Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.01.2001, Az.: 12 LA 323/01
Abschiebungshindernisse; Kosovo; Menschenrechtskonvention; nichtalbanische Minderheit; Roma
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.01.2001
- Aktenzeichen
- 12 LA 323/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 39362
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 09.11.2000 - AZ: 12 A 1248/00
Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs 4 AuslG
- § 3 EMRK
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Kein Abschiebungsschutz nach EMRK für Roma aus dem Kosovo
Gründe
Der Antrag, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg; die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie die angeführte Divergenz sind nicht hinreichend dargelegt, sie liegen der Sache nach auch nicht vor.
Zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist auszuführen:
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Berufungsrechtszug entscheidungserheblich ist und die im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss (Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. 2000, RdNr. 11 zu § 78 AsylVfG). Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (vgl. Berlit, in: GK-AsylVfG, Stand: Dezember 1999, RdNrn. 96 ff. zu § 78 AsylVfG m.w.N.). Wird im Rahmen eines Zulassungsgrundes nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG - wie hier - geltend gemacht, Tatsachenfragen müssten grundsätzlich geklärt werden, reicht es für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus, wenn lediglich Zweifel an der dem erstinstanzlichen Urteil zugrunde gelegten Tatsachenbasis und der Würdigung der Erkenntnismittel durch das Verwaltungsgericht geäußert werden oder die bloße Behauptung aufgestellt wird, dass sich die für die Verfolgungsprognose maßgeblichen Verhältnisse anders darstellten als vom Verwaltungsgericht angenommen; vielmehr bedarf es der Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen - etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte und Erkenntnismittel - einer unterschiedlichen Würdigung und damit einer Klärung im Berufungsverfahren zugänglich sind. Der Zulassungsantrag muss sich daher mit den Gründen des angefochtenen Urteils im Einzelnen auseinandersetzen und erkennen lassen, dass er auf einer Sichtung und Durchdringung des Streitstoffes aufbaut (st. Rechtsprechung des beschließenden Senats, s. z.B. die Beschlüsse v. 18.6.1996 - 12 L 3464/96 - u. v. 8.1.1999 - 12 L 185/99; s. auch BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschl. v. 7.11.1994 - 2 BvR 2079/93 -, NVwZ-Beilage Nr. 3/1995, 17 m.w.Nachw.). Insgesamt ist bei den Darlegungserfordernissen zu beachten, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschl. v. 21.1.2000 - 2 BvR 2125/97 -, DVBl. 2000, 407).
Diesem Maßstab wird der Zulassungsantrag, der der Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst, ob "ethnische Roma im Kosovo einer asylerheblichen Verfolgung ausgesetzt waren und ausgesetzt sind" und ob "die bisherige Einschätzung aufrecht erhalten bleiben kann, dass auch Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 6 AuslG den Minderheiten im Kosovo nicht zu gewähren ist", nicht gerecht.
Unzulänglich ist der Zulassungsantrag bereits deshalb, weil er nicht auf einer hinreichenden Befassung mit den Gründen des angefochtenen Urteils beruht, das seine Entscheidung - tragend - damit begründet hat, das Asylfolgebegehren des Klägers müsse erfolglos bleiben, weil die Voraussetzungen der §§ 71 Abs. 1 AsylVfG, 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Mit diesen Erwägungen befasst sich der Zulassungsantrag nicht. Unzulänglich ist der Zulassungsantrag auch, soweit er im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. August 2000 (2 BvR 260/98 u.a., AuAs 2000, 187) die Frage aufwirft, ob Minderheiten im Kosovo durch Maßnahmen der albanischen Mehrheitsbevölkerung und ihrer Organisationen einer staatlichen Verfolgung unterlägen. Insoweit missversteht der Zulassungsantrag den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts grundlegend.
Hierzu hat der Senat sich bereits in dem den Bevollmächtigten des Klägers bekannten Beschluss vom 16. November 2000 (12 L 3937/00) umfassend geäußert. Daran hält der Senat fest.
Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 30.3.2000 - 12 L 4192/99 -) kommen als Verfolgungsmaßnahmen i.S. von Art. 16a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG nur staatliche oder dem Staat zurechenbare Handlungen in Betracht (vgl. hierzu: BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989 - 2 BvR 502, 31000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315).
Der Senat hat in dem Beschluss vom 16. November 2000 dazu ausgeführt:
"Träger von Herrschaftsmacht seien nämlich die Staaten, die hierdurch den Frieden im Innern sichern und so dem Individuum ein menschenwürdiges Leben in einer Gemeinschaft mit anderen ermöglichen, politische Verfolgung sei gleichsam die Kehrseite hiervon, nämlich der Missbrauch hoheitlicher Herrschaftsmacht durch Ausgrenzung Einzelner aus der übergreifenden Friedensordnung. Mithin stünden allenfalls solche staatsähnlichen Organisationen dem Staat gleich, die den jeweiligen Staat verdrängt hätten oder denen dieser das Feld überlassen habe und die ihn daher insoweit ersetzten. Davon könne für die Verhältnisse im Kosovo nicht die Rede sein, da Staats- und Gebietsgewalt im Kosovo gegenwärtig UNMIK und KFOR ausübten. Insbesondere gelte, dass es ausgeschlossen sei, das neben eine bestehenden Staatsgewalt auf demselben Gebiet eine mit ihr konkurrierende Gewalt besteht, die - auch - staatliche Gewalt ausübe und verfolgungsmächtig sei. Mit den Erwägungen des Senates, dass es ausgeschlossen sei, dass auf demselben Gebiet neben der bestehenden Staatsgewalt eine mit ihr konkurrierende Gewalt bestehe, befasst sich der Zulassungsantrag nicht, der es bei der schlichten Behauptung belässt, im Kosovo werde die eigentliche Herrschaftsmacht von der UCK und deren Nachfolgeorganisationen ausgeübt, die "staatliche Verfolgung" betrieben.
Die Erwägungen des Verwaltungsgerichtes und des Senates in dem Beschluss vom 30. März 2000 (aaO) werden nicht durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 10. August 2000 (- 2 BvR 260/98 u.a. -, AuAS 2000, 187) in Frage gestellt. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht an seiner Auffassung (Beschluss vom 10.7.1989, aaO) festgehalten, politische Verfolgung sei grundsätzlich staatliche Verfolgung, dem Staat stünden jedoch solche staatsähnlichen Organisationen gleich, die den jeweiligen Staat verdrängt hätten oder denen dieser das Feld überlassen habe und die ihn daher insoweit ersetzten. Ferner hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 10. August 2000 ausgeführt:
Das Element der "Staatlichkeit" oder "Quasi-Staatlichkeit" von Verfolgung darf nicht losgelöst vom verfassungsrechtlichen Tatbestandsmerkmal des "politisch" Verfolgten betrachtet und nach abstrakten staatstheoretischen Begriffsmerkmalen geprüft werden. Es muss vielmehr in Beziehung gesetzt bleiben zu der Frage, ob eine Maßnahme den Charakter einer politischen Verfolgung i.S. von Art. 16a Abs. 1 GG ausweist, vor der dem davon Betroffenen Schutz gewährt werden soll. Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass politische Verfolgung von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgeht, der der Verletzte unterworfen ist; politische Verfolgung sei somit grundsätzlich staatliche Verfolgung (vgl. BVerfGE 80, 315 <333 f.>). Die Prüfung bestimmter staatstheoretischer Merkmale für die Annahme vorhandener oder neu entstehender Staatlichkeit kann mithin für die Beurteilung, ob Verfolgungsmaßnahmen die Qualität politischer Verfolgung haben, nicht schlechthin konstitutiv, sondern nur - wenn auch in gewichtiger Weise - indiziell sei. Maßgeblich für die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist, dass der Schutzsuchende einerseits in ein übergreifendes, das Zusammenleben in der konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefüge eingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewährt, andererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen und durch gezielt zugefügte Rechtsverletzungen von der konkreten Gemeinschaft ausgeschlossen wird, was ihn in eine ausweglose Lage bringt, der er sich nur durch die Flucht entziehen kann. Die Frage, ob man in einer Bürgerkriegssituation nach dem Fortfall der bisherigen Staatsgewalt von einer Bürgerkriegspartei politische Verfolgung ausgehen kann, beurteilt sich folglich maßgeblich danach, ob diese zumindest in einem "Kernterritorium" ein solches Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität - im Sinne einer "übergreifenden Friedensordnung" (vgl. BVerfGE 80, 315 <334 f.>) - tatsächlich errichtet hat. Dieser Maßstab wird verengt, wenn die Möglichkeit politischer Verfolgung bereits mit der Erwägung verneint wird, es fehle bei allen um die Macht in ganz Afghanistan fortwährend kämpfenden Bürgerkriegsparteien an einer dauerhaft verfestigten Gebietsherrschaft nach außen...
Hiernach zeigt sich, und dies bedarf weiterer Ausführungen nicht, dass im Kosovo gegenwärtig nur UNMIK und KFOR Staats- und Gebietsgewalt ausüben, zugleich erschließt sich aus dem Senatsbeschluss vom 30. März 2000 (aaO) und den darin herbeigezogenen Erkenntnismitteln sowie aus dem Urteil des Verwaltungsgerichtes und den von dem Verwaltungsgericht verwerteten Erkenntnismitteln, dass eine Organisation der albanischen Bevölkerungsgruppe - etwa die UCK - auch nicht staatsähnliche Herrschaftsmacht auf einem umgrenzten Gebiet des Kosovo effektiv durchgesetzt und mit der Folge etabliert hat, dass die dort lebende Bevölkerung einer anderweitigen quasi-staatlichen Hoheitsgewalt unterworfen ist."
Aus dem Gesagten folgt zugleich, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt, weil die aufgeworfene Frage in der Rechtsprechung des Senates dahin geklärt ist, dass Angehörige der Bevölkerungsgruppe der Roma im Kosovo nicht i.S. von Art. 16a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 GG politisch verfolgt werden. Die in dem Zulassungsantrag bezeichneten Erkenntnisse (Reisebericht von Holtey, Bericht des UNHCR vom 4. Oktober 2000 und vom 11. November 2000) lassen ein anderes Ergebnis nicht gewinnen, da diese Berichte nicht einmal im Ansatz aufzeigen, die UCK habe auf dem Gebiet des Kosovo in einem "Kernterritorium" ein Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität errichtet.
Unzulänglich ist der Zulassungsantrag auch im Hinblick auf die weitere aufgeworfene Frage, in der er nicht hinreichend zwischen den Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 und des § 53 Abs. 6 unterscheidet.
Davon abgesehen kommt der Rechtssache deshalb grundsätzliche Bedeutung nicht zu, weil die Frage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s. im Folgenden) hinreichend geklärt ist. Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt und diese Erwägungen macht sich der Senat zu eigen:
"Ein Abschiebungshindernis ergibt sich auch nicht aus § 53 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit Art. 3 EMRK. Diese Voraussetzungen liegen nur vor, wenn der um Abschiebungsschutz nachsuchende Ausländer im Zielland der Abschiebung Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (BVerwG, Urteil vom 27. April 1998 - BVerwG 9 C 13/97 -, NVwZ 1998, 973 f .m.w.N.; Urteil vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 38.96 -, BVerwGE 104, 265).
Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 3 EMRK hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. April 1997, aaO (BVerwGE 104, 265, 269), ausgeführt:
"Das ist nur der Fall, wenn dem Ausländer landesweit eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Bestrafung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, die grundsätzlich von einem Staat ausgehen oder von ihm zu verantworten sein muß (BVerwGE 99, 331 [333-335]). Dabei schützt Art. 3 EMRK ebenso wie das Asylrecht nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Konflikten. Denn der Begriff der Behandlung setzt ein geplantes, vorsätzliches, auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln voraus. Das ergibt sich aus dem Wortlaut und aus dem Zweck der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem Mißbrauch staatlicher Gewalt vorzubeugen und den der Herrschaftsgewalt des Staates Unterworfenen bestimmte Rechte oder Freiheiten einzuräumen. Als unmenschliche Behandlung gemäß Art. 3 EMRK sind deshalb grundsätzlich nur Mißhandlungen durch staatliche Organe anzusehen. Ausnahmsweise können auch Mißhandlungen durch Dritte eine solche Behandlung darstellen, sofern sie dem Staat zugerechnet werden können, weil er sie veranlaßt, bewußt duldet oder ihnen gegenüber keinen Schutz gewährt, obwohl er dazu in der Lage wäre. Nach der Rechtsprechung des Senats können dem Staat ferner solche staatsähnlichen Organisationen gleichstehen, die den jeweiligen Staat verdrängt haben, selbst staatliche Funktionen ausüben und auf ihrem Gebiet die effektive Gebietsgewalt innehaben ..."
Nach dieser Rechtsprechung werden Kriegs- und Bürgerkriegsgefahren wie auch Rechtsverletzungen durch beliebige private Dritte (verbrecherische Banden oder auch einzelne Kriminelle) vom Schutzbereich des Art. 3 EMRK nicht einbezogen. An dieser Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht trotz weitergehender Interpretationen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, Urteil Ahmed gegen Österreich vom 17. Dezember 1996 - 71/1995/577/663 -, NVwZ 1997, 1100 = InfAuslR 1997, 279 [EGMR 17.12.1996 - 71/1995/577/663]; Urteil D. gegen das Vereinigte Königreich vom 2. Mai 1997- 146/1996/767/964 -, NVwZ 1998, 161) festgehalten. In der Entscheidung vom 2. Mai 1997 (aaO) führt der EGMR aus, dass der Vertragsstaat verpflichtet sei, die in Art. 3 EMRK niedergelegten Rechte zu sichern, und dass dieses Prinzip bisher in Zusammenhängen angewendet worden sei, in denen die Gefahr für das Individuum, irgendeiner der verbotenen Handlungsweisen ausgesetzt zu werden, von vorsätzlich durchgeführten Maßnahmen der öffentlichen Gewalt des Empfängerstaates oder solchen nicht staatlichen Organisationen in diesem Staat herrührte, sofern die Behörden außerstande waren, ihm einen angemessenen Schutz zu gewähren. Der EGMR führt dann weiter aus (Nr. 49):
"Abgesehen von diesen Situationen und unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung des Art. 3 EMRK innerhalb der Konventionssystematik muß sich der Gerichtshof ausreichende Flexibilität bewahren, um diesen Artikel auch in anderen sich ergebenden Zusammenhängen anzuwenden. Er ist daher nicht von der genauen Prüfung der Beschwerde eines Antragstellers nach Art. 3 EMRK abgehalten, wenn die Gefahr einer verbotenen Behandlung im Empfangsstaat von Faktoren herrührt, die weder unmittelbar noch mittelbar die Verantwortung der staatlichen Behörden dieses Staates auslöst, oder die für sich genommen, die Maßstäbe dieses Artikels nicht verletzen. Die Abwendung von Art. 3 EMRK in dieser Weise zu begrenzen, würde den absoluten Charakter seines Schutzes unterlaufen. Der Gerichtshof muß jedoch in einem solchen Fall alle den Fall betreffenden Umstände einer genauen Überprüfung unterziehen, insbesondere die persönliche Situation des Ast. im abschiebenden Staat."
Demgegenüber hält das Bundesverwaltungsgericht auch angesichts dieser Entscheidung des EGMR daran fest, dass ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit Art. 3 EMRK nur dann in Betracht komme, wenn die dem Ausländer im Zielstaat drohende Misshandlung vom Staat oder einer staatsähnlichen Organisation ausgehe oder zu verantworten sei. Die Aussage des EGMR, er dürfe selbst solche Fälle an Hand des Art. 3 EMRK prüfen, in denen die Quelle der Gefahr für den Antragsteller auf Umstände zurückzuführen sei, die - für sich genommen - nicht in sich selbst die Standards des Art. 3 EMRK verletzten, verwische die Grenzen des Schutzbereiches des Art. 3 EMRK (BVerwG, Urteil vom 2. September 1997 - BVerwG 9 C 40/96 -, BVerwGE 105,187, 191 = NVwZ 1999, 311 = DVBl. 1998, 271).
Die Kammer hat sich bereits in der Vergangenheit dieser Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen und hält hieran auch unter Berücksichtigung der weiteren Entscheidung des EGMR vom 7. März 2000 fest (EGMR, Beschluss vom 7. März 2000 - Nr. 43844/98, T. I. gegen das Vereinigte Königreich, InfAuslR 2000, 321).
In dieser Entscheidung führt der EGMR erneut aus, dass die Verpflichtung der Vertragsstaaten eine Person nicht in einen Staat abzuschieben, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass diese Person einem tatsächlichen Risiko einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung ausgesetzt wäre, nicht davon abhänge, ob das Risiko der Misshandlung von Faktoren herrühre, die direkt oder indirekt die Verantwortung der staatlichen Stellen des Aufnahmestaates auslöse. In Anbetracht des absoluten Charakters des geschützten Rechts könne sich Art. 3 EMRK auch auf Situationen erstrecken, in denen die Gefahr von Personen oder Personengruppen ausgehe, die kein öffentliches Amt inne hätten oder auf die Frage für die Gesundheit im Falle schwerwiegender Erkrankungen. Mit dieser Entscheidung setzt der EGRM seine bisherige Rechtsprechung fort, so dass es sich nicht um eine neuere Tendenz in der Rechtsprechung des Gerichtshofes handelt (vgl. auch Marx: "Menschenrechtlicher Abschiebungsschutz - Aus Anlass der Entscheidung des EGMR vom 7. März 2000", InfAuslR 2000, 313, 315).
Die Kammer folgt deshalb jedenfalls für die hier zu entscheidenden Abschiebefälle in den Kosovo weiterhin der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz der zum Teil heftigen Kritik (Marx, aaO, S. 314, spricht unter anderem von "sprachlicher Schluderei des deutschen Revisionsgerichtes").
Neben den vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründen ist für die Kammer dabei maßgebend, dass - zum einen - der absolute Charakter des Art. 3 EMRK zu beachten und effektiv umzusetzen ist und - zum anderen - alle Umstände des Einzelfalles sorgfältig zu prüfen sind. In allen Entscheidungen des EGMR wird neben dem absoluten Schutzcharakter des Art. 3 EMRK gerade diese Einzelfallprüfung betont. Wenn bei dieser Einzelfallprüfung der zu gewährende Abschiebungsschutz nur bei Bejahung der Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erreicht werden kann, mögen - wie in der Entscheidung des EGMR vom 2. Mai 1997 für den an Aids erkrankten Antragsteller geschehen - diese außergewöhnlichen Umstände und das kritische Stadium der schrecklichen Krankheit des Antragstellers zum Abschiebestop führen können. Einen allgemeinen Grundsatz, in auch minderschweren Krankheitsfällen lägen die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK vor, lässt sich daraus nicht ableiten. Nach dem in § 53 und auch § 55 AuslG geregelten System des Abschiebeschutzes für die Bundesrepublik Deutschland werden diese vom EGMR unter Art. 3 EMRK zu interpretierenden Fälle außerhalb der Anwendung des § 53 Abs. 4 AuslG erfasst. Dies betont auch das Bundesverwaltungsgericht, das darauf hinweist, dass sich die unterschiedliche Interpretation des Art. 3 EMRK im Regelfall im Ergebnis nicht auswirkt (BVerwG, Urteil vom 2. September 1997, aaO, BVerwGE 105, 187, 192).
In diesen Fällen ist Abschiebeschutz entweder nach § 53 Abs. 6 AuslG zu gewähren oder eine Duldung nach § 55 AuslG zu erteilen.
Nach diesen Grundsätzen ist Abschiebeschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit Art. 3 EMRK im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht zu gewähren, weil die in Betracht zu ziehenden Maßnahmen im Kosovo - vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen - weder vom Staat noch von einer staatsähnlichen Gewalt ausgehen und ihm auch nicht zugerechnet werden können. Im übrigen fehlt es auch an den tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 3 EMRK."
Auch im Hinblick auf die Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 6 AuslG kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Auch hierzu hat das Verwaltungsgericht das Erforderliche gesagt, diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, an der er festhält.
Auch die geltend gemachte Divergenz ist nicht hinreichend dargelegt.
Die Darlegung der Divergenz erfordert, sofern - wie hier - eine Abweichung in einer Rechtsfrage geltend gemacht wird, die Bezeichnung eines die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatzes in einer Entscheidung der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG angeführten Gerichte und die Angabe eines ebensolchen - die Entscheidung tragenden - abstrakten Rechtssatzes in dem Urteil des Verwaltungsgerichts (Senat, st. Rspr., vgl. u.a. Beschl. v. 24.7.1996 - 12 L 4209/96 - m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts), wobei ein prinzipieller Auffassungsunterschied deutlich werden muss (BVerwG, Beschl. v. 20.8.1997 - BVerwG 9 B 89.97 -). Ein solcher von der Rechtsprechung abweichender abstrakter Rechtssatz, den das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, muss zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen sein, er muss sich aber aus der angefochtenen Entscheidung hinreichend deutlich ergeben. Hingegen begründet das Übergehen oder die unrichtige Anwendung eines von den bezeichneten Gerichten entwickelten Rechtssatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall keine Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG, weil dann die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht auf der Abweichung beruht und die Rechtseinheit nicht in Frage gestellt ist (Senat, aaO; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 10.7.1995 - BVerwG 9 B 18.95 -).
Diesem Maßstab wird der Zulassungsantrag schon deshalb nicht gerecht, weil er weder einen die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in dem Urteil des Verwaltungsgerichtes noch einen ebensolchen Rechtssatz in der von ihm benannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 10. August 2000 (aaO) bezeichnet, zwischen denen ein prinzipieller Auffassungsunterschied bestehe. Vielmehr macht der Zulassungsantrag in allgemeiner und undifferenzierter Form geltend, das Verwaltungsgericht vertrete im Hinblick auf die Frage, welche Voraussetzungen das Innehaben von staatlicher Gewalt habe, eine andere Auffassung als das Bundesverfassungsgericht (aaO).
Davon abgesehen besteht die geltend gemachte Divergenz nicht; der Zulassungsantrag verkennt grundlegend, dass das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 10.8.2000, aaO) daran festgehalten, politische Verfolgung sei grundsätzlich staatliche Verfolgung, und weiterhin in seinen Überlegungen zugrunde gelegt hat, dass von einer Bürgerkriegspartei nur dann politische Verfolgung ausgehen könne, wenn diese zumindest in einem "Kernterritorium" ein Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität errichtet habe. Damit hat das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 10.8.2000, aaO) zugleich ausgeschlossen, dass eine sich der "legitimen" Staatsgewalt widersetzende Gruppierung, die nicht Herrschaft auf einem Territorium ausübt, eine "quasi-staatliche" Organisation im Sinne seines Beschlusses vom 10. August 2000 darzustellen vermag.