Landgericht Osnabrück
Urt. v. 28.08.2002, Az.: 2 O 367/01

Schadensersatz wegen tödlichen Unfalls im Krankenhaus infolge Ogranisationsverschuldens hinsichtlich der Ergreifung von geeigneten Maßnahmen zum Schutz des Patienten; Tödlicher Sturz des Patienten aus dem Fenster des Krankenhauses als Folge des Fehlverhaltens des Krankenhauspersonals; Pflicht zur Einweisung in die Psychiatrie nach einer Wesensveränderung des Patienten; Zurechenbarkeit und Lenkbarkeit des Patienten bei der Einlieferung in die Neurologische Station eines Krankenhauses; Unverschlossenes Fenster in offener Neurologischer Station des Krankenhauses als Pflichtverstoß; Krankheitsbild in Form eines hirnorganischen Psychosyndroms einhergehend mit Desorientiertheit und amnestisch-kognitiven Defiziten in Form von Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen; Symptome eines hirnorganischen Psychosyndroms bei der Versorgung des Patienten auf der neurologischen Normalstation; Voraussehbarkeit des Verhaltens des Patienten bei Vorliegen eines Delir im Sinne eines Verwirrtheitszustandes des Patienten

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
28.08.2002
Aktenzeichen
2 O 367/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 30335
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2002:0828.2O367.01.0A

Tatbestand

1

Der Ehemann der Klägerin wurde am 27.01.2000 durch seinen Hausarzt Dr. XX in das Krankenhaus XX überwiesen. Dort wurde er um 21.53 Uhr auf der Neurologischen Station XX aufgenommen. Die Überweisungsdiagnose des Hausarztes lautet: "Verdacht auf cerebrale Ischämie; Zustand nach bronchialem Infekt" Nach der orientierenden Aufnahmeuntersuchung im Hause der Beklagten zu 2) war der Ehemann der Klägerin neurologisch unauffällig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Krankenunterlagen Bezug genommen. Nach dem Pflegebericht hatte der Ehemann der Klägerin in der Nacht vom 27. zum 28.01. gut geschlafen. Für den 28.01. ist für 19.00 Uhr vermerkt, dass der Patient sehr verwirrt ist und mit einfachen Sachen nicht klar kommt. Für den 29.01.00 ist vermerkt:

"Patient war verwirrt, aber ruhig und lenkbar bis etwa 2.30 Uhr - wurde auf Zimmer 6 verlegt, stand immer wieder auf. Gegen 4.00 Uhr zunehmende Unruhe - erst Unruhe ablaufen lassen. Gegen 4.15 Uhr AvD informiert - Versuch, Tavor-Expedit 2,5 zu verabreichen. Nachdem dies misslang, AvD informiert (i.v-Gabe war vorgesehen). Unmittelbar danach hörte man einen Aufprall: Der Ehemann der Klägerin war aus einem Flurfenster (im 3. Stock), das er selbst öffnete, gestürzt und auf die Steine gefallen."

2

Die neurologische Abklärung nach Einlieferung des Ehemanns der Klägerin hatte aufgrund einer Gehirnwasseruntersuchung ergeben, dass der Kläger an einer Meningoencephalitis litt.

3

Der Kläger ist aufgrund des Sturzes verstorben. Die Klägerin ist die Alleinerbin ihres Ehemannes.

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Sie ist der Auffassung, dass die Fenster der Abteilungen 13 und 14 im Hause der Beklagten zu 2) - die unstreitig abschliessbar sind - hätten abgeschlossen werden müssen. Dies schon weil im allgemeinen und hier im besonderen beim Ehemann der Beklagten mit Verwirrtheitszuständen zu rechnen war. Dabei hätte die Beklagte zu 2) durch geeignete organisatorische Massnahmen dafür sorgen müssen, dass der verwirrte Patient XX ausreichend beaufsichtigt wurde. Es sei nicht mehr vertretbar, dass eine Station nur mit einer Nachtschwester und einer diensthabenden Ärztin, die sich zudem in einem anderen Gebäudeteil aufhalte, versehen sei. Es sei versäumt worden, den Ehemann der Klägerin in die Psychiatrie zu verlegen. Überdies sei bei der Erkrankung des Klägers damit zu rechnen gewesen, dass er den geäusserten Willen, nach Hause zu kommen, auch mit Gewalt durchführen werde.

5

Die Beklagte zu 1) habe insoweit schuldhaft gehandelt, als sie lediglich mit dem Beruhigungsmittel "Tavor" reagiert habe. Sie hätte vielmehr den Ehemann der Klägerin in die geschlossene Anstalt des Hauses 2 verlegen müssen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr

  1. 1.)

    19.391,26 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit,

  2. 2.)

    696,96 DM Rückstand Februar 2000 bis Dezember 2000 ab 01.01.2001 monatlich, für 3 Monate im Voraus, jeden Monat 63,36 DM bis zum 31.12.2012;

  3. 3.)

    1.573,00 DM Rückstand und am 01.01.2001 monatlich, für 3 Monate im Voraus, jeden Monat 143,-- DM bis zum 31.12.2012, zu zahlen;

  4. 4.)

    festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren über den Antrag zu Ziffer 2) hinausgehenden Unterhaltsschaden aus dem am 29.01.2000 in den Räumlichkeiten der Beklagten verursachten Unfall zu ersetzen, und zwar bis zum Jahre 2012.

7

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

8

Sie tragen vor, der Ehemann der Klägerin sei zu Recht auf der Neurologischen Station untergebracht worden. Die durchgeführte Liquordiagnostik habe eine ausgeprägte Störung des Funktionszustandes der Blut-Liquor-Schranke ergeben, danach sei sofort mit einer antibiotischen und antiviralen medikamentösen Therapie begonnen worden. Der Patient sei im Laufe des 28.01.2000 völlig einsichtig gewesen und habe die Diagnose 'Hirnhautentzündung' auch mit der Folge der entsprechenden Therapie mit Antibiotika und antiviralen Medikamenten intravenös akzeptiert.

9

In der Nacht vom 28.01.2000 zum 29.01.2000 sei die Beklagte zu 1) zwischen 0.00 Uhr und 1.00 Uhr auf der Station 13 gewesen, um nach Herrn XX zu sehen, weil sich die Braunüle gelöst hatte bzw. entfernt worden war. Die Beklagte zu 1) habe dem Patienten die Infusionsnadel neu gesetzt, den Patienten auch darüber informiert. Dieser habe im Bett gelegen und keinerlei Auffälligkeiten im Sinne einer Abwehrbewegung oder sonstigen besonderen Unruhe gezeigt. Danach sei der Patient noch einmal kurz eingeschlafen. Nachdem er nochmals wachgeworden sei, habe er sich an einen Tisch seines Zimmers gesetzt. Die diensthabende Schwester, Frau XX, habe daraufhin, um den Patienten besser überwachen zu können und um eine Störung anderer Patienten zu vermeiden, Herrn XX auf ein Zimmer in unmittelbarer Nähe des Stationszimmers verlegt, indem sie das Bett des Herrn XX auf das entsprechende Zimmer schob. Der Patient habe sich danach hingelegt, die diensthabende Nachtschwester habe die Tür offen gelassen, um immer wieder nachsehen zu können. Des Weiteren habe die auf der Parallelstation diensthabende Schwester YY ebenfalls nach dem Patienten geschaut. Erst gegen 4.00 Uhr morgens sei der Patient wieder unruhig geworden und habe sein Zimmer verlassen. Daraufhin habe die Nachtschwester, Frau ZZ, mit der Beklagten zu 1) telefoniert, um weitere Massnahmen abzusprechen. Die Beklagte zu 1) habe daraufhin angeordnet, dem Patienten eine Tablette Tavor zu verabreichen. Zur Einnahme dieses Medikamentes sei der Patient nicht zu bewegen gewesen. Die Nachtschwester hat daraufhin gegen 4.15 Uhr die Beklagte zu 1) um ihr sofortiges Erscheinen gebeten, damit das Mittel intravenös gegeben werden konnte. Die Beklagte zu 1) habe sich daraufhin auch unmittelbar vom Dienstzimmer des Bereitschaftsdienstes im Hause 2 des Krankenhauses XX unter Mitnahme der entsprechenden Medikamente in das Haus 1 auf die Station 13 begeben. In diesem Zeitraum habe der Ehemann der Klägerin, als er für kurze Zeit aus dem Blickfeld der beaufsichtigenden Nachtschwestern verschwunden war, das fragliche Fenster geöffnet und sei dann auf den unten befindlichen Gehweg gestürzt.

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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Des Weiteren wird auf die Krankenunterlagen sowie auf die Akten der Staatsanwaltschaft - die Gegenstand der Verhandlung waren - Bezug genommen.

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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist sachlich nicht gerechtfertigt. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten aus den Vorschriften der §§ 823, 844 BGB die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht zu. Auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten besteht kein Anspruch auf Schadensersatz. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Beklagte zu 1) nicht pflichtwidrig gehandelt und das beklagte Krankenhaus trifft überdies auch kein Organisationsverschulden. Die von der Klägerin insoweit erhobenen Vorwürfe sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bewiesen. Der seinerzeit diensthabende Oberarzt XX hat bei seiner Vernehmung glaubhaft bekundet, dass die Ärzte bei der Frühbesprechung nach der Einlieferung des Ehemanns der Klägerin am 28.01.2000 nach der Begutachtung der CT-Bilder zu dem Ergebnis gelangten, dass der Patient keinen Schlaganfall erlitten haben dürfte. Da zudem aufgrund der Angaben der Klägerin, dass deren Ehemann erst seit kurzer Zeit eine Wesensveränderung zeigte, davon auszugehen war, dass es sich nicht um einen Alzheimer oder allgemeine Demenz handelte, hat der Zeuge XX darauf gedrungen, dass eine Nervenwasseruntersuchung durchgeführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wirkte der Patient auf den Zeugen ratlos verunsichert und klagte darüber, dass er seit 2 Wochen Kopfschmerzen hatte. Bei seiner Untersuchung fand der Zeuge die Angaben der Klägerin zudem bestätigt, dass deren Ehemann partiell desorientiert war. Dies hat den Zeugen dann noch darin bestärkt, die Nervenwasserpunktion durchzuführen. Er selbst hat diese Untersuchung vorgenommen und dabei den Patienten entsprechend aufgeklärt. Nach den Bekundungen des Zeugen erwies sich der Ehemann der Klägerin dabei als führbar und kooperativ. Er war zudem krankheitseinsichtig und wirkte vertraut. Er hat zudem auch keine Abwehrhaltung gegen die nicht angenehme Untersuchung gezeigt. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass er aufgrund seines Untersuchungsbefundes keinerlei Zweifel daran hat, dass der Patient auf der Neurologischen Station richtig untergebracht war. Der Patient war krankheitseinsichtig, er zeigte keine Gefährdung und auch keine Weglauftendenz. Nach der Feststellung der Meningoencephalitis sei zudem seitens des Krankenhauspersonals alles Erforderliche unternommen worden, u.a. auch die Gabe eines Antibiotikums und eines antiviralen Medikamentes.

13

Der Zeuge hat eindeutig in Abrede gestellt, dass er gegenüber Angehörigen des Ehemanns der Klägerin geäussert habe, dass der Sturz auf ein Fehlverhalten des Krankenhauspersonals zurückzuführen sei. Aus ärztlicher Sicht hat der Zeuge im Übrigen bekundet, dass die Verlegung des Ehemanns der Klägerin in die psychiatrische Abteilung zu einer Überforderung derselben geführt hätte, weil die Behandlung der Hirnhaut- und Hirnentzündung in den neurologischen Bereich gehört.

14

Die Aussage des Zeugen ist in sich widerspruchsfrei und glaubhaft. Hinzukommt, dass der Zeuge nicht mehr im Hause der Beklagten zu 2) tätig ist.

15

Auch nach den Aussagen der beiden Schwestern, die in der fraglichen Nacht Dienst hatten, haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beklagten irgendwelche Pflichten verletzt haben. Die Zeugin YY stellte nach ihren Angaben, als sie am 28.01.2000 ihren Nachtdienst antrat, in Bezug auf den Ehemann der Klägerin nichts Auffälliges fest. Gegen 24.00 Uhr hat sie diesem eine Infusion mit einem Antibiotikum angelegt. Als sie anschliessend noch einmal nach ihm schaute, stellte sie fest, dass Herr XX die Infusion und Kanüle entfernt hatte. Der Patient zeigte auch Unverständnis mit den medizinischen Massnahmen. Die Zeugin ZZ hat daraufhin die Beklagte zu 1) benachrichtigt, damit eine neue Kanüle angelegt werden konnte. Dies hat die Beklagte zu 1) dann auch vorgenommen. Die Zeugin selbst hat Herrn XX dann weiter beobachtet, wobei sie feststellte, dass der Patient unruhig blieb. Die Infusion konnte jetzt aber durchlaufen. Danach stellte die Zeugin fest, dass Herr XX aufgestanden war. Er ging dann teilweise umher und setzte sich auch schon mal an den Tisch in seinem 4-Bett-Zimmer. Daraufhin hat die Zeugin mit Rücksicht auf die übrigen Patienten in diesem Zimmer und weil sie von ihrem Stationszimmer dann die bessere Kontrolle in Bezug auf Herrn XX hatte, diesen in die Nähe ihres Stationszimmers in ein dortiges Zimmer verlegt. Dort lag noch ein weiterer Patient, der allerdings sehr verwirrt war. Herr XX wurde dann unruhiger und äusserte auch, dass er nach Hause möchte und dass dies alles Freiheitsberaubung sei. Die Zeugin ZZ hat daraufhin die Beklagte zu 1) angerufen, woraufhin diese ein Beruhigungsmittel verordnete. Als die Zeugin ZZ dieses in Tablettenform verabreichen wollte, lehnte Herr XX dies ab. Nach Verständigung durch die Zeugin ZZ hat die andere diensthabende Nachschwester, Frau YY, sodann die Beklagte zu 1) von der Ablehnung der Einnahme des Medikaments informiert. Die Zeugin YY selbst nahm dann wahr, dass Herr XX auf den Flur ging und sich dort Bilder anschaute. Dabei wirkte er weiter angespannt und unruhig. In dieser Situation wurde die Zeugin ZZ aus einem Zimmer, in dem eine Schwerkranke lag, alarmiert. Die Zeugin ZZ ging dann in dieses Zimmer hinein und war dort allenfalls 2 Minuten tätig. Als sie wieder aus dem Zimmer kam, hörte sie ein Geräusch. Herrn XX konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht sehen, weil er um den Flur herumgegangen war. Deswegen ist die Zeugin dem wahrgenommenen Geräusch nachgegangen und stellte dabei fest, dass ein Fenster in der dritten Etage geöffnet war. Die Zeugin hat weiter bekundet, dass sie in dem Augenblick, als Herr XX äusserte, dass er nach Hause wolle und dass dies Freiheitsberaubung sei, diesem erklärte, dass er krank sei und im Krankenhaus behandelt werden müsse. Die Zeugin äusserte dazu, dass sie Dergleichen häufig bei Patienten erleben. Sie konnte indes nicht beurteilen, ob Herr XX ihre Erklärung angenommen hatte. Sie sei jedenfalls in der gegebenen Situation zu keinem Zeitpunkt auf die Idee gekommen, dass der Ehemann der Klägerin wegen des Drangs nach Hause zu kommen durch ein Fenster steigen könne. Nach weiterer Bekundung der Zeugin hat sie den Patienten XX in der Nacht vom 28.01. auf den 29.01. durchaus noch für führbar gehalten. Die Zeugin hat insoweit glaubhaft bekundet, dass sie anderenfalls mit der Beklagten zu 1) gesprochen hätte und eine Sitzwache beantragt hätte.

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Die Kammer hat an der Richtigkeit der Angaben dieser Zeugin keinerlei Zweifel. Die Aussage der Zeugin war in sich klar und frei von Widersprüchen.

17

Die Zeugin YY hat die Aussagen der Zeugin ZZ, soweit sie entsprechende Wahrnehmungen treffen konnte, im Wesentlichen bestätigt. Sie hat der Zeugin ZZ zudem bei der Verlegung des Patienten XX auf das andere Zimmer geholfen. Auch diese Zeugin hat angegeben, dass Grund für die Verlegung die Rücksichtnahme auf die übrigen Patienten war und dass der Patient hernach besser im Blickfeld der Zeugin ZZ war. Die Zeugin hat überdies bekundet, dass sie, als Herr XX auf den Flur ging, diesen gefragt hat, ob er wisse, wo er sei. Daraufhin hat dieser geantwortet, dass er im Krankenhaus sei und zudem hat er erzählt, dass er vor 2 Jahren nach L. gezogen war. Dies war nach ihrer Bekundung der Zeitpunkt, indem die Zeugin ZZ die Beklagte zu 1) von dem unruhigen Zustand des Patienten benachrichtigt hat. Die Zeugin bestätigte dann weiter, dass dem Patienten XX im Dienstzimmer das verordnete Medikament verabreicht werden sollte, wobei der Patient das Medikament lediglich angeschaut, aber nicht genommen hat. Nach der Bekundung der Zeugin YY hat die Zeugin ZZ dann das Medikament zurückverlangt und ausserdem die Beklagte zu 1) angerufen und sie benachrichtigt, dass sie kommen müsse. Diese Zeugin nahm dann wahr, dass der Patient XX aus dem Dienstzimmer herausging, und zwar nach rechts auf den Flur, wo er sich Bilder anschaute. Die Zeugin YY bestätigte, dass die Zeugin ZZ dem Patienten XX ebenfalls nachschaute, darin allerdings durch das Piepen einer Ernährungssonde auf Zimmer 304 unterbrochen wurde. Die Zeugin ZZ ist dann nach der Bekundung der Zeugin YY in dieses Zimmer gegangen, wo sie 1 Minute gewesen sein mag. Als sie wieder herauskam, hat sie in die Richtung des Patienten XX geschaut, diesen aber nicht mehr sehen können, weil dieser in dem U-förmigen Flur bereits in die Rundung eingebogen war. Beide Zeuginnen sind dann jeweils in unterschiedlicher Richtung auf die Rundung zugegangen, wobei die Zeugin YY wahrnahm, dass die Zeugin ZZ plötzlich anfing zu laufen, was sie hernach damit begründete, dass sie ein Geräusch gehört hatte. Nach der Bekundung der Zeugin YY hat sie alsdann wahrgenommen, dass die Zeugin ZZ rief: "Oh Gott, er ist aus dem Fenster gesprungen"! Die Zeugin YY hat ausdrücklich verneint, dass sie nach dem Unfall mit Dr. XY über diese Angelegenheit gesprochen hat. Auch diese Zeugin hat ihre Angaben in sich klar und widerspruchsfrei gemacht. Ihre Aussage ist insgesamt glaubhaft.

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Die Zeugin RR hat selbst den Verlauf in der Nacht nicht beobachten können. Ihre Aussagen sowohl vor der Polizei, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wie auch vor der Kammer beruhen im Wesentlichen auf Angaben der Zeugin ZZ. Im Übrigen hat die Zeugin eingeräumt, dass es durchaus das Zimmer 304 gewesen sein kann, in das Herr XX verlegt wurde. Zudem hat sie auch erklärt, dass es durchaus richtig sein könne, dass der Patient XX das Medikament Tavor ablehnte. Soweit die Zeugin RR in ihrer polizeilichen Vernehmung bekundet hat, der Zustand des Herrn XX habe sich kurz vor seinem Tod rasant verschlechtert, ist dies eher eine zusammenfassende Bewertung der Zeugin RR aufgrund der Angaben der Zeugin ZZ. Insoweit legt die Kammer ihrer Entscheidung bei der Bewertung durch den Sachverständigen die differenziertere Darstellung der Zeugin ZZ und auch der Zeugin YY zugrunde.

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In diesem Zusammenhang ist die Bekundung der Zeugin ZZ noch hervorzuheben, dass auch sie sich nicht gegenüber Herrn Dr. XY in der Weise geäussert hat, der Patient sei nicht mehr zu halten und nicht mehr kontrollierbar gewesen.

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Abgesehen davon, dass aufgrund der Aussagen der Zeuginnen ZZ und YY durchaus davon auszugehen ist, dass der Ehemann der Klägerin in der Nacht zum 29.01.2000 unruhiger wurde, kann weder nach den Aussagen der Zeugen, die vor der Kammer vernommen wurden, noch aus den in der Ermittlungsakte festgehaltenen Vernehmungen und Tatsachen festgestellt werden, dass der Ehemann der Klägerin in der fraglichen Nacht nicht mehr lenkbar war.

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Der Beklagten zu 2) kann im Übrigen nicht vorgeworfen werden, dass das Fenster, das der Patient XX öffnete, nicht abgeschlossen war. Unstreitig war dieses verschliessbar. Bei der Neurologischen Station, auf der sich Herr XX befand, handelt es sich jedoch um eine offene Station. Insoweit kommt es dann darauf an, ob besondere Umstände vorlagen, die das Abschliessen der Fenster bzw. dieses Fensters erforderten. Derartige besondere Umstände hat es hier weder nach der Aussage des behandelnden Oberarztes noch nach den Aussagen der Zeuginnen YY und ZZ gegeben. Aus diesem Grunde kann auch nicht darauf abgestellt werden, dass in der Nähe des fraglichen Fensters ein Sessel stand. Denn es war schlechterdings aufgrund der Gesamtsituation nicht davon auszugehen, dass der Ehemann der Klägerin versuchen werde, aus diesem Fenster zu steigen. Dies wird insbesondere durch die Ausführungen des eingeholten Gutachtens des sachverständigen Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. YX bestätigt. Dazu ist zunächst auszuführen, dass Dr. YX seit Jahren im Landeskrankenhaus tätig ist und vielfach auch in Schwurgerichtsverfahren psychiatrische Gutachten erstellt hat. Der Sachverständige verfügt über eine grosse berufliche und forensische Erfahrung, so dass die Kammer, die den Sachverständigen im Übrigen ja auch angehört hat, keinerlei Zweifel an seiner Kompetenz hat.

22

Der Sachverständige hat ausgeführt, dass sich bei Herrn XX das entzündliche Krankheitsbild offensichtlich ausschliesslich in Form eines hirnorganischen Psychosyndroms einhergehend mit Desorientiertheit und amnestisch-kognitiven Defiziten in Form von Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen zeigte. Dieses beschriebene hirnorganische Psychosyndrom blieb nach der Darstellung des Sachverständigen auch erhalten, nachdem die polypragmatische Therapie in Form einer Kombinationsmedikation mit Antibiotika und antiviralen Substanzen eingeleitet worden war. Bei seinen Ausführungen legt der Sachverständige zugrunde, dass sich diese Situation des Patienten offenbar in der Nacht vom 28.01. auf den 29.01.2000 in den frühen Morgenstunden verschlechterte. In seiner Begutachtung hat der Sachverständige nicht nur die Zivilprozessakten, sondern auch den Inhalt der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und selbstverständlich die Krankenunterlagen zugrundegelegt. Der Sachverständige hat alsdann unmissverständlich festgestellt, dass es sich beim Ehemann der Klägerin um ein akutes hirnorganisches Psychosyndrom gehandelt haben muss, also im Prinzip um ein krankhaftes Zustandsbild, das unter entsprechender ursächlicher Therapie reversibel, also rückbildungsfähig, ist. Ein solches akutes hirnorganisches Psychosyndrom zeige sich in seiner Symptomatik absolut unspezifisch und biete allenfalls einige richtungsweisende typischerweise in solchen Zuständen zu beobachtende Kardinalsyptome. Dabei könne es sogar klassische psychiatrische Krankheitsbilder, wie z.B. eine schizophrene Psychose oder eine Manie "imitieren". Der Sachverständige kommt sodann zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Krankenunterlagen und der durchgeführten Beweisaufnahme eher davon auszugehen ist, dass beim Ehemann der Klägerin die typischerweise zu findenden richtungsweisenden Symptome eines hirnorganischen Psychosyndroms vorgelegen haben. Diese seien nämlich Bewusstseinsbeeinträchtigungen, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen und Orientierungsstörungen. Der Sachverständige verkennt dabei nicht, dass neben diesen typischerweise mit einem hirnorganischen Psychosyndrom einhergehenden Verhaltensauffälligkeiten auch eine Vielzahl weiterer Symptome auftreten können. Aufgrund der Beschreibungen des Zustandes des Herrn XX gelangt der Sachverständige jedoch richtig zu der Erkenntnis, dass für schizophreniforme Symptome und Gedankeninhalte, insbesondere paranoid-wahnhafter Natur, keine Anhaltspunkte zu finden sind, wenngleich sie bei einer derartigen Erkrankung nicht unbedingt ausschliessbar seien. Es sei jedoch nirgendwo erwähnt, dass sich Herr XX möglicherweise bedroht, verfolgt und von aussen gelenkt gefühlt hätte. Deshalb ist der Sachverständige der für die Kammer nachvollziehbaren Auffassung, dass hier die vorrangige Symptomatik eher im Bereich der typischeren hirnorganischen Wesensauffälligkeiten gelegen hat, wobei sicher festzuhalten ist, dass der Ehemann der Klägerin unter einer gewissen psychomotorischen Unruhe litt, die sich zumindest in der kurzen Zeit direkt vor den tragischen Ereignissen in Form von Ratlosigkeit, Umherlaufen und fehlender Fähigkeit zur Ruhe zeigte. Dabei sei auch nicht zu verkennen, dass ein gewisser affektiver Anteil mitvorgelegen habe, indem Herr XX diensthabenden Krankenschwestern (Zeugin ZZ und Zeugin YY) über vermeintliche Freiheitsberaubung klagte.

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Der Sachverständige stellt alsdann überzeugend fest, dass in den Krankenunterlagen jedenfalls bis zu den von den Zeuginnen YY und ZZ bekundeten ernst zu nehmenden Auffälligkeiten des Patienten XX nichts durch die beteiligten Ärzte und Pflegemitarbeiter notiert worden sei, das besorgniserregend gewesen sei. Es sind auch keine Anhaltspunkte aus den Krankenunterlagen zu ersehen, die die Versorgung des Patienten auf der neurologischen Normalstation hätten in Frage stellen können. Dabei stützt sich der Sachverständige zutreffend auch auf die Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. XZ. Der Sachverständige betont alsdann, dass die Verhaltensauffälligkeiten, die die Klägerin ihrerseits wahrgenommen hatte, durchaus von den beteiligten Fachkräften bestätigt worden seien. Richtigerweise sei durch das Fachpersonal jedoch aus diesen Verhaltensauffälligkeiten nicht der Schluss gezogen worden, dass Herr XX in eine geschlossene psychiatrische Abteilung zu verlegen sei. Insoweit sei einmal zu berücksichtigen, dass Herr XX bis zum Beginn der Nacht vom 28.01. zum 29.01. bereits 1 1/2 Tage in der neurologischen Abteilung aufenthältlich war und dort auch entsprechend neurologisch behandelt wurde und dass er trotz der hirnorganischen Auffälligkeiten führbar war und offenbar keine bedrohliche Situation entstanden war.

24

Nach dem Bekanntwerden der Diagnose sei auch umgehend mit der anerkannten und wissenschaftlich fundierten antibiotischen und antiviralen Therapie per Infusionen begonnen worden. Nach Bekanntwerden der entzündlichen Genese musste nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen die Krankheit auch zunächst zweigleisig behandelt werden, weil noch die Laboruntersuchungen andauerten, d.h. es musste einerseits medikamentös gegen Bakterien und andererseits gegen Viren vorgegangen werden. Dabei sei auch die Gabe des Medikamentes PK-Mer richtig gewesen, da dieses bewusstseinsaufhellend wirke und ein hirnorganisches Psychosyndrom häufig mit Bewusstseinsbeeinträchtigungen einhergehe. Der Sachverständige betont, dass zusätzliche Medikamente, insbesondere von beruhigenden Substanzen, die ihm aus der psychiatrischen Behandlung bekannt seien, nur bei Extremformen der hirnorganischen Auffälligkeiten angewendet werden sollten, üblicherweise jedenfalls nicht von vornherein. Ein wichtiger Grund dafür liege darin, dass bei zunächst unbekannter Genese (Bakterie oder Virus) und zu beobachtender Bewusstseinsbeeinträchtigung die Zusatzgabe von beruhigenden, müdemachenden Medikamenten diese Bewusstseinslage (Bewusstseinsbeeinträchtigung) künstlich weiter verschlechtern und die Verlaufsbeobachtung behindern würde. Dies überzeugt in jeder Weise. Der Sachverständige kommt sodann überzeugend zu dem Ergebnis, dass jedenfalls bis ca. 4.00 Uhr in der fraglichen Nacht nicht von einer selbst- oder eigengefährdenden Situation im Zusammenhang mit dem Patienten XX auszugehen ist. Deshalb seien die zuvor ergriffenen Massnahmen die Verlegung des Betroffenen in ein Krankenzimmer in der Nähe des Stationszimmers (zur besseren Beobachtung) durchaus angemessen. Die Dokumentation zeige dann, als gegen 4.15 Uhr die diensthabende Ärztin telefonisch informiert wurde und daraufhin die Verabreichung einer Beruhigungstablette für den Patienten XX verordnet wurde, dass für die Nachtschwester der Patient XX zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln führbar war. Auch die Verordnung dieser Beruhigungstablette sei primär im Sinne eines schnell wirkenden und insgesamt kurz wirksamen, sprich gut steuerbaren Beruhigungsmittels, durchaus richtig gewesen. Dabei habe die Verabreichung der Expedit-Darreichungsform der Tablette Tavor noch den grossen Vorteil, dass sie nicht geschluckt werden müsse, sondern sich umgehend, nachdem sie im Mund mit dem Speichel in Berührung komme, auflöse und so gesehen eine sichere Wirkung gewährleiste. Als die Situation trotz alledem zu eskalieren drohte (wegen der zunehmenden psychomotorischen Unruhe und aufkommenden Gereiztheit des Betroffenen) wurde durch die Beklagte zu 1) die umgehende intravenöse Verabreichung eines Beruhigungsmittels geplant und angekündigt. Letzteres ergibt sich eindeutig aus den Krankenunterlagen und den Ermittlungsakten.

25

Der Sachverständige hat alsdann bei seiner Beurteilung verneint, dass der tragische Ausgang hier voraussehbar war. Nachdem der Sachverständige die Begrifflichkeitsproblematik zwischen dem neuerdings gebrauchten Begriff "Delir" gegenüber "Verwirrtheitszustand" erläutert hat, kommt der Sachverständige überzeugend zu dem Ergebnis, dass bei dem Patienten XX ein Delir im Sinne eines Verwirrtheitszustandes vorgelegen hat und nicht ein so genanntes "schweres Delir". Denn dem Patienten XX könne aus den Krankenunterlagen und den Akten ein solch schweres Krankheitsbild, wie es das schwere Delir voraussetze, nicht bescheinigt werden. Für die Erscheinungsformen des schweren Delirs, wie z.B. bei dem Alkoholentzugsdelir, sei an keiner Stelle der Grundlagen seines Gutachtens ein Anhaltspunkt zu finden.

26

Die leichteren Formen des Delirs (Verwirrtheitszustand) seien häufig durch psychomotorische Unruhe, Angst, Schlafstörungen und erhöhte Reiz- und Erregbarkeit gekennzeichnet, wobei sich ein solches Delir häufig innerhalb weniger Stunden entwickele. Das Vollbild werde meist schon in den ersten Tagen erreicht, falls keine Komplikationen auftreten, klinge das Delir alsdann innerhalb von 1 bis 2 Wochen ab. Bei solchen Deliren komme es aufgrund der Bewusstseinsstörung und der Desorientiertheit häufig zu Stürzen mit teilweise schwerwiegenden Verletzungen. Darüber hinaus sei auch mit Fehleinschätzungen der Situation und in deren Folge mit grobem Fehlverhalten zu rechnen. Gleichwohl dürfe man sich durch Letzteres nicht dazu verführen lassen, wegen des tragischen Fenstersturzes nunmehr zwingend davon auszugehen, dass dies vorhersehbar gewesen sei. Denn die Fälle, in denen derartige Fehleinschätzungen zugrundelägen, seien vorrangig Delire, die den weit schwereren Formen des Delirs zuzuordnen seien und als solche eine Domäne der Psychiatrie seien. Dagegen gehörten leichtere Desorientiertheiten und Verwirrtheitszustände mit fluktuierender Symptomatik von wechselndem Schweregrad in der Regel nicht zum Alltag der psychiatrischen Krankenhäuser, da derartige Delire in der Regel in somatischen Abteilungen (vorrangig den neurologischen) mit den einfachen Mitteln von pflegerischer Zusicht und evtl. zusätzlich verabreichten Medikamenten in den Griff zu bekommen seien.

27

Der Sachverständige führt dann überzeugend aus, dass bei Herrn XX jedenfalls ein schweres hirnorganisches Psychosyndrom im Sinne des klassischen Delirs alter Nomenklatur nicht vorgelegen hat. Denn es gibt keine Hinweise dafür, dass bei Herrn XX ausgeprägte vegetative Symptome vorlagen oder gar Halluzinationen oder Wahninhalte die Symptomatik dominierten. Dagegen wurde der Patient XX über weite Strecken als wohl kognitiv beeinträchtigt und im gewissen Masse auch desorientiert beschrieben, wobei aber jedenfalls bis zu den frühen Morgenstunden der Nacht vom 28.01. zum 29.01.2000 von weitestgehender Führbarkeit des Betroffenen auszugehen sei.

28

Überdies führt der Sachverständige aus, dass ein Delir im Sinne eines Verwirrtheitszustandes bei allem auch gekennzeichnet sei durch kurzzeitig (vorwiegend nachts) auftretende Phasen von Desorientiertheit und Bettflüchtigkeit. Dies liege zum Teil schon an den physiologischen Abläufen, nämlich das Nachlassen der vegetativen Funktionen während der Schlafenszeiten, so dass unter anderem auch Blutdruck, Puls und andere ähnliche Funktionen deutlich niedrigere Werte zeigten als tagsüber im Wachzustand. Bei einer entsprechenden Vorschädigung (wie es z.B. auch bei einer entzündlichen ZNS-Erkrankung der Fall sein kann) führten solche Downregulationen häufig zu einer vorübergehenden Verschlechterung der klinischen Symptomatik. Wegen der fehlenden Hinweise auf ein schweres hirnorganisches Psychosyndrom im Sinne des klassischen Delirs alter Nomenklatur und wegen der jedenfalls bis in die frühen Morgenstunden der tragischen Nacht gegebenen Führbarkeit des Patienten sei letztlich nur der Schluss zu ziehen, dass es für das beteiligte medizinische Personal im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild des Patienten XX nicht voraussehbar war, dass der Patient versuchen könnte, das Krankenhaus durch ein im dritten Obergeschoss gelegenes Fenster zu verlassen. Da es bei dem Patienten XX nicht um ein massives ausgeprägtes Delir gegangen sei, hätte er auch nicht in die psychiatrisch geschlossene Abteilung gehört. Die Behandlung entzündlicher ZNS-Erkrankungen gehöre in der Regel in neurologisch-klinische Hände und sei nur dann ein Thema für die Unterbringung in einer psychiatrischen Abteilung, wenn neben dem üblicherweise auftretenden leichteren hirnorganischen Psychosyndrom massivere Symptome aus dem affektiven oder gar schizophreniformen Bereich hinzuträten, wenn also vorhersehbar Risiken für die Umgebung oder den Betroffenen selbst, z.B. in Form von ausgeprägter Aggressivität oder wahnhaft gefärbter Realitätsverkennung erkennbar seien.

29

Der Sachverständige hat diese Ausführungen bei seiner Anhörung überzeugend bestätigt. Er hat dabei zusätzlich ausgeführt, dass der Umstand, dass der Ehemann der Klägerin sich evtl. eingesperrt gefühlt habe, nicht als Wahn verstanden werden könne, sondern als Situationsverkennung. Er habe offenbar nicht einsehen können, weshalb er überhaupt im Krankenhaus sei. Auf den Stimmungsumschwung des Patienten XX habe das pflegerische Personal schrittweise adäquat reagiert. Es sei insbesondere nicht angebracht gewesen, dem Patienten XX bei den ersten Anzeichen von Unruhe gleich eine Spritze zu geben. Letztlich sei, da nach der Aufnahme des Patienten alles gut verlaufen sei, die Medikation richtig war und deswegen eigentlich auch mit einer Besserung zu rechnen war, im Ergebnis das, was nachts geschah, nicht voraussehbar gewesen.

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Die Kammer hat keine Bedenken, den in sich widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen aus den oben dargelegten Gründen zu folgen.

31

Aus dem Umstand, dass der Sachverständige den Verbleib des Patienten auf der neurologischen Station für sachgerecht gehalten hat, ergibt sich auch, dass nicht zu beanstanden ist, dass in der fraglichen Nacht die zuständige Nachtschwester, die Zeugin ZZ, und zudem als zweite die Zeugin YY als Personal zur Verfügung standen. Denn wie die Aussagen der Zeuginnen gezeigt haben, konnte die Zeugin ZZ durchaus auf die Hilfe der Zeugin YY zurückgreifen. Im Übrigen reichte dieses Personal für die neurologische Station in der Nachtsituation aus. Insoweit bedarf es nicht der Einholung eines Gutachtens.