Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.02.2002, Az.: 1 K 3499/00

Abwägung; Abwägungsfehler; Abwägungsmangel; Aufstellung; Bauleitplanung; Bebauungsplan; Finanzierbarkeit; Folgeplan; Folgeplanaufstellung; Folgeplanung; Konfliktlösung; Konfliktlösungsverlagerung; Planungsabsicht; Verlagerung; Änderung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.02.2002
Aktenzeichen
1 K 3499/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43817
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung der Nichtigkeit des am 7. Juli 1994 als Satzung beschlossenen Bebauungsplanes Nr. 106 n "Gewerbegebiet G." der Antragsgegnerin.

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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des außerhalb des Plangebiets liegenden Grundstücks A. 230 (nahe der Abzweigung T. Weg). Ihr Grundstück liegt im Geltungsbereich des südöstlich anschließenden Bebauungsplans Nr. 121 n "Beidseitig der A. und östlich der X. Chaussee, Teilbereich 1" der Antragsgegnerin, der am 19. November 1998 als Satzung beschlossen worden ist. Der Bereich, in dem das Grundstück der Antragstellerin liegt, ist als reines Wohngebiet festgesetzt.

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Der Bebauungsplan Nr. 106 n "Gewerbegebiet G." umfasst eine Fläche von insgesamt 121 ha, wovon bereits ca. 32 ha im Zeitpunkt seiner Aufstellung gewerblich genutzt wurden. Die verbleibende Fläche wird zu etwa 34 ha für Grünmaßnahmen verwendet, die restlichen Flächen werden ebenfalls als Gewerbegebiet bzw. eingeschränktes Industriegebiet festgesetzt. Der Plan hebt verschiedene ehemalige Bebauungspläne ganz oder in Teilbereichen auf bzw. fasst sie zusammen.

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Im Verlauf der Planungen der Antragsgegnerin wurde u.a. das Gutachten "Ergebnisse zur Verkehrsuntersuchung und Lärmminderungsplanung für die Bauleitplanung G. - Beurteilung von Varianten zur Ausbauplanung der westlichen A." vom September 1994 von der Planungsgemeinschaft Dr. Ing. W. T. (PGT) sowie der Ingenieurgemeinschaft B./M./H. herangezogen. Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass durch die vorhandene Verkehrsbelastung auf der A. mit ca. 8.350 Kfz pro 24 Stunden bei einem Schwerverkehrsanteil von ca. 3 % zwischen dem Einkaufszentrum "Marktkauf" und dem Einmündungsbereich der A. in die "X. Chaussee" die durch die 16. BImSchV-Verkehrslärmschutzverordnung vorgegebenen Grenzwerte von 59 dB(A) tags bzw. 49 dB(A) nachts deutlich überschritten würden. Die errechneten Mittelungspegel an den straßenzugewandten Hausseiten wiesen maximale Tageswerte von ca. 66 dB(A) bzw. maximale Nachtwerte von ca. 55 dB(A) auf. Für den Fall des Anschlusses des geplanten Gewerbegebietes an die A. würde die Verkehrsbelastung auf ca. 15.550 Kfz/24 Std. bei einem Schwerverkehrsanteil von 7 % tagsüber und bis zu 6 % nachts ansteigen. Würde noch eine zusätzliche Verkehrsbelastung durch den zukünftigen Bäderverkehr über die geplante "Südtangente" eintreten, sei zu befürchten, dass sogar die für Bundesfernstraßen maßgeblichen Immissionsgrenzwerte der Lärmsanierung von 70 dB(A)/60 dB(A) überschritten würden. Um die "unhaltbare Immissionsbelastung durch die zukünftigen geplanten Gewerbegebietsausweisungen" (S. 18 d. Gutachtens) zu vermeiden, seien eine Reihe von Ausbau- bzw. Veränderungsmaßnahmen im Bereich der "A."  bzw.  der "X. Chaussee" erforderlich. Die Gutachter untersuchen insgesamt fünf Planungsvarianten einer Straßenführung der A. und erörtern eine Verbesserung der Lärmsituation durch unterschiedlich große Verlegung der Fahrbahn der A. in südlicher Richtung.

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In der Begründung zum Bebauungsplan Nr.106 n geht die Antragsgegnerin auf die Probleme der Erschließung des neuen Gewerbegebietes ein und setzt sich mit den Ergebnissen des genannten Gutachtens auseinander. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass eine einstufige Entwicklung des Gewerbegebietes und der sog. "Südtangente" nicht möglich sei. Um die Entwicklung des Gewerbegebietes G. jedoch "nicht unnötig zu verzögern", schließt sich die Antragsgegnerin den Vorschlägen der Gutachter für ein gestuftes Vorgehen an. Das Gewerbegebiet könne zunächst aufgrund der noch vorhandenen Kapazitätsreserven über die bestehenden Anbindungen an die G.er Chaussee erschlossen werden. Erst mit steigender Nutzung der zur Verfügung stehenden Gewerbeflächen werde ein Zustand erreicht, der eine Anbindung an die A. erforderlich mache. Die Antragsgegnerin kommt sodann zu dem Ergebnis, dass zur Bewältigung der Lärmschutzproblematik an der A. im Bereich der Wohnbebauung "T. Weg" zwischen X. Chaussee und Marktkauf ein gesonderter Bebauungsplan aufgestellt werden solle. Als Anlage 1 der Begründung wird der Planbereich für einen aufzustellenden Bebauungsplan Nr. 121 "Beidseitig der A." beigefügt. Auf Seite 23 der Begründung heißt es sodann weiter:

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"Der verkehrsmäßige Anschluss der Gewerbeflächen südlich des L.stroms erfolgt erst nach dem Umbau/Ausbau der A. mit entsprechenden Vorsorgeeinrichtungen für den Lärmschutz aus dem noch aufzustellenden Bebauungsplan. Vorerst werden die Gewerbeflächen über die Verlängerung der H.-D.-Straße zur G.er Chaussee erschlossen."

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Die Ausführung der Lärmschutzeinrichtungen bzw. die Trassenvarianten der A. seien mit den betroffenen Grundstückseigentümern und zukünftigen Begünstigten der Lärmschutzeinrichtungen zu erörtern.

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Die Antragstellerin hat im Aufstellungsverfahren unter dem 30. Mai 1994 Einwendungen gegen den Bebauungsplan Nr. 106 n erhoben. Sie hat sich insbesondere gegen den geplanten Ausbau der A. zu einer Hauptverkehrsstraße in Verbindung mit dem Gewerbegebiet G. und dem zukünftigen Bäderring gewandt. Es sei unbedingt erforderlich, die A. vom Zu- und Abgangsverkehr des westlich gelegenen Einkaufszentrums zu verschonen und den gewerblichen Verkehr aus dem neuen Gewerbegebiet weiträumig von der A. entfernt an die X. Chaussee anzubinden.

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In seiner Sitzung vom 7. Juli 1994 beschloss der Rat der Antragsgegnerin unter Zurückweisung der entgegenstehenden Anregungen und Bedenken den Bebauungsplan Nr. 106 n als Satzung. Gleichzeitig wurde die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 121 "Beidseitig der A." beschlossen, der die bestehenden Bebauungspläne Nr. 23/1 "T. Weg" und Nr. 62 "Für das Baugebiet südlich des L.stroms und beidseits der A." ändert bzw. aufhebt. Mit Verfügung vom 19. Oktober 1994 beanstandete die Bezirksregierung Lüneburg u.a. die Begründung des Bebauungsplanes, die daraufhin in den oben zitierten Teilen nachgebessert wurde. Der Bebauungsplan Nr. 106 n wurde am 8. Dezember 1994 bekannt gemacht.

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Mit Ratsbeschluss vom 22. Mai 1995 hob die Antragsgegnerin den Planaufstellungsbeschluss vom 7. Juli 1994 für den Bebauungsplan Nr. 121 "Beidseitig der A." auf und fasste den Aufstellungsbeschluss für einen neu konzipierten Bebauungsplan Nr. 121 n "Beidseitig der A. und östlich der X. Chaussee". Am 19. November 1998 ist dieser Bebauungsplan vom Rat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossen worden. Er sieht eine Verlegung der A. im Bereich der X. Chaussee und dem östlich an das Wohngebiet T. Weg angrenzenden Sondergebiet großflächiger Einzelhandel um etwa 110 m nach Süden vor sowie zusätzlich am nördlichen Fahrbahnrand der neuen Straße einen Lärmschutzwall. Die "alte Straße" soll ausschließlich der Erschließung der Wohnbebauung an ihrer nördlichen Seite dienen. In der Begründung zum Bebauungsplan heißt es (S. 7):

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"Mit dem Bebauungsplan Nr. 121 n "Beidseitig der A. und östlich der X. Chaussee, Teilbereich 1" werden die Interessen der Anlieger an der A. berücksichtigt und die Erschließung des Gewerbegebiets G. planungsrechtlich gesichert."

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In der Planbegründung heißt es weiter, dass im Rahmen des Bauleitplanverfahrens Nr. 106 n "Gewerbegebiet G." anhand eines schalltechnischen Gutachtens ermittelt worden sei, dass die Stadt Cuxhaven als Straßenbaulastträger entsprechend der 16. BImSchV verpflichtet sei, entsprechenden Lärmschutz für das vorhandene Wohngebiet "T. Weg" umzusetzen. Zur Bewältigung dieser Lärmschutzproblematik und der daraus resultierenden Sperrung des Gewerbegebiets G. zur A. seien die verschiedenen Planvarianten zum künftigen Trassenverlauf erarbeitet worden. Die nunmehr beschlossene Planung solle diesen Interessen gerecht werden.

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Im Jahr 1998 wurde die zunächst vorhandene Sperrung der A., die entsprechend der in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 106 n (S. 23) aufgeführten stufenweisen Erschließung des Plangebiets eingerichtet war, im Bereich der Anbindung an die Erschließungsstraßen des Plangebiets aufgehoben. Der Verkehr fließt seitdem ungehindert - auch - über die A. im Bereich des Wohngebiets T. Weg. Das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 106 n ist mittlerweile auch in seinem südlichen Bereich weitgehend ausgenutzt. Dies gilt auch für Teile des Plangebietes Nr. 121 n "Beidseitig der A. und östlich der X. Chaussee"- Teilbereich 1.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. Der angegriffene Bebauungsplan Nr. 106 n "Gewerbegebiet G." verstößt nicht gegen das in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltene Abwägungsgebot.

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§ 1 Abs. 6 BauGB verpflichtet die Gemeinde, die öffentlichen und die privaten Belange gerecht untereinander abzuwägen. Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Abwägung ergeben sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 (- IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, 309). Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt stattfinden. In diese muss eingestellt werden, was nach Lage der Dinge berücksichtigt werden muss. Dabei darf die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkannt und muss der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist weiterhin geklärt, dass nicht alle auf diese Weise erkannten Konflikte einer endgültigen Lösung bereits im Bebauungsplan selbst zugeführt werden müssen. Vielmehr ist eine Verlagerung der Konfliktlösung in ein nachfolgendes Verfahren zulässig (BVerwG, Beschl. v. 17.2.1984 - 4 B 191/83 -, BVerwGE 69, 30; Beschl. v. 28.8.1987 - 4 N 1/86 -, BRS 47, 3; Beschl. v. 30.11.1992 - 4 NB 41/92 -         veröffentl. in Juris; Beschl. v. 14.7.1994 - 4 NB 25/94 -, BRS 56 Nr. 6; Beschl. v. 30.8.1994 - 4 B 105/94 -, NVwZ-RR 1995, 322). Eine Konfliktverlagerung ist dann möglich, wenn die zwingend notwendige Lösung für einen erkannten Konflikt anderweitig sichergestellt werden kann und die Gemeinde dieses Ergebnis in ihre Abwägung aufnehmen kann. Dazu gehört vor allem auch, dass die "zur Sicherung einer abgewogenen Planung erforderlichen Maßnahmen nicht im Belieben oder zur Disposition der Stelle stehen, der sie überlassen sind, sondern auch tatsächlich durchgeführt werden, jedenfalls aber von den Betroffenen, deren Belange zu wahren sind, durchgesetzt werden können" (BVerwG, Beschl. v. 14.7.1994, a.a.O.). Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung sind deshalb überschritten, wenn "bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offengelassene Interessenkonflikt auch in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird" (BVerwG, a.a.O.). Die Frage, ob die Konfliktbewältigung, die in ein späteres Verfahren verlagert ist, gesichert oder mindestens wahrscheinlich ist, muss von der Gemeinde prognostisch beurteilt werden (BVerwG, a.a.O.). Diesen Voraussetzungen genügt der angegriffene Bebauungsplan.

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Die Belange der Antragsteller sowie der übrigen Bewohner der A. sind im Rahmen des Planaufstellungsverfahrens gewürdigt worden. Die Antragsgegnerin hat  durch ein umfangreiches Lärmschutzgutachten klären lassen, ob und in welchem Ausmaß mit einer Erhöhung des Verkehrs und damit der Lärmbelastung auf der A. durch das geplante Gewerbegebiet zu  rechnen ist. Die Ergebnisse der Lärmuntersuchung hat sie zur Kenntnis genommen und der Abwägung aller betroffenen Belange zugrunde gelegt. Dabei war sich die Antragsgegnerin auch der zwingenden Notwendigkeit und der daraus für sie folgenden Verpflichtung bewusst, Abhilfe zu schaffen. Es ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Möglichkeit der Konfliktverlagerung nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Lösung des durch den Bebauungsplan Nr. 106 n entstehenden und von ihr erkannten Lärmschutzproblems in das Verfahren zur Aufstellung eines weiteren Bebauungsplanes verlagert hat. Damit sind die Belange der Antragstellerin nicht in ungerechtfertigter Weise hintangestellt worden.

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Die Möglichkeit der Konfliktverlagerung in einen weiteren Bebauungsplan begegnet insoweit keinen Bedenken, als es sich um ein Verfahren handelt, das die planaufstellende Gemeinde selbst in der Hand hat (BVerwG, Beschl. v. 30.8.1994, a.a.O.). Aus den Planaufstellungsunterlagen lässt  sich auch mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass die Antragsgegnerin sich ernsthaft um die Lösung der Verkehrsprobleme bemüht hat. Anhaltspunkte dafür, dass die konfliktlösende weitere Planung  nicht ernsthaft betrieben oder gar darauf verzichtet werden sollte, lagen im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Nr. 106 n nicht vor. Auch objektive Zwangspunkte, die gegen eine Planung in einem weiteren Bebauungsplan sprechen könnten, weil sie eine problemlösende Planung durch Zeitablauf oder aus technischen Gründen unmöglich machen würden, waren nicht gegeben. Die Möglichkeiten für die Verlegung der Straßentrasse im Bereich des Wohngebietes der Antragstellerin waren und sind objektiv vorhanden.  Die Realisierung der das Problem auslösenden Planung, also des Bebauungsplanes Nr. 106 n, durch Ausnutzung der darin ausgewiesenen Gewerbe-/Industrieflächen führt nicht dazu, dass die angestrebte Problemlösung - Verlegung der A. in ihrem westlichen Bereich bzw. Errichtung von Lärmschutzmaßnahmen - unmöglich gemacht würde. Anderseits hängt die Funktion des Bebauungsplanes Nr. 106 n nicht davon ab, dass entweder unmittelbar im Zusammenhang mit der Ausnutzung des Plans Lärmschutzvorkehrungen an der A. vorgenommen werden oder diese ohne Lärmschutz als Erschließung für das Plangebiet genutzt wird. In dem angegriffenen Bebauungsplan ist die Erschließung des Gesamtgebietes nicht ausschließlich über die Straße A. vorgesehen. Es bestehen vielmehr vorhandene bzw. im Verlauf der Planung neu anzulegende Erschließungsmöglichkeiten nach Norden an die B 73. Diese sind zwar, dies ergibt sich aus der Begründung des Plans, nicht darauf zugeschnitten, im Endstadium der Ausnutzung des Plangebietes die volle Erschließungsfunktion zu übernehmen. Sie sind jedoch andererseits auch nicht so dimensioniert, dass sie eine Erschließung des Gebiets - mindestens vorübergehend - nicht gewährleisten könnten, für den Fall, dass die Straße A. in ihrem westlichen Bereich in ihrem alten Zustand verbleibt und solange nicht als Erschließungsstraße genutzt werden kann, wie eine neue Straße bzw. Lärmschutzmaßnahmen nicht realisiert sind (S. 22 der Begründung zum Bebauungsplan). Damit hatte die Antragsgegnerin auch für einen überschaubaren Zeitraum ausgeschlossen, dass der Bebauungsplan Nr. 106 n mangels Erschließung zu einem unabgewogenen Planungstorso würde, sofern sich die Problembewältigung hinsichtlich des Lärmschutzes im westlichen Bereich der A. verzögern würde. Insoweit sprach die zeitliche Verschiebung des Lärmschutzproblems im westlichen Teil der A. gegenüber dem Beginn der Realisierung des Plans im Übrigen nicht gegen die Abtrennung der Lärmschutzfragen, weil die Anwohner bei einer Erschließung des Gebiets nach Norden von der Erhöhung des Verkehrs - noch - nicht betroffen sein würden. Dass sowohl die Maßnahmen für die "Übergangszeit" als auch die der Problemlösung der Antragsgegnerin selbst vorbehalten sind - durch verkehrslenkende Maßnahmen bzw. die Aufstellung eines weiteren Bebauungsplans -, erleichtert die Konfliktbewältigung im Rahmen der Abwägung durch Verlagerung eines Teilproblems.

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Eine weitergehende Sicherung der Problemlösung ist darüber hinaus nicht erforderlich, denn die Anlieger haben, - jedenfalls in Fällen, in denen es um Lärmschutz geht -, die Möglichkeit, ihre berechtigten Ansprüche auf anderen Wegen durchzusetzen, so dass die Betroffenen im Falle der Konfliktverlagerung auch für die "Übergangszeit" nicht rechtsschutzlos stehen (BVerwG, Beschl. v. 28.8.1987, a.a.O.). So besteht etwa die Möglichkeit eines gerichtlich durchsetzbaren Anspruchs, der sich aus § 41 BImSchG ergibt, gegen den Straßenbaulastträger darauf, dass unzumutbare Belästigungen durch Verkehrsgeräusche vermieden werden (BVerwG, Beschl. v. 28.8.1987, a.a.O.; Beschl. v. 7.9.1988 - 4 N 1/87 -, BVerwGE 80, 184; Beschl. v. 17.5.1995 - 4 NB 30/94 -, BRS 57 Nr. 2). Ebenso können die Straßenanlieger sich auf einen Schutz vor Straßenverkehrslärm nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO berufen, wenn der Lärm Beeinträchtigungen mit sich bringt, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen werden  muss (BVerwG, Urt. v. 4.6.1986 - 7 C 76/84 -, BVerwGE 74, 234). Einen zusätzlichen Schutz gegen die tatsächlich bestehende Lärmbelastung bieten die im Bebauungsplan Nr. 121 n festgesetzten Schutzvorkehrungen, denn die Antragstellerin hat einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Herstellung dieser Schutzvorkehrungen zugunsten der Anlieger der A., die die Verlegung der Zufahrtsstraße zum Gewerbegebiet einschließen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.11.1988 - 4 B 157/88 -, BRS 48 Nr. 13). Ob sich darüber hinaus bereits aus der Begründung des angefochtenen Bebauungsplanes Nr. 106 n ein Anspruch auf Lärmschutz ergibt, kann offen bleiben. Der Bebauungsplan Nr. 106 n enthält selbst keine Festsetzungen zum Schutz der Anlieger der A. vor dem Verkehrslärm der Zufahrt zum Gewerbegebiet. Die Antragsgegnerin hat zwar in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 106 n die Bewältigung des Lärmschutzes an der A. auf den aufzustellenden Bebauungsplan Nr. 121 verlagert, sie hat aber zugesichert, bis zur Lösung dieses Problems auf andere Weise für Lärmschutz zu sorgen, wenn es auf S. 23 der Planbegründung heißt, der verkehrsmäßige Anschluss der Gewerbeflächen südlich des L.stroms  erfolge erst nach dem Umbau/Ausbau der A. mit entsprechenden Vorsorgeeinrichtungen für den Lärmschutz aus dem noch aufzustellenden Bebauungsplan. Der Antragsgegnerin war bewusst, dass bis zur Realisierung eines weiteren das Problem lösenden Bebauungsplanes Zeit vergehen werde und die Anwohner der A. für diesen Zeitraum nicht schutzlos dem entstehenden Straßenverkehrslärm ausgesetzt sein dürften, der sich aus der vorgezogenen Verwirklichung des Bebauungsplanes Nr. 106 n ergeben würde. Um diesen Mangel, der sich aus einer Verlagerung des Problems ergeben musste, auszugleichen,  kam die Antragsgegnerin in ihrer Abwägungsentscheidung zu dem Ergebnis, für diesen Zeitraum des Übergangs die Erschließung des Gewerbegebietes G. nur über die nach Norden verlaufenden Straßen vorzunehmen. Damit war dem Schutz der betroffenen Anwohner auch für die Zeit zwischen Inkrafttreten des das Problem auslösenden Bebauungsplans und dem Inkrafttreten und der Realisierung des weiteren das Problem lösenden Bebauungsplans Genüge getan.

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Die Konfliktverlagerung scheitert auch nicht an der mangelnden Finanzierbarkeit des Bebauungsplans Nr. 121 n. Da es auf den Zeitpunkt der Abwägungsentscheidung ankommt (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB), können insoweit später gewonnene Erkenntnisse über die finanzielle Lage nicht berücksichtigt werden. Zwar darf die Frage der Finanzierbarkeit eines Vorhabens während der Planungsphase nicht ignoriert werden, jedoch ist in der Phase der Planaufstellung "vorausschauend zu beurteilen, ob dem geplanten Bauvorhaben unüberwindbare finanzielle Schranken entgegenstehen würden" (BVerwG, Urt. v. 20.5.1999 - 4 A 12/98 -, BRS 62 Nr. 6). Auswirkungen auf die Planung ergeben sich danach erst dann, wenn der Mangel der Finanzierbarkeit unüberwindbar ist und damit die Realisierung bereits endgültig ausgeschlossen scheint und die planende Stelle dies bereits in der Phase der Planaufstellung im Rahmen der prognostischen Beurteilung der Situation feststellt (BVerwG, Urt. v. 24.11.1989 - 4 C 41/88 -, BVerwGE 84, 123; Urt. v. 20.5.1999, a.a.O.).  Dabei genügt es im Rahmen der Konfliktverlagerung nicht, dass die Folgeplanung irgendwann finanzierbar ist, vielmehr wird der zunächst offengelassene Interessenkonflikt im nachfolgenden Verfahren nur dann sachgerecht gelöst, wenn die Folgeplanung so rechtzeitig verwirklicht werden kann, dass die Konflikte nicht "zum Ausbruch" kommen. Das bedeutet für den angefochtenen Bebauungsplan Nr. 106 n, dass es entscheidend darauf ankommt, dass die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Nr. 106 n davon ausgehen durfte, dass die in dem nachfolgenden Bebauungsplan Nr. 121 n vorzusehenden Vorkehrungen zum Schutz der Anlieger der A. vor dem Verkehrslärm des Zu- und Abfahrtsverkehrs des Gewerbegebiets G. vor dem Anschluss der Gewerbeflächen südlich des L.stroms an die A. verwirklicht werden. Anhaltspunkte für die fehlende Finanzierbarkeit in diesem Zeitrahmen ergeben sich aus den Planaufstellungsvorgängen nicht. Vielmehr ergibt sich aus den Aufstellungsvorgängen zum Bebauungsplan Nr. 106 n, dass die Antragsgegnerin damit rechnete, mit Hilfe von Zuschüssen das Vorhaben finanziell bewältigen zu können. Von einer "unüberwindbaren" finanziellen Schranke ging die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Nr. 106 n ersichtlich nicht aus.

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Es bedarf schließlich keiner abschließenden Entscheidung, ob sich die finanzielle Situation der Antragsgegnerin inzwischen so verschlechtert hat, dass der Bebauungsplan Nr. 121 n nicht mehr verwirklicht werden kann. Denn selbst wenn der Bebauungsplan Nr. 121 n wegen der Finanzlage der Antragsgegnerin nicht realisiert werden kann, hat dies keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des angefochtenen Bebauungsplanes Nr. 106 n. Dieser Bebauungsplan ist insbesondere nicht funktionslos geworden. Eine bauplanerische Festsetzung tritt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts außer Kraft, "wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient". Eine bloße Änderung der Planungsabsichten führt dagegen nicht zur Funktionslosigkeit entgegenstehender Bebauungspläne (BVerwG, Urt. v. 10.9.1976 - IV C 5.76 -, BRS 37 Nr. 6; Beschl. v. 7.2.1997 - 4 B 6/97 -, BRS 59 Nr. 56; Beschl. v. 21.12.1999 - 4 BN 48/99 -, BRS 62, Nr. 79; Beschl. v. 11.12.2000 - 4 BN 58/00 -, ZfBR 2001, 356). Im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 106 n haben sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht in einer Weise entwickelt, die eine Verwirklichung der Festsetzungen ausschließt, vielmehr hat sich das Plangebiet "plangemäß" entwickelt. Dass die Konflikte außerhalb des Bebauungsplanes Nr. 106 n nicht gelöst worden sind, wie sich das der Rat der Antragsgegnerin bei Erlass des Bebauungsplanes Nr. 106 n vorgestellt hat, begründet nicht die Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes. Schließlich würde aber auch die Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes Nr. 106 n der Antragstellerin nicht weiterhelfen. Da der Bebauungsplan Nr. 106 n weitgehend verwirklicht ist, würde die Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes an der Belastung der Anlieger der A. durch den Lärm des Zufahrtsverkehrs zum Gewerbegebiet nichts ändern.

Sonstiger Langtext

21

B e s c h l u s s

22

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 12.782,30 ¤ (= 25.000,-- DM) festgesetzt.