Landgericht Osnabrück
Urt. v. 08.11.2002, Az.: 12 S 513/02
Geltung der Kündigungsfrist aus § 573c Abs. 1 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches bei Vorliegen einer vertraglich-vereinbarten Kündigungsfrist; Verpflichtung zur Zahlung von Miete bis Eintritt einer Neuvermietung bei Wirksamkeit einer Kündigung; Anwendbarkeit von altem Recht oder Übergangsvorschriften bei Änderungen im Mietrecht; Wirksamkeit einer Kündigung bei der Geltung von Übergangsvorschriften während einer Gesetzesänderung
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 08.11.2002
- Aktenzeichen
- 12 S 513/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 25084
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2002:1108.12S513.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Bersenbrück - 03.07.2002 - AZ: 11 C 197/02 (III b)
Rechtsgrundlagen
- § 573c Abs. 1 S: 1 BGB
- § 573c Abs. 4 BGB
- § 9 Abs. 1 des Mietvertrages
- Art. 229 § 3 EGBGB
Fundstellen
- DWW 2003, 190
- WuM 2003, 148-149 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 19.10.2002
durch
die Richterin am Landgericht Müter,
den Richter am Landgericht Holling und
den Richter Kunze
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bersenbrück vom 3.7.2002 - 11 C 197/02 (IIIb) - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung nach § 573 c BGB.
Die Beklagte war Mieterin eines Einfamilienhauses mit Kraftfahrzeugeinstellplatz bzw. Garage der Klägerin in der ... in ... § 9 des am 16.9.1988 geschlossenen Mietvertrages enthält Regelungen zur Kündigung und Rückgabe der Mieträume. In Absatz 1 heißt es dazu:
"Das Mietverhältnis kann von beiden Parteien mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden. Nach 5-, 8- und 10jähriger Mietdauer verlängert sich die Kündigungsfrist für beide Parteien um jeweils 3 Monate, § 1 (4) des Vertrages bleibt unberührt. In § 1 (4) ist bestimmt, dass das Mietverhältnis bis zum 31.12.1989 fest abgeschlossen wird und sich nach Ablauf der Befristung mit den Kündigungsfristen des § 9 des Vertrages fortsetzt".
Die Beklagte hat das Mietverhältnis mit Schreiben vom 1.9.2001 zum 30.11.2001, hilfsweise zum nächstzulässigen Zeitpunkt gekündigt und die Wohnung zum 30.11.2001 geräumt und an die Klägerin zurückgegeben. Die Wohnung wurde zum 1.5.2002 anderweitig weitervermietet, ein Mietvertrag über die Garage wurde am 1.2.2002 geschlossen. Hinsichtlich der Garage streiten sich die Parteien, ab wann die neuen Mieter die Garage nutzten.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigung der Beklagten sei erst zum 31.8.2002 wirksam geworden und hat dazu auf § 9 Abs. 1 des Mietvertrages verwiesen.
Die Klägerin hat mit der Klage unter Verrechnung des Kautionsguthabens der Beklagten - unter anderem auf die Mieten für Februar und März 2002 - restliche Miete für den Zeitraum bis Ende April 2002, d. h. bis zur Weitervermietung des Wohnhauses und hinsichtlich der Garage bis Ende Januar 2002 geltend gemacht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.875,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus 572,65 EUR seit dem 1. Dezember 2001, aus weiteren 572,65 EUR seit dem 1. Januar 2002, aus 552,19 EUR seit dem I. April 2002 und aus 178,38 EUR seitdem 1. März 2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die unter § 9 Abs. 1 des Mietvertrages getroffene Regelung sei nach § 573 c Abs. 4 BGB unwirksam, da im Vertrag lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt worden sei. Es handele sich damit nicht um eine vertragliche Vereinbarung.
Darüber hinaus hat die Beklagte vorgetragen, die Garage sei schon im Dezember 2001 von den neuen Mietern genutzt worden, die auch entsprechend die Miete gezahlt hätten.
Das Amtsgericht Bersenbrück hat mit Urteil vom 3.7.2002 nach Beweisaufnahme über die Nutzung und Vermietung der Garage die Beklagte zur Zahlung der restlichen Miete bis einschließlich April bzw. hinsichtlich der Garage bis einschließlich Januar 2002 verurteilt. Das Amtsgericht hat ausgeführt, eine Kündigung sei wegen der vertraglichen Vereinbarung nur zum späteren Zeitpunkt möglich.
Auf dieses Urteil wird im übrigen Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 9.7.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.7.2002 Berufung eingelegt und diese am 28.8.2002 begründet.
Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, das Amtsgericht habe zu Unrecht die Kündigungsregelung des § 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB. nicht angewandt. Die Übergangsvorschrift des Artikel 229 § 3 Abs. 10 EGBGB gelte nicht, da die andere Kündigungsfrist nicht durch Vertrag vereinbart worden sei.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des am 4.7.2002 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Bersenbrück -11 C 197/02 (IIIb) - abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht wegen Artikel 229 § 3 Abs. 10 EGBGB sei § 573 c Abs. 4 BGB nicht anzuwenden.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Beklagte ist verpflichtet, auch noch für die Monate November bis zur Neuvermietung Miete zu zahlen, da ihre Kündigung erst mit den Fristen des § 9 des Mietvertrages wirksam wurde.
Nach Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB gilt für den Mieter auch bei Mietverhältnissen, die am 1.9.2001 bereits länger als fünf Jahre bestanden, die kurze Kündigungsfrist gemäß § 573 c Abs. 1 S. 1 BGB nur, wenn nicht eine längere Kündigungsfrist zuvor "durch Vertrag vereinbart" wurde, sonst ist eine längere Kündigungsfrist nach § 573 c Abs. 4 BGB unwirksam.
Entscheidend ist also, ob die Bestimmung im § 9 Abs. 1 des Mietvertrages, die die Wiedergabe der damaligen gesetzlichen Regelung enthält, als "vertraglich vereinbart" anzusehen ist.
Hierzu werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten. (vgl. die Darstellungen von Rips in WuM 2002, 135 ff, Eisenhardt in WuM 2002, 412 f jeweils mwN und LG Hamburg, WuM 2002.431 ff mit Anm von Wiek, WuM 2002, 433 f und Anm von Lammel in ZMR 2002, 671 ff)
Es dürfte eindeutig sein, dass es sich bei dem von den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag um einen Formularmietvertrag handelt, also um einen "Vertrag" im gesetzlichen Sinne. Nach Auffassung der Kammer ist es ebenso eindeutig, dass sämtliche in diesen Vertrag aufgenommenen Regelungen, also auch die der gesetzlichen Regelung entsprechenden Kündigungsfristen vom Vertragswillen umfasst sind. Eine Auslegung nach dem Wortsinn ergibt also, dass es sich bei § 9 Abs. 1 des Vertrages um eine durch "Vertrag vereinbarte" handelt.
Auch aus dem Gesetzeszusammenhang ergibt sich keine andere Beurteilung, da die Systematik der Übergangsvorschriften in Art. 229 § 3 EGBGB zeigt, dass vor Inkrafttreten des Reformgesetzes abgeschlossene Tatbestände dem alten Recht unterfallen. (§ 3 Abs. 1 Nr. 1-7, Abs. 7-9 EGBGB). (Lammel, ZMR 2002, 672)
Soweit aus Äußerungen des Rechtsausschusses der Schluss gezogen wird, der "Gesetzgeber" habe die formularmäßige Wiederholung von gesetzlichen Regelungen nicht unter den Begriff "durch Vertrag vereinbart" einordnen wollen, ist dieser Wille nicht im Gesetzestext zum Ausdruck gekommen, denn das Gesetz macht keine Unterscheidung zwischen Formular- und Individualvertrag. Die geäußerte Meinung ist daher nicht bindend. Die Gerichte haben sich an Gesetze zu halten und nicht an Meinungen von Mitgliedern des Rechtsausschusses.
Damit ist im vorliegenden Fall die Kündigung der Beklagten erst zum 31. August 2002 wirksam geworden. Entgegen der Ansicht der Beklagten verstößt die vertragliche Regelung auch nicht gegen Bestimmungen des AGB Gesetzes, denn sie entspricht der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gesetzlichen Regelung.
Soweit die Beklagte sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung der Garagenmiete wendet, hat die Beweisaufnahme I. Instanz ergeben, dass die Garage erst ab 1.2.2002 neu vermietet wurde und die neuen Mieter auch erst ab 1.2.2002 an die Klägerin Miete gezahlt haben. Wenn die Beklagte mit den neuen Mietern schon vorher andere Vereinbarungen getroffen haben sollte, so ändert das nichts an der vertraglichen Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin. Die Beklagte mag sich gegebenenfalls an ihren Vertragspartner, die Zeugen ... halten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO war die Revision zuzulassen.
Kunze
Holling