Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.02.2002, Az.: 1 OB 3332/01

Beiladung; notwendige Beiladung; Ruhen des Verfahrens; Ruhensanordnung; Zustimmung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.02.2002
Aktenzeichen
1 OB 3332/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43888
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 19.09.2001 - AZ: 2 A 2360/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Ruhensanordnung bedarf es der Zustimmung des notwendig Beigeladenen.

Gründe

1

Der Kläger erstrebt das Ruhen des Verfahrens, in dem er (insbesondere) gegen die Baugenehmigung klagt, welche der Beklagte den Beigeladenen unter dem 27. September 1999 für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf einem Teilbereich des ehemaligen Flurstücks 11/7 erteilt hat. Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung hat er unter dem 7. August 2001 das Ruhen des Verfahrens beantragt und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Eine gütliche Einigung in diesem Verfahren sei nicht möglich, bevor sein Grundstück nicht im weiteren Sinne ausreichend erschlossen sei, das zum Aktenzeichen 3 C 366/91 vor dem Amtsgericht H. M. zwischen ihm und der Erbengemeinschaft S. geführte Klageverfahren um die Erteilung einer Baulast abgeschlossen sei und sich der Innenminister abschließend außergerichtlich zur Gültigkeit des Bebauungsplanes der Gemeinde S. Nr. 5 geäußert habe. Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 13. August 2001 dem Antrag angeschlossen. Die Beigeladenen haben das Einverständnis zum Ruhen des Verfahrens mit Schriftsatz vom 24. August 2001 versagt.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung des Ruhens abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, auch die notwendig Beigeladenen hätten der Ruhensanordnung zustimmen müssen. Im Übrigen sei das Ruhen des Verfahrens nicht zweckmäßig.

3

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des Klägers. Diese hat aus zwei Gründen keinen Erfolg.

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Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, zur Ruhensanordnung sei auch das Einverständnis der notwendig Beigeladenen erforderlich gewesen. § 251 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der hier gemäß § 173 VwGO entsprechend anzuwenden ist, spricht zwar nur vom Antrag "beider Parteien". Jedenfalls dann, wenn - wie hier - notwendig Beigeladene am Verfahren beteiligt sind, ist jedoch auch deren Einverständnis mit dem Ruhen des Verfahrens erforderlich. Denn jedenfalls die notwendig Beigeladenen erhalten durch die Beiladung gemäß § 66 VwGO eine Rechtsstellung, alle Verfahrenshandlungen vornehmen zu können. Dazu zählt auch, das Ruhen des Verfahrens beantragen oder einen entsprechenden Antrag zu unterlassen. Der Umstand, dass die Hauptbeteiligten ohne deren Zutun das Verfahren - etwa durch beidseitige Erledigungserklärung oder durch Klagerücknahme - beenden könnten (vgl. dazu etwa Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 66 Rdn. 10 a; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 66 Rdn. 7) ändert daran nichts. Denn solange eine derartige Beendigung nicht eingetreten ist, haben die notwendig Beigeladenen ein nicht zuletzt durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistetes Recht darauf, auch zu ihren Gunsten effizienten, das heißt raschen Rechtsschutz zu erreichen und rechtskräftig geklärt zu sehen, ob sie von der angegriffenen Baugenehmigung Gebrauch machen können, ohne nachteilige Folgen befürchten zu müssen (vgl. Eyermann-Rennert, VwGO, 11. Aufl., § 73 Rdn. 18; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7. Aufl. 2002, § 75 Rdn. 102 m.w.N.). Dementsprechend ist jedenfalls im Falle notwendiger Beiladung auch deren Zustimmung erforderlich (wie hier Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 94 Rdn. 14; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 251 Rdn. 15; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 94 Rdn. 124; offen gelassen vom BVerwG im Urt. v. 20.2.1975 - III C 25.74 -, Buchholz 303, § 251 ZPO Nr. 1).

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Selbst wenn man dies anders sähe, folgten daraus dem Kläger günstige Rechtsfolgen nicht. Denn ein ausreichender Grund für eine Ruhensanordnung im Sinne des § 251 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist hier nicht gegeben. Sämtliche vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte stehen in keinem sachlichen Zusammenhang mit der in diesem Verfahren allein streitentscheidenden Frage, ob die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 27. September 1999 (oder die ihr vorangegangenen Bescheide über die Teilungsgenehmigung des Flurstücks 11/7 und der Bauvorbescheid vom 25. September 1995) Rechte des Klägers verletzen. Dieser hat keinen Anspruch darauf, dass sämtliche Streitigkeiten, die ihn (u.a.) mit den Beigeladenen verbinden, rechtskräftig abgeschlossen sind, bevor über seine Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 27. September 1999 entschieden werden kann. Die Verfahrensordnungen räumen dem Kläger keinen Anspruch darauf ein, sämtliche Streitigkeiten in einem Verfahren gütlich beilegen zu können - auch wenn es im Vergleichswege möglich sein mag, Drittstreitigkeiten in einen Vergleich einzubeziehen. Dem steht u.a. der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgte Anspruch der Beigeladenen gegenüber, alsbald verlässlichen Aufschluss über die Ausnutzbarkeit der ihnen erteilten Baugenehmigung erhalten zu können.