Landgericht Osnabrück
Urt. v. 13.11.2002, Az.: 1 O 3013/01
Amtshaftungsanspruch wegen infolge herabstürzender Äste eingetretener Beschädigung eines auf einem Parkplatz eines Freibades unter einem Baum abgestellten Fahrzeugs
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 13.11.2002
- Aktenzeichen
- 1 O 3013/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 30336
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2002:1113.1O3013.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 839 BGB
- Art. 34 GG
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.022,58 EURO nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz nach dem Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz seit dem 31. 8. 2001 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Beweisaufnahme trägt die Beklagte vorab allein.
Die Kosten des Rechtsstreits im übrigen hat der Kläger zu 2/7 und die Beklagte zu 5/7 zu tragen.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweilig zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen eines Vorfalles geltend, der sich nach seiner Behauptung auf dem öffentlichen Parkplatz vor dem Neustädter Freibad ("Moskaubad") am 30. Juni 2001 ereignet hat.
Der Kläger behauptet, an diesem Tage habe sein Vater zusammen mit seiner Lebensgefährtin und einigen Kindern das Neustädter Freibad in Osnabrück besucht. Sein Vater habe dabei den Pkw Opel Kadett mit dem amtlichen Kennzeichen XX - YY 000 in der Nähe des Kassenbereichs dieses Bades abgestellt. Gegen 14.00 Uhr/14.30 Uhr sei ein starker Sturm aufgekommen. Während die Lebensgefährtin seines Vaters zusammen mit den Kindern fluchtartig das Bad verlassen habe, seien mehrere grosse Äste auf den Pkw gestürzt. Diese Äste seien von einer Pappel herabgefallen und hätten das Dach sowie die Motorhaube des Pkw beschädigt.
Der Kläger hat den ihm entstandenen Schaden am Fahrzeug auf 2.778,97 DM beziffert und verlangte zunächst weitere Kosten im Betrage von 85,02 DM. Im Laufe des Rechtsstreits haben sich die Parteien zur Schadenshöhe dahin geeinigt, dass diese auf 2.000.- DM (1.022,58 EURO) anzusetzen ist.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.863,99 DM nebst 9,26% Zinsen seit dem 31. 8.2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet das Geschehen am 30. Juni 2001 und bringt darüberhinaus vor, der orkanartige Sturm sei Grund für den Abbruch des gesunden Astes gewesen. Ihre Mitarbeiter, so meint die Beklagte, hätten der Verkehrssicherungspflicht genügt. Sie behauptet dazu, im März 2001 seien im Bereich des Bades Baumpflegearbeiten druchgeführt worden. Dazu legt die Beklagte Tagesberichte und andere Unterlagen vor, auf die Bezug genommen wird.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und durch die Einholung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dipl.- Ing. XX.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Niederschrift vom 23. 10. 2002 und auf die vom Sachverständigen dazu überreichten umfangreichen Unterlagen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist aus Artikel 34 GG, § 839 BGB im Betrage von 1.022,58 EURO begründet. Im übrigen ist die Klage unbegründet.
Durch die Vernehmung aller Zeugen ist bewiesen, dass am 30. Juni 2001 von einer Pappel im Eingangsbereich des Freibades mehrere Äste unterschiedlicher Stärke abgebrochen sind und das Fahrzeug des Klägers beschädigt haben. Das haben die im Grundsatz übereinstimmenden Bekundungen der Zeugin S., T. und der Zeugen U. und W. ergeben.
Auf die unterschiedlichen Angaben der Zeugen dazu, ob es sich um einen oder mehrere Äste gehandelt hat und ob diese morsch waren, kommt es im Ergebnis nicht an. Denn es steht fest, dass nicht höhere Gewalt (Orkan) und unvorhersehbare Ereignisse nach Art eines "Sommerbruchs" zu dem Schaden beigetragen haben, sondern eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte.
Diese Verkehrssicherungspflicht ist hier eine hoheitliche Aufgabe und führt zu Amtshaftungsansprüchen.
Es kann im einzelnen offenbleiben, welche Windstärken die Sturmböen am Unfalltage erreicht haben. Das Gutachten des Deutschen Wetterdienstes führt dazu aus, es könnten einzelne orkanartige Sturmböen der Stärke 11 Bft. erreicht worden sein. Ob dies der Fall ist und welches genaue Ausmass sie hatten steht nach dem Gutachten nicht fest. Das ist auch nicht entscheidungserheblich.
Ausschlaggebend für das Gericht ist nämlich folgende Annahme:
Die Beklagte hat zweifelsfrei solche Arbeiten nicht durchführen lassen, die erforderlich gewesen wären, um Schäden solcher Art ausschliessen zu können. Die vorgelegten Unterlagen belegen solche Arbeiten nicht. Dazu hat der als Sachverständige vernommene Dipl.-Ing. Prof. XX überzeugend ausgeführt, die Unterlagen der Beklagten, die zur Gerichtsakte gereicht seien, liessen nicht auf eine Überprüfung der Verkehrssicherheit schliessen, sondern nach den Angaben in ihren Arbeitszetteln auf spezielle "Baumpflegemassnahmen". Es wäre aber erforderlich gewesen, wegen der Gefährdungslage, die von diesem Baum ausgeht, regelmässige Kontrollen auf Gefahren vorzunehmen und solche Kontrollen auch nachzuweisen. Dazu wird verwiesen auf die umfangreichen Anlagen, die der Sachverständige zum Protokoll eingereicht hat und die beide Parteien erhalten haben. Weder ist die Fachkunde der Kontrolleure noch die regelmässige Kontrolle auf Gefahren im einzelnen belegt, noch sind Dokumentationen der Beklagten vorhanden, was sie im einzelnen an diesen Bäumen hat arbeiten lassen. Der Sachverständige hat dazu überzeugend eine Checklite für die Kontrolle solcher Bäume vorgelegt. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Beklagte die erarbeiteten Unterlagen zum Nachweis der Kontrollen vorgelegt hätten. Das ist unterblieben. Bei einer solchen Lage kommt es nicht darauf an, entfernte Ursachen - wie Sommerbruch - in Betracht zu ziehen, weil wegen fehlender Dokumentation die Beklagte beweisen müsste, dass höhere Gewalt (Naturereignisse) oder nicht verhinderbare Ereignisse (Sommerbruch) zum Abbrechen der Äste geführt haben. Indem die Beklagte das Erforderliche nicht veranlasst hat, um Schäden solcher Art zu verhindern, trägt sie den Nachteil daraus, wenn es zum Abbrechen solcher Äste kommt.
Der Schaden ist unbestritten geblieben, nachdem sich die Parteien im Laufe des Rechtsstreits zur Schadenshöhe geeinigt haben.
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 284, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung ist auf §§ 92, 96 ZPO gestützt.
Die Kosten der Beweisaufnahme trägt vorab die Beklagte, weil sämtliche Beweise, die erhoben sind, zu ihrem Nachteil ausgegangen sind.