten Verfolgungsgefahr in den übrigen Landesteilen in dem speziellen Gebiet der inländischen Fluchtalternative hinreichend sicher vor politischer Verfolgung leben und ob er dieses Gebiet auch ohne unzumutbare Gefährdungen tatsächlich erreichen kann (BVerwG, Urt. v. 13.5.1993 - 9 C 59.92 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 162). In diesem Zusammenhang genügt es, dass der Betroffene den hinreichend verfolgungssicheren Ort in zumutbarer Weise freiwillig erreichen könnte, weil er auch in diesem Fall nicht des subsidiären Schutzes vor politischer Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland bedarf (BVerwG, Urt. v. 16.11.1999 - 9 C 4.99 -; VGH Kassel, Urt. v. 15.2.2000 - 7 UE 3645/99.A -).

34

Die vorbezeichneten Grundsätze über die inländische Fluchtalternative sind darüber hinaus auch dann anzuwenden, wenn der Verfolgerstaat in einer Region seine Gebietsgewalt vorübergehend faktisch verloren hat und am Ort der inländischen Fluchtalternative eine andere staatliche oder staatsähnliche Friedensordnung besteht (BVerwG, Urt. v. 8.12.1998 - 9 C 17.98 -, BVerwGE 108,84; Urt. v. 5.10.1999 – 9 C 15.99 -, InfAuslR 2000, 32). Erst wenn die Bundesrepublik Jugoslawien in der Region des Kosovo die faktische Gebietsherrschaft - etwa durch seine Sezession - endgültig verloren hätte, wäre der Kosovo für die Bundesrepublik Jugoslawien Ausland, so dass er als inländische Fluchtalternative für Rückkehrer nicht mehr in Betracht käme. Der Kosovo ist jedoch nach wie vor Teil der Bundesrepublik Jugoslawien, weil auf seinem Gebiet noch kein neuer völkerrechtlich relevanter Staat entstanden ist. Bisher ist die Völkergemeinschaft zu keinem Zeitpunkt von ihrem in der UN-Sicherheitsratsresolution Nr. 1244 vom 10. Juni 1999 zum Ausdruck gebrachten Bekenntnis zur Souveränität und territorialen Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien abgerückt; die Bundesrepublik Jugoslawien hat ihren Anspruch auf den Kosovo auch nicht aufgegeben. Darüber hinaus fehlt es an einem Anerkennungsakt der Völkergemeinschaft, der indiziell auf die Entstehung eines neuen Staates hinweisen könnte. Deshalb gilt der Kosovo nach wie vor als Teil der Bundesrepublik Jugoslawien (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.3.2000 - A 14 S 1167/98 - u. Beschl. v. 26.5.2000 - A 14 S 709/00 -; Nds. OVG, Urt. v. 24.2.2000, a.a.O.; VGH Kassel, Urt. v. 15.2.2000, a.a.O.; OVG Münster, Beschl. v. 15.5.2000 - 5 A 5355/99.A -; Thür. OVG, Urt. v. 17.5.2000 - 3 KO 202/97 -; AA,  Lageberichte v. 4.9.2001, 21.11.2000 u. v. 8.12.1999)

35

Unter Beachtung dieser Maßgaben besteht weder bei der Annahme des Maßstabes der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. OVG Rheinl./Pf., Urt. v. 30.9.1999 - 7 A 13272/94 A. OVG -) noch bei Annahme des herabgestuften Maßstabes (Nds. OVG, Urt. v. 24.2.2000, a.a.O., S. 7; Beschl. v. 30.3.2000 - 12 L 4192/99 -, S. 7) ein Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Kosovo asylrechtsrelevante politische Verfolgung oder existenzbedrohende wirtschaftliche Gefahren zu befürchten hätte. Dabei geht der Senat davon aus, dass das wirtschaftliche Existenzminimum auch dann gewährleistet ist, wenn der Schutzsuchende auf Dauer für die Schaffung einer Lebensgrundlage auf private oder öffentliche Zuwendungen angewiesen ist und solche Zuwendungen erfolgen (BVerwG, Beschl. v. 18.7.1996 - 9 B 367.96 -; BVerwG, Urt. v. 15.7.1997 - 9 C 2.97 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr.  194).

36

Albanische Volkszugehörige sind gegenwärtig und auf absehbare Zeit auf dem Territorium des Kosovo hinreichend sicher vor politischer Gruppenverfolgung bzw. vor einer individuellen Verfolgung durch ihren Heimatstaat, die Bundesrepublik Jugoslawien, weil die Organe des  jugoslawischen/serbischen Staates – wie bereits dargelegt - im Kosovo die effektive Gebietsgewalt, die eine politische Verfolgung der dort lebenden Bevölkerung ermöglichen könnte, verloren haben.

37

Der Kläger kann den Kosovo als verfolgungssichere Heimatregion auch ohne unzumutbare Gefährdung erreichen; insbesondere ist er nicht darauf angewiesen, dabei das Gebiet der (restlichen) Bundesrepublik Jugoslawien zu betreten. Im August 1999 wurde der Flughafen Prishtina in begrenztem Umfang für Charterflüge geöffnet, womit prinzipiell allen jugoslawischen Staatsangehörigen die Möglichkeit eröffnet wurde, über diesen Flughafen auf dem Luftweg direkt in den Kosovo zurückzukehren. Die EU hat darüber hinaus das Flugverbot nach Jugoslawien aufgehoben (FAZ v. 21.3.2000; AA, Lagebericht v. 8.12.1999, VGH Kassel, Urt. v. 15.2.2000, a.a.O.). Seitdem haben sich die Rückkehrmöglichkeiten auf dem Luftweg infolge der Neueröffnung des Flughafens Prishtina für den zivilen Flugverkehr Anfang 2000 weiter verbessert (AA, Lageberichte v. 4.9.2001, 21.11.2000 u. v. 8.12.1999). Am 21. März 2000 wurde von den Regierungen von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Italien, Kroatien, Österreich, Schweiz, Slowenien und Ungarn außerdem eine Vereinbarung über die Gestattung der Durchreise ausreisepflichtiger jugoslawischer Staatsangehöriger unterzeichnet, in der die Vertragsstaaten allen ausreisepflichtigen jugoslawischen Staatsangehörigen, darunter den Albanern aus dem Kosovo, zum Zweck der Rückkehr die freiwillige, einmalige und visumfreie Durchreise gestatten, soweit nicht im Einzelfall für einen Transitstaat ein Einreiseverbot besteht. Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Albanien haben ferner Mitte August eine Vereinbarung über die Gestattung der Durchbeförderung und der freiwilligen Ausreise jugoslawischer Staatsangehöriger (Kosovo-Albaner) getroffen. Damit ist die Möglichkeit gegeben, dass ausreisepflichtige jugoslawische Staatsangehörige freiwillig auf dem Landweg unter Mitnahme ihrer persönlichen Habe in den Kosovo zurückkehren (AA, Lageberichte v. 21.11.2000 u. 18.5.2000; vgl. Erlass d. Nds. Innenministeriums v. 19.4.2000 - 45.22 - 12235/12 -38 - 3 - mit Anlagen; Nds. Innenministerium v. 2.10.2000 – 45.22–12235/12–38–3 -). Dass allein aus Deutschland bis Mitte August 2001 über 81.000 Kosovo-Albaner freiwillig in den Kosovo zurückgekehrt sind (AA, Lageberichte v. 4.9.2001 u. v. 21.11.2000), verdeutlicht, dass der Kosovo ohne unzumutbare Gefährdungen erreichbar ist.

38

Da der Herkunftsort bzw. die Herkunftsregion des Klägers, nämlich der Kosovo, und der Bereich der inländischen Fluchtalternative bei einer Rückkehr in den Kosovo identisch sind, sind die ihm dort drohenden sonstigen Nachteile und Gefahren - abgesehen von der Frage der politischen Verfolgung - nicht verfolgungsbedingt.

39

Allerdings stellt der beschließende Senat in Rechnung, dass die gegenwärtige wirtschaftliche Situation und die Versorgungslage im Kosovo maßgeblich durch die kriegerischen Verhältnisse im Jahr 1999 und durch die Verfolgungsmaßnahmen des jugoslawischen Staates in der ersten Jahreshälfte 1999 gegenüber den Albanern im Kosovo bestimmt worden sind. Ohne diese in der ersten Jahreshälfte 1999 von der jugoslawischen Administration praktizierte Verfolgung der Albaner im Kosovo bestünde voraussichtlich die jetzt gegebene wirtschaftliche Lage im Kosovo nicht in vollständig gleicher Weise. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die zur Zeit im Kosovo herrschende Situation für albanische Volkszugehörige anders als für Roma und Aschkali, die keiner politischen Verfolgung durch die jugoslawische Administration ausgesetzt waren, zumindest teilweise auch verfolgungsbedingt sein könnte.

40

Deshalb hat der Senat zugunsten des Klägers auch die Frage geprüft, ob albanische Volkszugehörige bei einer Rückkehr in den Kosovo mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in ihrem wirtschaftlichen Existenzminimum gesichert und vor sonstigen Nachteilen und Gefahren geschützt sind, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen. Diese Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass die Existenzgrundlage für albanische Volkszugehörige bei einer Rückkehr in den Kosovo dort gegenwärtig gesichert ist und dass ihnen im Kosovo auch keine sonstigen erheblichen Nachteile und Gefahren drohen.

41

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine zumutbare inländische Fluchtalternative dann aus, wenn das zu einem menschenwürdigen Leben erforderliche wirtschaftliche Existenzminimum auf Dauer nicht erreichbar ist, d.h. wenn die wirtschaftliche Existenz des Schutzsuchenden am Ort der inländischen Fluchtalternative weder durch eine ihm zumutbare Beschäftigung noch durch private oder öffentliche Zuwendungen gewährleistet ist und er deshalb ein Leben unter dem Existenzminimum zu erwarten hat, welches zu Hunger, Elend oder Tod führen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.7.1997 - 9 C 2.97 -, BayVBl. 1998, 250; BVerwG, Urt. v. 31.3.1992 - 9 C 40.91 -, NVwZ-RR 1992, 583).

42

Ein Leben über dem Existenzminimum wird im Kosovo jedoch durch die Zivilpräsenz der UNO, die Aktivitäten von über 300 Hilfsorganisationen und die KFOR-Truppen gewährleistet. Deren Einsatz hat zur Folge, dass die in den Kosovo zurückkehrenden Kosovo-Albaner auch im übrigen nicht in eine ausweglose Situation geraten.

43

Der Aufbau einer zivilen Übergangsverwaltung und die Wiederherstellung kommunaler Strukturen in Umsetzung der UN-Resolution machen erkennbare Fortschritte. Die Mission der Vereinten Nationen im Kosovo – UNMIK -, die in vier Säulen gegliedert ist, hat auf der Grundlage der UN-Resolution de facto die Verantwortung für das gesamte öffentliche Leben im Kosovo übernommen und ist in den Verwaltungen aller Landkreise vertreten. Sie hat durch den ersten Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der UN, Kouchner, verschiedene Verordnungen erlassen, die den rechtlichen Rahmen ihrer Tätigkeit regeln. Nach der Verordnung Nr. 1 vom 25. Juli 1999 ist die gesamte gesetzgebende und vollziehende Gewalt in bezug auf den Kosovo auf die UNMIK übergegangen, die durch den Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der UN ausgeübt wird. Durch eine weitere Verordnung der UNMIK ist das vor 1989 geltende Recht wieder eingeführt worden, soweit es nicht dem Zweck der UN-Resolution widerspricht oder die UNMIK anderslautende Verordnungen erlässt. Am 15. Dezember 1999 haben Vertreter der UNMIK und die albanische Seite außerdem ein gemeinsames Abkommen unterzeichnet, in dem die Bildung eines gemeinsamen Regierungsrates mit maßgeblichen albanischen Führern vereinbart wurde, der seitdem unter dem Vorsitz eines UN-Vertreters tagt. Schließlich hat die UNMIK Wahlen für die Gemeinderäte in den 30 Gemeinden des Kosovo, die die Gemeindevorsitzenden und die Verwaltungschefs wählen, organisiert, die am 28. Oktober 2000 bei einer Wahlbeteiligung von ca. 79 % stattfanden und zu einer Stärkung  der gemäßigten Kräfte geführt haben, da die LDK unter dem Vorsitz von I. R. 58 % der Stimmen, die Partei des früheren Führers der UCK, T., aber lediglich 27, 3 % der Stimmen erhielt (AA, Lageberichte v. 4.9.2001 u. v. 21.11.2000; UNHCR, Bericht v. 9.12.1999 zur Lage im Kosovo; dpa v. 15.12.1999 u. 6.11.2000; Nürnberger Zeitung v. 16.3.2000; Süddeutsche Zeitung v. 16.3.2000, 26.10.2000 u. 30.10.2000; Die Welt v. 30.10.2000; Neue Zürcher Zeitung v. 31.10.2000). Am 17. November 2001 sind die ersten allgemeinen Parlamentswahlen im Kosovo durchgeführt worden, aus denen die LDK mit 47 Abgeordneten als stärkste Partei hervorgegangen ist. Die PDK unter dem Vorsitz von T. verfügt über 26 der insgesamt 120 Sitze; die Serben stellen 22 Abgeordnete. Der UN-Generalsekretär A. hat die Wahl als "Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie und friedliche Entwicklung" bezeichnet (Neue Zürcher Zeitung v. 14.12.2001; Süddeutsche Zeitung v. 11.12.2001).

44

Der Wiederaufbau der Infrastruktur des Kosovo und die Entwicklung der Wirtschaft zeigt ebenfalls deutliche Fortschritte. Die EU-Kommission hat beschlossen, für die Region im Kosovo bis zum Jahr 2006 insgesamt 5,5 Milliarden Euro aufzubringen. Für die Umsetzung des von der EU finanzierten Wiederaufbauprogramms ist am 1. Februar 2000 eine Wiederaufbau-Agentur eingerichtet worden, die zusammen mit der ihr vorgeschalteten EU-Task Force wichtige Wiederaufbauprojekte auf dem Weg gebracht hat (AA, Lageberichte v. 4.9.2001 u. v. 21.11.2000). Seit Juni 1999 wurde im Rahmen einer großen internationalen Hilfsoperation, an der neben den Organisationen der Vereinten Nationen und anderen internationalen humanitären Organisationen mehr als 250 Nichtregierungsorganisationen unter der Koordination der UNMIK beteiligt waren, mehr als 850.000 in das Kosovo zurückgekehrten Menschen dabei geholfen, ihr Leben wieder aufzubauen (UNHCR, Lagebericht v. September 2000; UNMIK, Positionspapier zur Rückkehr v. Oktober 2000).

45

Albanische Volkszugehörige, die in den Kosovo zurückkehren, müssen nicht auf Dauer mit völlig unzureichenden Wohnverhältnissen oder mit Obdachlosigkeit rechnen. Zwar wurden im Zuge des Kosovo-Krieges fast 120.000 Häuser in Mitleidenschaft gezogen und 100.000 Häuser schwer beschädigt. Die Wiederaufbaumaßnahmen und die Bereitstellung von umfangreichen Kontingenten an Wohncontainern sind inzwischen jedoch weit vorangeschritten. Zahlreiche Hilfsorganisationen, u.a. das Technische Hilfswerk, haben Baumaterialien zur Verfügung gestellt, die den Wiederaufbau beschleunigen (vgl. UNHCR v. 9.12.1999 an OVG Lüneburg; AA, Lageberichte v. 21.11.2000 u. 8.12.1999; Gesellschaft für bedrohte Völker, Bericht v. 17.8.1999 und Bericht v. 1.2.2000; SFH v. 8.12.1999 an VGH Mannheim; UNHCR v. 7.3.2000 an OVG Lüneburg). Inzwischen konnten nach Angaben von UNHCR und UNMIK ca. 17.000 Häuser repariert werden (AA, Lagebericht v. 21.11.2000). Außerdem konnten schon vor Einbruch des Winters 1999/2000  etwa 400.000 Menschen winterfeste Räume zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich wurden temporäre Sammelunterkünfte bereitgestellt (UNHCR, Lagebericht v. September 2000). Daher haben die im Jahr 2000 in den Kosovo zurückgekehrten Personen bis auf wenige Ausnahmen Unterkunft finden können (UNHCR, Lagebericht v. September 2000; UNMIK, Positionspapier zur Rückkehr v. Oktober 2000). Inzwischen werden längerfristig angelegte Programme zum Wiederaufbau von Wohnraum von der Abteilung für Wiederaufbau der UNMIK, der JIAS, und Entwicklungshilfeorganisationen durchgeführt und koordiniert. Abteilungen der JIAS haben auch die Bereitstellung von Notunterkünften, die Bedürftigen zur Verfügung stehen, übernommen (UNHCR, Lagebericht v. September 2000). Die Einschätzung, dass im Kosovo trotz der großen Zahl der Rückkehrer und der mittlerweile weitgehend erschöpften Unterbringungskapazitäten (AA, Lagebericht v. 4.9.2001; UNHCR, Lagebericht v. September 2000; UNMIK, Positionspapier zur Rückkehr v. Oktober 2000; SFH v. 5.9.2000 an VG Frankfurt) eine Wohnraumsicherung gewährleistet werden kann, teilen der VGH Bad.-Württ. (Urt. v. 17.3.2000 u. Beschl. v 26.5.2000, a.a.O.), der 12. Senat des Nds. OVG (Urt. v. 24.2.2000, a.a.O.) und der VGH Kassel (Urt. v. 15.2.2000, a.a.O.).

46

Im Kosovo ist die Versorgung mit Lebensmitteln und sonstigen Bedarfsgütern ebenfalls gewährleistet. Alle Nahrungsmittel sind in den Lebensmittelgeschäften wieder verfügbar. Auf den Märkten werden Obst, Gemüse, Plastikwaren, Installationsbedarf und Baumaterialien angeboten. Zusätzliche Nahrungsmittellieferungen erfolgen durch die humanitären Organisationen, die aus dem Ausland zahlreiche Unterstützung erhalten. Zusätzliche Verteilungsorganisationen wie etwa die Organisation "Mutter Theresa" und die orthodoxe Kirche haben dazu beigetragen, dass eine ausreichende Versorgung der im Kosovo lebenden Bevölkerung mit den notwendigen Nahrungsmitteln gesichert ist (AA, Lageberichte v. 4.9.2001, 21.11.2000 u. 18.5.2000; UNHCR v. 2.12.1999 an OVG Lüneburg; Bericht der UNMIK "Die UN im Kosovo"; SFH v. 8.12.1999 an VGH Mannheim; Gesellschaft für bedrohte Völker v. 1.2.2000; UNHCR v. 7.3.2000). Die Gesundheits- und Sozialbehörde der UN-Verwaltung für den Kosovo hat zudem mit dem Aufbau eines Sozial(hilfe)systems begonnen, das seit Juni 2000 vorerst von Familien, die kein arbeitsfähiges Mitglied und keine anderen Einkunftsquellen haben, in Anspruch genommen werden kann (UNHCR, Lagebericht v. September 2000). Nach dem teilweisen Rückzug der internationalen Hilfsorganisationen aus der Nahrungsmittelhilfe erfolgt diese inzwischen auch über die Sozialfürsorge (UNHCR, Lagebericht v. September 2000; UNHCR, Aufbau eines Sozial(hilfe)systems, September 2000; UNHCR v. 6.11.2000 an VG Schleswig u. VG Regensburg; AA v. 4.2.2001 an VGH Bad- Württ.).

47

Albanischen Volkszugehörigen drohen auch keine sonstigen Nachteile und Gefahren bei einer Rückkehr in den Kosovo, die sie in eine ausweglose Lage bringen könnten. Dies gilt insbesondere für die Minengefährdung als Folge des Kosovo-Krieges. Ursprünglich waren 3.500 Gebiete als minengefährdet bezeichnet worden - insbesondere im Westen des Kosovo (SFH v. 8.12.1999 an VGH Mannheim). Seit August 1999 sind die Unfälle mit Minen und aufgrund ausgelöster Kampfmittel jedoch zurückgegangen. Inzwischen gibt es zahlreiche Minenräumprogramme, die der Sicherung von Gebäuden und Schulen sowie der Freiräumung von Einrichtungen der Stromversorgung dienen (SFH v. 8.12.1999 an VGH Mannheim; AA, Lageberichte v. 4.9.2001 u. 8.12.1999; UNHCR v. 9.12.1999 an VGH Mannheim; AA v. 18.10.1999 an VG München). An diesen Programmen wirken 16 Organisationen mit (AA, Lagebericht v.21.11.2000). Darüber hinaus gibt es seit Sommer 1999 mehrere Informationsprogramme im ganzen Kosovo zur Minengefahr, so dass die Schweizerische Flüchtlingshilfe den Rückgang von Unfällen auch darauf zurückführt, dass die Bevölkerung durch diese Programme ausreichend in Kenntnis gesetzt worden ist. Bei Beachtung dieser Hinweise erscheint die Gefährdung hinreichend beherrschbar (SFH v. 8.12.1999, a.a.O.; vgl. ferner VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.3.2000, a.a.O.; OVG Münster, Urt. v. 5.5.2000, a.a.O.), zumal die wichtigsten Räumaufgaben inzwischen abgeschlossen sein sollen und eine vollständige Räumung nach Einschätzung von Experten in Kürze  erfolgt sein wird (AA, Lageberichte v. 4.9.2001, 21.11.2000 u. 18.5.2000).

48

Ferner hat sich die im Jahr 1999 teilweise festzustellende Gewaltbereitschaft im Kosovo inzwischen erheblich reduziert. Dies beruht einerseits auf dem Einsatz der KFOR-Streitkräfte, die mittlerweile über mehr als 41.000 Soldaten verfügen, und andererseits auf der Tätigkeit zusätzlicher Polizeikräfte aus dem Ausland. Inzwischen besteht eine internationale Polizeitruppe, die eine Vielzahl von Stationen und Unterstationen im Kosovo errichtet hat. Von den benötigten 4.700 Vollzugskräften sind knapp 4.400 vor Ort. Außerdem ist mit dem Aufbau einer lokalen multi-ethnischen Polizei begonnen worden; im Frühsommer 2001 hatten bereits 3.400 Männer und Frauen die Ausbildung abgeschlossen, in der Ausbildung befinden sich weitere ca. 600 angehende Polizisten. Der Aufbau des Justizsystems geht ebenfalls voran; bislang wurden ca. 360  Richter und Staatsanwälte aus allen ethnischen Gruppen ernannt. Vor diesem Hintergrund besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für den Kläger, Opfer von Gewalttätigkeiten im Kosovo zu werden. Zwar können die KFOR-Truppen und die Polizei Zusammenstöße zwischen Serben und Albanern nicht überall im Kosovo vollständig verhindern. Albanische Volkszugehörige müssen sich aber nicht an den entsprechenden Brennpunkten den dort vorhandenen Gefahren aussetzen, sondern können sich ihnen in zumutbarer Weise entziehen (vgl. u.a.: AA, Lageberichte v. 4.9.2001, 21.11.2000 u. 8.12.1999; SFH v. 20.11.1999; Süddeutsche Zeitung v. 23.3.2000; Frankfurter Rundschau v. 15.3.2000; Die Welt v. 24.3.2000; Neue Zürcher Zeitung v. 12.9.2000; dpa v. 22.11.2000).

49

Albanischen Volkszugehörigen, die in den Kosovo zurückkehren, drohen auch nicht gesundheitliche Risiken  und Gefahren, die nicht beherrschbar wären und sie in eine existenzielle Notlage bringen könnten. Der Gesundheitssektor ist durch den Kosovo-Krieg im Sommer 1999 zwar erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden. Inzwischen aber haben die medizinischen Versorgungseinrichtungen im Kosovo in den meisten Orten das Vorkriegsniveau erreicht. Zahlreiche albanische Ärzte sind in die Kliniken und in die Praxen zurückgekehrt. Außerdem bemühen sich die internationalen Hilfsorganisationen um die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung. Alle Kliniken sind inzwischen wieder in Betrieb. Das  internationale Rote Kreuz stellt  den regionalen Hospitälern in Djakovica, Gyjilane, Mitrovica, Pec, Prishtina und Prizren im Rahmen eines Hilfsprogramms die technische Grundausstattung zur Verfügung. Die Versorgung mit Medikamenten, die in der Universitätsklinik in Prishtina am besten ist, lässt allerdings noch zu wünschen übrig. Die internationale Gemeinschaft kann aber in der Regel jedes Medikament beschaffen, wenn es die Finanzlage zulässt. Notfallpatienten werden außerdem in den medizinischen Einrichtungen der KFOR, die vorrangig der Truppe zur Verfügung stehen, behandelt. Für Patienten, die mangels unzureichender Ausstattung oder Kapazitäten weder in den Krankenhäusern noch in den Feldhospitälern der KFOR-Truppen behandelt werden können, besteht die Möglichkeit zur Evakuierung. Die medizinische Infrastruktur im ländlichen Raum wurde ebenfalls verbessert. Die medizinische Grundversorgung und die Versorgung in akuten Notfällen ist daher für jedermann grundsätzlich gewährleistet, wenngleich die Situation weiterhin als kritisch einzustufen ist, was die Versorgung mit Medikamenten, medizinischen Apparaturen und qualifiziertem Personal sowie die Behandlungsmöglichkeiten bestimmter akuter oder chronischer Krankheiten angeht (AA, Lageberichte v. 4.9.2001, 21.11.2000, 18.5.2000 u. 8.12.1999; AA v. 15.2.2000 an VG Sigmaringen; SFH v. 20.11.1999 u. 5.9.2000; Berichte des Büros des zivilen Koordinators für Kosovo v. 27.10.1999, 18.12.1999 u. 29.1.2000; UNHCR v. 7.3.2000 u. 11.10.2000 an VG Schleswig; SFH v. 30.3.2000).

50

Damit liegen die Voraussetzungen vor, unter denen der Bescheid über die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu widerrufen ist. Dass das Verwaltungsgericht Schwerin die Beklagte durch Urteil vom 14. Mai 1999 zum Erlass dieses Bescheides verpflichtet hat, ändert daran nichts. Zwar ist vor der Aufhebung einer gerichtlich angeordneten Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, stets zu prüfen, ob die Rechtskraft der Gerichtsentscheidung der Aufhebung des Feststellungsbescheides entgegensteht (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O.). Die Rechtskraft eines Urteils hindert die Beklagte aber nicht am Widerruf eines Bescheides wegen späterer Änderungen der für das Urteil maßgeblichen Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O.; Urt v. 18.9.2001 – 1 C 7/01 -). Eine solche Änderung ist hier eingetreten, weil sich im Hinblick auf den maßgeblichen Anerkennungsgrund, nämlich eine unmittelbare staatliche Gruppenverfolgung der albanischen Volkszugehörigen im Kosovo, die Sachlage erheblich geändert hat. Diese neue Sachlage ist vom Senat zu berücksichtigen, weil nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz, zu denen auch das vorliegende Verfahren gehört, auf die Sach- und Rechtslage abzustellen ist, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder – bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung – in dem Zeitpunkt besteht, in dem die gerichtliche Entscheidung gefällt wird (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O.).

51

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, begegnet ebenfalls keinen Bedenken.

52

Im Hinblick auf den Verlust der effektiven Gebietsgewalt des jugoslawischen Staates im Kosovo bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in die Provinz Kosovo die konkrete Gefahr drohen könnte, im Sinne des § 53 Abs. 1 AuslG der Folter unterworfen zu werden oder dass ihm dort wegen einer Straftat die Verhängung der Todesstrafe drohen würde (§ 53 Abs. 2 Satz 1 AuslG).

53

Auch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK liegt für den Kläger hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien nicht vor. Ein Abschiebungshindernis nach dieser Vorschrift besteht nur dann, wenn dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Behandlung droht, die alle tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt und deshalb als eine von einer staatlichen Herrschaftsmacht begangene oder zu verantwortende Misshandlung zu qualifizieren wäre (BVerwG, Urt. v. 15.4.1997 - 9 C 38.96 -, BVerwGE 104, 265; Urt. v. 2.9.1997 – 9 C 40.96 – , BVerwGE 105,187; Nds.OVG, Beschl. v. 19.1.2001 – 8 L 4049/00 – u. v. 11.1.2001 – 12 LA 323/01; VGH Kassel, Urt. v. 15.2.2000, a.a.O., m.w.N.). Für die Feststellung einer in diesem Sinne drohenden Gefahr bedarf es konkreter Hinweise und Anhaltspunkte, die für jeden Einzelfall spezifiziert nachzuweisen sind und die ein geplantes, vorsätzliches und auf die jeweils bestimmte Person gerichtetes Handeln verlangen (BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - 9 C 15.95 -, BVerwGE 99, 331). Mangels effektiver Gebietsgewalt des jugoslawischen Staates im Kosovo und angesichts der Tatsache, dass Angehörige der UNMIK und Mitarbeiter der OSZE im gesamten Kosovo für die Einhaltung der Menschenrechte arbeiten, sind keine Anhaltspunkte für Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG gegeben.

54

Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG sind ebenfalls nicht erfüllt.

55

Diese Vorschrift setzt ebenfalls im Einzelfall eine erhebliche, individuell konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit voraus. Es muss mithin eine schwere existenzielle Bedrohung konkret zu befürchten sein, die sich nicht schon aus der allgemeinen, von einer staatlichen Repressionspolitik gegen die albanische Bevölkerung gekennzeichneten Lage in der Provinz Kosovo herleiten lässt. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 8.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77) hervorgehoben, dass allgemeine Gefahren, die nicht nur den betreffenden Ausländer, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe drohen (allgemeine Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG), auch dann nicht Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen, wenn sie den Ausländer konkret und individualisierbar betreffen. Das Bundesverwaltungsgericht betont, dass nicht die möglicherweise geringere Betroffenheit eines Einzelnen die Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG sperrt, sondern die Tatsache, dass er sein Fluchtschicksal mit vielen anderen Personen teilt, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme im Bundesgebiet eine politische Leitentscheidung im Sinne des § 54 AuslG befinden soll. Lediglich dann, wenn einem Ausländer im Zielstaat im Ausnahmefall so erhebliche konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen, dass unmittelbar aus dem Grundgesetz die Gewährung von Abschiebungsschutz geboten ist (Art. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 GG), sind allgemeine Gefahren durch eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG zu berücksichtigen. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer in seinem Heimatstaat in eine extreme Gefahrenlage dergestalt geriete, dass er im Falle seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde (BVerwG, Urt. v. 17.10.1995, a.a.O.).

56

Einer derartigen extremen Gefahrenlage werden albanische Volkszugehörige bei einer heutigen Rückkehr in den Kosovo nach den vom Senat in das Verfahren eingeführten und ausgewerteten Erkenntnisquellen nicht ausgesetzt sein.

57

Da das Vorliegen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative für albanische Volkszugehörige bejaht wurde, weil sie hinreichend sicher sein können, dass im Kosovo das wirtschaftliche Existenzminimum gesichert sein wird und ihnen auch keine sonstigen Nachteile und Gefahren drohen, kann auf die oben im Einzelnen ausgeführte Darstellung verwiesen werden. Die nach dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 1995 vorauszusetzende extreme Gefahrenlage kann danach für albanische Volkszugehörige erst recht nicht angenommen werden. Diese Einschätzung des Senats steht im Einklang mit der Beurteilung anderer Oberverwaltungsgerichte (VGH Kassel, a.a.O., VGH Bad.-Württ., a.a.O.; Nds. OVG, Urt. v. 24.2.2000; Nds. OVG Beschl. v. 30.3.2000 - 12 L 4192/99 -; OVG Rheinl./Pf., Urt. v. 8.12.1999 - 7 A 12268/95.OVG -, AuAS 2000, 100; OVG Münster, Urt. v. 5.5.2000, a.a.O.; Thür. OVG, Urt. v. 17.5.2000, a.a.O.).

58

Beschluss

59

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt 1.500,- EUR (§ 83 b Abs. 2 AsylVfG).

60

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).