Landgericht Osnabrück
Urt. v. 16.10.2002, Az.: 9 O 7/02
Nichtbestehen eines unfallbedingten Schadensersatzanspruches aufgrund der Vortäuschung des Unfalls; Nachweis der Vortäuschung aufgrund der Inaugenscheinnahme von Lichtbildern sowie durch Sachverständigenbeweis; Berücksichtigung der Widersprüchlichkeit der Aussagen des den Unfall Vortäuschenden
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 16.10.2002
- Aktenzeichen
- 9 O 7/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 31045
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2002:1016.9O7.02.0A
Rechtsgrundlage
- § 823 BGB
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte zu 2) (und Nebenintervenientin) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Unfallgeschehen in Anspruch, das sich nach seiner Behauptung am 09.08.2001 gegen 18.15 Uhr auf der BAB 30, Richtungsfahrbahn Rheine, in der Autobahnabfahrt Nahne ereignet hat; der Kläger berechnet den ihm dadurch entstandenen Schaden mit 27.844, 56 DM.
Am Unfallort gaben die Unfallbeteiligten und sonstigen Anwesenden übereinstimmend dem als Zeugen vernommenen Polizeibeamten H. gegenüber an, A. habe mit seinem (von ihm kurz vor dem Unfall erworbenen und am 03.08.01 auf ihn zugelassenen) BMW mit dem amtlichen Kennzeichen verkehrsbedingt in der Ausfahrt der Autobahnabfahrt halten müssen. Der hinter ihm mit seinem Pkw Audi A 8 mit dem amtlichen Kennzeichen herfahrende Kläger habe sein Fahrzeug hinter ihm zum Stehen gebracht. Der Beklagte zu 1) sei mit seinem - bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten - Pkw Mazda mit dem amtlichen Kennzeichen auf den Audi A 8 aufgefahren und habe den Audi auf seinen Pkw BMW aufgeschoben. Der Schwager des A. , T. saß als Beifahrer im Pkw des Beklagten zu 1).
Der Kläger war am 30.12.2000 mit seinem Pkw Audi A 8 in ein Unfallgeschehen verwickelt, das sich in B. ereignet haben soll. Unfallgegnerin war Frau H. mit einem Pkw Mercedes Combi. Der Ehemann, H , der Unfallgegnerin H. ist der Cousin von T. A. war in der Vergangenheit mehrfach in Unfallgeschehen verwickelt. U.a. war er mit einem schwarzen Audi A 8 am Unfallgeschehen beteiligt, das sich am 30.03.2001 in B. im Begegnungsverkehr ereignet haben soll; dieser Unfall war Gegenstand des Rechtsstreits des AG Bad Iburg. Am 26.06.2000 hatte er - nach seinen Angaben - mit seinem Porsche einen Auffahrunfall in Osnabrück; aufgefahren sei ihm der Betreiber der Diskothek. Des Weiteren hatte er gemäss seinen Angaben im Rechtsstreit AG Bad Iburg einen weiteren Unfall am 06.02.2000;. er habe er mit seinem Pkw BMW 750i auf der Mindener Straße nach rechts in die Straße abbiegen wollen. Unfallgegner war Herr H. , der ihm mit seinem Pkw Toyota mit dem amtlichen Kennzeichen aufgefahren sei.
Gegenstand des Verfahrens des Amtsgerichts Osnabrück ist ein Unfallgeschehen vom 6. Januar 2001. Nach dem Klagevorbringen in jenem Verfahren, will Herr H. mit dem Mercedes mit dem amtlichen Kennzeichen (dem Fahrzeug, das an dem Vorunfallgeschehen mit dem Kläger am 30.12.2000 beteiligt war) an einer Ampel auf der Belmer Straße in Osnabrück bei Rotlicht gehalten haben. Hinter ihm soll der Pkw Porsche des T. zum Stehen gekommen, S. soll mit seinem Pkw auf den Pkw des Herrn T. aufgefahren sein und diesen auf das Fahrzeug des Herrn H. aufgeschoben haben. Ob der Pkw Porsche derjenige ist, der auch am Unfall vom 26.06.2000 beteiligt war, ist unklar.
Der Kläger behauptet, der Unfall habe sich so zugetragen, wie ihn die Beteiligten übereinstimmend gegenüber dem Polizeibeamten N. angegeben hätten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an ihn 14.236,17 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 30.08.2001 zu zahlen.
Die Beklagte zu 2), zugleich als Nebenintervenientin für den Beklagten zu 1), der sich ansonsten nicht verteidigt hat, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, dass Unfallgeschehen sei fingiert. Hierzu verweist sie zunächst auf die Häufung von Unfallgeschehen. Im Übrigen seien die Angaben des Herrn S. zu den Vorschäden und deren Reparatur - so, wie mit vorprozessualem Schreiben der Rechtsanwälte vom 15.11.2002 angegeben (Blatt 61/62 d.A.) - unzutreffend.
Das Gericht hat in diesem Rechtsstreit und in dem Parallelrechtsstreit des Herrn S. gegen die Beklagten Beweis erhoben gemäß prozessleitender Verfügung und Beschluss vom 05.07.2002. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschriften des Gerichts vom 17.09., 23.09. und 10.10.2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger kann von dem Beklagten Schadensersatz im Hinblick auf das Unfallgeschehen, das nach seiner Behauptung sich am 09.08.2001 an der Abfahrt Nahne der BAB 30 gegen 18.15 Uhr ereignet haben soll, nicht verlangen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des erkennenden Richters fest, dass das Unfallgeschehen vorgetäuscht ist. Dies ergibt sich schon auf Grund der Aussage des Polizeibeamten H. , den von ihm im Termin vorgelegten Lichtbildern, die als Anlage zu Protokoll genommen worden sind, in Verbindung mit den sachverständigen Ausführungen des Dipl.-Ing. M. während seiner Anhörung im Termin vom 23.09.2002. Der vom Beklagten zu 1) gefahrene Pkw Mazda hätte, um den etwa 2 t schweren Audi A 8 auf den Pkw BMW des Klägers aufschieben zu können, mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/h auf den 2 t schweren Audi A 8 auffahren müssen, um diesen auf den BMW des Klägers aufschieben zu können. Deshalb hätte die vom Sachverständigen so bezeichnete "weiche Front" des Mazda in derart erheblichem Umfang Schäden aufweisen müssen, dass der Mazda nicht mehr aus eigener Kraft von der Unfallstelle hätte wegbewegt werden können. Die vom Polizeibeamten H. im Termin überreichten Fotos zeigen ganz deutlich, dass der Pkw Mazda zum Unfallzeitpunkt im Bereich nicht nennenswert beschädigt gewesen ist.
Im Übrigen hat der Sachverständige das streitgegenständliche Unfallgeschehen per se für äußerst ungewöhnlich gehalten. Der Beklagte zu 1) hätte - entsprechend seinen Angaben im Termin - beim Durchfahren der Ausfahrt ca. 11 sec. Zeit gehabt, um situationsgerecht auf das Geschehen vor sich zu reagieren. Er will dies nicht getan haben, obwohl man bereits kurze Zeit nach dem Einfahren in die Ausfahrt diese komplett bis zu ihrem Ende hin überblicken kann. Da erscheint es eben wenig plausibel, dass sich der Beklagte zu 1) - über ca. 11 sec. bis kurz vor einem Aufprall auf den Audi A 8 - mit seinem CD-Player derart intensiv beschäftigt haben will, dass er nicht hinreichend auf das Verkehrsgeschehen vor sich achtete.
Darüber hinaus sprechen die Häufung von Verkehrsunfällen, die Nähe der Unfallorte zueinander sowie die Angaben des Klägers zu dem Grund, weshalb er - mit Sommerreifen - über die Straße , die sich bei Eis in einem wesentlich schlechteren Zustand befindet, als die Straße, über die er gekommen war, habe nach Hause fahren wollen, seine widersprüchlichen Angaben zur Reparatur der Vorschäden und die Häufung von Unfällen, an denen der Kläger, A. , die Eheleute H. und Herr T. beteiligt sind, dafür, dass - auch - dieses Unfallgeschehen fingiert ist. Anhand der Fotos, die den Audi A 8 zeigen, ergibt sich, dass das Fahrzeug des Klägers im Anschluss an das Unfallgeschehen vom 30.12.2000 nur in nicht nennenswertem Umfang repariert worden sein kann, also seine vorprozessuale Angabe mit Schreiben der Rechtsanwälte vom 15.11.2002 angegeben, unrichtig ist. Zwar hat der Zeuge S. versucht, dies im Zuge seiner Aussage abzuschwächen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Zeugen U. , S. und B. sämtlich der Wahrheit zuwider bekundet haben, der Zeuge S. habe seinen Pkw nach dem ersten Unfall komplett repariert. Dass der Zeuge T. zufällig in dieses Geschehen als Beifahrer verwickelt worden sein soll, ist - vor dem Hintergrund der Vielzahl von "Unfällen" mit der "Verwandtschaft" nicht zu glauben.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 101, 709 ZPO.