Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.02.2002, Az.: 4 LB 2089/01
Darlehen; Hausgrundstück; Rücknahmebescheid; Umdeutung; Verschweigen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.02.2002
- Aktenzeichen
- 4 LB 2089/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43950
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 04.01.2001 - AZ: 9 A 3101/00
- nachfolgend
- BVerwG - 28.03.2003 - AZ: BVerwG 5 B 212.02; 5 C 5.03
- BVerwG - 08.07.2004 - AZ: BVerwG 5 C 5.03
Rechtsgrundlagen
- § 88 Abs 2 Nr 7 BSHG
- § 89 BSHG
- § 92a BSHG
- § 43 SGB 10
- § 45 SGB 10
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Verschweigt ein Hilfesuchender im Antrag auf Sozialhilfe, dass er mittels eines Bankkredits ein Hausgrundstück erworben hat, das er (noch) nicht selbst bewohnt, darf der Träger der Sozialhilfe, nachdem er von diesem Vorgang Kenntnis erlangt hat, die Bescheide über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nur insoweit zurücknehmen, als er die Hilfe als nicht zurückzahlbare Leistung statt als Darlehen nach § 89 BSHG gewährt hat.
Tatbestand:
Die im Jahre 1944 geborene Klägerin erlitt im Jahre 1993 einen Verkehrsunfall. Daraufhin konnte sie ihren Beruf als Pharmareferentin nicht mehr ausüben. Nachdem die Krankenkasse die Leistung von Krankengeld eingestellt hatte, beantragte die Klägerin am 18. März 1996 bei der für den Beklagten handelnden Gemeinde A. Hilfe zum Lebensunterhalt. Sie lebte damals zusammen mit ihrer pflegebedürftigen Mutter in einem Zweifamilienhaus in A., das sie im Jahre 1977 erworben hatte und das hoch belastet war. Die Gemeinde gewährte ihr ab 18. März 1996 Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung der Hauslasten als Aufwendungen für die Unterkunft und der von ihrer Mutter gezahlten Miete als Einkommen. Außerdem erhielt die Klägerin Wohngeld (Lastenzuschuss). Im Januar 1998 verstarb ihre Mutter. Sie vermietete das Haus ab 1. März 1998 an ein Ehepaar mit fünf Kindern, blieb aber zunächst auch noch dort wohnen. Die Gemeinde berücksichtigte die vereinbarte Miete von 2.000,-- DM monatlich als Einkommen und Hauslasten in fast derselben Höhe weiterhin als Kosten der Unterkunft. In der Folgezeit kam es zwischen der Klägerin und den Mietern zum Streit, in dessen Verlauf die Mieter im Juni 1998 der Klägerin den Zugang zu dem Haus versperrten. Die Klägerin zog in eine Ferienwohnung, deren Kosten die Gemeinde übernahm. Ab 1. Juli 1998 gewährte sie die Hilfe zum Lebensunterhalt im Hinblick auf das Hauseigentum nur noch als erweiterte Hilfe gegen Forderung von Aufwendungsersatz. Zur Sicherung dieser Forderung bewilligte die Klägerin auf Verlangen der Gemeinde die Eintragung einer Sicherungshypothek bis zum Höchstbetrag von 50.000,-- DM.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gewährte der Klägerin auf ihren Antrag vom 27. Januar 1995 im Verlaufe eines sozialgerichtlichen Rechtsstreits durch Bescheid vom 12. Februar 1999 rückwirkend ab 1. März 1998 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Gemeinde stellte daraufhin die Hilfe zum Lebensunterhalt ab 1. April 1999 ein und machte gegenüber der BfA für die Zeit vom 1. März 1998 bis zum 31. März 1999 einen Erstattungsanspruch geltend, den diese im Wesentlichen erfüllte.
Im September 1998 gaben die Mieter der Klägerin gegenüber der Gemeinde an, die Klägerin besitze ein Haus in Frankreich. Hierzu äußerte sich die Klägerin wie folgt: Sie habe schon im Jahre 1995 vorgehabt, das Haus in A. zu verkaufen und ein Haus in Frankreich zu erwerben, in das sie zusammen mit ihrer Mutter habe ziehen wollen. Diese Pläne hätten sich zerschlagen, nachdem die BfA den Rentenantrag abgelehnt habe. Im Februar 1996 habe sie in Frankreich einen notariell beurkundeten Vertrag über den Kauf des Hauses abgeschlossen und auf den Kaufpreis von (umgerechnet) 220.000,-- DM eine Anzahlung von 120.000,-- DM geleistet. Dafür habe sie einen Bankkredit in Anspruch genommen und zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs eine Grundschuld auf dem Haus in A. umgeschuldet. Tilgungsleistungen hätten nicht erbracht werden müssen, die Zinsen habe ihre Mutter aus ihrer Rente aufgebracht. Der Restkaufpreis von 100.000,-- DM (nebst Zinsen) hätte bis spätestens Februar 1998 gezahlt werden müssen, das sei aber bisher nicht geschehen. Deshalb habe sie das Eigentum an dem Haus noch nicht erworben. Am 28. Oktober 1998 legte die Klägerin der Gemeinde A. den Kaufvertrag vom 3. Februar 1996 in französischer Sprache vor. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen die Klägerin wegen Sozialhilfebetruges und ließ den Kaufvertrag von einem Übersetzungsbüro in die deutsche Sprache übersetzen. Nach Vernehmung der Verkäufer in Frankreich im Wege der Rechtshilfe und jeweils einer Sachbearbeiterin der Gemeinde A. und des Beklagten stellte das Amtsgericht das Strafverfahren gegen die Klägerin am 6. September 2000 nach § 153 a StPO mit der Auflage, eine Geldbuße von 500,-- DM zu zahlen, ein.
Von der Übersetzung des Kaufvertrages vom 3. Februar 1996 erhielt der Beklagte über die Staatsanwaltschaft im November 1999 Kenntnis. Auf seine Anweisung hob die Gemeinde A. mit Bescheid vom 16. Dezember 1999 die Bescheide über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 18. März 1996 bis zum 28. Februar 1998 auf und forderte die Leistungen in Höhe von insgesamt 33.560,18 DM zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Klägerin habe bei der Antragstellung am 18. März 1996 mindestens grob fahrlässig verschwiegen, bereits durch den Kaufvertrag vom 3. Februar 1996 - wie sich aus der deutschen Übersetzung ergebe - das Eigentum an dem Hausgrundstück in Frankreich erworben zu haben. Dadurch habe sie die rechtswidrige Gewährung der Hilfe herbeigeführt. Denn hätte sie, die Gemeinde, von diesem Grundvermögen gewusst, hätte sie die Hilfe nur als Darlehen nach § 89 BSHG gegen dingliche Sicherung des Rückzahlungsanspruchs gewährt.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Durch Vertrag vom 24. November 1999 verkaufte sie das Haus in A. und verpflichtete sich zur lastenfreien Übertragung des Eigentums an die Käufer. In dem Vertrag ist ein Kaufpreis von 550.000,-- DM vereinbart, der auf ein Notaranderkonto zur Tilgung der Grundpfandrechte und anderer Forderungen hinterlegt werden sollte. Nach der Abrechnung des Notars vom 23. Februar 2000 hinterlegten die Käufer 465.300,-- DM, von denen nach Tilgung der Grundpfandrechte und Erfüllung anderer Forderungen 6.309,54 DM blieben. Es wurde u. a. der Bankkredit von 120.000,-- DM (zuzüglich Zinsen) getilgt und die Forderung der Gemeinde A. in Höhe von 33.560,18 DM erfüllt; davon hatte sie die Bewilligung der Löschung der Sicherungshypothek abhängig gemacht. Ferner überwies der Notar auf Anweisung der Klägerin an einen Herrn K. 100.000,-- DM. Die Klägerin hat bisher nicht erläutert, was es mit dieser Zahlung auf sich hat. Am 1. November 1999 meldete sie sich nach Frankreich um. Sie wohnt in dem gekauften Haus und trägt vor, den restlichen Kaufpreis von 100.000,-- DM zuzüglich Zinsen immer noch schuldig zu sein, da es ihr bisher nicht gelungen sei, einen Bankkredit zu erhalten.
Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Rückforderungsbescheid mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2000 zurück. Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 4. Januar 2001 die Anfechtungsklage abgewiesen und die Rechtsauffassung des Beklagten gebilligt.
Der Senat hat auf den Antrag der Klägerin - nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Versäumung der Begründungsfrist - die Berufung durch Beschluss vom 13. Juni 2001 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugelassen und ausgeführt: Da die Klägerin nicht sofort das Grundvermögen in Frankreich hätte verwerten und von dem Erlös ihren Lebensunterhalt hätte bestreiten können, hätten die Bewilligungsbescheide nicht ersatzlos, sondern nur insoweit aufgehoben werden dürfen, als die Hilfe statt als Darlehen nach § 89 BSHG als nicht zurückzahlbare Leistung gewährt worden sei.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor: Das Hausgrundstück in Frankreich sei für sie vor der Zahlung des Restkaufpreises kein verwertbarer Vermögensgegenstand (gewesen). Die Verkäufer hätten nach einer Vertragsklausel vielmehr das Recht, das Grundstück und die Kaufpreisanzahlung zu behalten, wenn nicht spätestens bis Februar 1998 der restliche Kaufpreis gezahlt würde. Jedenfalls sei ihr nicht grobe Fahrlässigkeit im Hinblick darauf vorzuwerfen, dass sie den Hauskauf in dem Antrag auf Sozialhilfe nicht erwähnt habe. Abgesehen davon, dass für einen solchen Vorgang in dem Antragsformular eine Spalte nicht vorgesehen sei, habe sie nicht gewusst und mangels hinreichender Kenntnis der französischen Sprache auch nicht erkennen können, dass sie nach der Formulierung des Vertrages bereits mit Vertragsschluss Eigentümerin des Grundstücks geworden sei. Zumindest hätte ihr der Beklagte die gewährte Hilfe als Darlehen lassen und ihr Gelegenheit geben müssen, es entsprechend ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten zurückzuzahlen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid der Gemeinde A. vom 16. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides es m Beklagten vom 7. Juni 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er entgegnet: Da die Klägerin mit Abschluss des Kaufvertrages Eigentümerin des Hausgrundstücks in Frankreich geworden sei, habe sie einen verwertbaren und nicht geschützten Vermögensgegenstand gehabt. Es hätte sich ihr aufdrängen müssen, dass sie ihn nicht habe verschweigen dürfen, als sie Sozialhilfe beantragt habe. Dasselbe gelte, soweit sie sich vorgestellt habe, zunächst nur einen Kaufvertrag gegen eine Kaufpreisanzahlung von 120.000,-- DM abgeschlossen zu haben. Der handschriftliche Zusatz in dem Kaufvertrag, dass sowohl das Grundstück an die Verkäufer zurückfalle als auch die Kaufpreisanzahlung verfalle, wenn der restliche Kaufpreis nicht innerhalb von zwei Jahren gezahlt werde, sei nach französischem und deutschem Recht sittenwidrig, da eine solch schwerwiegende Sanktion durch nichts gerechtfertigt sei. Im übrigen hätten die Verkäufer bis heute von einer solchen Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht, obwohl, wie die Klägerin vortrage, der Restkaufpreis immer noch nicht gezahlt sei.
Für eine nachträgliche Umwandlung der Hilfe in ein Darlehen fehle es an einer Rechtsgrundlage. § 45 SGB X, dessen Voraussetzungen hier erfüllt seien, sehe nur die Aufhebung der rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakte vor. Diese Regelung sei abschließend.
Aber selbst wenn der Bescheid vom 16. Dezember 1999 aus dem vom Senat im Zulassungsbeschluss genannten Grund fehlerhaft sei, sei er in einem Kostenersatzbescheid nach § 92 a BSHG umzudeuten. Denn die Klägerin habe mindestens grob fahrlässig sozialwidrig gehandelt, als sie die 120.000,-- DM nicht für den Lebensunterhalt, sondern für den Kauf eines Hausgrundstücks in Frankreich eingesetzt und dadurch ihre Hilfebedürftigkeit herbeigeführt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und auch begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Voraussetzungen für die ersatzlose Aufhebung der Bescheide über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 18. März 1996 bis zum 28. Februar 1998 nach § 45 SGB X und damit für die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen nach § 50 SGB X sind nicht erfüllt gewesen.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 45 Abs. 1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 (und Absatz 3 Satz 2) wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X).
Hier sind die Bescheide über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 18. März 1996 bis zum 28. Februar 1998 rechtswidrig, weil die Klägerin im Hinblick auf das gekaufte Hausgrundstück in Frankreich nicht Anspruch darauf gehabt hat, die Hilfe als nicht zurückzahlbare Leistung zu erhalten. Denn das Hausgrundstück ist verwertbares und nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG einzusetzendes Vermögen im Sinne des § 88 Abs. 1 BSHG gewesen, das nicht nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG geschützt gewesen ist, weil die Klägerin es nicht selbst bewohnt hat. Dabei unterstellt der Senat, dass der Text des Kaufvertrages vom 3. Februar 1996, wonach die Klägerin am Tage des Vertragsabschlusses Eigentümerin des Grundstücks geworden ist, die Rechtslage nach französischem Recht zutreffend wiedergibt. Die Annahme, dass dieses Grundeigentum verwertbares Vermögen gewesen ist, wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin die Kaufpreisanzahlung, die ihr diesen Eigentumserwerb vermittelt hat, durch einen Bankkredit finanziert, also in derselben Höhe Schulden gemacht hat. Denn verwertbares Vermögen ist nicht der Überschuss der Aktiven über die Passiven, sondern jeder Vermögensgegenstand, durch dessen Verwertung der Notlage abgeholfen werden kann (Senat, Urt. v. 8. 1. 1986 - IV OVG A 36/85 -).
Der Annahme, das Grundeigentum sei verwertbar gewesen, steht ferner nicht entgegen, dass ungewiss gewesen ist, wann und wie die Klägerin das Eigentum hätte verwerten können, ob sich insbesondere die Verkäufer einer Verwertung (Weiterveräußerung oder Belastung) widersetzt hätten, solange die Klägerin den Restkaufpreis nicht bezahlt hätte, und ob sie auch mit einer Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht einverstanden gewesen wären. Von der "Verfallklausel" hätten sie, unabhängig davon, ob sie nach französischem Recht wirksam ist, jedenfalls in dem hier maßgeblichen Zeitraum noch nicht Gebrauch machen dürfen, da die Klägerin danach bis zum Februar 1998 Zeit gehabt hat, den Restkaufpreis zu zahlen.
Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Denn die Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 18. März 1996 bis zum 28. Februar 1998 haben auf Angaben beruht, die die Klägerin mindestens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Sie hat den Kauf des Hauses in Frankreich verschwiegen und dabei die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Es musste sich ihr aber aufdrängen, dass ein solcher Vorgang für die Bewilligung von Sozialhilfe von wesentlicher Bedeutung sein konnte. Immerhin hatte sie 120.000,-- DM in das Haus investiert und kurz darauf Sozialhilfe beantragt. Alle ihre Einlassungen dazu, weshalb sie guten Glaubens gewesen sei, den Hauskauf nicht erwähnen zu müssen (im Formular sei eine passende Spalte nicht enthalten gewesen, sie sei der französischen Sprache nicht hinreichend mächtig und habe vor allem nicht verstanden, dass sie schon mit Vertragsabschluss Eigentümerin des Grundstücks geworden sei, und auch ihr Bekannter, der als Dolmetscher zugegen gewesen sei, habe ihr diese Stelle des Vertragstextes nicht wortgetreu übersetzt), sind unbeachtlich. Denn sie hätte auf jeden Fall - mündlich oder schriftlich (sei es an irgendeiner Stelle des Antragsformulars oder in einem Begleitschreiben) - den Hauskauf erwähnen müssen, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, Unterlagen, insbesondere den Kaufvertrag, anzufordern und zu prüfen, ob dieser Vermögenserwerb einer Hilfegewährung entgegenstand oder sich sonst auf die Form der Hilfe (Zuschuss oder Darlehen) auswirkte. Da sie eine solche Prüfung mindestens grob fahrlässig vereitelt hat, ist ihr Vertrauensschutz nicht zuzubilligen.
Der Beklagte hat die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht versäumt. Die Gemeinde A. hat von dem Kauf des Hauses in Frankreich im September 1998 erfahren und am 28. Oktober 1998 von der Klägerin den Kaufvertrag in französischer Sprache erhalten. Bereits daraus hätte die Gemeinde zwar schon die Kenntnis erlangen können, dass die Klägerin am Tag des Abschlusses des Kaufvertrages Eigentümerin des Hausgrundstücks geworden ist. Nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X kommt es aber nicht darauf an, wann die Behörde die Möglichkeit gehabt hat, sich Kenntnis zu verschaffen, und ob sie es (schuldhaft) unterlassen hat, dies zu tun, sondern darauf, wann sie positiv Kenntnis von der maßgeblichen Tatsache erlangt hat. Das ist hier erst im November 1999 geschehen, nachdem die Staatsanwaltschaft dem Beklagten die Ermittlungsakten mit der deutschen Übersetzung des Kaufvertrages übersandt und besonders auf diese Formulierung hinsichtlich des Eigentumsübergangs hingewiesen hatte.
Gleichwohl sind die hier angefochtenen Bescheide rechtswidrig, weil die Gemeinde A. die Bewilligungsbescheide nicht ersatzlos aufheben und die Leistungen nicht als zu Unrecht erbracht zurückfordern durfte. Denn es ist nicht anzunehmen, dass es der Klägerin in dem hier maßgeblichen Zeitraum hätte gelingen können, das Haus in Frankreich auf die eine oder andere Weise zu verwerten oder den Kaufvertrag rückgängig zu machen und die Verkäufer zur Erstattung (eines Teils) der Kaufpreisanzahlung zu bewegen. Es hätte ihr die Hilfe also zumindest nach § 89 BSHG als Darlehen gewährt werden müssen, um der Notlage wirksam abzuhelfen. Nur diesen Zustand durfte die Gemeinde herstellen, nachdem sie von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt hatte. Das bedeutet, dass sie die Bewilligungsbescheide nur zurücknehmen durfte, soweit der Klägerin die Hilfe als nicht zurückzahlbare Leistung gewährt worden war, und ihr die Leistung als rechtmäßig gewährtes Darlehen belassen musste, mit anderen Worten, dass sie die Leistung nur von einem Zuschuss in ein Darlehen umwandeln durfte (auf dasselbe Ergebnis liefe eine Umwandlung in eine erweiterte Hilfe nach § 11 Abs. 2 BSHG gegen Forderung von Aufwendungsersatz hinaus). Die Auffassung des Beklagten, für eine solche Regelung fehle es an einer Rechtsgrundlage, da § 45 SGB X nur die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts vorsehe, ist unzutreffend. Denn diese Vorschrift erlaubt die Rücknahme nur, "soweit" der begünstigende Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Hier sind die Bewilligungsbescheide - wie dargelegt - nur rechtswidrig, soweit die Hilfe als nicht zurückzahlbare Leistung statt als Darlehen (oder erweiterte Hilfe) gewährt worden ist.
Eine Umdeutung des fehlerhaften Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides in einen "Umwandlungsbescheid" ist dem Senat nach § 43 SGB X verwehrt, da die Rückforderung einer zu Unrecht erbrachten Leistung und die Rückforderung eines rechtmäßig gewährten Darlehens nicht auf das gleiche Ziel gerichtet sind. Eine Umdeutung des fehlerhaften Verwaltungsakts in einen Bescheid nach § 92 a BSHG kommt erst recht nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für die Forderung von Kostenersatz nach dieser Vorschrift nicht erfüllt sind. Die Klägerin hat ihre Hilfebedürftigkeit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig sozialwidrig herbeigeführt, indem sie den an ihrem Haus in A. dinglich gesicherten Bankkredit dazu verwandt hat, ein Haus in Frankreich zu kaufen und den Kaufpreis anzuzahlen. Denn sie hätte auf die Inanspruchnahme eines solchen an ihrem Haus in A. dinglich gesicherten Bankkredits zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht verwiesen werden dürfen. Auch die Gemeinde A. hat das in dem hier maßgeblichen Zeitraum von der Klägerin - zu Recht - nicht verlangt, weil sie angenommen hat, das hoch belastete Hausgrundstück in A. sei nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG als angemessenes Hausgrundstück vor einer Verwertung geschützt, solange es die Klägerin und ihre pflegebedürftige Mutter bewohnten.
Nicht zu entscheiden ist in diesem Verfahren ob der Beklagte nach Aufhebung des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides vom 16. Dezember 1999 durch dieses Urteil, sobald es rechtskräftig geworden ist, noch einen "richtigen" Bescheid erlassen kann oder ob dem jetzt § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X (der Ablauf der Jahresfrist) entgegensteht. Ferner ist nicht zu entscheiden, ob die Gemeinde A. zu Recht die Bewilligung der Löschung der Sicherungshypothek an dem Grundstück der Klägerin in A., die zur Sicherung des Anspruchs auf Aufwendungsersatz für die ab 1. Juli 1998 der Klägerin gewährten und von der BfA erstatteten erweiterten Hilfe bestellt worden war, von der Erfüllung des hier streitigen Rückforderungsanspruchs aus dem Erlös des Verkaufs des Hauses in A. abhängig gemacht hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.