Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 13.08.2014, Az.: VgK-29/2014
Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand nach Aufforderung zur Angebotsabgabe; Neufestsetzung der Frist zur Abgabe der Angebote bzgl. der Ausschreibung einer Beförderung von Schülerinnen und Schülern zu verschiedenen Schulen im Stadtgebiet
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 13.08.2014
- Aktenzeichen
- VgK-29/2014
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 23872
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 7 GWB
- § 107 Abs. 2 GWB
- § 12 EG Abs. 5 VOL/A
In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx
- Antragstellerin -
gegen
die Stadt xxxxxx
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
xxxxxx
- Beigeladene zu - 1
-
xxxxxx
- Beigeladene zu - 2
xxxxxx
- Beigeladene zu - 3
xxxxxx
- Beigeladene zu - 4
wegen
Schülerbeförderung 2014/2015
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer BOR Peter und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Sameluck auf die mündliche Verhandlung vom 08.08.2014
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Das Vergabeverfahren wird in den Stand nach Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückversetzt. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Frist zur Abgabe der Angebote neu festzusetzen, dabei § 12 EG Abs. 5 VOL/A und die aus den Gründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.
- 2.
Die Höhe der Gebühr wird auf xxxxxx EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht entstanden.
- 3.
Die Kosten (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) des Nachprüfungsverfahrens tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je zur Hälfte. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung ihres Kostenanteils befreit.
- 4.
Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
Tatbestand:
I.
Die Vergabestelle und Antragsgegnerin hat mit EU-Vergabebekanntmachung vom xxxxxx die Beförderung von Schülerinnen und Schülern zu verschiedenen Schulen und Schulkindergärten im Stadtgebiet für den Zeitraum vom 11.09.2014 bis zum 22.07.2015 europaweit als Dienstleistungsauftrag gem. VOL/A im beschleunigten nichtoffenen Verfahren ausgeschrieben. Der Auftrag war in insgesamt 71 Lose unterteilt. Gem. Abschnitt II.1.8) der Bekanntmachung konnte auf ein oder mehrere Lose geboten werden. Zur Verfahrensart war unter dem Abschnitt IV.1.1) der Bekanntmachung folgendes ausgeführt:
"IV.1.1) Verfahrensart
Beschleunigtes nichtoffenes Verfahren
Gründe für die Wahl des beschleunigten Verfahrens: Die zu befördernden Schulkinder können erst zum Ende des laufenden Schuljahres benannt werden. Die Vergabeunterlagen (Lose) können erst nach diesem Zeitpunkt erstellt werden."
Gem. Abschnitt IV.3.4) der Bekanntmachung konnten Anträge zur Teilnahme am nichtoffenen Verfahren bis zum 26.06.2014 gestellt werden. Die Eignung der Bieter sollte anhand der im Abschnitt III.2) der Bekanntmachung gelisteten Eignungsnachweise erfolgen. Schließlich wurde im Abschnitt III.1.4) "Sonstige besondere Bedingungen" der Bekanntmachung darauf hingewiesen, dass den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für die Ausführung der zu erbringenden Dienstleistungen im Bereich des freigestellten Schülerverkehrs das hierfür im Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe vorgesehene Entgelt unter den dort jeweils vorgesehenen Bedingungen gezahlt werden müsse.
Bis zum 26.06.2014 beantragten 5 Unternehmen, darunter die Antragstellerin, die Teilnahme am nichtoffenen Vergabeverfahren und legten die geforderten Eignungsnachweise vor. Gem. Vermerk der Antragsgegnerin vom 01.07.2014 wurden alle Unternehmen als für die Auftragsausführung geeignet eingestuft. Schließlich wurden allen Bietern mit E-Mail vom 03.07.2014 die Vergabeunterlagen übersandt. Gem. der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots sollte die Angebotsfrist am 16.07.2014 und die Bindefrist am 10.09.2014 ablaufen.
Bis zum Ende der Angebotsfrist gaben 4 Bieter Angebote auf unterschiedliche Loskombinationen ab. Die Antragstellerin gab kein Angebot ab und stellte mit Schreiben vom 11.07.2014 zahlreiche Bieterfragen.
Mit gleichem Schreiben rügte sie erstmals das Vergabeverfahren. Sie rügte einerseits die aus ihrer Sicht zu kurze Frist zwischen Ende der Bindefrist am 10.09.2014 und Beginn der Auftragsaufnahme am 11.09.2014. Eine seriöse Auftragsaufnahme erfordere eine Rüstzeit für Fahrzeuge und Personal von mindestens 6 Wochen nach Zuschlag. Im Weiteren rügte sie, dass die Angebotsfrist nicht der üblichen Frist von 37 Kalendertagen entspräche und bat um angemessene Verlängerung.
Mit weiteren Rügeschreiben vom 15.07 und 17.07.2014 ergänzte die Antragstellerin ihre Rüge geringfügig und hielt im Übrigen an ihren Ursprungsrügen fest. Das von der Antragsgegnerin gewählte nichtoffene Verfahren sei in der Region unüblich. So würden z.B. in den Landkreisen xxxxxx und xxxxxx die Schülerbeförderungen frühzeitig im offenen Verfahren mit den üblichen Angebotsfristen ausgeschrieben. Durch das von der Antragsgegnerin gewählte Vergabeverfahren sei ein diskriminierungsfreier Wettbewerb nicht möglich, da nur der oder die Altunternehmer die dementsprechenden Kenntnisse der Schülerbeförderungsfahrten hätten.
Die Antragsgegnerin beantwortete die Bieterfragen mit Fax an alle Bieter am 15.07.2014 und verkürzte die Bindefrist für die Angebote auf den 27.08.2014 und verlängerte die Angebotsfrist um 2 Tage auf den 18.07.2014.
Mit separaten Schreiben an die Antragstellerin vom 15.07, 17.07 und 18.07.2014 wies sie deren Rügen zurück.
Die Rüge in Bezug auf die aus Sicht der Antragstellerin zu kurze Angebotsfrist sei gem. § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB bereits verspätet, da bereits aus der Bekanntmachung unter dem Abschnitt IV.1.1) ersichtlich gewesen sei, dass die zu befördernden Schulkinder erst zum Ende des laufenden Schuljahres benannt werden können. Die Rüge hätte deshalb bis zum Ende der Teilnahmefrist am 26.06.2014 erhoben werden müssen. Zudem sei diese Rüge auch im Hinblick auf § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nicht unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern erhoben worden, da diese erst 9 Tage nach elektronischem Versand der Vergabeunterlagen erhoben wurde.
Darüber hinaus sei die Rüge auch aus materiell-rechtlichen Gründen zurückzuweisen. So betrage die regelmäßig festzusetzende Angebotsfrist im nichtoffenen Verfahren gem. § 12 EG Abs. 5 VOL/A 40 Tage. In Fällen besonderer Dringlichkeit betrage diese Frist mindestens 10 Tage, gerechnet vom Tag der Absendung der Angebotsaufforderung an. Die besondere Dringlichkeit sei vorliegend dadurch gegeben, dass, bedingt durch die in Niedersachsen vorgegebenen Fristen zur Anmeldung von Schulanfängern, verlässliche Daten über die Anzahl der zu befördernden Kinder erst Ende Juni vorlägen. Hierauf hätte die Antragstellerin unter Ziffer IV.1.1 der Auftragsbekanntmachung auch hingewiesen. Die Angebotsfrist betrage vorliegend 13 Tage und läge damit über der Mindestfrist von 10 Tagen.
Im Gegensatz zu den von der Antragstellerin angeführten Landkreisen xxxxxx und xxxxxx würden die Schülerinnen und Schüler des 1. Schuljahrgangs in xxxxxx, sofern sie 2 km von der Schule entfernt wohnten, individuell von der Wohnung zur Schule und zurück befördert. Dies erfordere zwingend konkrete Angaben zu den Kindern wie Wohnortadresse und Alter. In den genannten Landkreisen erhielten die Schulanfängerinnen und Schulanfänger kostenlose Sammel-Schülerzeitkarten für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Ein freigestellter Schülerverkehr werde dort nur in Ausnahmefällen eingerichtet. Die zu erbringenden Leistungen seien insoweit nicht vergleichbar.
Hinsichtlich der vom Auftraggeber nach § 12 EG Abs. 1 Satz 2 VOL/A zu bestimmenden Bindefrist, die auch die nach § 101a GWB vorgesehene Informations- und Wartepflicht beinhalte, fehle es der Antragstellerin bereits an der Antragsbefugnis. Das OLG Düsseldorf habe mit Beschluss vom 07.03.2012, VII Verg 82/11, entschieden, dass es sich bei der Festlegung des Vertragsbeginns um eine vertragliche Regelung und nicht um eine Vorschrift über das Vergabeverfahren selbst handele, deren Verletzung nach § 97 Abs. 7 GWB überprüft werden könne.
Unabhängig davon sei die Antragsgegnerin nach Sichtung der Teilnahmeunterlagen davon ausgegangen, nur besonders zuverlässige und leistungsstarke Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert zu haben, die hinsichtlich des Bereitstellens von Fahrzeugen, Personal und sonstigen Betriebsmitteln nur kurzfristige Reaktionszeiten benötigten. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass kein Gesamtauftrag vergeben werde, sondern die Beaufragung losweise erfolge. Es sei deshalb davon auszugehen, dass Bieter nur für die Lose Angebote abgeben würden, für deren Auftragserfüllung sie die notwendigen Ressourcen besäßen bzw. kurzfristig beschaffen könnten.
Die Antragsgegnerin beabsichtige auch keinesfalls, die Bindefrist voll auszuschöpfen, sondern sei bestrebt, den Zuschlag schnellstmöglich zu erteilen. Eine Verkürzung der Bindefrist über das bereits gewährte Maß hinaus sei ihr aufgrund der notwendigen Gremienbeteiligung der Stadt xxxxxx nicht möglich.
Nach der letzten Rügezurückweisung rügte die Antragstellerin erstmalig am 18.07.2014 die Anwendung des Spartentarifvertrages Nahverkehrsbetriebe (TV-N Nds.). In den Vergabeunterlagen würde auf Seite 1 der ergänzenden Vertragsbedingungen unter Punkt 3.1 ausgeführt, dass der TV-N Nds. bei der Berechnung des Gesamtentgelts zu berücksichtigen sei. Sämtliche entgeltlichen Punkte aus dem Tarifvertrag lägen den Bewerbern jedoch nicht vor. Es liege somit ein Verstoß gegen § 8 Abs. 1 EG VOL/A vor, da die Leistung nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben sei.
Noch bevor die Antragsgegnerin auf ihre letzte Rüge antworten konnte, beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 18.07.2014 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Sie begründet ihren Antrag mit der Nichtabhilfe ihrer Rügen in Bezug auf die zu kurze Angebots- und Bindefrist und damit, dass der TV-N Nds. den Bietern nicht zugänglich gemacht wurde und fügte dem Antrag ihren bisherigen Schriftverkehr mit der Antragsgegnerin bei.
Die Antragstellerin beantragt,
das Vergabeverfahren "Kennwort: Schülerbeförderung 2014/2015" zur Ausschreibung von Beförderungsleistungen xxxxxxer Schülerinnen und Schülern zu verschiedenen Schulen und Schulkindergärten sowie Beförderungen im Rahmen der vorschulischen Sprachförderung aufzuheben und den Auftraggeber zu verpflichten, die streitgegenständlichen Leistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut auszuschreiben.
Die Antragsgegnerin beantragt:
- 1.
Die Anträge der Antragstellerin abzuweisen,
- 2.
die Kosten dieses Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen,
- 3.
auf eine vorzeitige Gestattung des Zuschlags nach § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB zu erkennen.
Die Antragsgegnerin ergänzt und vertieft ihren Vortrag in Bezug auf die rechtliche Würdigung der bereits mit den verschiedenen Rügeerwiderungsschreiben vorgetragenen Gründe für die vermeintliche Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages.
Darüber hinaus fehle es der Antragstellerin bereits an der notwendigen Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB.
Das Interesse am Auftrag könne nicht bereits dann bejaht werden, wenn die Antragstellerin, wie vorliegend, kein Angebot abgebe und anschließend das Nachprüfungsverfahren betreibe. Die Vergabekammer Nordbayern habe in ihrem Beschluss vom 30.11.2009, 21. VK -3194 - 40/09, entschieden, dass die Erstellung eines Angebotes nur dann gänzlich verweigert werden könne, wenn den Bietern wettbewerbsrelevante Informationen fehlten, die Einfluss auf das Verständnis von Art und Umfang der geforderten Leistung oder auf die Preisermittlung hätten. Ein entsprechender Sachvortrag der Antragstellerin hierzu fehle gänzlich. Die Antragstellerin komme damit ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht nach und sei insoweit deshalb nicht antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB.
Schließlich sei auch der Vortrag der Antragstellerin zur Anwendung des Spartentarifvertrages Nahverkehrsbetriebe (TV-N Nds.) bereits unzulässig, darüber hinaus auch unbegründet.
Auf die Anwendung des Spartentarifvertrages sei bereits im Abschnitt III.1.4) der Vergabebekanntmachung hingewiesen worden und hätte dem entsprechend bis zum Ende der Teilnahmefrist gerügt werden müssen.
Im Weiteren sei den Ausschreibungsunterlagen als Anlage 2 eine sog. Tariftreuerklärung beigefügt gewesen, in welcher eindeutig der TV-N Nds. vom 14.09.2009 als derjenige Tarifvertrag des öffentlichen Personennahverkehrs benannt worden sei, welcher vorliegend zur Anwendung kommen solle. Mit dem diesbezüglichen Vorbringen der Antragstellerin sei die Antragsgegnerin erstmals am 18.07.2014 konfrontiert worden. Da diese Rüge am Freitagnachmittag per Fax um 17:25 Uhr eingegangen sei, habe die Antragsgegnerin erst am Montag, den 21.07.2014, Kenntnis von dieser Rüge erhalten, zeitgleich mit der Mitteilung der Vergabekammer über die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens. Diesbezüglich sei die Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB im Wege einer teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass eine Rüge im Rechtssinne nur anzunehmen sei, wenn die Vergabestelle zumindest eine theoretische Chance zu einer Korrektur bekomme, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei.
Soweit die Antragstellerin das Fehlen des Tarifvertrages in den Vergabeunterlagen moniere, sei dieser Vortrag unglaubwürdig. Es sei einem im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs und insbesondere der Schülerbeförderung seit langen Jahren tätigen Unternehmen zuzumuten, sich einen derartigen Tarifvertrag der eigenen Sparte zu besorgen, bzw. werde davon ausgegangen, dass jedes Unternehmen dieser Branche diesen kenne und im Betrieb zur Einsicht vorliegen habe.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Vergabeakte Bezug genommen.
[Gründe]
II.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Antragsgegnerin Stadt xxxxxx ist eine Gebietskörperschaft gemäß § 98 Nr. 1 GWB, somit öffentlicher Auftraggeber i.S.d. 4. Teils des GWB. Sie möchte über die Dienstleistung Schülerbeförderung einen entgeltlichen Vertrag, somit einen öffentlichen Auftrag gemäß § 99 Abs. 4 GWB vergeben.
Der Auftrag übersteigt gemäß Ziffer 2 des Vergabevermerks vom 13.05.2014 den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. § 2 Abs. 1 Satz 1 der VgV enthält eine dynamische Verweisung auf die europarechtlich festgelegten Schwellenwerte, hier die Verordnung (EU) Nr. 1336/2013 vom 13.12.2013. Die in Artikel 2 Ziffer 1 b für allgemeine Dienstleistungsaufträge festgesetzte Schwelle von 207.000 EUR wird hier überschritten.
Die Antragstellerin ist im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Danach darf jedes Unternehmen einen Nachprüfungsantrag stellen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Zwar hat die Antragstellerin bisher kein Angebot abgegeben; sie hat aber geltend gemacht, von der Unterbreitung eines zuschlagsfähigen Angebots gerade durch vergaberechtswidrige Vorgaben abgehalten worden zu sein. Ihr Interesse am Auftrag ergibt sich aus dem Teilnahmeantrag, den Rügen und der Erhebung des Nachprüfungsantrags (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 17.03.2011, Az: VgK-65/2010). Als potentielles Bieterunternehmen hat sie im vorliegenden Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag. Sie macht die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie folgende Rügen erhebt:
Die Angebotsfrist entspräche nicht der üblichen Frist von 37 Kalendertagen. Sie sei angemessen zu verlängern. Außerdem kritisierte sie, dass die Antragsgegnerin die Dringlichkeit in den vergangenen Jahren immer wieder bemüht habe, um die Fristen zu verkürzen. Die Frist zwischen Ende der Bindefrist am 10.09.2014 und Beginn der Auftragsaufnahme am 11.09.2014 sei aus ihrer Sicht zu kurz. Eine seriöse Auftragsaufnahme erfordere eine Rüstzeit für Fahrzeuge und Personal von mindestens 6 Wochen nach Zuschlag. Sie rügte, dass der Spartentarifvertrag nicht Gegenstand der Unterlagen sei.
Die Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat mit den obigen Rügen zumindest schlüssig dargelegt, dass sie sich durch die geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße in ihren Chancen beeinträchtigt sieht, ein Angebot abzugeben und den Zuschlag zu erhalten. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin schlüssig darlegt, dass sie den Zuschlag bei vergabekonformem Verhalten der Antragsgegnerin auch tatsächlich erhalten hätte. Ob sich die dargestellte Rechtsverletzung bestätigt, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.07.2006, VII-Verg 23/06, Ziff. 1a, zitiert nach VERIS). Erst wenn die Zuschlagserteilung auf das zu erstellende Angebot der jeweiligen Antragstellerin von vornherein und offensichtlich ausgeschlossen ist, weil z.B. etwaige Gründe zum Ausschluss der Antragstellerin evident vorliegen, führt dies zum Wegfall der Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB (Kadenbach in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht-Kompaktkommentar, 3. Auflage, 11. Los, § 107, Rdnr. 39). Die Vergabekammer vermag eine solche Evidenz trotz des fehlenden Angebots nicht zu erkennen. Die Antragstellerin ist als leistungsfähiges mittelständisches Unternehmen bekannt.
Die Antragstellerin hat die von ihr im Nachprüfungsantrag geltend gemachten Vergabeverstöße nur teilweise rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB gerügt.
Die Antragstellerin ist mit ihrem Vorbringen zur zu kurzen Angebotsabgabefrist nicht gem. § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB präkludiert. Nach dieser Vorschrift sind Verstöße gegen Vergabevorschriften, die auf Grund der Bekanntmachung erkennbar sind, spätestens bis Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Die Antragstellerin beruft sich darauf, dass sie innerhalb der ungewöhnlich kurzen Frist von knapp zwei Wochen kein Angebot für 71 Lose kalkulieren kann.
Diese kurze Angebotsfrist war entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht aus der Vergabebekanntmachung erkennbar. Vielmehr ist erstmals in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes vom 2. Juli 2014 auf Blatt 1 für den jeweiligen Anbieter erkennbar gewesen, dass die Angebotsfrist bereits am 16. Juli 2014 ablaufen soll. Eine Präklusion dieser Rüge nach § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB scheidet somit offensichtlich aus.
Die Argumentation der Antragsgegnerin zur angeblichen Kenntnis der Antragstellerin von den Fristen zur Angebotsabgabe ist nicht überzeugend. Zunächst ist es unzutreffend, dass mit dem Tag der Bekanntmachung gleichzeitig Kenntnis von deren Inhalt bei allen Bietern eintritt. Da die europaweite Bekanntmachung nicht wie ein Brief zielgerichtet an einzelne Empfänger gerichtet ist, kann die Antragsgegnerin nicht analog § 41 Abs. 2 VwVfG davon ausgehen, dass die Antragstellerin nach Ablauf einer bestimmten Frist von der Vergabebekanntmachung hätte Kenntnis erlangen müssen. Vielmehr hat jeder Bieter die Gelegenheit, sich bis zum letzten Tage der Bekanntmachung Kenntnis von den jeweiligen Inhalten der Bekanntmachung zu verschaffen. Wenn sich der öffentliche Auftraggeber darauf beruft, dass jemand sehr früh Kenntnis von Inhalten der Bekanntmachung verschafft habe, so ist er dafür darlegungspflichtig (VK Niedersachsen, Beschluss vom 18.11.2011, VgK-50/2011 m.w. N.).
Die Antragsgegnerin hat eine solche - fehlerhafte - Kenntnis der Antragstellerin vom Inhalt der Bekanntmachung für den 26.05.2014 dargelegt. Da aber die Bekanntmachung nichts über die Angebotsfrist aussagte, ergibt sich daraus keine andere Wertung zur Präklusion der Rüge der zu kurzen Angebotsfrist.
Gleiches gilt für die lange Bindefrist. Die Antragsgegnerin hätte zwar die Möglichkeit gehabt, unter Ziffer IV.3.7. der europaweiten Bekanntmachung früh auf die von ihr ungewöhnlich lange ursprünglich bis zum Vorabend des Leistungsbeginns gesetzte Bindefrist hinzuweisen. Sie hat diese Möglichkeit aber ungenutzt verstreichen lassen. Daher musste die lange Bindefrist, die erstmals in den Vergabeunterlagen mitgeteilt wurde, die Antragstellerin überraschen.
Die Antragstellerin ist auch nicht hinsichtlich ihres Vortrages zum fehlenden Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB präkludiert. Zwar war bereits aus der Bekanntmachung Ziffer III1.4. erkennbar, dass das darin festgelegte Entgelt der Kalkulation der Löhne zugrunde zu legen war, jedoch bezieht sich die Rüge der Antragstellerin nur auf die angeblich pflichtwidrig unterlassene Übersendung des Regelwerks. Dies wäre aber erst mit den Vergabeunterlagen zu erwarten gewesen.
Präklusion ist gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB allerdings bei einer am 11.07.2014 erhobenen Rüge des gewählten Verfahrens eingetreten, da dies aus Ziffer IV 1.1.) der Vergabebekanntmachung erkennbar war. Die Vergabekammer interpretiert den Halbsatz aus dem Schreiben vom 15.07.2014, in dem die Antragstellerin die angebliche Dringlichkeit kritisiert, nach der ausdrücklichen Klarstellung der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung als eigenständige Rüge der Wahl des beschleunigten nichtoffenen Verfahrens. Sie weist allerdings darauf hin, dass es für eine eigenständige Rüge regelmäßig nicht nur einer Mangeldarstellung, sondern auch eines Abhilfeverlangens bedarf.
Obwohl nicht von der Antragsgegnerin substantiiert vorgetragen, prüft die Vergabekammer zu ihren Gunsten auch einen Ausschluss der Rügen vom 11.07.2014 gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB. Danach sind Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Die Antragstellerin erhob ihre Rüge zur kurzen Angebotsfrist und zum nicht übersandten Spartentarifvertrag am 11.07.2014. Der Faxversand vorab ist in der Vergabeakte nicht enthalten. Aber auch der Brief trägt im Original den Eingangsstempel vom 14.07.2014. Die Angebotsfrist lief bis zum 16. Juli 2014. Somit hat die Antragstellerin ihre Rüge rechtzeitig erhoben.
Die Antragstellerin hat nach bisheriger Sachlage ihre Rügen auch unverzüglich erhoben. Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Die Rügepflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler positiv erkennt. Die Antragsgegnerin beruft sich darauf, dass die Antragstellerin erst 9 Tage nach Erhalt der Vergabeunterlagen ihre Rüge erhoben habe. Ihr ist darin zustimmen, dass die Rügepräklusion gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB im Einzelfall tatsächlich einmal früher eintreten kann, als die Präklusion gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 3 GWB (vgl. VK Schleswig-Holstein, 14.03.2012 - VK-SH 3/12; VK Niedersachsen, Beschluss vom 15.01.2010 - VgK-74/2009). Dann bedarf es jedoch eines substantiierten Vortrags der Antragsgegnerin zum frühen Zeitpunkt der Kenntnis der Antragstellerin. Dieser sehr schwer zu führende Vortrag liegt hier nicht vor. Die Antragsgegnerin beruft sich nur auf den langen Zeitraum zwischen dem Versand der Vergabeunterlagen und der Rüge.
Tatsächlich wäre dieser Zeitraum von 8 Tagen nach früherer Rechtsprechung nicht unverzüglich gewesen. Als unverzüglich galt früher grundsätzlich nur ein Zeitraum von ein bis drei Tagen ab Erkennbarkeit (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 3/03; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Bei Einschaltung eines Anwaltes bzw. Prüfung schwieriger Rechtsfragen wurde die Frist regelmäßig auf eine Woche ausgedehnt (vgl. VK Nordbayern, Beschluss vom 08.06.2011 - 21.VK3194-14/11; OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010, WVerg 6/10; OLG München, Beschluss vom 15.03.2012, Verg 2/2; VK Bund, Beschluss vom 17.01.2008, VK1-152/07). Inzwischen nimmt das OLG München eine Rügefrist von sieben Werktagen an (OLG München, Beschluss vom 19.12.2013 - Verg 12/13), das OLG Düsseldorf von 11 Tagen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.06.2013 - Verg 7/13). Die europäische Kommission ist bei ihrer Überprüfung der deutschen Vorschriften zum Ergebnis gelangt, dass die Unbestimmtheit der Vorschrift die Rechtsmittelrichtlinie und die Gebote der Transparenz, Rechtssicherheit und Nichtdiskriminierung verletze. Sie hat daraufhin im Juli 2013 ein informelles Vorverfahren eingeleitet. Die Bundesrepublik hat zugesagt, im Rahmen der Reform des GWB zur Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien auch die Vorschrift des § 107 GWB an die europarechtlichen Vorgaben anzupassen. Bis zur Anpassung der Rügefrist auf 10 bzw. 15 Kalendertage dürfte, obgleich die Umsetzungsfrist der neuen EU-Vergaberichtlinien bis zum 17.4.2016 läuft, die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB wegen der verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsschutzgarantie nicht mehr abweichend anzuwenden sein, ohne die Frage vorher dem EuGH oder dem BGH vorzulegen (s. dazu auch Werkstattbeitrag von Eydner, ibr-online, vpr 2014, 2673, eingestellt am 08.04.2014; VK Niedersachsen, Beschluss vom 17.04.2014, VgK-9/2014). Der europäischen Kommission folgend legt die Vergabekammer unter Übernahme der Mindestüberlegungsfristen des Art. 2c Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG eine Rügefrist von 10 bzw. 15 Tagen ab Erkennbarkeit zugrunde.
Die Antragstellerin hat ihre Rüge zur Angebotsabgabefrist 8 Tage nach Erhalt der Vergabeunterlagen und somit unverzüglich gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB erhoben.
Die Annahme der Antragsgegnerin, die Antragstellerin habe die Rüge zur kurzen Angebotsabgabefrist nicht unverzüglich erhoben weil sich aus § 12 EG Abs. 4, Abs. 5 VOL/A bereits automatisch die kurze Frist für die Angebotsabgabe ergebe, wird aus dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht gedeckt. Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, die Erkennbarkeit dieser kurzen Frist sei schon mit Kenntnis von der Bekanntmachung gegeben (s. o.). Gem. § 12 EG Abs. 4 VOL/A beträgt die von den Auftraggebern festzusetzende Frist für den Antrag auf Teilnahme mindestens 37 Tage ab dem Tag der Absendung der Bekanntmachung. Diese Frist kann in Fällen besonderer Dringlichkeit auf 15 Tage verkürzt werden. Hier betrug sie 37 Kalendertage, war also nicht verkürzt worden.
Aus der langen Frist zur Abgabe des Teilnahmeantrages folgt nicht auch automatisch eine verkürzte Frist zur Abgabe des Angebotes. Vielmehr beträgt die Angebotsabgabefrist gem. § 12 EG Abs. 5 VOL/A mindestens 40 weitere Tage gerechnet vom Tage der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe an. Auch hier kann der Auftraggeber gem. § 12 EG Abs. 5 VOL/A in Fällen besonderer Dringlichkeit durch eine gesondert zu begründende Entscheidung die Frist verkürzen. Er hat dabei auch in besonderen Situationen dem Anbieter eine Kalkulationsfrist von mindestens zehn Tagen, gerechnet vom Tage der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe, zu belassen. Es liegt daher im Ermessen des Auftraggebers, auf Grund der individuell festzusetzenden Eilbedürftigkeit die regelmäßige Angebotsabgabefrist von 40 Tagen in dem erforderlichen, also nicht vermeidbaren Umfang zu reduzieren. Er muss dies auch frühzeitig den Anbietern mitteilen. Der Vermerk vom 14.04.2014 zeigt ein gewisses Bemühen, intern zu erklären, warum die Antragsgegnerin bei sich jährlich wiederholender sehr ähnlicher bis gleicher Sachlage jedes Jahr aufs Neue eine besondere Dringlichkeit als gegeben sieht. Eine Kommunikation dieser Betrachtung gegenüber den Anbietern fand aber nach Aktenlage nicht statt. Über die verkürzte Frist wurden die Anbieter nur durch den Versand der Vergabeunterlagen informiert.
Der Bieter ist vielleicht gut beraten, wenn er den voraussichtlichen Ablauf des Vergabeverfahrens planerisch nachvollzieht, er ist dazu aber nicht verpflichtet. Ein Bieter kann erkennen, dass die Vergabestelle die üblichen Fristen kürzen muss, wenn sie die Vergabeunterlagen erst im Juli versendet, der Auftrag allerdings ab Anfang September auszuführen ist. Gerechnet ab dem 03.07.2014 werden sich eine lange Angebotsfrist von 40 Tagen (knapp 6 Wochen) und eine lange Rüstzeit von weiteren 6 Wochen in den verbleibenden 9 Wochen bis zum Schuljahresbeginn nicht realisieren lassen. Aber es gibt für einen vernünftigen Bieter, der mit den örtlichen Gewohnheiten nicht vertraut ist, keinen Grund, von einseitig wie drastisch verkürzten Fristen ausschließlich zu Lasten der Anbieter auszugehen. Es wäre ohne weiteres möglich und zu erwarten gewesen, nicht nur die Angebotsabgabefrist und die Rüstzeit auf der Anbieterseite, sondern auch die eigene behördeninterne Bearbeitungszeiten und die Sommerpause gleichermaßen und maßvoll zu reduzieren. Anstelle der linear nacheinander angeordneten Beteiligung verschiedener Ämter hätte sich z.B. deren gemeinsame Beteiligung nach erfolgter Wertung angeboten.
Es wäre auch durchaus möglich und anzuraten gewesen, einfach früher mit dem Vergabeverfahren zu beginnen.
2. Die Antragsgegnerin hat in sachlich nicht gerechtfertigter Weise gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 97 Abs. 2 GWB verstoßen, indem sie ohne tragfähige Begründung für die tatbestandlich gemäß § 12 EG Abs. 5 Satz 2 VOL/A erforderliche besondere Dringlichkeit dieser Entscheidung die Frist zur Angebotsabgabe eines Angebotes nahezu auf das absolute Minimum von zehn Tagen (vgl. § 12 EG Abs. 5 Satz 2 VOL/A) reduziert hat. Die von der Antragsgegnerin im Wege der Abhilfe bemessene geänderte Rüstzeit von zwei Wochen zwischen Ende der Bindefrist und Vertragsausführungsbeginn war unter den Besonderheiten dieses Einzelfalles sehr kurz, bei insgesamt optimierten internen Abläufen auch leicht vermeidbar, aber hier wohl noch vertretbar. Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, der Antragstellerin mit den Vergabeunterlagen einen einschlägigen Tarifvertrag zu übersenden.
a) Die Antragstellerin ist in ihren Rechten aus § 12 EG Abs. 5 Satz 2 VOL/A i.V.m. § 97 Abs. 2, Abs. 7 GWB durch die sachlich nicht gerechtfertigte Verkürzung der Angebotsabgabefrist verletzt. Bei der Angebotsabgabefrist gemäß § 12 EG Abs. 5 Satz 2 VOL/A handelt es sich um eine bieterschützende Vorschrift (Schubert in Willenbruch Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar 3. Auflage 2014, 6. Los § 12 EG-VOL/A Rdnr. 4; Dierkes in Dieckmann/Scharf/Wegner-Cardenahl, VOL/A § 12 EG Rdnr. 59). Die Fristenregelungen sollen sicherstellen, dass alle Bieter ein ordnungsgemäßes Angebot erstellen können. Durch die Verkürzung nahezu auf das Minimum hat die Antragsgegnerin die Teilnahme geeigneter Bewerber wie der Antragstellerin in sachlich nicht gerechtfertigter Weise erschwert. Für einen Bewerber stellt es eine erhebliche Erschwernis dar, innerhalb von nur vierzehn Tagen Preise für bis zu 71 Lose neu zu kalkulieren, ohne mit den Gegebenheiten vor Ort vollständig vertraut zu sein, und ohne auf Erfahrungswerte aus vergangenen Auftragsperioden zurückgreifen zu können.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin schließt die Ziffer IV.1.1 der Bekanntmachung, dass man das beschleunigte nichtoffene Verfahren wähle, weil die zu befördernden Schulkinder erst zum Ende des laufenden Schuljahres benannt werden könnten, nicht die Reduzierung der Angebotsfrist ein. Dabei handelt es sich um eine gesonderte Entscheidung gem. § 12 EG Abs. 5 VOL/A.
Die Reduzierung der Angebotsabgabefrist ist nur bei besonderer Dringlichkeit möglich. Die Dringlichkeit ist zu begründen, nicht der vom Anbieter für die Kalkulation benötigte Zeitraum. Bei einer Verkürzung auf eine Zeit nahe des Mindestmaßes ist nicht der Anbieter darlegungspflichtig, dass er in einem fremden Umfeld nicht binnen vierzehn Tagen 71 Lose kalkulieren kann. Dazu müsste er die Beförderungswege und -zeiten für 447 Kinder ermitteln, auf einen qualitativ durchaus im Einzelfall unterschiedlichen Fahrzeugbestand umlegen und Preise ermitteln. Die Perspektive der Anbieter wird in der Vergabeakte nicht erfasst.
Die Antragsgegnerin hat in der Europaweiten Bekanntmachung das beschleunigte Verfahren damit begründet, dass die zu befördernden Kinder erst zum Ende des laufenden Schuljahres benannt würden. Im Vermerk vom 14.04.2014 hat sie ergänzend dargestellt, die Anmeldung erfolge immer zwischen den Oster- und Sommerferien. Erstmals mit Schriftsatz vom 07.08.2014 hat das zwischenzeitlich mit dem Verfahren befasste Rechtsamt mitgeteilt, dass die Schulanfänger grundsätzlich bereits jeweils im Vorjahr angemeldet werden, die Schulanfänger des hier zu vergebenden Beförderungszeitraums 2014/2015 also im Grunde seit Mai 2013 bekannt sind. Dieser beträchtliche Vorlauf von einem Jahr schließt zunächst eine Dringlichkeit aus.
Allerdings handelt es sich bei den Beförderungsschülern um eine besondere Fallgruppe, die nur zum Teil aus Schulanfängern besteht. Von den in diesem Jahr 447 Kindern mit Beförderungsbedarf sind 175 Altfälle, die bereits aus dem letzten Jahr bekannt sind. Weitere 163 Kinder sind Sprachförderkinder, die von den Schulen bis zum 01.06.2014 für das Beförderungsjahr 2014/2015 zu melden sind. In einem weiteren Verfahren klären dann Schule und Kindergarten bis zu den Sommerferien, ob die Sprachförderung an der Schule oder im Kindergarten stattfinden soll. Dieser Transportumfang steht insoweit erst zum Beginn der Sommerferien ganz genau fest. Weitere 109 Kinder sind zwar Einschulungskinder, sollen aber aus Gründen des Einzelfalles nicht die nächstgelegene Schule des Schulbezirks besuchen. Diese Kinder wurden der Antragsgegnerin bis Ende Juni 2014 für das Schuljahr 2014/2015 benannt.
Die Annahme der Antragsgegnerin, sie habe (erst) mit der letzten Meldung der letzten Schule den Beschaffungsbedarf für ein Jahr verbindlich festgeschrieben, berücksichtigt nicht, dass durch Zuzüge, aber auch Abwanderungen, Krankheiten und Schulausfall im laufenden Jahr fortlaufend Änderungen im Leistungsbedarf auftreten werden. Es gibt daher keine vollständig abschließende Leistungsbeschreibung. Allerdings ergab sich in der mündlichen Verhandlung, dass die jährlichen Transportvolumina ähnlich sind. Den 447 Kindern des Jahres 2014/2015 stehen etwa 380 bis 400 Kinder des Jahres 2013/2014 gegenüber. Das ist nur eine Schwankung von etwas über 10%.
Unwägbarkeiten zu einem dem Grunde nach ähnlichen Auftragsvolumen sind das kontinuierliche Risiko aller Vergaben. Wollte man der Argumentation der Antragsgegnerin folgen, wäre es keinem öffentlichen Auftraggeber möglich, fortlaufende Dienstleistungsverträge wie Schülerbeförderung (vgl. VgK-13/2014, Beschluss vom 28.05.2014), Postdienstleistungen, Reinigungsdienstleistungen (es besteht die Möglichkeit, dass der Gebäudebestand sich ändert) aber auch ÖPNV über mehrere Jahre in einem Auftrag zu vergeben. Dem ist aber nicht so. Nahezu alle Vergabestellen vermeiden mit guten Gründen den hohen Aufwand einer jährlichen Vergabe kontinuierlich zu erbringender Leistungen, weil nicht jährlich damit zu rechnen ist, dass sich das Preisgefüge grundsätzlich verändert. Spezifische Preissteigerungen für Lohn- und Treibstoffkosten können durch Preisgleitklauseln abgefangen werden, damit sie nicht als Risikozuschlag den Grundpreis erhöhen.
Auch wenn man der Antragsgegnerin folgt und annimmt, die Leistung lasse sich erst dann bestimmen, wenn auch der letzte Transportschüler namentlich benannt ist, wird die die Dringlichkeit weder aus dem Vermerk vom 14.04.2014, noch aus dem "Fahrplan der Ausschreibung Schülerbeförderung Schuljahr 2014/2015, Stand 07.04.2014", erkennbar. Nach dem geplanten Ablauf wollte die Antragsgegnerin erfreulich frühzeitig, nämlich bereits am 21.07.2014, eine Wertung vornehmen.
Allerdings ist der anschließende interne Ablauf, einschließlich der Vorlage des Verwaltungsausschussbeschlusses erst nach 17 Tagen bis zum 06.08.2014 abgeschlossen. Die nachfolgende Phase bis zum 22.08.2014 dient dazu, ohne eine förmliche Sitzung des Verwaltungsausschusses dessen Beschluss im Umlaufverfahren zu erwirken. Hier stehen also vierzehn Kalendertage für die Abgabe des Angebotes sowie die vertretbaren vier Tage für die eigentliche Wertung weiteren 17 Tagen für weitere Wertungen und Prüfungen und weiteren zweieinhalb Wochen (06.08.-22.08.) für die Umlaufphase im Verwaltungsausschuss gegenüber. Dieses Verhältnis von Angebotserstellung und Wertung einerseits und internen Abläufen andererseits von 19/34 stellt ein erkennbares Missverhältnis dar.
Die Antragsgegnerin hat keine tragfähige Begründung für die unterlassene Straffung der eigenen Verfahrensabläufe dargelegt. Dabei ist die Reduzierung der Angebotsabgabefrist nur bei besonderer Dringlichkeit möglich. Die Begründung des zuständigen Fachbereichs vom 14. April 2014 geht weder auf die Straffung der langen internen Abläufe, noch auf die Belange der Anbieter ein, sondern befasst sich ausschließlich mit dem Umstand, dass erst kurz vor den Sommerferien die Zahl und Adresse der zu befördernden Schüler sowie die Anzahl des von der niedersächsischen Landesbehörde für die Sprachförderung entsandten Personals bekannt werde. Es ist sehr gut nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerin aufgrund der Erfahrungen aus Vorjahren sehr frühzeitig, nämlich bereits vor dem ersten möglichen Anmeldetermin für Schulkindergarten- und Sprachförderkinder annimmt, dass die Anmeldungen der Grundschüler erst spät vollständig und verbindlich vorliegen könnten. Diese frühzeitig mögliche gesicherte Prognose schließt aber eine Dringlichkeit im Sinne des Vergaberechts gerade aus. Der Dringlichkeit liegt immer ein unvorhersehbares oder vom öffentlichen Auftraggeber jedenfalls nicht als vorhersehbar erkanntes Ereignis zugrunde, nicht aber ein sich jedes Jahr nach gleichem Muster wiederholender Vorgang. Die Kommentierung benennt Katastrophenfälle als Regelbeispiele für die Dringlichkeit (Haak /Preißinger in Willenbruch Wieddekind Vergaberecht Kompaktkommentar, 3. Auflage 2014, Los 3 § 3 VOL/A-EG Rdnr. 77f). Auch Rechten (Kulartz/ Marx / Portz / Prieß Kommentar zur VOL/A 3. Auflage § 12 EG Rdnr 44) geht davon aus, dass entsprechend § 3 EG Abs. 4 d) VOL/A die Gründe für die Dringlichkeit nicht vom Auftraggeber selbst verursacht sein dürfen. Das ist hier aber sowohl durch die langen internen Abläufe nach der eigentlichen Wertung, als auch durch den Anspruch, die Angebotsunterlagen erst nach Meldung aller Schüler zu versenden, der Fall. Tastsächlich sah sich aber kein Bieter an der Abgabe eines Angebotes gehindert, oder hat eine Rüge erhoben, weil z.B. im Los 36 die Schulschlusszeiten noch nicht feststehen. Vielmehr zeigte sich an der Diskussion in der mündlichen Verhandlung zu den Bindezeiten, dass die Anbieter bei der Angebotskalkulation ohnehin deutlich höhere Risiken eingehen. Daher liegt hier objektiv keine Dringlichkeit vor.
Die Antragsgegnerin ist gehalten, zur Vermeidung von Fristverkürzungen zuerst die ihr zur Verfügung stehenden beträchtlichen Möglichkeiten der Verfahrensreduzierung und -straffung auszuschöpfen. Die Argumentation der Antragsgegnerin, die besondere Dringlichkeit sei geboten, weil die Zeitspanne zwischen der Meldung der Schülerdaten seitens der Schulen und der Beginn des neuen Schuljahres sehr knapp bemessen sei, lässt diese Möglichkeiten, wie z.B. die gemeinsame oder zeitgleiche Prüfung durch verschiedene Referate völlig unbeachtet. Das schließt auch eine in den Sommerferien anzuberaumende Sitzung des Verwaltungsausschusses ein, wenn dieser die Abschlussentscheidung über die Vergabe selbst treffen will. Die Vergabekammer weist hier die Antragsgegnerin, die sich in der mündlichen Verhandlung an einen Entscheidungsvorbehalt des Verwaltungsausschuss über die Vergabeentscheidung gebunden sah, erläuternd auf ihre beratenden Möglichkeiten hin. Die Antragsgegnerin kann im eigenen Ermessen mit dem Verwaltungsausschuss die mögliche Delegation der abschließenden Entscheidung über die Vergabe gemäß § 76 Abs. 5 NKomVG auf den Oberbürgermeister erörtern.
Obgleich nicht tragender Gegenstand dieser Entscheidung legt die Vergabekanmmer der Antragsgegnerin nahe, in dieser Erörterung darzustellen, welche politische Einflussnahme dem Verwaltungsausschuss zum Abschluss des Vergabeverfahrens noch verbleibt. Es handelt sich um eine gemäß § 114 NSchulG zugewiesene Aufgabe, deren Umfang im Haushaltsplan begrenzt worden ist, und deren Entscheidungskriterien mit der Erstellung der Vergabeunterlagen verbindlich festgelegt wurden. Der politische Einfluss eines Verwaltungsausschusses ist zu Beginn des Vergabeverfahrens aufgrund des Leistungsbestimmungsrechts (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 09.06.2002, 1Verg 2/02, "goldene Wasserhähne"; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.06.2012 - Verg 7/12); beträchtlich. Insoweit besteht aber kein notwendiger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts bei der Erstellung der Vergabeunterlagen und den Sommerferien. Der politische Einfluss gegen Abschluss des Vergabeverfahrens wird neben den obigen Vorfestlegungen durch die justiziablen Rechte unterlegener Bieter aus § 97 Abs, 1, 2 und Abs. 7 GWB, auf ein transparentes, nicht diskriminierendes Vergabeverfahren erheblich begrenzt.
In künftigen Vergaben kann die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Leistungsbestimmungsrechts verbleibende Risiken durch den Zuschnitt der Lose reduzieren. Bereits jetzt hat sie in Ziffer 5 der ergänzenden Vertragsbedingungen die Vergütung auf die tatsächlich gefahrenen Kilometer begrenzt. Alle Fehlzeiten von Schülern wirken sich somit auf den Abrechnungspreis aus. Wenn die Antragsgegnerin von den in diesem Jahr 19 Kleinstlosen mit nur einem Schüler absieht, und etwas größere Beförderungslose zusammenstellt, gibt sie ihr formuliertes Ziel, auch kleineren Unternehmen die Gelegenheit zur Beteiligung zu geben, nicht auf. Sie kann aber die erst spät gemeldeten Schüler ebenso nachträglich in den jeweiligen Vertrag aufnehmen, wie sie die durch Umzug oder Krankheit dauerhaft oder länger ausfallenden Schüler nachträglich aus dem Beförderungsvolumen entfallen lasen kann. Wenn es sich um unwesentliche und zugleich um unvermeidbare Änderungen handelt, ist das kein Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 8 EG Abs. 1 VOL/A, die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben.
b) Auf die Frage, ob durch die ursprünglich sehr lange Bindefrist bis zum 10. 09. 2014, also einen Tag vor Auftragsaufnahme, Rechte der Antragstellerin verletzt sind oder ob es sich hierbei um eine Vertragsbestimmung handelt, die im Nachprüfungsverfahren nicht überprüft werden könnte, kommt es im Ergebnis nicht an. Zwar hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 07.03.2012 (Verg 82/11) entschieden, es handele sich nicht um eine Vorschrift über das Vergabeverfahren. Dieser Auffassung wird aber von der VK Schleswig-Holstein mit guten Gründen, insbesondere zum Bieterschutz des § 12 EG VOL/A widersprochen (vgl. VK Schleswig-Holstein, 14.03.2012 - VK-SH 3/12). In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall ließ der Auftraggeber für die Vorbereitungen bis zum Beginn der Vertragsausführung eine Zeit von 6-7 Wochen. Ein Zeitraum von 6-7 Wochen mag bei gewisser Vorbereitung und ggfl. Abschluss von Vorverträgen ausreichend sein, um auch komplexe Dienstleistungen fristgerecht anbieten zu können. Bei einer Zeit von nur 24 Stunden bevorzugt dies diejenigen Anbieter, die entweder erhebliche Reserven haben, oder den Auftrag bisher bereits ausführten. Beides wäre wettbewerbsfeindlich i. S. des § 97 Abs. 2 GWB, weil nicht alle Teilnehmer unabhängig von ihrer regionalen Verwurzelung gleiche Wettbewerbschancen erhalten. Wenn es auch über den Vertragsbeginn möglich ist, das Feld der Teilnehmer des Wettbewerbs zu beschränken, handelt es sich dabei nicht nur um eine Vertragsregelung (so OLG Düsseldorf a.a.O), sondern auch um eine vergaberechtsrelevante Vorgabe.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 15.07.2014 und vor Erhebung des Nachprüfungsantrags dem Begehren teilweise abgeholfen, die Bindefrist auf den 27.08.2014 verkürzt und so eine Rüstfrist von immerhin zwei Wochen gelassen. Nachdem hier erst Anfang Juli die Vergabeunterlagen versandt wurden, die Rüge des bescheunigten Verhandlungsverfahrens präkludiert ist, erscheint dies gemäß den obigen Ausführungen zur gebotenen maßvollen Verkürzung aller Fristen vertretbar. Der auf eine weitere Verlängerung der Rüstzeit gerichtete Nachprüfungsantrag erweist sich somit als unbegründet. Die Antragstellerin hat in ihrem sehr kurzen Nachprüfungsantrag nicht substantiiert dargelegt, warum sie auch mit einer Rüstzeit von zwei Wochen unter keinen Umständen die vorbehaltlich einer Vergabeentscheidung ggf. auf nur ein Los beschränkte Ausführungsvorbereitung vornehmen kann. Die in der mündlichen Verhandlung anwesenden auch ortsfremden Anbieter betrachteten die kurze Bindefrist zwar als regionale Besonderheit, sahen sich dadurch aber nicht beeinträchtigt.
Die Antragsgegnerin wird auf Grund der Hauptsacheentscheidung der Vergabekammer die Bindefrist neu festsetzen müssen. Dabei wird sie ihre Interimsvergabe bis Weihnachten angemessen bei der Entscheidung berücksichtigen, ob wiederum eine Verkürzung der Bindefrist erforderlich ist. Bei der von der Antragsgegnerin beabsichtigten Interimsvergabe bis Weihnachten sieht die Vergabekammer derzeit keine Notwendigkeit für eine Verkürzung der nach hiesiger Erfahrung von den meisten Auftraggebern mit 6 Wochen bemessenen Zeit zwischen Ablauf der Bindefrist und Vertragbeginn. Bei einer nach diesem Beschluss entstehenden sachlich notwendigen Verkürzung der Entscheidungsfristen kann sich das aber anders darstellen.
c) Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Übersendung des Spartentarifvertrags Nahverkehr (TV-NDS) in Textform. Zwar ist dieser Tarifvertrag Nahverkehr unerlässlich zur Kalkulation eines Angebotes im Bereich der Schülerbeförderung, insbesondere wenn die Auftraggeberin ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass eine Tariftreueerklärung gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes (NTVergG) abgefordert wird. Gleichwohl handelt es sich bei einem solchen Vertragswerk nicht um Vergabeunterlagen gem. § 9 EG VOL/A. Der Tarifvertrag ist nicht auftragsspezifisch, sondern branchenspezifisch. Der öffentliche Auftraggeber ist jedoch gem. § 9 EG Abs. 1 VOL/A nur verpflichtet, in den Vergabeunterlagen alle Angaben zu machen, die erforderlich sind, um eine Entscheidung zur Teilnahme an (diesem konkreten) Vergabeverfahren zu ermöglichen. Dazu gehören die einzelfallbezogenen Besonderheiten, nicht aber allgemeine Grundlagen, die für jeden Vertrag in diesem Gewerbe gelten. Um Letzteres handelt sich bei dem Spartentarifvertrag Nahverkehr.
3. Gemäß § 114 Abs. 1 GWB hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Diese Vorschrift vermittelt der Vergabekammer einen weiten Entscheidungsspielraum, der nur im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Schranken findet. Die gewählte Maßnahme muss sich eignen, die Rechtsverletzung sicher zu beseitigen. Sie soll aber gleichzeitig aber auch das mildeste der geeigneten Mittel hierfür sein. Der hier festgestellte Verstoß gegen bieterschützendes Vergaberecht liegt in der Festsetzung einer sehr kurzen Angebotsabgabefrist. Der Umfang der versandten Unterlagen ist davon nicht betroffen. Daher ist es nicht erforderlich, die Vergabeunterlagen neu zu versenden, sondern es genügt, die Angebotsabgabefrist neu festzusetzen. Nur durch die kurze Frist sieht sich die Antragstellerin im Ergebnis begründet an der Abgabe eines Angebots gehindert. Dass die anderen Bieter, auch soweit sie nicht auf Erfahrungen aus vorhergehenden Vergaben der Antragsgegnerin zurückgreifen konnten, gleichwohl in der Lage gewesen sind, in der kurzen Frist ein Angebot für einzelne Lose abzugeben, ist für die Entscheidung der Vergabekammer unerheblich, da der Wettbewerb gemäß § 12 EG Abs. 1 VOL/A nicht die Geschwindigkeit der Angebotsabgabe umfasst. Inwieweit die Antragstellerin mit den ihr gegebenen Möglichkeiten in der Lage sein wird, unter Ausschöpfung der Wagnisse ein günstiges Angebot abzugeben, ist nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechtes vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790).
Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens gemäß § 128 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 EUR, die Höchstgebühr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Mangels Angebot der Antragstellerin legt die Vergabekammer den Wert der Kostenschätzung von xxxxxx EUR netto zugrunde. Obgleich der Vergabekammrr bekannt ist, dass der Umsatzsteuersatz für den freigestellten Schülertransport nicht homogen bei 19% liegt, sondern je nach Leistungsart schwankt, nimmt sie ihn der Einfachheit halber für die Bemessung des Streitwertes mit 19% an. Somit beträgt der Verfahrenswert xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag entspricht dem mutmaßlichen Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Bei einer Vergabesumme von xxxxxx EUR brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zunächst zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren teilweise unterlegen ist. Die Vergabekammer konnte dem zu weit gefassten Antrag der Antragstellerin schon aus allgemeinen rechtlichen Gründen nicht nachkommen. Außerdem hat sich die Antragstellerin nur mit einer von drei Rügen durchsetzen können. Die Vergabekammer hält allerdings die Forderung, eine Ausfertigung des Tarifvertrags zu erhalten, wegen des geringen Sachwertes von nur X EUR im Verhältnis zum Gegenstandswert des Auftrags kostenrechtlich für nicht wesentlich. Daher wird diese Rüge nicht bei der Kostenentscheidung berücksichtigt. Da der Nachprüfungsantrag teilweise unzulässig war und auch nicht alle zulässig zum Gegenstand der Nachprüfung erhobene Verstöße sich als begründet erwiesen haben, nimmt die Vergabekammer an, dass Antragstellerin und Antragsgegnerin zu gleichen Teilen unterlegen sind (vgl. OLG Celle, 30.09.2010 - 13 Verg 10/10 zit. nach ibr-online).
Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BGebGbefreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Gemäß Ziffer 4 des Tenors haben Antragsgegnerin und Antragstellerin einander die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB wechselseitig teilweise im Umfang des jeweiligen Unterliegens zu erstatten.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx
Auf folgendes Konto zu überweisen:
IV. Rechtsbehelf
...