Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.02.2002, Az.: 7 LA 17/02
Beschleunigungsgebot; Gehörsrüge; Gehörsverstoß; Konzentrationsgebot; Prozessbevollmächtigtenverhinderung; rechtliches Gehör; Terminsverlegung; Terminsvertreter; Terminverlegung; Terminverlegung; Terminverlegungsantrag; Verfahrensbeschleunigung; Verhinderung; Vertagung; Vertagungsantrag; Vertretungsanwalt
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.02.2002
- Aktenzeichen
- 7 LA 17/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43868
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 08.01.2002 - AZ: 5 A 547/01
Rechtsgrundlagen
- § 227 ZPO
- § 74 AsylVfG
- § 87 Abs 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine verweigerte Terminsverlegung bei Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten verletzt nicht ohne weiteres den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO bleibt ohne Erfolg.
1. Fraglich ist bereits, ob die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör schlüssig dargelegt ist, da der Kläger nicht vorgetragen hat, welchen weiteren Tatsachenstoff er in der mündlichen Verhandlung bei Anwesenheit des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten geschildert hätte und dass dieser geeignet gewesen wäre, den geltend gemachten Asylanspruch zu begründen (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 18.11.1994 - 12 L 6853/94-, AuAS 1995, 107).
2. Selbst wenn eine solche Darlegung bei geltend gemachter Verhinderung des Prozessbevollmächtigten nicht notwendig sein sollte (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.04.1989 - 9 C 55.88 -, NVwZ 1989, 857 (859)), ist der Antrag unbegründet, weil das Verwaltungsgericht den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO nicht verletzt hat. Es hat den Antrag des Klägers auf Terminsverlegung und Vertagung nicht zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 ZPO kann eine mündliche Verhandlung aus erheblichen Gründen verlegt oder vertagt werden. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "erheblichen Gründe" ist einerseits dem im Verwaltungsprozess allgemein (vgl. etwa § 87 b VwGO) und im Asylverfahrensrecht insbesondere (vgl. u.a. § 74 AsylVfG) geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens und der Intention des Gesetzes, die gerichtliche Entscheidung möglichst aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung herbeizuführen (Konzentrationsgebot, vgl. § 87 Abs. 1 VwGO), andererseits dem verfassungsrechtlichen Erfordernis des rechtlichen Gehörs Rechnung zu tragen (BVerwG, Beschl. v. 23.01.1995 - 9 B 1.95 -, BayVBl. 1995, 317). Letzteres verlangt, dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und sich mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten im Prozess zu behaupten, wobei das rechtliche Gehör auch das Recht eines Beteiligten einschließt, sich durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.04.1989, a.a.O.). Allerdings ist der Beteiligte gehalten, alles in seinen Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche zu tun, um sich durch Wahrnehmung des Verhandlungstermins rechtliches Gehör zu verschaffen. Ist er hieran indes ohne Verschulden gehindert, liegt ein zur Verlegung oder Vertagung des Termins zwingender Grund vor. Dies gilt entsprechend, wenn der Beteiligte anwaltlich vertreten ist (BVerwG, Urt. v. 20.09.1994 - 3 C 28.92 -, BayVBl. 1995, 252). Der beschließende Senat vermag jedoch im vorliegenden Fall keine erheblichen Gründe im Sinne des § 173 VwGO i.V.m. § 227 ZPO zu erkennen.
Zunächst kann nicht mehr festgestellt werden, ob alle mit der Prozessführung beauftragten Rechtsanwälte am Terminstag verhindert waren, da eine Prozessvollmacht entgegen der gerichtlichen Verfügung vom 19. November 2001 nicht vorliegt. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte der Kläger aber nicht überzeugend dargetan, weshalb es unmöglich oder unzumutbar gewesen sein sollte, einen anderen sachkundigen Rechtsanwalt mit der Terminswahrnehmung zu beauftragen.
Asylsuchende haben grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ausschließlich der sachbearbeitende Rechtsanwalt den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrnimmt (so auch OVG NW, Beschl. v. 09.07.1996 - 25 A 2999/96.A -, AuAS 1996, 250). Hier kommt hinzu, dass der während des Verwaltungsverfahrens in Br. untergebrachte und sodann nach D. zugewiesene Kläger für das gerichtliche Verfahren ein Rechtsanwaltsbüro aus Bi. beauftragt hatte und das Mandatsverhältnis erst kurze Zeit bestand. Reicht das Tätigkeitsfeld eines Rechtsanwaltsbüros über mehrere Gerichtsbezirke, kann der Rechtsanwalt nicht davon ausgehen, dass bei der Terminierung stets Rücksicht genommen wird. Vielmehr muss er dafür Sorge tragen, dass im Fall der Verhinderung eine sachgerechte Vertretung gegebenenfalls durch einen unterbevollmächtigten Kollegen möglich ist. Es gibt auch im Raum O. genügend Rechtsanwälte, die über die erforderlichen Kenntnisse des Asyl- und Asylverfahrensrechts verfügen und sich noch vor dem Termin anhand der Handakte des Prozessbevollmächtigten in ausreichender Weise über den Sachstand hätten informieren können. Wenn der sachbearbeitende Rechtsanwalt gleichwohl zu der mündlichen Verhandlung keinen Terminsvertreter entsendet, kann er sich im nachhinein nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sein Mandant in der mündlichen Verhandlung nicht sachkundig vertreten gewesen sei. Der Kammervorsitzende hat auch rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung mit Verfügung vom 28. Dezember 2001 über den am Tag zuvor eingegangenen Antrag des Klägers auf Verlegung des Termins entschieden.