Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.02.2002, Az.: 8 LA 3912/01
Ausnahmebewilligung; Beschränkung; Eintragung; Handwerksbetrieb; Handwerksmeister; Handwerksrolle; Meisterprüfung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.02.2002
- Aktenzeichen
- 8 LA 3912/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43796
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 15.10.2001 - AZ: 1 A 225/99
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs 2 HwO
- § 7 HwO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Beschränkung der Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle auf die Tätigkeit in einem bestimmten Handwerksbetrieb ist rechtlich nicht zulässig.
Gründe
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, dass die von ihr geltend gemachten Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO vorliegen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass der Kläger nach § 8 Abs. 1 HwO einen Anspruch auf Erteilung einer unbeschränkten Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle für das Maurer- und Betonbauer-Handwerk habe. Zwar könne die Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 2 HwO unter Auflagen erteilt und auf einen wesentlichen Teil eines Handwerks beschränkt werden. Bei der Tätigkeit im Baugeschäft des Klägers, auf die die Beklagte die Ausnahmebewilligung beschränkt habe, handele es sich aber um keine handwerkliche Teiltätigkeit. Die Beschränkung der Ausnahmebewilligung sei auch nicht geeignet, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 HwO zu sichern. Die Erwägung der Beklagten, dass an die körperliche Eignung von Betriebsinhabern und Betriebsleitern unterschiedliche Maßstäbe anzulegen seien, liege außerhalb des Regelungsbereichs des § 8 HwO. Sollte dem Kläger die für eine konkrete Betriebsleiterfunktion erforderliche körperliche Eignung fehlen, sei dieser Umstand in dem Verfahren auf Eintragung des Handwerksbetriebs in die Handwerksrolle zu berücksichtigen.
Die Einwände, die die Beklagte dagegen erhoben hat, begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die auf einen Berufsunfall zurückzuführenden Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers die Beklagte nicht dazu berechtigen, die Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 2 HwO auf die Tätigkeit in dem Betrieb des Klägers zu beschränken. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass die Handwerksordnung mit Ausnahme des Sonderfalls der Ausnahmebewilligungen, die nach § 8 Abs. 2 HwO auf wesentliche Teile eines Handwerks beschränkt sind, nur Ausnahmebewilligungen kennt, die die volle Berechtigung zur Ausübung des Handwerks begründen (Urt. v. 15.9.1972 - VII OVG A 58/72 - GewArch 1973, 65, m.w.N.; ebenso: Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks, Komm., 2. Aufl., § 8 Rn. 9, 41). Diese Feststellung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das entschieden hat, dass die Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle für die selbständige Ausübung eines Handwerks und nicht für die handwerkliche Tätigkeit, die gerade ausgeübt wird, erteilt wird (BVerwG, Beschl. v. 22.10.1981 – 5 B 75.80 – Buchholz 451.45, § 8 HwO, Nr. 8, m.w.N.). Daher richtet sich die Befähigung, die zur Erlangung einer Ausnahmebewilligung nachzuweisen ist, nicht nach den besonderen Verhältnissen des Handwerksbetriebs, in dem der Handwerker tätig ist oder tätig werden will (BVerwG, Beschl. v. 19.3.1960 - VII B 7.60 - DVBl. 1960, 396; Urt. v. 9.10.1959 - VII C 87.59 - BVerwGE 9, 207). Vielmehr muss sie sich auf alle Arbeiten erstrecken, die in dem betreffenden Handwerk im Allgemeinen anfallen, da insbesondere der Sinn der gesetzlichen Regelung dafür spricht, nicht nur bei der Meisterprüfung, sondern auch bei der Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle den Nachweis der Befähigung für alle in dem Handwerk üblichen Tätigkeiten zu verlangen (BVerwG, Beschl. v. 19.3.1960, a.a.O.; Urt. v. 9.10.1959, a.a.O.; Aberle, Die Deutsche Handwerksordnung, § 8 Rn. 19, 38.). Ausgehend davon kann eine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle nach § 8 Abs. 2 HwO nur auf einen wesentlichen Teil der handwerklichen Tätigkeit, d. h. Teilbereiche eines Handwerks, die dessen Kernbereich ausmachen, ihm sein essenzielles Gepräge geben und als besonderer Beruf ausgeübt werden können (vgl. dazu: BVerwG, Beschl. v. 15.10.1992 - 1 B 177/92 -; Urt. v. 19.10.1971 - I C 16.70 - BVerwGE 39, 15 (18)), beschränkt werden. Folglich ist eine Beschränkung der Ausnahmebewilligung auf die Tätigkeit in einem bestimmten Handwerksbetrieb wie den des Klägers rechtlich nicht zulässig (vgl. auch Siegert/Musielak, § 8 Rn. 38).
Der Kläger kann daher eine uneingeschränkte Ausnahmebewilligung für die Eintragung in die Handwerksrolle beanspruchen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 HwO vorliegen. Dass es daran fehlt, hat die Beklagte jedoch nicht dargelegt. Sie hat zwar darauf hingewiesen, dass die körperliche Einsatzfähigkeit des Klägers eingeschränkt sei, zugleich aber betont, dass die von § 8 Abs. 1 HwO geforderten notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten beim Kläger durchaus vorhanden seien und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 HwO vorlägen. Daher begründet das Vorbringen der Beklagten keine ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.
Die Berufung kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es außerhalb des Regelungsbereichs des § 8 HwO liegt, die Ausnahmebewilligung zur Verhinderung einer externen Betriebsleitertätigkeit des in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigten Klägers nach § 8 Abs. 2 HwO auf eine Tätigkeit im eigenen Betrieb zu beschränken, verleiht der vorliegenden Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie keiner Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Denn diese Frage ist anhand der eingangs zitierten höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung auch außerhalb eines Berufungsverfahrens ohne weiteres zu bejahen. Im übrigen ist höchstrichterlich geklärt, dass es der Handwerkskammer obliegt, im Rahmen der Entscheidung über die Eintragung einer juristischen Person in die Handwerksrolle darüber zu befinden, ob der Betriebsleiter den Anforderungen an eine Betriebsleitertätigkeit auch in körperlicher Hinsicht gerecht wird; dass der Betriebsleiter eine Meisterprüfung abgelegt hat oder eine Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 HwO vorweisen kann, ändert daran nichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.4.1991 – 1 C 50.88 – Buchholz 451.45, § 7 HwO, Nr. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts, die sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 1996, 605, II. Nr. 14.3 f) orientiert, beruht auf §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.