Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.01.2018, Az.: 7 ME 110/17
Verletzung von Anliegerrechten bei Teileinziehung des Gebietes des Osnabrücker Neumarkts; Bestehen einer Antragsbefugnis der Anlieger einer mehrbelasteten Straße; Verlagerung der Verkehrsströme auf andere Straßen; Zuständigkeit für eine Anordnung der sofortigen Vollziehung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 24.01.2018
- Aktenzeichen
- 7 ME 110/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 63905
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2018:0124.7ME110.17.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 21.11.2017 - AZ: 6 B 108/17
Rechtsgrundlagen
- Art. 14 Abs. 1 GG
- Art. 2 Abs. 2 GG
- § 8 Abs. 1 StrG ND
- § 42 Abs. 2 VwGO
- § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO
- § 44 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG
- § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Wird eine Straße nach § 8 NStrG teileingezogen und hat dies eine Verlagerung der Verkehrsströme auf andere Straßen zur Folge, so werden die Anlieger dieser Straßen, in die der Verkehr abgedrängt wird, jedenfalls dann in eigenen Rechten im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO (analog) verletzt, wenn eine durch die angegriffene Teileinziehung ausgelöste zusätzliche Immissionsbelastung die Gesundheit dieser Anlieger zu schädigen vermag (Art. 2 Abs. 2 GG) oder ihr (Grund-)Eigentum schwer und unerträglich treffen kann (Art. 14 Abs. 1 GG) (Abgrenzung zu: Niedersächsisches OVG, Urteil vom 24.11.1994 - 12 L 5104/93 -).
- 2.
Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts - hier: der Teileinziehung - ist innerhalb einer Behörde das Organ zuständig, das auch den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Anordnungsbefugnis bildet einen Annex zur Sachentscheidungskompetenz. Wird die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts - hier: der Teileinziehung - nicht von dem zuständigen Organ der Behörde angeordnet, liegt darin ein Verfahrensfehler, der zur formellen Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung führt.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 6. Kammer - vom 21. November 2017 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (Az. 6 A 243/17) wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 21. November 2017 hat auch in der Sache Erfolg. Mit dem genannten Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az. 6 A 243/17) gegen die am 30. Mai 2017 vom Rat der Antragsgegnerin beschlossene Teileinziehung des Neumarkts zwischen D. und E. sowie eines Teilstücks D. zwischen Neumarkt und F. straße abgelehnt.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sei unzulässig, da es dem Antragsteller bereits an der erforderlichen Antragsbefugnis fehle. Er könne keine Rechtsverletzung geltend machen. Eine mögliche Rechtsbeeinträchtigung ergebe sich - erstens - nicht daraus, dass er das eingezogene Teilstück des Neumarkts künftig nicht mehr mit Kraftfahrzeugen befahren könne. Die Nutzung einer öffentlichen Straße zum Verkehr als Gemeingebrauch sei dem Einzelnen nur im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften erlaubt. Auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs bestehe kein Rechtsanspruch. Der Verkehrsteilnehmer müsse sich "mit dem abfinden, was - und wie lange es - ihm geboten wird". Zweitens folge eine Rechtsverletzung nicht aus dem sogenannten Anliegergebrauch, weil der Antragsteller nicht Eigentümer eines an dem eingezogenen Teilstück des Neumarkts gelegenen Grundstücks und damit eben nicht Anlieger sei. Drittens führe auch die geltend gemachte Verlagerung von Verkehrsströmen vom Neumarkt auf den Wallring nicht zu einer Rechtsverletzung. Dadurch werde zum einen nicht die Zugänglichkeit seines Grundstücks negativ beeinflusst, zum anderen teile der Anlieger "das Schicksal der Straße", das von dem stark wechselnden Verkehr auf seiner Straße abhänge. Der Straßenanlieger habe Änderungen des Verkehrskonzeptes in einer Gemeinde, wie die Schaffung innerstädtischer Fußgängerzonen, die notwendigerweise zu einer Abdrängung des Verkehrs in andere (innerstädtische) Straßen führen müsse, nach Straßenrecht hinzunehmen. Schließlich ergebe sich auch aus dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit kein Abwehranspruch. Um zu klären, ob eine Anliegerstraße zu stark mit Lärm oder Abgasen belastet sei, bleibe es dem Anlieger unbenommen, bei der zuständigen Behörde entweder auf konkrete Maßnahmen zur Luftreinhaltung bzw. Lärmreduzierung oder darauf hinzuwirken, dass die für "seine" Straße bestehenden straßenverkehrsbehördlichen Anordnungen überprüft werden.
Die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gebietet eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zulässig; insbesondere fehlt dem Antragsteller nicht die erforderliche Antragsbefugnis (dazu unter 1.). Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat auch in der Sache Erfolg (dazu unter 2.).
1. Der Antrag des Antragstellers ist zulässig. Er ist antragsbefugt.
Das Erfordernis der Klage- oder Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO (analog) dient der Ausrichtung des deutschen Prozessrechts auf den Individualrechtsschutz und damit dem Ausschluss von Popularklagen. Durch das Erfordernis der Klagebefugnis werden Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen als Verletztenklagen ausgestaltet. Dem Kläger wird eine subjektivrechtliche Substantiierungslast aufgebürdet (vgl. Wahl/Schütz in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. EL 2017, § 42 Abs. 2 Rn. 6 ff.). Ist ein Kläger bzw. Antragsteller - wie hier - nicht (unmittelbarer) Adressat eines angegriffenen Verwaltungsakts, muss geprüft werden, ob subjektive eigene Rechte oder zumindest anderweitig rechtlich geschützte Interessen verletzt sein könnten. Eine Klage- oder Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO (analog) ist gegeben, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen möglich ist. Überspannt das angerufene Gericht bei dieser Prüfung die Anforderungen und weicht es dadurch einer Sachprüfung aus, so kann dies verfahrensfehlerhaft sein (vgl. nur: BVerwG, Beschluss vom 21.01.1993 - 4 B 206.92 -, juris). Die Frage, ob der Kläger bzw. Antragsteller tatsächlich in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt ist, gehört zur Begründetheit der Klage bzw. des Antrags (vgl. Wahl/Schütz in: Schoch/Schneider/Bier, a. a. O., § 42 Abs. 2 Rn. 65). Die Klage- bzw. Antragsbefugnis ist daher nur dann zu verneinen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger bzw. Antragsteller behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (vgl. nur: BVerwG, Urteil vom 22.02.1994 - 1 C 24.92 -, juris; BVerwG, Urteil vom 13.07.1973 - VII C 6.72 -, juris; BVerwG, Urteil vom 20.03.1964 - VII C 10.61 -, juris).
Die Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten hat der Antragsteller im vorliegenden Fall hinreichend dargelegt. Dem Verwaltungsgericht ist zwar zunächst darin zuzustimmen, dass eine mögliche Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers nicht daraus folgt, dass er das eingezogene Teilstück des Neumarkts künftig nicht mehr mit Kraftfahrzeugen befahren kann. Denn es besteht - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - kein Rechtsanspruch auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs (§ 14 Abs. 2 NStrG). Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sich eine mögliche Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers auch nicht aus den Grundsätzen des sog. Anliegergebrauchs (gesteigerter Gemeingebrauch) ergibt, aus dem sich für den Eigentümer eines an eine Straße angrenzenden Grundstücks ein gesteigertes, über den Gemeingebrauch hinausgehendes Recht auf Benutzung einer Straße ergeben kann, wenn er darauf zur angemessenen Nutzung seines Grundstücks angewiesen ist. Der Antragsteller ist weder Eigentümer eines an dem eingezogenen Teilstück des Neumarkts gelegenen Grundstücks noch wohnt er dort. Der Antragsteller beruft sich zur Begründung seiner Antragsbefugnis jedoch auch nicht auf die straßenrechtlichen Institute des Gemein- und Anliegergebrauchs. Es geht ihm nicht um die Zugänglichkeit seines Grundstücks zur Straße, die - wohl unstreitig - durch die Teileinziehung des Neumarkts nicht berührt wird. Der Antragsteller macht im Kern vielmehr geltend, dass es durch die angefochtene Teileinziehung zu einer erheblichen Verlagerung von Verkehrsströmen vom Neumarkt auf den Wallring komme und er bzw. sein dortiges Eigentum dadurch künftig einer erhöhten und die zulässigen Grenzwerte übersteigenden Lärm- und Abgasbelastung ausgesetzt werde. Der Antragsteller hat mit seinem diesbezüglichen Vorbringen - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - hinreichend konkret die Möglichkeit der Verletzung seines Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG und seines Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG dargelegt. Dazu im Einzelnen:
Es wird - unter anderem in dem von dem Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. November 1994 (Az. 12 L 5104/93, juris, m. w. N.) - die Auffassung vertreten, dass ein Antragsteller in der Regel nicht in eigenen Rechten im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO verletzt werde, soweit es durch die Teileinziehung einer Straße zu einer Verlagerung der Verkehrsströme und damit zu einer Abdrängung des bisher durch die teileingezogene Straße geführten Verkehres in die Straße des Anliegers komme, da die Zugänglichkeit des Grundstücks des Straßenanliegers hierdurch nämlich nicht negativ beeinflusst und damit auch der Anlieger von dieser Änderung des Verkehrskonzepts nicht in dem besonders geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs betroffen werde (vgl. dazu auch: Wendrich, Niedersächsisches Straßengesetz, 4. Auflage, § 8 Rn. 9). Dem vermag der Senat nicht uneingeschränkt zu folgen. Die Aussage, es bestünde in den Fällen der durch die Teileinziehung ausgelösten Verkehrsverlagerung keine Antragsbefugnis, trifft jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zu (vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Auflage, Rn. 269). Das kommt letztlich auch in der in dem zitierten Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts gewählten Formulierung "in der Regel" zum Ausdruck. Zwar mag die getroffene Aussage zur fehlenden Antragsbefugnis für den Regelfall zutreffend sein. Etwas anderes muss aber dann gelten, wenn es dem Antragsteller im Kern nicht um die Geltendmachung des straßenrechtlichen Anliegergebrauchs in der Form der Zugänglichkeit seines Grundstücks oder um befürchtete Belästigungen durch die Verkehrsverlagerung unterhalb der Schwelle der Grundrechtsrelevanz geht, sondern wenn eine Verletzung des Antragstellers in seinen Grundrechten, insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 GG und aus Art. 14 Abs. 1 GG, zur Rede steht. Wesentlich für die Frage der Bejahung der Antragsbefugnis ist, ob die Anlieger anderer Straßen einen Anspruch auf Berücksichtigung dieser Belange im Rahmen der Entscheidung über die Teileinziehung haben, was nur ausnahmsweise der Fall ist (vgl. Sauthoff, a. a. O., Rn. 269). Lärm-, Abgas- oder andere Immissionsbelastungen können die Anlieger gegen eine Teileinziehung geltend machen, soweit diese Gesichtspunkte Gegenstand der Entscheidung über den Status als öffentliche Straße sind. Dies gilt vor allem dann, wenn eine durch die angegriffene Teileinziehung ausgelöste zusätzliche Immissionsbelastung die Gesundheit schädigte (Art. 2 Abs. 2 GG) oder ihr (Grund-)Eigentum schwer und unerträglich träfe (Art. 14 Abs. 1 GG) (vgl. Sauthoff, a. a. O., Rn. 267).
Die Auffassung, dem jeweiligen Antragsteller würde insoweit dadurch ausreichender und auch effektiver Rechtsschutz gewährt, dass es ihm möglich sei, für die Straße, an der sein Grundstück belegen sei, verkehrsbehördliche Anordnungen gegebenenfalls durchzusetzen und so zum Beispiel eine Lärmreduzierung zu erreichen (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 24.11.1994, a. a. O.), greift zu kurz. Dies gilt jedenfalls für die Fälle, in denen eine durch die angegriffene Teileinziehung ausgelöste zusätzliche Immissionsbelastung die Gesundheit des Antragstellers zu schädigen vermag (Art. 2 Abs. 2 GG) oder sein (Grund-)Eigentum schwer und unerträglich treffen kann (Art. 14 Abs. 1 GG) (vgl. offenlassend insoweit: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.02.1999 - 5 S 172/99 -, juris). Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Eigentumsgrundrecht sind mit der Folge eines entsprechenden Abwehranspruchs verletzt, wenn durch den Straßenverkehr Immissionen in einer Weise hervorgerufen werden, die die Gesundheit schwer schädigen oder die schwer und unerträglich in das Eigentum eingreifen (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 01.06.1999 - 11 B 93.1721 -, juris). Liegt ein (möglicher) Grundrechtseingriff vor, muss der Antragsteller diesen Eingriff abwehren dürfen, wenn er nicht gerechtfertigt ist. Er darf nicht darauf verwiesen werden, den Eingriff einstweilen hinzunehmen und auf anderem Wege Schutz zu suchen. Dies widerspräche dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG.
Für eine solche Auslegung spricht ein - im Vergleich zur Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. November 1994 (a. a. O.) - auch in rechtlicher Hinsicht weiterentwickeltes Verständnis zur Schutzbedürftigkeit vor überhöhten Lärmimmissionen und Abgasbelastungen, welches durch diverse Rechtsetzungsakte auf europäischer und nationaler Ebene gesetzlich verankert wurde und welches nach aktuellem Maßstab bei der Prüfung der Antragsbefugnis berücksichtigt werden muss. Zu beachten sind insbesondere die im Juni 1990 in Kraft getretene und in den Jahren 2006 und 2014 geänderte 16. BImSchV (Verkehrslärmschutzverordnung), die im Februar 1997 in Kraft getretene 24. BImSchV (Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung) und die Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV) vom November 2007. Die im Dezember 1993 in Kraft getretene und im September 2002 geänderte 22. BImSchV (Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft) diente der Umsetzung der Richtlinie des Rates 80/779/EWG vom 15. Juli 1980 über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebstaub (ABl. EG Nr. L 229 S. 30), geändert durch Richtlinien des Rates 89/427/EWG vom 21. Juni 1989 (ABl. EG Nr. L 201 S. 53), 82/884/EWG vom 03. Dezember 1982 betreffend einen Grenzwert für den Bleigehalt der Luft (ABl. EG Nr. L 378 S. 15) und 85/203/EWG vom 07. März 1985 über Luftqualitätsnormen für Stickstoffdioxid (ABl. EG Nr. L 87 S. 1) in der Fassung der Änderung durch Artikel 9 der Richtlinie 1999/30/EG (ABl. EG Nr. L 163 S. 41) sowie der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl. EG Nr. L 296 S. 55), der Richtlinie 1999/30/EG vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft (ABl. EG Nr. L 163 S. 41), der Richtlinie 2000/69/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 über Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft (ABl. EG Nr. L 313 S. 12, ABl. EG Nr. L 111 S. 31) und der Richtlinie 92/72/EWG des Rates vom 21. September 1992 über die Luftverschmutzung durch Ozon (ABl. EG Nr. L 297 S. 1) in deutsches Recht. Die 22. BImSchV ging nach ihrem Außerkrafttreten im Jahr 2010 in Teilen in die 39. BImSchV (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen) über, die ihrerseits der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 vom 11.06.2008, S. 1), der Richtlinie 2004/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 über Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft (ABl. L 23 vom 26.01.2005, S. 3) sowie der Richtlinie 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (ABl. L 309 vom 27.11.2001, S. 22) dient. Diese Regelwerke spiegeln das gestiegene Bewusstsein sowohl der Öffentlichkeit als auch des Gesetzgebers für einen wirksamen Schutz vor überhöhten Lärmimmissionen und Abgasbelastungen wider, die als gesundheitsschädlich einzustufen sind. Sie geben Anhalt darüber, welche Belastungen einen grundrechtlichen (Abwehr-)Anspruch aus Art. 2 Abs. 2 GG begründen können. Dem entspricht es, einem Betroffenen effektiven Rechtsschutz gegen eine mögliche Verletzung seines Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit dadurch zu gewähren, dass ihm ein unmittelbarer Abwehranspruch gegen die grenzwertüberschreitende Immissionen verursachende Maßnahme eingeräumt wird.
Die in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. November 1994 (a. a. O.) aufgestellte Prämisse, dass sich nicht jeder Grundeigentümer in einer Gemeinde gegen die Teileinziehung jeder Straße im Gemeindegebiet mit einer Anfechtungsklage wehren könne, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Denn es besteht in den oben genannten Fällen der Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung (insbesondere des Art. 2 Abs. 2 GG und des Art. 14 Abs. 1 GG) nicht die Gefahr eine Popularklage. Der Kreis der Anfechtungsberechtigten gegen eine den Status einer öffentlichen Straße regelnde Verfügung lässt sich nämlich nach wie vor in individualisierbarer Weise eingrenzen, indem für die Begründung der Klage- bzw. Antragsbefugnis verlangt wird, dass der jeweilige Kläger bzw. Antragsteller substantiiert die Möglichkeit der Verletzung in seinen grundgesetzlich geschützten Rechten darlegt.
Dies hat der Antragsteller vorliegend getan. Er ist Eigentümer - wenn auch nicht Bewohner - mehrerer am Wallring (G. ...und ..., H. ..., I. ...) gelegener, bebauter Grundstücke. Des Weiteren unterhält der Antragsteller im Kreuzungsbereich J. ... / G. - und damit im Kreuzungsbereich des Wallrings - sein Büro, die A. Hausverwaltung. Er hat dargelegt, dass er sich dort werktäglich in der Zeit von 8:00 bis 19:00 Uhr aufhält. Der Antragsteller ist damit Anlieger im Sinne des NStrG. Anlieger können sowohl Eigentümer als auch Besitzer sein, d. h. vor allem Mieter und Pächter eines Grundstücks sowie Inhaber von eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieben (vgl. Sauthoff, a. a. O., Rn. 346, m. w. N.). Der Antragsteller hat substantiiert dargelegt, dass es durch die Teileinziehung des Neumarkts zu Verkehrsverlagerungen auf den Wallring kommt, die ihrerseits Lärm- und Abgasimmissionen hervorrufen, die eine Verletzung des Antragstellers in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG und in seinem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG zumindest als möglich erscheinen lassen und die zudem auch Gegenstand der Entscheidung der Antragsgegnerin über die Teileinziehung gewesen sind. Als Mieter bzw. Pächter der Büroräume im Kreuzungsbereich J. ... / G. ist der Antragsteller selbst von den prognostizierten Lärm- und Abgasimmissionen betroffen, die ihn in seiner Gesundheit schädigen können. Hinsichtlich der bebauten Grundstücke G. ... und ..., H. ... und I. ... besteht aufgrund der durch die Verkehrsverlagerung auf den Wallring prognostizierten Steigerung der Lärm- und Abgasimmissionen die - für die Antragsbefugnis ausreichende - Möglichkeit, dass sich dies als schwerer und unerträglicher Eingriff in das dortige Eigentum des Antragstellers darstellt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es aufgrund der stark steigenden Verkehrsbelastung und der damit verbundenen verschlechterten Wohn- und Lebensverhältnisse zu einer Entwertung seiner am Wallring gelegenen Immobilien kommt. So wird in der Beschlussvorlage VO/2017/0764 des Fachbereichs Städtebau der Antragsgegnerin vom 29. März 2017 (vgl. Blatt 242 der Beiakte 004) darauf hingewiesen, dass heute schon städtebaulich benachteiligte Lagen durch die Sperrung des Neumarkts in ihrer Qualität weiter abgewertet würden. Zwar werden die erhöhten Lärm- und Abgasimmissionen nicht unmittelbar durch die Antragsgegnerin selbst hervorgerufen. Ihre Entscheidung, den Neumarkt teilweise einzuziehen, hat jedoch unmittelbar und kausal eine Erhöhung des Verkehrs auf dem Wallring und damit auch eine Erhöhung der Lärm- und Abgasimmissionen zur Folge. Die Antragsgegnerin hat diese Folgen erkannt und nimmt sie bewusst in Kauf. Der Antragsgegnerin ist der mögliche Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers damit zuzurechnen.
Dass es durch die Teileinziehung des Neumarkts zu einer Erhöhung des Verkehrs auf dem Wallring und in der Konsequenz voraussichtlich auch zu einer Erhöhung der Lärm- und Abgasimmissionen kommt, die eine Verletzung des Antragstellers in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG und in seinem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG zumindest als möglich erscheinen lassen, ergibt sich aus den von der Antragsgegnerin selbst vorgelegten Unterlagen. Diese zeigen im Wesentlichen auf, dass bereits vor der streitgegenständlichen Teileinziehung des Neumarkts die Lärm- und Abgasbelastung auf dem Wallring das zulässige Maß überschritten hat, so dass jeder zusätzliche Verkehr zu einer weiteren Verschärfung der Situation führt.
Aus den Unterlagen der Antragsgegnerin ergibt sich zunächst, dass es bei einer Sperrung des Neumarkts voraussichtlich zu einer Zunahme des Verkehrs auf dem Wallring - und insbesondere auch auf dem G. und dem H. - kommt. So sind die Auswirkungen der Sperrung des Neumarkts für den motorisierten Individualverkehr (MIV) in Bezug auf die notwendigen Umfahrungen bereits "erprobt". Während der baustellenbedingten Sperrung vom 02. Juni 2014 bis zum 18. Februar 2016 (Tunnelrückbau) und der weiteren Sperrung vom 18. Juli 2016 bis Ende Oktober 2016 (Kanalbaustelle) wurden die Verkehrsströme mit Durchfahrtscharakter jeweils per Beschilderung über den Wallring umgeleitet. Das Ingenieurbüro K. hat mehrere verkehrstechnische Untersuchungen durchgeführt. Die Reisezeiten auf dem Wallring haben sich danach überwiegend verschlechtert. Insgesamt entsprach die Qualität der Reisezeiten überwiegend der Stufe D. Vor der Sperrung des Neumarkts entsprach die Reisezeit der Stufe B bis D (vgl. auch Beschlussvorlage VO/2017/0751, Blatt 241 der Beiakte 004). Ausweislich der verkehrlichen Ausgangsdaten des Gutachtens der L. zur Verkehrslärmberechnung an ausgewählten Straßenabschnitten am Wallring / Neumarkt vom 17. November 2016 (vgl. Blatt 86 der Beiakte 003) kommt es am H. bei einer Sperrung des Neumarkts zu einer Verkehrszunahme von 30 bis 61 %. Am G. beträgt die Verkehrszunahme bei Sperrung des Neumarkts 18 bis 28 % (vgl. Tabelle 1 des Gutachtens). Soweit die Antragsgegnerin im Gerichtsverfahren einen Vermerk ihrer Verwaltung vom 24. Oktober 2017 über einen "Vergleich der Verkehrsdaten bei für den MIV geschlossenem und geöffnetem Neumarkt" vorgelegt hat, vermag dies eine Antragsbefugnis des Antragstellers nicht in Frage zu stellen. Denn auch daraus ergibt sich für den G., den H. und die I. eine - zum Teil deutliche - Zunahme des Verkehrs bei gesperrtem Neumarkt. Soweit nach diesem Vermerk im Fall der Sperrung des Neumarkts auf dem Wallring vereinzelt auch mit einer Abnahme des Verkehrs zu rechnen ist, widerspricht dieser Vergleich der Verkehrsdaten zunächst den bisherigen - und soeben dargestellten - Erhebungen der Antragsgegnerin bzw. den von ihr Beauftragten. Im Übrigen ist der neue Vergleich der Verkehrsdaten schon deshalb nicht hinreichend aussagekräftig, weil die aktuellsten Verkehrsdaten vom 07. und 12. September 2017 (geöffneter Neumarkt) mit Daten aus dem Jahr 2014/2015 verglichen werden (geschlossener Neumarkt). Dieser Vergleich ist schon deshalb zweifelhaft, weil nicht auszuschließen ist, dass sich die Gesamtverkehrsmengen über einen Zeitraum von drei Jahren entscheidend verändert haben.
Aus den Unterlagen der Antragsgegnerin ergibt sich weiter, dass es durch die prognostizierte Zunahme des Verkehrs auf dem Wallring voraussichtlich zu einer erhöhten Belastung der Anlieger durch Abgase, insbesondere zu einer Zunahme der Stickstoffdioxidbelastung (NO2) kommen wird. Der Grenzwert für den durchschnittlichen Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid beträgt 40 µg/m3 und wird in der Stadt Osnabrück überschritten. Ausweislich des Angebots "Luftreinhalteplan Stadt Osnabrück, Aktualisierung 2016" der M. GmbH vom Juli 2016 (vgl. Blatt 197 ff. der Beiakte 002) wurden in der Stadt Osnabrück im Jahr 2006 die zulässigen Grenzwerte für Feinstaub (PM10 - Tagesmittelwerte) an der Messstation Osnabrück-Verkehr (G. ...) an 57 Tagen überschritten. Auch der ab dem Jahr 2010 gültige Grenzwert des Stickstoffdioxid-Jahresmittels von 40 µg/m3 wurde in 2006 an der Station mit 61 µg/m3 deutlich überschritten, ebenso der für 2006 geltende Immissionsgrenzwert inklusive Toleranzmarge. In 2010 wurden die Grenzwerte für PM10 in Osnabrück eingehalten. Der Grenzwert des Jahresmittelwertes für NO2 von 40 µg/m3 wurde an der Messstation Osnabrück-Verkehr um 10 µg/m3 überschritten. Auch in 2015 wurden an den Messstellen G. und Neumarkt / D. weiterhin Überschreitungen des NO2-Grenzwertes für den Jahresmittelwert gemessen. Die Stickstoffdioxidbelastung wird sowohl im Bereich D. als auch auf dem G. kontinuierlich gemessen und vom Gewerbeaufsichtsamt (GAA) Hildesheim dokumentiert. Für die Messstelle G., die sich am Wallring befindet, ergibt sich folgendes Bild:
Jahr | Zeitraum / Status Neumarkt | Messstelle G. |
---|---|---|
2012 | Offen | 48 |
2013 | Offen | 47 |
2014 | 01.01.-01.06. offen | 50 |
2014 | 02.06.-31.12. Sperrung für MIV | 49 |
2015 | Ganzjährige Sperrung für MIV | 50 |
2016 | 05.01.-17.02. Sperrung für MIV | 50 |
2016 | 18.02.-18.07. eine Fahrspur pro Richtung offen | 45 |
2016 | 18.07.-25.10. Sperrung für MIV | 47 |
2016 | 26.10.-31.12. eine Fahrspur pro Richtung offen | 51 |
2016 | Ganzjähriger Schnitt | 47 |
Die vergleichenden Messergebnisse zeigen, dass sich der Wert während der Sperrzeiten des Neumarkts in der Regel erhöht (vgl. Beschlussvorlage VO/2017/0751, Blatt 241 der Beiakte 004 und Beschlussvorlage VO/2017/0764-01, Blatt 258 der Beiakte 004). Aus der vom Antragsteller im Gerichtsverfahren vorgelegten Beschlussvorlage VO/2017/1669 "Fortschreibung des Luftreinhalteplans - Beteiligung der Öffentlichkeit" ergeben sich im Basisjahr 2015 während der Sperrung des Neumarkts für den motorisierten Individualverkehr u. a. für folgende Straßenabschnitte (mögliche) Grenzwertüberschreitungen: N. Straße, G., O. straße und H.. Einen Beschluss hinsichtlich der Reduzierung von Luftschadstoffen auf dem Wallring hat der Rat im Zusammenhang mit der Teileinziehung des Neumarkts nicht getroffen. Er hat darauf verwiesen, dass im Rahmen der weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans alle in Betracht kommenden Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte planerisch, verkehrsrechtlich und ordnungsrechtlich geprüft würden. Dabei werde zu beachten sein, dass Maßnahmen zur Luftreinhaltung am G. mit größerer Intensität wirken müssten, da durch die Teileinziehung des Neumarkts an dieser Stelle mit einer Erhöhung der bereits jetzt grenzüberschreitenden Emissionen zu rechnen sei (vgl. Blatt 258 ff. der Beiakte 004). Konkret absehbare Maßnahmen hat der Rat jedoch nicht beschlossen. Jede weitere Verschlechterung der Stickstoffdioxidbelastung verbunden mit einer Überschreitung des Grenzwerts von 40 µg/m3 durch eine Zunahme des Verkehrs kann sich möglicherweise schädlich auf die Gesundheit des Antragstellers auswirken, sein Eigentum schwer und unerträglich treffen und eine Grundrechtsverletzung bewirken. Der Antragsteller genügt insoweit den Darlegungsanforderungen an die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 14 Abs. 1 GG. Ob ein Grundrechtseingriff tatsächlich vorliegt, bleibt der Begründetheitsprüfung vorbehalten.
Aus den Unterlagen der Antragsgegnerin ergibt sich zudem, dass es durch die prognostizierte Zunahme des Verkehrs auf dem Wallring voraussichtlich zu einer erhöhten Belastung der Anlieger durch Lärmimmissionen kommen wird. Das Gutachten der L. zur Verkehrslärmberechnung an ausgewählten Straßenabschnitten am Wallring / Neumarkt vom 17. November 2016 (vgl. Blatt 86 der Beiakte 003) kommt zu dem Ergebnis, dass bereits zum Begutachtungszeitpunkt - d. h. vor der streitigen Teileinziehung - das Lärmniveau auf dem Wallring als sehr hoch einzustufen sei, da an fast allen Gebäuden Schallpegel ermittelt worden seien, die über den Richtwerten von 70/60 dB(A) bzw. 72/62 dB(A) Tag/Nacht der Lärmschutz-Richtlinien-StV lägen und damit die Grenze zur Gesundheitsgefährdung überschritten. Die Beurteilungspegel stiegen infolge der durch die Sperrung des Neumarkts verursachten Verkehrszunahme auf dem Wallring um 1 bis 3 dB(A) an. An den beiden Abschnitten H. und P. sei die Zunahme als wesentlich einzuschätzen, da die Beurteilungspegel um 3 dB(A) stiegen. An den übrigen Wallabschnitten liege die Steigerung zwischen 1 und 2 dB(A), am G. bei 2 dB(A). Lediglich am Q. komme es zu keiner Steigerung der Lärmpegel. Von der Erhöhung der Schallpegel sind insgesamt ca. 2.250 direkte Anwohner am Wallring betroffen (vgl. auch Beschlussvorlage VO/2017/0751, Blatt 241 der Beiakte 004 und Beschlussvorlage VO/2017/0764-01, Blatt 258 der Beiakte 004). Hinter der Größenordnung einer Zunahme von 3 dB(A) an H. und P. stehen zum Teil Verkehrsstärkenzuwächse zwischen 61 % und 77 % (Verkehrsmengenzunahmen von DTV 14.000 auf 22.600 bzw. DTV 13.700 auf 24.300) (vgl. auch Beschlussvorlage VO/2017/0751, Blatt 241 der Beiakte 004 und Beschlussvorlage VO/2017/0764-01, Blatt 258 der Beiakte 004). Zwar hat der Rat der Stadt Osnabrück am 30. Mai 2017 im Zusammenhang mit der Teileinziehung des Neumarkts u. a. beschlossen, "den entsprechend der Abwägungsentscheidung durchzuführenden Einbau von passivem Lärmschutz in Teilen des Wallringes umzusetzen". Zur Veränderung der Lärmimmissionen heißt es im Rahmen der Gewichtung und Abwägung, dass auch nach herrschender Rechtsprechung für die Bereiche mit einer Lärmerhöhung Maßnahmen zur Reduzierung des Lärms erforderlich seien. Neben Maßnahmen aus dem fortzuschreibenden Lärmaktionsplan wären derzeit beispielhaft denkbar: Der Einbau von passivem Lärmschutz (Schallschutzfenster) z. B. im Bereich der hochbelasteten Straßenabschnitte oder der Einbau eines lärmmindernden Asphaltbelages bei entsprechender technischer Eignung des Straßenoberbaus. Nach Prüfung sei bei Teileinziehung des Neumarkts für die betreffenden Anliegergrundstücke der hochbelasteten Streckenabschnitte ein passiver Lärmschutz erforderlich (vgl. Blatt 258 ff. der Beiakte 004). Ein Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 2 GG und in sein Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG ist damit jedoch nicht hinreichend sicher ausgeschlossen. Denn es ist nicht erkennbar, ob auch die Grundstücke des Antragstellers von entsprechendem passiven Lärmschutz profitieren sollen. In dem Beschluss ist die Rede von "in Teilen des Wallrings" und von "hochbelasteten Streckenabschnitten". Ob damit auch die Grundstücke des Antragstellers erfasst werden, ist völlig offen. Übersteigen die Schallpegel aber bereits vor der Teileinziehung des Neumarkts die zumutbaren Belastungsgrenzen, kann jede weitere Erhöhung einen Grundrechtseingriff bewirken. Der Antragsteller genügt auch insoweit den Darlegungsanforderungen an die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 14 Abs. 1 GG. Auch insoweit bleibt es der Begründetheitsprüfung vorbehalten, ob tatsächlich ein Grundrechtseingriff vorliegt.
Nach allem ist festzuhalten, dass jedenfalls die Möglichkeit der Verletzung des Antragstellers in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 14 Abs. 1 GG besteht und er damit antragsbefugt ist. Es ist nicht ersichtlich, dass ihm diese Rechte offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise zustehen könnten.
2. Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat auch in der Sache Erfolg. Zwar liegen gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin keine formellen Bedenken vor (dazu unter a)). Jedoch besteht aus materiell-rechtlichen Gründen Veranlassung, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Teileinziehung des Neumarkts wiederherzustellen (dazu unter b)).
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nicht bereits formell rechtswidrig.
aa) Soweit der Antragsteller rügt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgrund der Beschlussfassung durch den nicht zuständigen Verwaltungsausschuss an einem erheblichen Fehler leide, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die sofortige Vollziehung der Teileinziehung des Neumarkts am 29. September 2017 vom Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin als funktionell unzuständigem Organ angeordnet worden. Jedoch ist dieser Fehler durch die nachträgliche Anordnung durch den Rat der Antragsgegnerin am 07. November 2017 geheilt worden.
Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO kann die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, seine Vollziehung besonders anordnen. Die Norm knüpft damit zunächst an die sachliche Behördenzuständigkeit für den Erlass des Verwaltungsaktes an. Damit ist aber nicht zugleich ausgesagt, dass eine funktionelle Zuständigkeit innerhalb der Verwaltungsbehörde für die Anordnungsbefugnis stets unbeachtlich ist. Bestehen nach dem materiellen Recht innerhalb einer Behörde - wie hier - verschiedene Organe mit getrennten Entscheidungskompetenzen, so ist nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht insbesondere für den Bereich des Kommunalrechts anerkannt, dass die fehlende "Beteiligung" des richtigen, zur Entscheidung berufenen Organs nach außen wirkt und zur Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes führt (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.07.2014 - 10 ME 99/13 -, juris; Beschluss des Senats vom 31.03.2013 - 7 LA 160/11 -, juris, m. w. N.; Bayerischer VGH, Urteil vom 15.03.2004 - 22 B 03.1362 -, juris; Bayerischer VGH, Urteil vom 31.03.2003 - 4 B 00.2823 -, juris). Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann ungeachtet ihrer fehlenden Qualifikation als Verwaltungsakt wegen der gleichartigen Interessenlage nichts anderes gelten. Denn die Entscheidungskompetenz in der Sache und die Befugnis zur Anordnung der sofortigen Vollziehung stimmen grundsätzlich überein, so dass das zur Willensbildung in der Sache zuständige Organ grundsätzlich auch für die Anordnung des Sofortvollzuges zuständig ist und deshalb etwaige Zuständigkeitsfehler insoweit ebenfalls nach außen wirken (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.07.2014, a. a. O.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 11.09.2012 - 7 CS 12.1423 -, juris; Bayerischer VGH, Beschluss vom 05.03.1997 - 3 CS 96.3060 -, beck-online). § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO liegt die Annahme zugrunde, dass über die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieselbe Behörde entscheidet, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Soweit davon jedenfalls hinsichtlich einer Regelung des innerbehördlich zuständigen Organs abgewichen werden soll, bedürfte es dazu einer eindeutigen Entscheidung des Normgebers mit dem Inhalt, dass über die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes, dessen Inhalt auf der Entscheidung eines von mehreren Organen innerhalb der Behörde beruht, ein anderes Organ dieser Behörde entscheiden soll. Hieran mangelt es vorliegend. Die Anordnungsbefugnis bildet einen Annex zu der Sachentscheidungskompetenz. Denn die Entscheidung, ob im öffentlichen Interesse oder im Interesse eines Beteiligten die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO anzuordnen ist, kann regelmäßig nicht von der zugrundeliegenden Beurteilung der Rechtslage getrennt werden. Gleiches gilt für die bei einer offenen Rechtslage gegebenenfalls erforderliche Bewertung gegenläufiger Interessen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.07.2014, a. a. O.).
Dies zugrunde gelegt, war vorliegend der Rat der Antragsgegnerin für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zuständig. Denn er hatte bereits zuvor am 30. Mai 2017 die Teileinziehung des Neumarkts beschlossen, so dass ihm als Annex dazu auch die Anordnungsbefugnis nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zustand. Entschieden hat über die Anordnung der sofortigen Vollziehung am 29. September 2017 jedoch der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin. Dieser beschließt zwar nach § 76 Abs. 2 Satz 1 NKomVG über diejenigen Angelegenheiten, über die nicht die Vertretung, der Stadtbezirksrat, der Ortsrat oder der Betriebsausschuss zu beschließen hat und für die nicht nach § 85 NKomVG die Hauptverwaltungsbeamtin oder der Hauptverwaltungsbeamte zuständig ist. Man kann also von einer Auffangzuständigkeit oder einer Lückenzuständigkeit sprechen (vgl. Menzel in: Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, Stand: September 2016, § 76 NKomVG Rn. 36). Vorliegend griff diese Auffangzuständigkeit aber nicht, da - wie dargelegt - dem Rat die Anordnungsbefugnis als Annex zur Sachentscheidungskompetenz oblag. Die von den Beteiligten thematisierte Frage, ob es sich bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelt, für das nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 NKomVG der Hauptverwaltungsbeamte zuständig wäre, führt vor diesem Hintergrund nicht weiter. Denn unabhängig davon, ob man die Anordnung der sofortigen Vollziehung als eine Angelegenheit einstufen könnte, die regelmäßig wiederkehrt, nach feststehenden Grundsätzen entschieden werden kann und nach Tragweite und sachlicher Bedeutung weniger erheblich ist (vgl. dazu: Beschluss des Senats vom 31.03.2013, a. a. O.), gilt hier der - abweichende - Grundsatz, dass das in der Sache zuständige Organ auch für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zuständig ist.
In dieser kompetenzwidrigen Entscheidung durch den Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin, d. h. dem Mangel der fehlenden Organkompetenz, liegt - wie aus den §§ 44 Abs. 3 Nr. 3, 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG deutlich wird - ein Verfahrensfehler, der zur formellen Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung führt (vgl. Beschluss des Senats vom 31.03.2013, a. a. O.; Bayerischer VGH, Urteil vom 25.07.2007 - 4 BV 06.3308 -, juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.03.2007 - 3 L 159/03 -, juris; Bayerischer VGH, Urteil vom 15.03.2004, a. a. O.; Bayerischer VGH, Urteil vom 31.03.2003, a. a. O.; Menzel in: Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, a. a. O., § 76 NKomVG Rn. 40). Verwaltungsausschuss wie auch Rat sind "Ausschüsse" im Gesetzessinn. "Mitwirkung" umfasst alle Beteiligungsformen, also nicht nur beratende oder zustimmende, sondern auch (intern) entscheidende (vgl. Beschluss des Senats vom 31.03.2013, a. a. O., m. w. N.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.03.2007, a. a. O.).
Dieser Fehler ist in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG durch den nachträglichen Beschluss des Rates der Antragsgegnerin vom 07. November 2017 geheilt worden. Unbeachtlich ist danach eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, wenn der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird. Der Mangel der fehlenden Organkompetenz kann bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden, vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 25.07.2007, a. a. O.; Bayerischer VHG, Urteil vom 31.03.2003, a. a. O.) Es sind keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, die gegen eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 45 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 VwVfG im Rahmen der Sofortvollzugsanordnung sprechen, auch wenn es sich dabei nicht um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. zur Anwendung auf einen Begründungsmangel nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO: Beschluss des Senats vom 15.04.2014 - 7 ME 121/13 -, juris, m. w. N.). Dafür lässt sich insbesondere das Argument der Prozessökonomie ins Feld führen.
bb) Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat die Antragsgegnerin auch in ausreichender Weise schriftlich begründet, warum sie das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung als gegeben erachtet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Das - formelle - Begründungserfordernis dieser Vorschrift ist bereits dann erfüllt, wenn die Behörde die Erwägungen offenlegt, die sie im konkreten Fall veranlasst haben, von der Möglichkeit des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO Gebrauch zu machen. Das ist hier geschehen. Die Antragsgegnerin führt aus, dass aufgrund anhängiger Klagen davon auszugehen sei, dass die Teileinziehung erst nach Durchlauf eines mehrjährigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens umgesetzt werden könne. Um die Regelung kurzfristig in Kraft zu setzen, werde aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, insbesondere zur Vermeidung von Verkehrsgefährdungen für Fahrradfahrer und Fußgänger, sowie zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in diesem zentralen Innenstadtbereich die Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügt. Hinzu komme, dass durch den Sofortvollzug keine irreparablen Verhältnisse zu Lasten der Anlieger geschaffen würden. Aus diesen Erwägungen der Antragsgegnerin ergibt sich, dass sie sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst war und eine entsprechende Abwägung getroffen hat.
b) Es besteht jedoch aus materiell-rechtlichen Gründen Veranlassung, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Teileinziehung des Neumarkts wiederherzustellen.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht hat im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, deren Grundlage eine umfassende Interessenabwägung ist. Dabei ist zu prüfen, ob das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung des belastenden Verwaltungsaktes das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung überwiegt. Das Gewicht dieser gegenläufigen Interessen wird entweder durch die summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache oder - insbesondere wenn die Erfolgsaussichten als offen erscheinen - durch eine Folgenabwägung bestimmt. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung; ist er offensichtlich rechtmäßig, hat regelmäßig das öffentliche Interesse an der Vollziehung Vorrang. Im Rahmen der Folgenabwägung sind die voraussichtlichen Folgen der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs einerseits und der sofortigen Vollziehung andererseits zu gewichten. Maßgebend sind insoweit nicht nur die Dringlichkeit des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung sowie Natur und Schwere der mit dem Eingriff für den Antragsteller verbundenen Belastung, sondern auch die Möglichkeit, die jeweiligen Folgen der Maßnahme rückgängig zu machen.
aa) Vorliegend erscheinen die Erfolgsaussichten der von dem Antragsteller angestrengten Klage bei einer im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein anzustellenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offen, so dass eine Folgenabwägung anzustellen ist.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 NStrG soll die Teileinziehung einer Straße angeordnet werden, wenn nachträgliche Beschränkungen der Widmung auf bestimmte Benutzungsarten oder Benutzerkreise aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls festgelegt werden. Eine Teileinziehung setzt daher das Vorliegen von überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls voraus. Dies erfordert einen Abwägungsvorgang. Die für die Teileinziehung sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls sind mit den öffentlichen Belangen, die gegen eine Teileinziehung sprechen, abzuwägen. Eine Teileinziehung ist nur möglich, wenn die für die Teileinziehung sprechenden Gründe überwiegen (vgl. Herber in: Kodal, Straßenrecht, 7. Auflage, Kapitel 11 Rn. 57).
Die Antragsgegnerin hat vorliegend eine Abwägung durchgeführt (vgl. Beschlussvorlage VO/2017/0764-01, Blatt 258 der Beiakte 004). Sie hat im Rahmen der Abwägung den Anliegergebrauch der Straßenanlieger Neumarkt und D., die Verlagerung der Verkehrsströme, die Erreichbarkeit der Stadt mit dem Pkw, die Veränderung der Lärmimmissionen, die Veränderung der Luftschadstoffsituation sowie die Aufenthaltsqualität und Verkehrssicherheit gewichtet und abgewogen. Ob diese Abwägung jedoch rechtsfehlerfrei erfolgt ist, insbesondere ob die durch die Sperrung des Neumarkts für den motorisierten Individualverkehr prognostizierte Verlagerung der Verkehrsströme auf den Wallring und die damit einhergehende Erhöhung von Lärm- und Abgasimmissionen auf dem Wallring angemessen berücksichtigt worden ist, lässt sich bei der im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht hinreichend sicher beurteilen. Es bestehen jedenfalls - offenbar auch bei Teilen des Rates der Antragsgegnerin - Zweifel an einer sachgerechten Abwägung. Verwiesen sei insoweit auf die Beschlussvorlage VO/2017/0764 des Fachbereichs Städtebau der Antragsgegnerin vom 29. März 2017 (vgl. Blatt 242 der Beiakte 004), nach der von einer Teileinziehung abgesehen werden sollte, da sich gezeigt habe, dass die gegen eine Teileinziehung sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls die für eine Teileinziehung sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls überwiegen würden. Ausgeführt wird dort, dass sich durch eine Teileinziehung die Schadstoffsituation im Bereich Neumarkt / D. verbessern würde (voraussichtlich zusammen mit weiteren Maßnahmen unter Grenzwertniveau), es gleichzeitig aber zu einer Erhöhung der Luftschadstoffsituation unter anderem in jedem Fall im Bereich der Messstelle G. / R. komme, wo bereits heute Grenzwertüberschreitungen zu verzeichnen seien. Geeignete Maßnahmen, die eine Unterschreitung der Grenzwerte gewährleisteten, könnten zurzeit noch nicht konkret genug benannt werden. Zudem könnten Veränderungen der Verkehrsführung zur Verbesserung der Luftreinhaltung noch Einfluss auf die Schall- und Luftschadstoffthematik am Wall und gegebenenfalls in anderen Bereichen haben (z. B. S. straße durch Fahrverbote am Wall). Die grundsätzliche Erreichbarkeit der Innenstadt sei nicht gefährdet, dennoch sei davon auszugehen, dass sich die Reisezeiten auf dem Wallring nach der Neumarktsperrung verschlechtern werden. Die Aufenthaltsqualität am Neumarkt werde sich wohl verbessern, dieser Erfolg würde aber deutliche Verschlechterungen in anderen Bereichen nach sich ziehen. Heute schon städtebaulich benachteiligte Lagen würden in ihrer Qualität weiter abgewertet. Durch passive Schallschutzmaßnahmen würde zwar die Belastung der Wohnnutzungen reduziert werden, die öffentlichen Straßenräume würden aber einer zunehmenden Belastung ausgesetzt sein. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Teileinziehung lägen damit nicht vor. Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass eine sachgerechte Abwägung durch die Antragsgegnerin jedenfalls nicht offensichtlich ist. Die von dem Rat der Antragsgegnerin beschlossene Teileinziehung des Neumarkts ist damit weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig zu beurteilen.
Geht man danach von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache aus, hat die durchzuführende Folgenabwägung zum Ergebnis, dass die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Teileinziehung des Neumarkts wiederherzustellen ist. Betrachtet man die Folgen der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs, ist festzustellen, dass es in diesem Fall zunächst bei der seit Jahrzehnten bestehenden Verkehrsführung über den Neumarkt bleiben würde, d. h. der status quo bliebe bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens unverändert. Die von der Antragsgegnerin mit der Teileinziehung bezweckten Ziele, insbesondere die Verbesserung der Aufenthaltsqualität und Verkehrssicherheit am Neumarkt sowie die dortige Verbesserung der Schadstoffsituation, könnten damit zwar nicht vor einem Abschluss des Hauptsacheverfahrens greifen. Es ist angesichts der seit Jahrzehnten bestehenden Situation am Neumarkt jedoch auch nicht erkennbar, worin die Gefährdung konkreter Interessen durch die aufschiebende Wirkung der Klage liegen könnte. Die Antragsgegnerin hat insbesondere nicht dargelegt, dass sich die Verkehrssituation auf dem Neumarkt in den letzten Jahren derart verschärft hätte, dass von einer gesteigerten Unfallgefahr ausgegangen werden könnte, welche ein sofortiges Handeln erforderlich machen würde. Betrachtet man auf der anderen Seite die Folgen der sofortigen Vollziehung der Teileinziehung, ist zu konstatieren, dass in diesem Fall die Anlieger der notwendigen Ausweichstrecken auf dem Wallring - unter anderem der Antragsteller - durch die Sperrung des Neumarkts bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens unwiderruflich insbesondere in ihrer Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) betroffen sein können. Im Bereich des Wallrings bestehen nämlich bereits jetzt so erhebliche Überschreitungen von Lärmwerten und Belastungen durch Stickstoffdioxid, dass sich die schon bestehenden Gesundheitsgefahren verschärfen würden. Diese - zumindest vorübergehende - Verschlimmerung wäre nicht mehr rückgängig zu machen. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass durch die sofortige Vollziehung der Teileinziehung 109 Anwohner am Neumarkt entlastet würden. Dem stehen jedoch 2.684 Anwohner des Wallrings gegenüber, die bei einer sofort vollziehbaren Sperrung des Neumarkts einer zusätzlichen Belastung ausgesetzt würden (vgl. Blatt 195 der Beiakte 003). Selbst wenn man insoweit von einer Interessengleichheit ausgehen wollte, hat der Senat in diesem Fall auch die gesetzgeberischen Wertungen zu betrachten. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO spricht die gesetzgeberische Entscheidung für die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO dafür, bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens und Interessengleichheit im Übrigen die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen (vgl. Külpmann in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011, Rn. 991 f.).
bb) Selbst wenn man vorliegend zu der Auffassung neigen sollte, dass sich die Klage des Antragstellers gegen die Teileinziehung in der Hauptsache nach summarischer Prüfung als erfolglos erweisen wird, wäre vorliegend die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Es bedarf in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache einer weiteren Kontrollüberlegung. Die Vorschrift fordert für die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, das über das Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts hinausgeht (vgl. Külpmann in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a. a. O., Rn. 975). Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse ist grundsätzlich nicht mit dem öffentlichen Interesse am Erlass eines Verwaltungsakts identisch (vgl. Külpmann in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a. a. O. 2011, Rn. 759). Daher vermag die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts allein die sofortige Vollziehung regelmäßig nicht zu rechtfertigen (vgl. Beschluss des Senats vom 15.04.2014, a. a. O.). Das Gericht kann die behördliche Anordnung daher nur bestehen lassen, wenn nach seiner Beurteilung ein öffentliches Interesse daran besteht, den offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt vor Eintritt seiner Bestandskraft zu vollziehen (vgl. Külpmann in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a. a. O., Rn. 975).
Ein solches besonderes öffentliches Interesse, welches über das Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts hinausgeht, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Soweit sie dafür auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und auf die Verbesserung der Aufenthaltsqualität in dem zentralen Innenstadtbereich abstellt, handelt es sich dabei um Gründe, die bereits für die Begründung der Rechtmäßigkeit der Teileinziehung selbst, nämlich zur Darlegung der überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls, herangezogen wurden. Daraus ergibt sich jedoch nicht zugleich ein Interesse daran, die Teileinziehung vor Eintritt ihrer Bestandskraft zu vollziehen. Gründe, die für eine solche Vollziehung vor Eintritt der Bestandskraft sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Wie bereits dargelegt, ist angesichts der seit Jahrzehnten bestehenden verkehrlichen Situation am Neumarkt nicht erkennbar, worin gerade zum jetzigen Zeitpunkt ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehen könnte. Die Antragsgegnerin hat insbesondere nicht dargelegt, dass sich die Verkehrssituation auf dem Neumarkt in den letzten Jahren derart verschärft hätte, dass von einer gesteigerten Unfallgefahr ausgegangen werden könnte, welche ein sofortiges Handeln erforderlich machen würde. Auch der Umstand, dass durch die sofortige Vollziehung der Teileinziehung die die Grenzwerte übersteigenden Lärm- und Abgasimmissionen am Neumarkt bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens vermindert und damit 109 Anwohner am Neumarkt entlastet werden können, begründet kein besonderes öffentliches Interesse. Denn dieser Entlastung stehen - wie dargelegt - 2.684 Anwohner des Wallrings gegenüber (vgl. Blatt 195 der Beiakte 003), die bei einer sofort vollziehbaren Sperrung des Neumarkts einer zusätzlichen und - für den Zeitraum bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens - nicht mehr rückgängig zu machenden Belastung ihrer Gesundheit ausgesetzt würden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind daher irreparable gesundheitliche Schäden der Anlieger des Wallrings nicht auszuschließen, die der Bejahung eines besonderen öffentlichen Interesses an der Teileinziehung entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziffern 43.3 und 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).