Landgericht Osnabrück
Urt. v. 21.10.2002, Az.: 1 O 1773/02
Bestehen eines Amtshaftungsanspruches aufgrund einer Verletzung der Verkehrssicherungspflichten wegen einer mangelhaften Unterhaltung öffentlicher Straßen; Umfang der einer Gemeinde obliegenden Straßenverkehrssicherungspflicht unter Berücksichtigung von Anpassungsobliegenheiten eines Straßenbenutzers; Anforderungen an die Tragfähigkeit eines Banketts
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 21.10.2002
- Aktenzeichen
- 1 O 1773/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 30437
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2002:1021.1O1773.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 839 BGB
- Art. 34 GG
- § 10 Abs. 1 NStrG
- § 10 Abs. 2 NStrG
Amtlicher Leitsatz
Kein SE bei Unfall mit Tankanhänger wegen Befahrens eines unbefestigten Straßenbanketts
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 600 EURO abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Amtshaftungsanspruch geltend.
Er behauptet, ein in seinem Eigentum stehender Tankanhänger sei am 11. 2. 2002 auf der Straße "In der Wasserfuhr" in Glandorf verunfallt. Nachdem der Kläger zunächst angegeben hatte, der Unfall habe sich am Vormittag des 11. 2. 2002 ereignet, hat er später den Abend des Vorfalltages als Unfallzeitpunkt genannt. Zum Unfall sei es dadurch gekommen, dass der von einem Schlepper gezogene Tankanhänger, der von der B 475 kommend nach Schierloh bewegt wurde, auf das linke Bankett der Gemeindestraße gekommen und umgestürzt sei. Hierdurch sei ihm ein Sachschaden in Höhe von 3.377,98 EURO entstanden. Dieser setze sich aus den Reparaturkosten in Höhe von 3.357,98 EURO und einer Unkostenpauschale in Höhe von 20,-- EURO zusammen. Diesen Schaden habe ihm die Beklagte als Straßenverkehrssicherungspflichtige zu ersetzen, da sie das Bankett der in Rede stehenden Gemeindestraße nicht ordnungsgemäß befestigt habe. Die erforderliche ordnungsgemäße Entwässerung des Straßen- und Bankettraumes sei nicht gewährleistet gewesen. Aufgrund der mangelhaften Entwässerung sei der Straßenseitenraum nicht ausreichend tragfähig gewesen, so dass das Tankfahrzeug nach Verlassen der Fahrbahn umgekippt sei.
Zu Begründung seines vermeindlichen Anspruches verweist der Kläger darauf, dass nach den Plänen des landwirtschaftlichen Wegebaues eine Seitenbefestigung bei Straßen und Wegen jeweils in etwa 40 cm Breite zu erfolgen habe. Gegen diese Verpflichtung habe die Beklagte verstoßen. Darüber hinaus habe sie es unterlassen - wie erforderlich - Warnschilder aufzustellen.
Nachdem der Kläger zunächst auf der Basis eines Kostenvoranschlages beantragt hatte,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.728,75 EURO nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf seit dem Tage der Zustellung zu zahlen,
macht er nunmehr die ihm tatsächlich entstandenen Reparaturkosten geltend und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.377,98 EURO zuzüglich der gesetzlichen Zinsen hierauf seit dem Tag der Zustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ihre Straßenverkehrssicherungspflicht nicht verletzt zu haben.
Zur Begründung verweist sie darauf, dass es sich bei der in Rede stehenden Gemeindestraße um eine untergeordnete Straße handele, so dass sie die Bankette nicht in besonderer Weise zu befestigen habe. Der Unfall sei einzig und allein darauf zurückzuführen, dass der Fahrer des Schleppers die erforderliche Sorgfalt nicht habe walten lassen. Dies sei schon daran zu erkennen, dass er -unstreitig- nach links von der Fahrbahn abgekommen sei. Auch habe er aufgrund der Witterung mit einer Durchfeuchtung der Bankette rechnen und sich in seiner Fahrweise darauf einstellen müssen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Unfall ist nicht auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zurückzuführen, womit ein Anspruch des Klägers gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ausscheidet:
Nach § 10 Abs. 1 NStrG obliegt die Unterhaltung der öffentlichen Straßen den damit befassten Körperschaften - hier einer Gemeinde - als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Zur Unterhaltung der Straßen gehört auch die Gewährleistung der Verkehrssicherheit (§ 10 Abs. 2 NStrG).
Der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht bestimmt sich nach der Art und dem Umfang der Benutzung der Straße oder des Weges. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Straßenbenutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes. Grundsätzlich muss sich jedoch der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht ist die mit ihrer Wahrnehmung befasste Körperschaft gehalten, die Verkehrsteilnehmer vor solchen Gefahren zu warnen und zu bewahren, auf die sie sich bei der gebotenen Sorgfalt nicht selbst hinreichend einstellen und vor denen sie sich nicht selbst schützen können (vgl.: BGH VersR 1979, 1055; MünchKomm-Mertens, BGB, § 823, Rn. 231; OLG Frankfurt VersR 1984, 394). Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich dabei nicht nur auf den Zustand der Fahrbahn selbst, sondern umfasst auch Vorkehrungen gegen Gefahren, die dem Verkehrsteilnehmer aus der besonderen Straßenlage oder Straßenführung drohen oder von Anlagen ausgehen, die zwar nicht zur Fahrbahn aber zum Straßenkörper gehören, nämlich Bankette, Sicherheitsstreifen, Gräben, Entwässerungsanlagen und Böschungen (BGH VersR 1962, 781 [BGH 28.05.1962 - III ZR 38/61]; BGH VersR 1980, 946; OLG Karlsruhe VersR 1978, 573).
Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich auch bei Zugrundelegens des Vorbringens des Klägers nicht feststellen, dass die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht genügt hätte:
Grundsätzlich gilt, dass Bankette nicht zur regelmäßigen Benutzung durch den Verkehr bestimmt sind; sie müssen deshalb nicht so tragfähig sein wie die Fahrbahn. Hinsichtlich ihrer Verkehrssicherheit ist zu unterscheiden zwischen befestigten Banketten und unbefestigten Banketten. Bei befestigten Banketten kann der Kraftfahrer damit rechnen, dass er sie in Notfällen bei vorsichtigem Befahren auch mit schweren Fahrzeugen gefahrlos benutzen kann; nur dann, wenn ein solches Bankett ausnahmsweise zu seiner Benutzung nicht geeignet ist, sind die Verkehrsteilnehmer zu warnen (BGH, VersR. 1957, 1396; BGH VersR 1969, 515). Bei einem unbefestigten Bankett ist jedoch für einen jeden Kraftfahrer erkennbar, dass ein gefahrloses Befahren mit schweren Fahrzeugen nicht gewährleistet ist. Eine Kennzeichnungs- und Warnungspflicht besteht in solchen Fällen nur dann, wenn die Grenze zwischen Fahrbahn und Bankett nicht deutlich erkennbar ist (BGH VersR. 1957, 1396); hingegen bedarf ein unbefestigtes Bankett, das sich von der Fahrbahn erkennbar abhebt, keiner Absicherung durch Kennzeichnung oder Warnung (BGH, VersR. 1964, 617). Hier handelte es sich unstreitig um ein unbefestigtes Bankett. Das Bankett bedurfte daher, da es als unbefestigt ohne weiteres erkennbar war und sich auch hinreichend deutlich von der Fahrbahndecke abhob, keiner Absicherung durch Kennzeichnung oder Warnung.
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt auch nicht bereits darin, dass die Beklagte kein befestigtes Bankett angelegt hat. Zwar können erhöhte Anforderungen an die Standfestigkeit eines Bankettes unter Umständen an schmalen, kurvenreichen Straßen gestellt werden, die von schweren Kraftfahrzeugen viel befahren werden; dass dies bei der Straße "In der Wasserfuhr" der Fall wäre, ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.
Zu der Frage, ob es der Beklagten als ein haftungsbegründendes Verschulden zur Last gelegt werden kann, dass die Straße nicht breiter angelegt ist, braucht nicht abschließend Stellung genommen zu werden. Denn selbst dann, wenn man diese Frage grundsätzlich bejahen wollte, wäre damit nichts Entscheidendes für den Kläger gewonnen. Dem Kläger bzw. dem Fahrer des klägerischen Tankwagens war die Straße und die sich aus ihrer geringen Breite für den Verkehr mit schweren und breiten Fahrzeugen ergebende Gefahr bekannt. Wenn er trotzdem die Straße mit einem schweren Schlepper-Gespann befahren hat bzw. ließ und die in der geringen Breite begründeten Gefahren der Straße in Kauf nahm, dann lag auf seiner Seite das ganz erheblich überwiegende und eine aus der geringen Breite der Straße etwa herzuleitende Haftung der Beklagten ausschließende eigene Verschulden.