Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 26.09.2014, Az.: VgK-37/2014

Fortschreibung des Bedarfsplans für den Rettungsdienstbereich in Form eines Vergabeverfahrens

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
26.09.2014
Aktenzeichen
VgK-37/2014
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 25703
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Im Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx
- Antragstellerin -
g e g e n
den Landkreis xxxxxx
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx
- Antragsgegner -
beigeladen:
xxxxxx
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx
- Beigeladene -
wegen:
Interimsbeauftragung von Leistungen des bodengebundenen Rettungsdienstes im Landkreis xxxxxx, Lose 4 u. 5
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und den ehrenamtlichen Beisitzer, RA Woll, auf die mündliche Verhandlung vom 26.09.2014
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war sowohl für den Antragsgegner als auch für die Beigeladene notwendig.

Begründung

I.

Gegenwärtig führen die Beigeladene und ein anderer Dienstleister Leistungen des Rettungsdienstes und des Unterhalts der dazugehörenden Einrichtungen im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners durch. Anfang des Jahres 2013 entschied sich der Antragsgegner, den Bedarfsplan für den Rettungsdienstbereich auf Basis aktueller Untersuchungen fortzuschreiben. Der fortgeschriebene Bedarfsplan wurde am xxxxxx.2014 vom Kreistag beschlossen. Der Bedarfsplan stellt einen gegenüber den vorhandenen Strukturen veränderten und erweiterten Bedarf fest. Vergaberechtlich wesentliche Änderungen erkennt der Antragsgegner im zusätzlichen Einsatz zweier Rettungstransportwagen und eines Krankentransportwagens. Als nicht unwesentliche Erweiterung wird die Erweiterung der Rettungswagen-Vorhaltung um 12 Stunden an allen Tagen an 3 Rettungswachen eingeschätzt. Als unwesentliche und damit nicht ausschreibungspflichtige Änderungen bewertet der Antragsgegner die Standortverlegung eines Rettungstransportwagens und die Änderung der Bereitstellungszeiten mehrerer Krankentransportfahrzeuge.

Der Antragsgegner hat die Absicht, die nach dem Bedarfsplan erforderlichen Rettungsdienstleistungen insgesamt als Dienstleistungsauftrag im Wege eines rechtskonformen Vergabeverfahrens neu zu vergeben. Um bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens Überschreitungen der Hilfsfristen zu vermeiden, sollen die als wesentliche Änderungen und nicht unwesentliche Erweiterungen eingestuften Maßnahmen durch Interimsvergabe umgesetzt werden.

Mit per Email übersandtem Schreiben vom 29.07.2014 wurden die bisherigen Auftragnehmer und andere potentielle Bieter, hierunter die Antragstellerin, zur Interessenbekundung für die für 7 Monate in 5 Losen zu vergebenden Interimsleistungen aufgefordert.

In der Aufforderung wurde darauf hingewiesen, dass aus Gründen besonderer Dringlichkeit eine freihändige Vergabe i.S. von § 3 Abs. 5 lit g VOL/A i.V. mit § 4 Abs. 2 Nr. 2 VgV durchgeführt wird. Im Rahmen des Interessenbekundungsverfahrens einschließlich Eignungsprüfung soll zunächst festgestellt werden, für welche der Leistungen/Lose überhaupt ein Wettbewerb geeigneter Bieter besteht. Im Falle nur eines einzigen geeigneten Interessenten soll eine Direktvergabe im Wege einer unmittelbaren Verhandlung stattfinden. Gibt es mehrere geeignete Interessenten, sollen diese in einem wettbewerblichen Verfahren zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.

Bezüglich der Eignung wurden Anforderungen gestellt an die Zuverlässigkeit, das Personal, an die verfügbaren Rettungsmittel und an die Standorte. Die Anforderungen bezüglich der Fahrzeugausstattung enthalten u.a. folgende Hinweise und Vorgaben:

"lm Landkreis xxxxxx ist ein Alarmierungssystem mit 3-facher Redundanz etabliert, dessen Alarmierungskomponenten aus FME, TOMTOM Work, SMS und elektronischer Datenerfassung (MDE) bestehen.

Die Alarmierung der Rettungskräfte erfolgt über analoge Funkmeldeempfänger im Frequenzbereich der Feuerwehren (FME, Kanal 467) sowie parallel als Handyalarmierung (SMS).

Über das Navigationssystem "TOMTOM Work" werden die Koordinatenangaben aus dem Einsatzleitrechner direkt übermittelt. Überdies ist das System aufgrund der Nächsten-Fahrzeugstrategie (Routing) unverzichtbar.

Dieses Alarmierungssystem muss auch im Rahmen der Interimsbeauftragung von den Leistungserbringern eingesetzt werden. Dagegen kann ein anderes System bereits aus Gründen der Alarmsicherheit nicht akzeptiert werden.

Zur Unterstützung des Qualitätsmanagements im Rettungsdienst hat der Landkreis xxxxxx als Träger des Rettungsdienstes seit Jahren die elektronische Dokumentation mittels Datenerfassungsgeräte (MDE) der Firma xxxxxx mit Sitz in xxxxxx eingeführt. Alle Fahrzeuge des Rettungsdienstes sind hierzu mit mobilen Datenerfassungsgeräten ausgestattet, die es auch ermöglichen, die elektronische Gesundheitskarte einzulesen. Bereits bei der Alarmierung der Fahrzeuge durch die Leitstelle werden die Alarmierungs- und relevante Einsatzdaten an die Geräte der Fahrzeuge gesendet. Der Versand erfolgt über einen zentralen Server der Zentralen Steuerungs-, Controlling- und Abrechnungsstelle (SCA), der das Bindeglied zwischen der Leitstelle und den Geräten darstellt.

Alle anfallenden abrechnungs- und medizinisch relevanten Daten werden während des Einsatzes digital erfasst und können anschließend lokal im Krankenhaus ausgedruckt oder per Fax an eine definierte Faxnummer versandt werden. Zur Sicherstellung des QM und der Abrechnung können nur vollständige Einsätze vom Gerät zum Server übertragen werden. Die Übertragung der Einsatzdaten erfolgt unter Beachtung aller Datenschutzaspekte in einem geschlossenen UMTW VPN. Ein Auszug der erfassten Daten wird zur zentralen Abrechnung an die SCA übertragen. Die Übermittlung erfolgt innerhalb der geschlossenen Serverstruktur der SCA. Mit der Rechnungseinstellung erfolgt immer auch automatisch die Ausgabe des datenschutztechnisch geschwärzten DlVl-Protokolls. Hierzu werden die Daten aus der Datenbank der mobilen Datenerfassung von dem Abrechnungssystem abgerufen. Zur Sicherstellung der

Dispositionsqualität werden nach Einsatzabschluss ein Teil der am Einsatzort erfassten Daten in das Leitsystem übertragen.

Alle anderen medizinischen Daten stehen für das zentrale QM-System zur Verfügung, welches eng mit der medizinischen Datenbank verknüpft ist.

Um die Kompatibilität der Systeme untereinander und die notwendige Qualität zu gewährleisten, ist es vorgeschrieben, dass das vorhandene System auch von zukünftigen Leistungserbringern vollständig unterstützt und genutzt wird.

Beabsichtigt der Bieter ein gleichwertiges System anzubieten, so muss er nachweisen, dass dieses unproblematisch an das System des Landkreises xxxxxx gekoppelt werden kann." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)

An die Standorte der Rettungswachen wurden folgende Anforderungen gestellt:

"Die Leistungserbringer müssen die Leistungen von einem geeigneten Rettungswachenstandort aus erbringen.

...

1. Der Standort in xxxxxx muss sich im Gewerbegebiet der Gemeinde xxxxxx (im Bereich der xxxxxx) in einem Abstand von höchstens 500 m zur Kreisstraße xxxxxx befinden.

...

Die Rettungswachen müssen u.a. folgende spezifische Anforderungen erfüllen:

"Die Rettungswache muss ... an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen und es muss gewährleistet sein, dass die Strecke von dem Standort über Nebenstraßen bis zu einer Hauptverkehrsstraße maximal 500 m beträgt. Ausrückverzögerungen durch Hindernisse etc. müssen ausgeschlossen sein."

Die Interessenten hatten nachzuweisen, dass sie die gestellten Anforderungen bis zum vorgesehenen Leistungsbeginn erfüllen. Die Interessenbekundungen einschließlich der Eignungsnachweise waren vorzulegen bis Freitag, den 15.08.2014 um 11:00 Uhr.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.08.2014 rügte die Antragstellerin die Wahl des Verfahrens, die Vorgaben der Interimsvergabe und einen Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs. Hierzu trug sie vor, die Dringlichkeit der Vergabe könne weder als "nicht vorhersehbar" noch als "nicht vom Auftraggeber verursacht" eingestuft werden. Daher lägen Voraussetzungen für die Wahl eines freihändigen Vergabeverfahrens nicht vor.

Durch die Vorgaben zur Eignung würden die derzeitigen Leistungserbringer gleichheits- und wettbewerbswidrig bevorzugt. Da das Konzept der Interimsleistungen zuvor mit ihnen abgestimmt worden sei, hätten sie bereits eine deutlich längere Vorbereitungszeit als alle anderen Interessenten, welche in der ohnehin zu kurzen und in die Sommerferien fallenden Frist zur Interessenbekundung größte Schwierigkeiten hätten, die erforderlichen Vorbereitungen zu treffen und entsprechende Eignungsnachweise beizubringen. Die Vorgaben an die Standorte berücksichtigten offensichtlich die bestehenden Rettungswachen und seien zudem unpräzise. Es fehle auch eine Ausführungsfrist. Sie forderte den Antragsgegner auf, ihren Rügen durch Verlängerung der Fristen und Korrektur der Vorgaben abzuhelfen.

Die Rügen der Antragstellerin wurden mit Rügeantwort vom 12.08.2014 zurückgewiesen.

Mit zwei Bieterrundschreiben beantwortete die Vergabestelle Bieterfragen zum Standort und erläuterte, dass die Standorte entweder insgesamt im angegebenen Radius oder aber so liegen müssen, dass sich zumindest die Ausfahrt im angegebenen Radius befindet.

Gemäß Vergabevermerk haben neben der Antragstellerin nur die bisherigen Auftragnehmer ihr Interesse an einer Interimsbeauftragung bekundet. Die Antragstellerin bewarb sich um die Lose 4 und 5 (Einsatz zweier RTW mit Standort in xxxxxx und in xxxxxx und eines KTW mit Standort xxxxxx). Die Vergabestelle prüfte für jedes Los die Eignung der Bewerber anhand der vorgelegten Nachweise. Mit Schreiben vom 19.08.2014 bat sie die Antragstellerin u.a. um Erläuterung, wie die Antragstellerin einen rechtzeitigen Einsatz des geforderten Alarmierungssystems gewährleisten werde.

Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 20.08.2014 mit, die Lieferfrist der Datenerfassungsgeräte (MDE) betrage 12 bis 14 Wochen. Die Lieferfirma habe als Workaround den Einsatz eines handelsüblichen Rechners mit gesicherter VPN-Anbindung in Aussicht gestellt, wobei die technische Möglichkeit der Anbindung an die zentrale IT vorhanden sei. Da hierbei die gleiche Software zum Einsatz komme, sei die Gleichwertigkeit gegeben. Allerdings sei - wie auch für die sonstigen Auftragsvorbereitungen - eine kurzfristige Beauftragung erforderlich. Der Einsatz des mehrstufigen Alarmierungssystems selbst sei zum 15.09.2014 möglich.

Sie halte im Übrigen die geforderte Anbindung an das Alarmsystem für ein sehr kritisches Kriterium, da es u.U. geeignet sei, die Interessenten, die nicht Bestandsbieter seien, zu diskriminieren.

Auf Nachfrage der Vergabestelle teilte die Lieferfirma der Datenerfassungsgeräte (MDE) mit, dass beim von der Antragstellerin geplanten Einsatz eines Desktop-PC das Aufspielen der Software mindestens 12 Wochen in Anspruch nehmen werde und bei dieser Lösung keine Alarm- und Datenübertragung aus der Rettungsleitstelle an den Rechner erfolge.

Die Vergabestelle schloss hieraus, dass die Antragstellerin ihre Systemlösung nicht rechtzeitig zum Leistungsbeginn einsetzen könne. Sie hält die Systemlösung auch für nicht vergleichbar, weil für die Alarmierung lediglich eine zweifache Redundanz bestehe und weil ohne Anbindung mittels MDE

- keine Recherche und Weitergabe einsatznotwendiger Informationen,

- keine Übertragung von genauen Einsatzdaten und Patienteninformationen an das Rettungsmittel und

- keine Übermittlung von Anfahrtsdaten an das Navigationsgerät

möglich seien. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin mangels Verfügbarkeit der geforderten Fahrzeuge nicht geeignet sei. Außerdem liege ihr Standort in xxxxxx (Los 5) außerhalb des geforderten Abstandes von 500 Metern zur Kreisstraße xxxxxx.

Als Ergebnis hielt sie im Vergabevermerk fest, nur die Beigeladene erfülle die Eignungsanforderungen. Mit ihr soll über den direkten Abschluss einer Beauftragungsvereinbarung verhandelt werden.

Mit Schreiben vom 27.08.2014 informierte sie die Antragstellerin über ihren Ausschluss wegen Nichterfüllung der Eignungsanforderungen.

Mit anwaltlichem Rügeschreiben vom 28.08.2014 und unter Bezugnahme auf ihre Rügen vom 08.08.2014 beanstandete die Antragstellerin die Verletzung der Informationspflichten gemäß § 101a GWB und ihren Ausschluss mangels Eignung. Der Antragsgegner habe gewusst, dass das vorhandene Alarmsystem am Markt nicht ohne weiteres erhältlich sei. Wenn er die Eignung von der sofortigen Verfügbarkeit dieses Systems abhängig mache, ohne Alternativen zuzulassen, setze er ein vergaberechtlich unzulässiges Kriterium ein, denn diese Anforderung könne nur von den Bestandsbietern erfüllt werden. Sie werde rechtzeitig zum Leistungsbeginn über ein geeignetes System verfügen, um die Hauptleistung Rettungsdienst ordnungsgemäß zu erbringen. Evtl. Qualitätsverluste bei Nebenleistungen führten nicht zu Gefahren für Leib und Leben und dürften deshalb kein Ausschlussgrund sein.

Warum der Standort für Los 5 aus einsatztaktischen Gründen zwingend innerhalb eines Abstandes von 500 m zur Kreisstraße xxxxxx liegen müsse, erschließe sich nicht. Auch diese Anforderung bevorzuge unzulässig die Bestandsbieter.

Mir Rügeantwort vom 29.08.2014 teilte der Antragsgegner mit, die von der Antragstellerin eingeräumten Qualitätsverluste beim Einsatz ihres alternativen Systems beträfen keineswegs nur Nebenleistungen, sondern auch die Alarmierung. Die geografischen Anforderungen an den Standort der Rettungswache xxxxxx seien durchaus begründet. In einem Verhandlungsverfahren, das wegen besonderer Dringlichkeit ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt worden sei, entfalle die Informationspflicht gemäß § 101a Abs. 1 GWB. Mittlerweile seien für sämtliche Lose Verträge abgeschlossen worden.

Mit Nachprüfungsantrag vom 29.08.2014 wandte sich die Antragstellerin an die Vergabekammer. Unter Bezugnahme auf ihre Rügen vom 08.08.2014 und vom 28.08.2014 trägt sie vor, ihr Antrag sei zulässig, weil die 15-Tages-Frist zur Antragstellung mangels entsprechender Hinweise des Antragsgegners nicht anzuwenden sei. Die geschlossenen Verträge seien ohne die Zustimmung des Kreisausschusses nicht rechtswirksam. Außerdem habe der Antragsgegner die Informationspflicht des § 101a GWB missachtet. Es bestehe keine besondere Dringlichkeit, die die Wahl einer freihändigen Vergabe ohne Bekanntmachung und den Verzicht auf eine Information gemäß § 101a GWB rechtfertigen könnte. Soweit von Dringlichkeit überhaupt zu sprechen sei, sei diese vom Antragsgegner selbst verschuldet. Er sei verpflichtet, den Rettungsdienst-Bedarfsplan regelmäßig anzupassen. Den bereits im Februar 2014 erkannten Mehrbedarf habe er mehr als 5 Monate untätig hingenommen. Er hätte Umsetzungsmöglichkeiten bereits vor Beschluss des Kreistages über den Bedarfsplan prüfen und vorbereiten können. Überdies stufe er selbst die zu vergebenden Interimsleistungen nur als nicht unwesentlich ein. Eine zu sichernde Kontinuität der Rettungsdienstleistungen sei ersichtlich nicht berührt.

Der Antrag sei auch begründet, denn das Verfahren sei geprägt durch vergaberechtswidrige Bevorzugung der Bestandsbieter und Benachteiligung der bisher nicht beauftragten Interessenten. So waren die Bestandsbieter schon vor Aufforderung zur Interessenbekundung eingebunden und hatten Informationsvorsprünge, die sie vorteilhaft zur Vorbereitung ihrer Angebote nutzen konnten. der Antragsgegner habe eigene zeitliche Versäumnisse zu Lasten der Interessenten, die nicht Bestandsbieter sind, durch viel zu enge Fristsetzungen kompensiert. Er habe mit den Vorgaben zum Alarmierungssystem und zu den Standorten diskriminierende Eignungskriterien festgelegt, die innerhalb der gesetzten Fristen von den Bestandsbietern, aber kaum von anderen Interessenten erfüllt werden können. Auch die nicht nachvollziehbaren Anforderungen an die Standorte ließen eine Bevorzugung der Bestandsbieter erkennen. Interessenten, die nicht Bestandsbieter sind, würden auch durch die Nichtbekanntgabe eines Zuschlagstermins benachteiligt.

Ihr Ausschluss mangels Eignung basiere auf einer Eignungsprüfung, die anhand von diskriminierenden und damit unbeachtlichen Eignungskriterien vorgenommen worden sei.

Bei objektiver Betrachtung hätte der Antragsgegner feststellen müssen, dass sie die Leistungen in der erforderlichen Qualität erbringen könne. Ihre angebotene Alternative bei der Alarm- und Datenübertragung führe nicht zu Qualitätsverlusten. Eine dreifache Redundanz sei für effektiven Rettungsdienst regelmäßig nicht erforderlich. Beim Einsatz des Tom Tom Work Systems übermittle die Einsatzzentrale die Aufträge durchaus direkt an das Navigationsgerät. Der von ihr angebotene Standort für Los 5 sei nicht nachteiliger als ein Standort im 500 m-Abstand zur Kreisstraße 137, insbesondere führe er nicht zu Hilfsfristüberschreitungen.

Die Antragstellerin beantragt

  1. 1.

    gemäß § 101b Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 GWB festzustellen, dass die vom Antragsgegner zu den Losen 4 und 5 geschlossenen Verträge zur interimsweisen Beauftragung mit Leistungen des bodengebundenen Rettungsdienstes für den Zeitraum 15.09.2014 bis 15.04.2015 mit der einseitigen Option für den Antragsgegner zur einmaligen Verlängerung um weitere drei Monate von Anfang an unwirksam sind;

  2. 2.

    den Antragsgegner gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 GWB zu verpflichten, das Verfahren zur Interimsbeauftragung hinsichtlich der Lose 4 und 5 bei fortbestehender Vergabeabsicht nur unter Berücksichtigung der Antragstellerin fortzuführen, indem unmittelbare Verhandlungen mit der Antragstellerin aufgenommen werden oder diese in einem wettbewerblichen Verfahren zur Angebotsabgabe aufgefordert wird;

  3. 3.

    hilfsweise: Die Vergabekammer ergreift sonstige geeignete Maßnahmen gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB, um die festgestellten Verletzungen der Rechte der Antragstellerin zu beheben;

  4. 4.

    die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;

  5. 5.

    dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Antragsgegner gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären und

  3. 3.

    der Antragsstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Antragsgegners aufzugeben.

Der Antragsgegner hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig, da entsprechende Verträge bereits wirksam geschlossen worden seien. Eine Zustimmung des Kreisausschusses sei nicht erforderlich gewesen. Eine besondere Dringlichkeit im Sinne von § 3 Abs. 5

lit. g) VOL/A sei nicht zu bezweifeln. Abgesehen davon, dass sie nicht selbst verschuldet sei, denn die notwendige Vergabereife sei erst mit dem Beschluss des Kreistages über den Bedarfsplan eingetreten, würde nicht einmal eine Zurechenbarkeit etwas an der besonderen Dringlichkeit ändern. Deshalb durfte ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt werden. Aus demselben Grund entfalle auch die Informationspflicht gemäß § 101a Abs. 1 GWB. Wegen Überschreitung der 15-Tages-Frist gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB könne die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag ohnehin nicht mehr auf ihre Rügen vom 08.08.2014 stützen. Da es sich vorliegend um Dienstleistungen nach Anhang I B zur VgV handele, gebe es keine Pflicht des Auftraggebers, auf die Präklusionsregeln hinzuweisen. Zudem sei die Antragstellerin bereits bei diesen Rügen anwaltlich vertreten gewesen, sodass sie eines besonderen Hinweises der Vergabestelle auf die Präklusionsregeln nicht bedurft habe.

Soweit die Antragstellerin nunmehr mit ihrem Vortrag im Nachprüfungsverfahren die Eignungsvorgaben zur Alarm- und Datenübertragungstechnik beanstanden wolle, sei sie hiermit präkludiert.

Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet.

Eine von der Antragstellerin geforderte Zuschlagsfrist sei vergaberechtlich nicht vorgesehen und auch nicht erforderlich, da der Zuschlag schnellstmöglich erteilt werde.

Die von der Antragstellerin beanstandeten örtlichen Vorgaben zu den Standorten seien aus einsatztaktischen Gründen zwingend erforderlich. Eine freie Standortwahl der Interessenten würde zudem zu einem erhöhten Prüfaufwand auf Seiten der Vergabestelle führen.

Auch die Entscheidung der Nichtberücksichtigung der Antragstellerin sei nicht zu beanstanden, denn sie sei nicht in der Lage, die Interimsleistungen in der erforderlichen Mindestqualität zu erbringen. Der zu Los 5 angebotene Standort erfülle die gestellten Anforderungen nicht. Die von ihr zu beiden Losen angebotene Alternativlösung zur Alarm- und Datenübertragung führe zu deutlichen Qualitätsverlusten nicht nur bei Nebenleistungen sondern auch bei Alarmierung und Dokumentation. Aufgrund seines Sicherstellungsauftrags für eine bestmögliche Versorgung der verunfallten Personen müsse er auf einer mindestens gleichwertigen Systemlösung bestehen und könne keinerlei Qualitätsverluste hinnehmen.

Die Beigeladene beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten auf Seiten des Beigeladenen für notwendig zu erklären.

Sie unterstützt den Vortrag des Antragsgegners.

Ergänzend trägt sie vor, zur Ermittlung des Bedarfs müssten zwangsläufig die bisherigen Bestandsdienstleister eingebunden werden. Mithin sei es unvermeidlich, dass die Bestandsdienstleister früher als die übrigen Interessenten über einen evtl. erweiterten Bedarf informiert seien. Die Vorgaben an die Standorte der Rettungswachen seien nicht willkürlich. Sie basierten auf sog. Isochronen, die sich aus den Hilfsfristberechnungen ergäben. Auch die hohen Anforderungen bezüglich des Alarmierungssystems seien gerechtfertigt, da es nicht selten darum gehe, schnellstmöglich am Unfallort einzutreffen.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss des Vorsitzenden vom 06.10.2014 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) hinaus bis zum 20.10.2014 verlängert.

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 26.09.2014 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

Die Entscheidung des Antragsgegners, die Beigeladene als Bestandsdienstleister für einen Interimszeitraum von sieben Monaten bis zur Neuvergabe der gesamten nach dem aktuellen Bedarfsplan erforderlichen Rettungsdienstleistungen im Wege eines rechtskonformen förmlichen Vergabeverfahrens mit den erforderlichen Erweiterungen der Dienstleistungen zur Durchführung der Notfallrettung sowie des qualifizierten Krankentransportes (hier: Lose 4 u. 5) zu beauftragen, verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten i. S. des § 97 Abs. 7 GWB. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf weitere Berücksichtigung im Rahmen des vom Antragsgegner zulässigerweise durchgeführten freihändigen Vergabeverfahrens gem. § 3 Abs. 5 lit. g VOL/A. Der Antragsgegner hat sich in seinem durch § 16 Abs. 5 VOL/A und § 16 Abs. 3 lit. d VOL/A i. V. m. § 13 Abs. 4 Satz 1 VOL/A eingeräumten Beurteilungsspielraum gehalten, als er die Beigeladene mit der Begründung vom weiteren Verfahren ausschloss, sie habe mit ihrer Interessenbekundung zu beiden verfahrensgegenständlichen Losen die vom Antragsgegner mit der Aufforderung vom 29.07.2014 gestellten Anforderungen zum Teil nicht erfüllt.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4.Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den verfahrensgegenständlichen Leistungen handelt es sich um die Durchführung von zusätzlichen Leistungen des Rettungsdienstes und damit um einen Dienstleistungsauftrag i. S. des § 99 Abs. 1 und Abs. 4 GWB, für den gem. § 2 Nr. 2 der Vergabeverordnung (VgV) in der aktuell geltenden Fassung ein Schwellenwert von 207.000 € gilt. Dieser Schwellenwert wird nach der Schätzung des Antragsgegners überschritten. Der Antragsgegner hat den Wert der Interimsvergabe incl. der Verlängerungsoption ausweislich des Vergabevermerks Teil I vom 29.07.2014 (Seite 3) auf insgesamt 1.525.000 € (über alle Lose) geschätzt.

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt i. S. des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als privater Dienstleister auf dem Gebiet der Rettungsdienstleistungen ein Interesse am Auftrag hat und auf das Aufforderungsschreiben des Antragsgegners vom 29.07.2014 mit Schreiben vom 14.08.2014 ihr Interesse an der Beauftragung mit den zu Los 4 u. 5 ausgeschriebenen Dienstleistungen bekundet hat. Sie macht eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie die Auffassung vertritt, der Antragsgegner habe sie zu Unrecht mangels Eignung vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen. Der Antragsgegner habe unter Verletzung des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes insbesondere die Eignung von der Verfügbarkeit eines am Markt nicht ohne weiteres erhältlichen Alarmsystems abhängig gemacht, ohne Alternativen zuzulassen. Da er für die Zurverfügungstellung des Systems zugleich ungerechtfertigt kurze Fristen gesetzt habe, habe er Bedingungen gesetzt, die allein die Beigeladene als Bestandsbieter erfüllen könne. Sie, die Antragstellerin, werde ungeachtet dessen rechtzeitig zum Leistungsbeginn über ein geeignetes System verfügen, um die Hauptleistung Rettungsdienst ordnungsgemäß zu erbringen. Eventuelle Qualitätsverluste bei Nebenleistungen führten nicht zu Gefahren für Leib und Leben und dürften daher kein Ausschlussgrund sein. Auch der geforderte Standort für Los 5 sei nicht nachvollziehbar. Auch diese Anforderung bevorzuge unzulässig die Bestandsbieter. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller die Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 VR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/Kues/Portz, GWB-VergabeR, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 20.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nicht VERIS). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Die Antragsbefugnis entfällt vorliegend auch nicht dadurch, dass der Antragsgegner vor Eingang des Nachprüfungsantrages für sämtliche Lose bereits Verträge abgeschlossen hat, was der Antragsgegner der Antragstellerin mit Schreiben vom 28.08.2014 auch mitgeteilt hat. Zwar kann gem. § 114 Abs. 2 Satz 1 GW ein wirksam erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden. Ein Nachprüfungsantrag, der sich gegen ein bei Einreichung bereits abgeschlossenes Vergabeverfahren richtet, ist daher grundsätzlich nicht statthaft (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.12.2003, Az.: 37/02). Da der Antragsgegner die Antragstellerin jedoch vor Zuschlagserteilung nicht gem. § 101 a GWB informiert hat, macht die Antragstellerin vorliegend eine unzulässige und damit gem. § 101 b Nr. 1 GWB verstoßende de-facto-Vergabe geltend. Sie vertritt insbesondere die Auffassung, dass die Informationspflicht vorliegend nicht gem. § 101 a Abs. 2 GWB entfallen ist, weil die dafür erforderliche besondere Dringlichkeit der Leistung nicht gegeben sei. Die Antragsbefugnis nach § 107 Ab. 2 GWB ist nicht auf förmliche Vergabeverfahren i. S. des § 101 GWB beschränkt. Auch in den Fällen, in denen ein Auftraggeber zu Unrecht kein förmliches Vergabeverfahren durchführt, gleichwohl jedoch die Erteilung eines Auftrages erfolgt oder erfolgen soll, ist gem. § 101 b Ab. 1 Nr. 2 GWB ein Nachprüfungsverfahren zulässig. Dies ist dann der Fall, wenn eine unzulässige Direktvergabe/de-facto-Vergabe erfolgt ist oder eingeleitet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 01.02.2005 - X ZB 27/04 = VergabeR 2005, Seite 328; Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, VergabeR, 3. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 17). Macht ein Antragsteller - wie vorliegend - eine unzulässige de-facto-Vergabe geltend, so kann er gem. § 101 b Abs.2 Satz 1 GWB die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages im Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen ab Kenntnis des Verstoßes, jedoch nicht später als 6 Monate nach Vertragsschluss beantragen. Diese Fristen sind vorliegend eingehalten.

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 2 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die geltend gemachten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Die Antragstellerin hat aus dem per E-Mail übersandten Schreiben vom 29.07.2014, mit dem der Antragsgegner zur Interessenbekundung für die verfahrensgegenständlichen Interimsleistungen aufgefordert hatte, erfahren, dass eine freihändige Vergabe aus Gründen besonderer Dringlichkeit i. S. von § 3 Abs. 5 lit. g VOL/A i. V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 VgV durchgeführt wird. Mit Anwaltsschriftsatz vom 08.08.2014 rügte die Antragstellerin daraufhin die Wahl des Verfahrens, die Vorgaben der Interimsvergabe und einen Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbes. Hierzu trug sie vor, die Dringlichkeit der Vergabe könne weder als "nicht vorhersehbar" noch als "nicht vom Auftraggeber verursacht" eingestuft werden. Daher lägen die Voraussetzungen für die Wahl eines freihändigen Vergabeverfahrens nicht vor. Durch die Vorgaben zur Eignung würden die derzeitigen Leistungserbringer gleichheits- und wettbewerbswidrig bevorzugt. Die Rüge erfolgte somit 10 Tage nach Erhalt des Aufforderungsschreibens des Antragsgegners.

Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des OLG München (Beschluss vom 19.12.2013 - Verg 12/13, zitiert nach ibr-online) kann vorliegend dahinstehen, ob die Präklusionsregel gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 28.01.2010) in den Rs. C-406/08 und C-456/08 überhaupt noch anwendbar ist (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010, Az.: WVerw 6/10 und OLG Rostock, Beschluss vom 20.10.2010, Az.: 17 Verg 5/10, zitiert nach ibr-online; OLG Celle, Beschluss vom 16.09.2010, Az.: 13 Verg 8/10). Das OLG München hat in seiner Entscheidung vom 19.12.2013 - Verg 12/13 - festgestellt, dass sich den zitierten EuGH-Entscheidungen zumindest entnehmen lasse, dass der Primärrechtschutz nicht durch zu unklare Anforderungen verhindert werden soll. Das bedeute auch, dass bei einer Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen nicht zu kleinlich zu verfahren ist (ebenso bereits OLG München, Beschluss vom 06.08.2012 - Verg 14/12, zitiert nach ibr-online).

Darüber hinaus ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag geltend macht, bei der vom Antragsgegner getätigten Interimsvergabe handele es sich um eine unzulässige de-facto-Vergabe i. S. des § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB, für die die Rügeverpflichtung gem. § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB ausdrücklich nicht gilt (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.09.2009, Verg W 13/08; OLG Celle, Beschluss vom 29.10.2009 - 13 Verg 8/09). Das anwaltliche Rügeschreiben vom 08.08.2014 erfolgte somit unverzüglich i. S. des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.

Der Antragsgegner kann sich bezüglich der Rügen im Schreiben der Antragstellerin vom 08.08.2014 vorliegend auch nicht auf eine Präklusion gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB berufen. Danach ist ein Antrag unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Zwar hat der Antragsgegner die Rügen der Antragstellerin mit Antwortschreiben vom 12.08.2014 ausdrücklich zurückgewiesen. Der Nachprüfungsantrag ist erst am 29.08.2014 bei der Vergabekammer eingegangen. Der Antragsgegner hat es jedoch versäumt, die Antragstellerin auf die Rechtsbehelfsfrist des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB hinzuweisen. Voraussetzung für die Präklusionswirkung der Bekanntgabe der Nichtabhilfe gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ist nach der Rechtsprechung, dass der Auftraggeber in der Bekanntmachung im Amtsblatt der EU auf diese Regelung hingewiesen hat (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 04.03.2010, Az.: 13 Verg 1/10). Die Bekanntmachungspflicht folgt aus § 15 EG Abs. 1 VOL/A i. V. m. Ziff. VI.4.2, Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 der Kommission vom 07.09.2005 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge gem. der Richtlinie 2004/17 EG und der Richtlinie 2004/18 EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 257 vom 01.10.2005). Danach ist der Auftraggeber verpflichtet, genaue Angaben zu den von den Bietern zu beachtenden Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen zu machen oder eine Stelle zu benennen, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich sind. Die Frist zwischen Bekanntgabe und der Nichtabhilfe und der Einreichung des Nachprüfungsantrages ist als echte Rechtsbehelfsfrist anzusehen (vgl. OLG Celle, a. a. O.; VK Bund, Beschluss vom 30.10.2009 - VK 2-180/09; VK Südbayern, Beschluss vom 05.02.2010, Az.: Z 3-3-3194-1-66-12/09, zitiert nach ibr-online). Darüber hinaus wird gefordert, dass der Auftraggeber auch in der Nichtabhilfe-Mitteilung auf die Ausschlusswirkung des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB hinweist und darüber belehrt, dass 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung kein Rechtsmittel mehr möglich ist (vgl. Hattig, in: Hattig/Maibaum, PK Kartellvergaberecht, § 107 GWB, Rdnr. 112; VK Südbayern, Beschluss vom 05.02.2010; Kadenbach in: Willenbruch/Wieddekind, VergabeR, 3. Auflage, 12. Los, § 107 GWB, Rdnr. 89).

Da der Antragsgegner vorliegend ein freihändiges Vergabeverfahren durchgeführt hat, war ihm ein Hinweis auf die Rechtsbehelfsfrist des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB in einer europaweiten Bekanntmachung naturgemäß nicht möglich. Er war daher umso mehr verpflichtet, auf die Rechtsbehelfsfrist und ihre Ausschlusswirkung in seiner zurückweisenden Rügeantwort vom 12.08.2014 hinzuweisen.

Auch das weitere Rügeschreiben der Antragstellerin vom 28.08.2014, mit der sie ihren Ausschluss wegen vermeintlich fehlender Eignung beanstandete, erfolgte nur einen Tag nach Erhalt des Informationsschreibens des Antragsgegners vom 27.08.2014 und damit unverzüglich i. S. des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.

Der Nachprüfungsantrag ist daher zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Es ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, die sich aus dem mit Kreistagsbeschluss vom xxxxxx.2014 beschlossenen Bedarfsplan für den Rettungsdienstbereich ergebenden, gegenüber dem Bestandsvertrag zusätzlichen und erweiternden Dienstleitungen auf der Grundlage des durchgeführten freihändigen Vergabeverfahrens durch eine Interimsbeauftragung der Beigeladenen als Bestandsdienstleister für den Zeitraum bis zum Abschluss des beabsichtigten förmlichen Verfahrens für die Vergabe der gesamten Rettungsdienstleistungen im Landkreis zu decken. Die Voraussetzungen für eine freihändige Vergabe aus Gründen besonderer Dringlichkeit i. S. von § 3 Abs. 5 lit. g VOL/A liegen vor (im folgenden a). Der vom Antragsgegner festgelegte Interimszeitraum von sieben Monaten ist auch angemessen und mit § 3 Abs. 5 lit. g VOL/A vereinbar (im Folgenden b). Der Antragsgegner hat die Antragstellerin im Ergebnis zu Recht vom freihändigen Vergabeverfahren ausgeschlossen. Zwar hat die Vergabekammer keine Zweifel an der grundsätzlichen Eignung der Antragstellerin für die Durchführung der Rettungsdienstleistungen. Die Antragstellerin ist jedoch mit ihrer Interessenbekundung vom 14.08.2014 und der auf Nachfrage des Antragsgegners mit Schreiben vom 20.08.2014 erfolgten Konkretisierung bezüglich der Ausstattung der einzusetzenden Fahrzeuge mit dem erforderlichen, im Landkreis verwendeten Alarmsystem von den detaillierten Vorgaben des Antragsgegners im Aufforderungsschreiben vom 29.07.2014 abgewichen. Der Antragsgegner hat sich daher im Rahmen des durch § 16 Abs. 5 VOL/A i. V. mit § 6 Abs. 3 VOL/A eingeräumten Beurteilungsspielraums gehalten, als er im Rahmen der Eignungsprüfung zu der Bewertung gelangte, dass die Antragstellerin zumindest hinsichtlich der Alarmierungstechnik für die ersten Wochen oder gar Monate des Interimszeitraums nicht leistungsfähig ist. Die Antragstellerin hat damit zugleich hinsichtlich des Alarmierungssystems Festlegungen der Vertragsunterlagen i. S. d. § 16 Abs. 3 lit. d VOL/A i. V. m. § 13 Abs. 4 Satz 1 VOL/A abgeändert, was ebenfalls zum zwingenden Angebotsausschluss führt (im Folgenden c).

a. Die Rechtmäßigkeit der verfahrensgegenständlichen, zusätzlichen Dienstleistungsaufträge an die Beigeladenen als Bestandsdienstleister im Wege einer freihändigen Vergabe richtet sich vorliegend nach § 3 Abs. 5 VOL/A und nicht nach den Vorschriften für ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb gem. § 3 EG Abs. 4 VOL/A. Bei Rettungsdienstleistungen handelt es sich um sog. nachrangige Leistungen gem. Anlage 1, Teil B, Kategorien 25 und 27 zur VgV, so dass die Vorschriften des Abschnitts 2 der VOL/A hier nur teilweise Anwendung finden, im Übrigen aber die Vorschriften der VOL/A, Abschnitt 1. Aus dem Abschnitt 2 der VOL/A kommen gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VgV nur die Bestimmungen des § 8 EG VOL/A, § 15 EG Abs. 10 VOL/A und § 23 EG VOL/A zur Anwendung, im Übrigen die Bestimmungen des ersten Abschnitts der VOL/A, mit Ausnahme von § 7 VOL/A (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 12.01.2012 - 13 Verg 9/11; Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 1 EG, Rdnr. 134; Marx in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 1 EG, Rdnr. 44, 46). Der Antragsgegner ist gehalten, den fortgeschriebenen Bedarfsplan für den Rettungsdienstbereich des Landkreises xxxxxx vom xxxxxx.2014 vergaberechtsgemäß umzusetzen. Da er sich als Träger des Rettungsdienstes zulässigerweise entschieden hat, die von ihm gem. § 2 NRettDG sicherzustellenden Aufgaben des Rettungsdienstes nicht selbst zu erbringen, sondern gem. § 5 Abs. 2 NRettDG weiterhin durch geeignete Dritte im Wege eines Dienstleistungsauftrages zu gewährleisten, ist der Antragsgegner gem. § 3 Abs. 2 VOL/A nach geltender Rechtslage verpflichtet - wie von ihm beabsichtigt - die Dienstleistungsaufträge gem. § 3 Abs. 2 VOL/A in öffentlicher Ausschreibung zu vergeben. Dazu muss er die öffentliche Ausschreibung umgehend durchführen, um die Dienstleistungsaufträge so schnell wie möglich in vergaberechtskonformer Weise erteilen zu können. Alternativ zur Ausschreibung von Dienstleistungsaufträgen hätte der Antragsgegner gem. § 5 Abs. 5 NRettDG auch die Möglichkeit, die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Rettungsdienstleistungen gem. § 2 NRettDG durch die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen an geeignete Dritte sicherzustellen.

Es ist jedoch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner für den Zeitraum bis zur Beauftragung auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen, nunmehr umgehend durchzuführenden öffentlichen Ausschreibung der Rettungsdienstleistungen zur Vermeidung oder Reduzierung von Hilfsfristüberschreitungen im Wege eines zusätzlichen, freihändigen Auftrags die Beigeladene als Bestandsdienstleister mit den erforderlichen Sofortmaßnahmen beauftragt, um so seinem Sicherstellungsauftrag als Träger des Rettungsdienstes gem. § 2 NRettDG zu genügen. Gemäß § 3 Abs. 5 lit. g VOL/A ist eine freihändige Vergabe zulässig, wenn die Leistung aufgrund von Umständen, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte, besonders dringlich ist und die Gründe für die besondere Dringlichkeit nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben sind. Die freihändige Vergabe ermöglicht die weitest gehende Reduktion der Förmlichkeit des Verfahrens. Die Anforderungen an die Dringlichkeit sind dementsprechend am höchsten. Sie ähneln jenen der "zwingenden, dringlichen Gründe" gem. § 3 EG Abs. 4 lit. d VOL/A (vgl. Kaelble in: Müller-Wrede, VOL/A, 4. Auflage, § 3, Rdnr. 54 ff.). Die Feststellung der besonderen Dringlichkeit erfordert eine Abwägung im Einzelfall. In die Abwägung einzustellen sind die grundsätzliche Pflicht des Auftraggebers zur Durchführung eines wettbewerblichen und transparenten Vergabeverfahrens und die durch das Ereignis bedrohten Rechtsgüter. Die besondere Dringlichkeit muss objektiv nachweisbar vorliegen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn - wie im vorliegenden Fall - bedeutende Rechtsgüter, wie etwa Leib und Leben und hohe Vermögenswerte, unmittelbar gefährdet sind. Soweit sich der Auftragsgegenstand auf Dienst- oder Lieferleistungen der Daseinsvorsorge bezieht, ist in Rechtssprechung und Schrifttum anerkannt, dass der Grundsatz der Kontinuität dieser Leistungen eine nahtlose Weiterführung gegenüber den Nutzern erfolgt (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 19.10.2000 - 1 Verg 9/00 = VergabeR 2001, Seite 134 ff, 137); OLG Celle, Beschluss vom 29.08.2003 - 13 Verg 15/03).

Allerdings setzt der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 5 lit. g VOL/A voraus, dass die Gründe für die besondere Dringlichkeit nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben sind. Vorliegend ist der Eintritt der besonderen Dringlichkeit nach Auffassung der Vergabekammer im Gegensatz zur Auffassung der Antragstellerin nicht der Sphäre des Antragsgegners zuzuordnen. Der Sachverhalt gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der kurzfristig zu deckende Mehrbedarf an Rettungsdienstleistungen auf ein Versäumnis des Antragsgegners als Träger des Rettungsdienstes zurückzuführen ist. Gemäß § 4 Abs. 6 NRettDG ist der Antragsgegner als Träger des Rettungsdienstes verpflichtet, den Bedarfsplan für den Rettungsdienstbereich fortzuschreiben. Auf dieser Grundlage hat die Verwaltung des Antragsgegners den Bedarfsplan für den Rettungsdienstbereich fortgeschrieben und dabei festgestellt, dass fünf Rettungswachen ertüchtigt und zusätzlich drei mobile RTW-Standorte eingerichtet werden müssen. Über diesen Bedarfsplan hat der Kreistag des Landkreises xxxxxx am xxxxxx.2014 beraten und entsprechend der Vorlage der Verwaltung beschlossen. Erst durch diesen Beschluss des Kreistages über den aktualisierten Bedarfsplan hat der Antragsgegner zugleich den damit verbundenen - gegenüber dem status quo zusätzlichen - Beschaffungsbedarf festgelegt. Ausweislich der in der Vergabeakte (Bl. 1- 3) enthaltenen Sitzungsvorlage für den Kreisausschuss zum TOP "Umsetzung der Maßnahmen nach dem aktualisierten Bedarfsplan für den Rettungsdienst des Landkreises xxxxxx" vom 18.07.2014 hat die Verwaltung des Antragsgegners gemäß § 5 NRettDG zunächst geprüft, ob sie den festgestellten zusätzlichen Bedarf selbst decken kann oder will oder ob er gemäß § 5 Abs. 2 NRettDG geeignete Dritte entweder durch Erteilung eines oder mehrerer - vergaberechtspflichtiger - Dienstleistungsaufträge oder aber durch die Erteilung einer oder mehrerer - nicht vergaberechtspflichtiger - Dienstleistungskonzessionen beauftragen will. Der Kreisausschuss folgte dem Vorschlag der Verwaltung, den festgestellten Mehrbedarf im Wege einer Beauftragung Dritter gemäß § 5 Abs 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NRettDG langfristig sicherzustellen und dazu zeitnah ein ordnungsgemäßes förmliches Vergabeverfahren durchzuführen, das inhaltlich die wesentlichen sowie die aus Sicht des Antragsgegners unwesentlichen Harmonisierungen des Bedarfsplans berücksichtigt, Ferner beschloss der Kreisausschuss, dass parallel zu diesem eigentlichen Ausschreibungsverfahren die Erbringung der Leistungen aus dem festgestellten zusätzlichen Bedarf zum 01.09.2014 im Rahmen einer Interimsvergabe erfolgen soll. Die für den Zeitraum bis zum Abschluss des rechtkonformen förmlichen Vergabeverfahrens befristete Beauftragung solle sowohl die nicht wesentlichen Veränderungen als auch Teile der wesentlichen Umsetzungen, zumindest in dem Umfang, wie diese interimsweise faktisch erbracht werden können, umfassen. Auf dieser Grundlage hat der Antragsgegner umgehend bereits mit Schreiben vom 29.07.2014 das freihändige Vergabeverfahren für die Interimsbeauftragung eingeleitet und potentielle Leistungserbringer, darunter die Antragstellerin, zur Interessenbekundung aufgefordert. Er hat damit umgehend auf den mit dem fortgeschriebenen Bedarfsplan festgestellten Mehrbedarf reagiert, um weiterhin den Bedarf der Bevölkerung mit Rettungsdienstleistungen zeitnah sicherzustellen.

Aber selbst wenn man mit der Antragstellerin die Auffassung vertreten würde, der Antragsgegner hätte den Mehrbedarf zu einem früheren Zeitpunkt erkennen können und dann - ggfl. unter Ausschöpfung aller vergaberechtlich zulässigen Fristverkürzungen - auch die verfahrensgegenständlichen Sofortmaßnahmen sogar in einem förmlichen Verfahren hätte ausschreiben können, ist darauf hinzuweisen, dass anerkannt ist, dass eine zwingende Dringlichkeit für eine freihändige Vergabe nach § 3 Abs. 4 lit. g VOL/A oder für ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung gem. § 3 EG Abs. 4 lit. d VOL/A im Bereich der Daseinsvorsorge selbst dann gerechtfertigt ist, wenn die Gründe für die zwingende Dringlichkeit in der Sphäre des Auftraggebers begründet liegen. Diese Auslegung folgt aus Art. 14 a AEUV (konsolidierte Fassung des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union; ehemals Art. 16 EG). Artikel 14 AEUV verpflichtet die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten, die Funktionsfähigkeit der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse der Daseinsvorsorge zu garantieren (vgl. Aumont/Kaelble, NZBau 2006, Seite 280 ff., 285, 286). Als Bestandteil des Primärrechts ist Art. 14 AEUV bei der Auslegung der sekundärrechtlichen Vergaberichtlinien und der Gemeinschaftsrecht umsetzenden Vergabe- und Vertragsordnungen zu beachten. Zur Abwendung eines drohenden vertragslosen Zustandes oder einer Untervorsorgung im Bereich der Daseinsvorsorge kann entsprechend § 3 EG Abs. 4 lit. d VOL/A bzw. § 3 Abs. 4 lit. g VOL/A auf das Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung bzw. auf die freihändige Vergabe zurückgegriffen werden. Dies gilt grundsätzlich gerade auch für den Bereich der Daseinsvorsorge und damit auch für den Bereich der Rettungsdienstleistungen. Im Falle der zwingenden Dringlichkeit ist daher bei diesen Auftragsgegenständen im Zweifel auch die Zurechenbarkeit oder Vorhersehbarkeit der Funktionsstörung durch den Auftraggeber unbeachtlich (vgl. Kaelble, a. a. 0., § 3 EG, Rdnr. 158, 159, m. w. N.; OLG Dresden, Beschluss vom 25.02.2008 - WVerg 10/07). Auch ein Verschulden des Auftraggebers - was vorliegend nicht erkennbar ist - kann nicht die Aufrechterhaltung von Versorgungslücken bei Rettungsdienstleistungen zu Lasten der Bevölkerung und damit der Nutzer rechtfertigen. Im Lichte des Art. 14 AEUV ist insofern ausnahmsweise eine den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 lit. g VOL/A und des § 3 EG Abs. 4 lit. d VOL/A EG erweiternde Auslegung angezeigt.

b. Die danach vorliegend gerechtfertigte freihändige Interimsvergabe ist allerdings als gebotene ultima ratio auf den unbedingt für die Durchführung eines vergaberechtsgemäßen förmlichen Vergabeverfahrens notwendigen Zeitraum zu begrenzen. Zulässig ist allein eine Interimsbeauftragung zur Erhaltung der Kontinuität der Dienstleistung (vgl. Kaelble, a. a. 0., § 3 EG, Rdnr. 164) und vorliegend insbesondere der kurzfristigen Deckung des festgestellten Mehrbedarfs zur Vermeidung der Hilfsfristüberschreitung. Die Interimsbeauftragung wird naturgemäß den Zeitraum für die Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens einbeziehen (vgl. KG, Beschluss vom 26.08.2005 - 2 Verg 10/05). Auf der einen Seite ist vorliegend für die Bemessung des vergaberechtlich zulässigen Interimszeitraumes zu berücksichtigen, dass es sich bei der Neuvergabe des kompletten Rettungsdienstes im Landkreis xxxxxx um ein komplexes Vergabeverfahren handelt. Auch ist zu erwarten, dass aufgrund der Anzahl der zu erwartenden Angebote der im Rahmen des Vergabeverfahrens und insbesondere für die Zuschlagserteilung erforderlichen Beteiligung der politischen Gremien des Antragsgegners davon auszugehen ist, dass bis zur Zuschlagsentscheidung in einem förmlichen Vergabeverfahren ein Zeitraum von mehreren Monaten erforderlich sein wird.

Auf der anderen Seite ist aber zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner den konkreten, detaillierten Bedarf aufgrund des am xxxxxx.2014 vom Kreistag beschlossenen, fortgeschriebenen Bedarfsplanes aktuell ermittelt und detailliert festgelegt hat. Der Antragsgegner ist somit in der Lage, umgehend Ausschreibungsunterlagen zu erstellen und die öffentliche Ausschreibung durchzuführen. Insgesamt hält die Vergabekammer den vom Antragsgegner vorgesehenen Interimszeitraum von 7 Monaten für erforderlich. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine freihändige Vergabe oder ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb stets nur die vergaberechtliche ultima ratio darstellt, sollte der Zeitraum einer Interimsbeauftragung regelmäßig ein Jahr nicht übersteigen. Der Auftraggeber darf die Dringlichkeit nicht zum Anlass nehmen, langfristige vertragliche Bindungen ohne wettbewerbliche Vergabe einzugehen (vgl. Kaelble, a. a. 0., § 3 EG, Rdnr. 167, m. w. N.). Ein Interimszeitraum von 7 Monaten ist daher im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden.

c. Der Antragsgegner hat sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch im Rahmen des durch § 3 Abs. 5 lit. g VOL/A dem öffentlichen Auftraggeber eingeräumten Beurteilungsspielraumes gehalten, als er sich entschieden hat, die verfahrensgegenständlichen, für besonders dringlich erachteten Sofortmaßnahmen durch eine zusätzliche Beauftragung der Beigeladenen als Bestandsdienstleister umzusetzen. Zwar muss der Auftraggeber auch bei einer freihändigen Vergabe von besonders dringlichen Leistungen i. S. des § 3 Abs. 5 lit. g VOL/A den angesichts des zeitlichen Rahmens größtmöglichen Wettbewerb herstellen. Er muss also grundsätzlich mit mehreren Unternehmen verhandeln, wenn hierfür Zeit bis zum Eintreten des vertraglosen Zustandes bleibt (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 25.02.2008 - WVerg 10/07; OLG Hamburg, Beschluss vom 08.07.2008 - 1 Verg 1/08). Der öffentliche Auftraggeber muss die auf diesem Wege getroffene Auswahlentscheidung zudem sachlich begründen. Eine ausnahmsweise zulässige Interimsbeauftragung befreit ihn nicht von der Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz, den Wettbewerbsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot. Der Auftraggeber darf daher nicht ohne weitere Begründung den bisherigen Auftragnehmer weiter - bzw. im vorliegenden Fall über das laufende Vertragsverhältnis hinaus zusätzlich - beauftragen, wenn innerhalb des ihm zur Verfügung stehenden Zeitrahmens auch andere Wettbewerber eingebunden werden können. Er muss zumindest prüfen, welche Unternehmen den Interimsauftrag übernehmen könnten und welche Beauftragung unter den gegebenen Umständen die wirtschaftlichste Lösung bietet (vgl. Kaelble, a. a. 0., § 3, Rdnr. 58).

Der Antragsgegner hat vorliegend dementsprechend im freihändigen Verfahren zur Interimsvergabe nicht nur die Bestandsdienstleister, sondern auch dritte geeignete Rettungsdienstleister in nicht zu beanstandender Weise beteiligt.

Der Antragsgegner hat sich dabei in seinem durch § 16 Abs. 5 VOL/A und § 16 Abs. 3 lit. g VOL/A i. V. m. § 13 Abs. 4 Satz 1 VOL/A eingeräumten Beurteilungsspielraums gehalten, als er die Antragstellerin vom weiteren Vergabeverfahren mit der Begründung ausgeschlossen hat, sie habe mit ihrem Angebot zu beiden verfahrensgegenständlichen Losen die vom Antragsgegner mit der Aufforderung zur Interessenbekundung vom 29.07.2014 gestellten Anforderungen zum Teil nicht erfüllt. Der Antragsgegner hat gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 27.08.2014 erklärt, dass er aus diesem Grunde die Eignung der Antragstellerin für eine interimsweise Beauftragung nicht feststellen konnte und dass sie deshalb mit den verfahrensgegenständlichen Leistungen für den Interimszeitraum nicht beauftragt werden kann. Gemäß § 16 Abs. 5 VOL/A sind bei der Auswahl der Angebote, die für den Zuschlag in Betracht kommen, nur die Bieter zu berücksichtigen, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen die erforderliche Eignung besitzen. Die beim offenen Vergabeverfahren oder bei der öffentlichen Ausschreibung auf der zweiten Wertungsstufe und im freihändigen Verfahren bzw. im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb auf der ersten Stufe stattfindende Prüfung der Eignung der Bieter dient dazu, diejenigen Unternehmen zu ermitteln, die zur Erbringung der konkret nachgefragten Leistung nach Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit in Betracht kommen, und die unzureichend qualifizierten Bieter auszuscheiden (Frister in : Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Aufl., § 16 VOB/A, Rdnr. 61 m. w. N.). Dabei ist eine unternehmensbezogene Untersuchung durchzuführen, durch die prognostiziert werden soll, ob das Unternehmen zur Ausführung des Auftrags in der Lage sein wird (vgl. Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 11. Auflage, A § 25, Rdnr. 22a). Eine Eignungsprüfung erfolgt in zwei Schritten: Erstens ist zu prüfen, ob die Eignung in der vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Form nachgewiesen wurde, und zweitens, ob in materieller Hinsicht die Eignungsanforderungen des Auftraggebers erfüllt werden (vgl. Dittmann in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rdnr. 169, 172).

Somit sind bei der Auswahl der Angebote, die für den Zuschlag in Betracht kommen, nur Bieter zu berücksichtigen, die für die Erfüllung der vertraglichen Pflichten die erforderlich Sachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Diese Regelung deckt sich grundsätzlich mit der entsprechenden Regelung in § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB. Bei den Begriffen der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe (vgl. BayObLG, Beschluss vom 03.07.2002, Az.: Verg 13/02). Da die Prüfung der Eignung eines Unternehmens ein wertender Vorgang ist, in den zahlreiche Einzelumstände einfließen, ist davon auszugehen, dass diese Begriffe den Auftraggebern einen Beurteilungsspielraum einräumen, der nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen zugänglich ist. Die Vergabekammer kann im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens die Entscheidung der Vergabestelle über die Eignung eines Unternehmens folglich nur daraufhin überprüfen, ob die rechtlichen Grenzen dieses Beurteilungsspielraums überschritten sind (vgl. Weyand, Vergaberecht, 97, Rdnr. 396, m. w. N.; OLG München, Beschluss vom 21.04.2006, Az.: Verg 8/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.10.2005, Az.: VII-Verg 55/05). Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist regelmäßig (nur) anzunehmen, wenn

- das vorgegebene Vergabeverfahren nicht eingehalten wird,

- nicht von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird,

- sachwidrige Erwägungen einbezogen werden oder wenn der sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewendet wird

(vgl. OLG Celle, Beschluss vom 11.03.2004, Az.: 13 Verg 3/04; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.09.2002 - Verg 37/02).

Während es sich etwa bei den Ausschlussgründen des § 16 Abs. 3 VOL/A noch um relativ schnell feststellbare, eher objektiv einzustufende Merkmale von Bietern und Angeboten handelt, stellt die Überprüfung der Eignungskriterien - Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit - gemäß § 16 Abs. 5 VOL/A bzw. § 19 EG Abs. 5 VOL/A i. V. m. § 7 EG VOL/A deutlich höhere Anforderungen an die Prüfung. Letztlich bewegt sich der Prüfungsrahmen dabei auf einem gerade auch an der Überzeugung der Vergabestelle orientierten Maßstab (vgl. Noch in: Müller-Wrede, VOL/A, 1. Auflage, § 25, Rdnr. 52).

Der Antragsgegner hat ausweislich des in der Vergabeakte enthaltenen Vergabevermerks Teil 2 vom 27.08.2014 (Bl. 226 ff. der Vergabeakte) die Eignung der Antragstellerin wie auch der Beigeladenen auf der Grundlage der mit der Interessenbekundung geforderten Angaben geprüft und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 24 EG VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. Der Antragsgegner hatte den potentiellen Bewerbern mit dem Aufforderungsschreiben vom 29.07.2014 mitgeteilt, dass er im Rahmen der freihändigen Vergabe zunächst ein Interessenbekundungsverfahren einschließlich einer Eignungsprüfung durchführt. Er ermittle so, für welche der zu vergebenden und unter Ziffer 2 näher spezifizierten Leistungen / Lose überhaupt ein Wettbewerb geeigneter Bieter besteht. Weiter heißt es dort:

"Sofern ein Interesse Ihres Unternehmens an einer interimsweisen Beauftragung aller oder einzelner Leistungen/Lose besteht, haben Sie - mit der Interessenbekundung - nachzuweisen, dass sie bis zum vorgesehenen Leistungsbeginn am 15.09.2014 über das erforderliche Rettungspersonal, die notwendigen Fahrzeuge (Rettungsmittel) und die erforderlichen Rettungswachen-Standorte verfügen werden (zu den Einzelheiten vgl. Ziffer 3)"

Im Hinblick auf den Nachweis der Leistungsfähigkeit hatte der Antragsgegner in seinem Aufforderungsschreiben unter "3.3 Rettungsmittel" festgelegt, dass die Leistungserbringer zum Leistungsbeginn über die erforderlichen Rettungsmittel (KTW/RTW) verfügen müssen. Diesbezüglich hatten die Bieter für jedes Los, auf das sie sich bewerben, eine Fahrzeugliste vorzulegen, aus der sich die notwendige Anzahl an Fahrzeugen sowie die technische Ausstattung für das jeweilige Los ergibt. Unter anderem wurde darauf hingewiesen, dass die gerätetechnische Ausstattung der Fahrzeuge (RTW und KTW) der als Anlage 4 der Aufforderung beigefügten Übersicht entsprechen muss. Außerdem wurden die Bieter darauf hingewiesen, dass die Leistungserbringer auch im Rahmen der Interimsbeauftragung das bislang verwendete Alarmierungssystem einsetzen müssen. Dagegen könne ein anderes System bereits aus Gründen der Alarmsicherheit nicht akzeptiert werden. Hinsichtlich möglicher Alternativen heißt es:

"Beabsichtigt der Bieter, ein gleichwertiges System anzubieten, so muss er nachweisen, dass dieses unproblematisch an das System des Landkreises xxxxxx gekoppelt werden kann."

Die dem Aufforderungsschreiben beigefügte Anlage 4 listet detailliert die vom Antragsgegner geforderte Ausstattung der RTW und KTW auf.

Mit Anlage 4 ihres Interessenbekundungsschreibens vom 14.08.2014 erklärte die Antragstellerin in ihrem Konzept zu Verfügbarkeit der erforderlichen und den Vorgaben entsprechend ausgestatteten Fahrzeuge, dass die technische Aufrüstung zur Erreichung der ortsspezifischen Vorgaben durch den Träger im Falle der Beauftragung fristgerecht erfolgen werde. Ein Ersatz der Fahrzeuge durch neue Fahrzeuge entsprechend den Vorgaben des Landkreises xxxxxx erfolge bei erfolgter Beauftragung über betriebswirtschaftlich sinnvolle Zeiträume.

Der Antragsgegner forderte die Antragstellerin daraufhin nach Auswertung der Interessenbekundung mit Schreiben vom 19.08.2014 auf, detailliert zu erklären, wie die Antragstellerin die Beschaffung des im Landkreis xxxxxx etablierten Alarmierungssystems mit dreifacher Redundanz, dessen Alarmierungskomponenten aus FMW, TOMTOM Work, SMS und elektronische Datenerfassung (MDE) bestehen, gewährleisten will. Die Antragstellerin verwies in ihrem Antwortschreiben vom 20.08.2014 zunächst darauf, dass sie einen Widerspruch darin sehe, von Bewerbern um den Auftrag einerseits die Anbindung an ein mehrstufiges Alarmierungs- und Dokumentationssystem zu fordern, andererseits aber selbst die Beschaffbarkeit am Markt infrage zu stellen. Die Firma xxxxxx habe ihr bestätigend mitgeteilt, dass die Lieferfrist für eine vollständige MDE-Hardware-Ausstattung zwölf bis vierzehn Wochen beträgt. Da die Komplexität der Installation die Implementierung anderer, gleichwertiger Alarmierungs- und Dokumentationssysteme faktisch unmöglich mache, müsste hieraus abgeleitet werden, dass die Anforderung der Anbindung an das Alarmierungssystem ein ausschließendes Kriterium für Bewerber ist, die noch nicht im Landkreis beauftragt sind. Dies sei vor dem Hintergrund eines fairen Vergabeverfahrens äußerst kritisch zu hinterfragen. In Gesprächen mit der Firma xxxxxx sei ihr als Alternative, um einen Betrieb ab 15. September 2014 sicherstellen zu können, ein Workaround über einen handelsüblichen Rechner mit gesicherter VPN-Anbindung in Aussicht gestellt worden. Die technische Möglichkeit der Anbindung an die zentrale IT sei vorhanden. Da hierbei die gleiche Software zum Einsatz komme, sei die geforderte Gleichwertigkeit gegeben. Die Bereitstellung des mehrstufigen Alarmierungssystems selbst sei zum 15.09.2014 möglich.

Der Antragsgegner hat die Prüfung der Eignung der Antragstellerin in ihrem Vergabevermerk Teil 2 unter Nummer 7.3 (Bl. 244 - Bl. 255 der Vergabeakte nebst Anlagen) ausführlich dokumentiert. Die dort aufgeführten Feststellungen tragen die Beurteilung des Antragsgegners, dass die Antragstellerin zum vorgesehenen Vertragsbeginn nicht in der Lage ist, ihre RTW mit einer mit dem im Landkreis verwendeten Alarmierungssystem mit dreifacher Redundanz kompatiblen und damit gleichwertigen Alarmierungstechnik auszustatten. Der Antragsgegner hat in seinem Vergabevermerk, dargelegt, dass die von der Antragstellerin angebotene alternative Lösung für die Alarm- und Datenübertragungstechnik aus Sicht des Landkreises nicht mit der verwendeten Technik vergleichbar ist, sondern zu einem deutlichen und nicht hinzunehmenden Qualitätsverlust führen würde. So sei der Vorschlag der Antragstellerin, mangels rechtzeitiger Lieferbarkeit der MDE-Hardware-Ausstattung zum Beginn des Interimsauftrags eine Alternativlösung mittels eines handelsüblichen Rechners zu wählen, auf welchem die Firma xxxxxx dann die entsprechende Software aufspielen würde, nicht gleichwertig. Zudem habe die Nachfrage des Antragsgegners bei der Firma xxxxxx ergeben, dass auch bei der von der Antragstellerin vorgeschlagenen Desktop-Variante das Aufspielen der Software aus internen Gründen mindestens zwölf Wochen in Anspruch nehmen würde. Zudem würde bei dieser Lösung keine Alarm- und Datenübertragung aus der Rettungsleitstelle an den Rechner erfolgen. Daraus folge, dass selbst bei einer umgehenden Beauftragung der Antragstellerin die Lösung frühestens Mitte bis Ende November und damit ca. zwei Monate nach Leistungsbeginn zur Verfügung stehen würde.

Aber selbst bei rechtzeitiger Zurverfügungstellung der Alternativlösung sei diese nicht mit dem im Landkreis xxxxxx verwendeten Alarmierungssystem qualitativ vergleichbar. So biete die Antragstellerin im Hinblick auf die Alarmierung lediglich eine zweifache Redundanz an. Der Antragsgegner hingegen alarmiere seine Rettungsmittel mittels Funkmeldeempfänger, Mobiltelefon und MDE. Diese Redundanzen seien auch erforderlich, da der Landkreis als Flächenlandkreis nicht an allen Stellen eine adäquate Abdeckung mit Funk oder Mobilfunknetzen habe. Die Antragstellerin ermögliche durch ihre Alternativlösung keine Alarmierung über ein MDE. Sie habe lediglich erklärt, Funkmeldeempfänger und Mobiltelefone zur Verfügung zu stellen. In Bezug auf die Alarmierung sei zudem ohne die Anbindung mittels MDE keine Übertragung von genauen Einsatzdaten und Patienteninformationen an das Rettungsmittel möglich. Diese für die schnelle und fehlerlose Einsatzabarbeitung essentiellen Informationen müssten telefonisch oder über das Funknetz von der Leitstelle erfragt werden. Diese Lösungen seien jedoch fehleranfällig und blockierten zudem unnötig den Funkkanal. Es könne - und komme in der Praxis auch häufig vor - zu Verständnisproblemen und Fehlern kommen, welche im Extremfall dazu führten, dass ein Rettungsmittel zum falschen Einsatzort fährt und so Menschenleben gefährdet werden. Bei der geforderten Anbindung des MDE an den zentralen Rechner der Leitstelle sei zudem eine automatische Anfahrtsbeschreibung auf das TomTom-Work-Navigationsgerät in den Fahrzeugen gewährleistet.

Aber auch die eigentliche Einsatzabwicklung vor Ort werde ohne MDE qualitativ beeinträchtigt. Beim MDE handele es sich um ein mobiles Gerät, welches auch im Einsatz beim Patienten direkt zum Einsatz kommt. So erfolge die Dokumentation mittels einer vorgegebenen Eingabemaske, welche durch ihre Gestaltung eine strukturierte Anamnese des Patienten und damit eine bessere Behandlung ermögliche. So zwinge die Dokumentation den Eingebenden, die erforderlichen Felder auszufüllen und unterstütze ihn bei seiner Arbeit. Die Dokumentation gehe auch im Hinblick auf die im Landkreis vorgegebenen Handlungsvorgaben des Ärztlichen Leiters über die übliche Dokumentation (z. B. sog. DIVI-Protokoll) hinaus.

Auch verfüge das MDE über Datenbanken und einen Internetzugang, so dass auch im Einsatz notwendige Informationen sofort recherchiert werden könnten. Überdies sei auf den MDE-Geräten ein Programm installiert, dass alters- und gewichtsabhängige Vitalparameter interaktiv aufführt und dementsprechend eine Medikamentendosierung aller im Landkreis verwendeten Notfallmedikamente bestimmt. Diese Möglichkeiten biete die von der Antragstellerin vorgeschlagene Alternativlösung nicht. Ein weiterer entscheidender Nachteil der Alternativlösung sei letztlich, dass über das MDE-Gerät gezielt Daten des Patienten über eine Mobilfunkverbindung an die Krankenhäuser im Landkreis versandt werden können. Somit könne das Rettungsdienstpersonal vor Ort bereits wesentliche Informationen vorab an die Krankenhäuser versenden, damit diese die nachfolgende Behandlung vorbereiten und sog. therapiefreie Intervalle verkürzen können.

Der Antragsgegner hat nachvollziehbar dargelegt und dokumentiert, dass er als Träger des Rettungsdienste auf das aus seiner Sicht effiziente, dreifach redundante Alarmierungssystem unter Einschluss der in den Rettungsfahrzeugen installierten MDE-Systeme nicht verzichten kann, ohne Qualitätsverluste im Hinblick auf die zeitnahe und vollständige Dokumentation und Übertragung der Patientendaten am Einsatzort hinnehmen zu müssen. Insbesondere die vom Antragsgegner erläuterte Möglichkeit, mittels des MDE-Gerätes gezielt Daten des Patienten über eine Mobilfunkanbindung direkt an die Krankenhäuser im Landkreis zu versenden, ist im Interesse der umgehenden und gezielten Behandlung des Patienten nachvollziehbar und trägt die Entscheidung des Antragsgegners, die von der Antragstellerin angebotene Alternativlösung nicht zu akzeptieren.

Der Antragsgegner hat sich somit in seinem durch § 16 Abs. 5 VOL/A und § 6 Abs. 3 VOL/A gewährten Beurteilungsspielraums gehalten, als er festgestellt hat, dass die Antragstellerin im Falle einer Interimsbeauftragung zumindest in den ersten Wochen oder gar Monaten des Vertragszeitraums im Hinblick auf die Ausstattung der Rettungsfahrzeuge über eine mit dem im Landkreis verwendeten Alarmierungssystem kompatible Alarmierungstechnik nicht verfügt. Sie verfügt damit zu Beginn des verfahrensgegenständlichen Leistungszeitraums in einem erheblichen Bereich nicht über die für den konkreten Auftrag erforderliche Leistungsfähigkeit und damit auch nicht über die konkrete Eignung für den Interimsauftrag.

Da sich dieses Leistungsdefizit auf die Bewerbung der 'Antragstellerin sowohl zu Los 4 als auch zu Los 5 erstreckt, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, ob die Antragstellerin, wovon der Antragsgegner in seinem Vergabevermerk vom 27.08.2014 (Bl. 254 d. Vergabeakte) ausgeht, zu Los 5 auch keinen geeigneten Standort für den geforderten RTW in xxxxxx anbieten kann, weil sich das genannte Mietobjekt außerhalb des vom Antragsgegner geforderten Höchstabstandes von 500 m zur Kreisstraße xxxxxx befindet.

Aufgrund der Defizite der von der Antragstellerin angebotenen Alarmierungstechnik hat der Antragsgegner gemäß § 16 Abs 5 VOL/A zu Recht von einer weiteren Berücksichtigung der Antragstellerin im weiteren freihändigen Verfahren auf der Grundlage der Eignungsprüfung abgesehen. Selbst wenn der Antragsgegner die Antragstellerin noch zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert hätte, wäre spätestens das Angebot selbst wegen der qualitativen Abweichung der von der Antragstellerin angebotenen Alarmierungstechnik von den Festlegungen der Vertragsunterlagen gemäß § 16 Abs. 3 lit. d VOL/A i. V. m. § 13 Abs. 4 Satz 1 VOL/A zwingend von der Angebotswertung auszuschließen gewesen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Interimsaufträge für die verfahrensgegenständlichen Lose 4 und 5 an die Beigeladene erteilt hat, die als einzige Bewerberin außer der Antragstellerin ihr Interesse am Auftrag und die Einhaltung der Eignungsvorgaben des Antragsgegners nachgewiesen hat.

Eine unzulässige de-facto-Vergabe liegt somit nicht vor. Die vom Antragsgegner bereits vor Eingang des Nachprüfungsantrags erteilten Aufträge zu Los 4 und Los 5 sind somit wirksam i. S. d. § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB erteilt worden.

Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790).

Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

Der Gegenstandswert beträgt vorliegend xxxxxx €. Der Antragsgegner hat auf Nachfrage der Vergabekammer die Mehrkosten für die im Wege der Interimsbeauftragung beabsichtigten Maßnahmen zu den verfahrensgegenständlichen Losen 4 und 5 auf xxxxxx € (Los 4) und xxxxxx € (Los 5) für den Interimszeitraum von 7 Monaten beziffert. Da der Antragsgegner eine Interimsbeauftragung der Beigeladenen von bis 7 Monaten vorgenommen hat, entspricht die Vergütung für den gesamten streitbefangenen Vertragszeitraum dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der z. Zt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.

Bei einem Gegenstandswert von xxxxxx € ergibt sich nach der Gebührentabelle des Bundeskartellamtes - durch Interpolation - eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €.

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag keinen Erfolg hatte, weil der Antrag unzulässig ist.

Kosten der Beigeladenen:

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB. Dort ist geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterliegenden Partei auferlegt. Eine Ungleichbehandlung der Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i. S. d. § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Anwaltskosten gehören, zu tragen hat.

Hier hat die Beigeladene eigene Sachanträge gestellt und sich inhaltlich und in förderlicher Weise in das Nachprüfungsverfahren eingebracht. Daher sind ihre Kosten nach den obigen Gesichtspunkten erstattungsfähig.

Kosten des Antragsgegners:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen und damit die Anwaltskosten zu erstatten.

Die Erstattungspflicht der Antragstellerin bezüglich der Kosten des Antragsgegners, die diesem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte der Antragsgegner für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten im Vergabeverfahren deshalb nach § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 120 GWB i. V. m. § 78 Satz 1 GWB zu erstatten sind, kann aber nicht allgemein, sondern nur an Hand der Umstände des Einzelfalles entschieden werden und richtet sich nach den objektiv anzuerkennenden Erfordernissen im jeweiligen Einzelfall nach einer ex-ante-Prognose (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011 - 13 Verg 17/10, Beschluss vom 04.05.2011 -13 Verg 1/11). Bei der Abwägung der Einzelfallumstände ist zu berücksichtigen, ob die Problematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichend geschultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist; dann soll eher keine Notwendigkeit bestehen. Wenn aber zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen weitere, nicht einfach gelagerte Rechtsfragen hinzutreten, spricht dies wieder eher für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Grundsätzlich trifft es auch immer noch zu, dass die Nachprüfungsverfahren unter einem enormen Beschleunigungs- und Zeitdruck stehen und das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus dem nationalen Recht und dem Europarecht darstellt, welche nicht immer im Gleichklang stehen. Auf der anderen Seite wird die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Vertretung des Auftraggebers vor der Vergabekammer regelmäßig eher nicht notwendig sein, wenn sich die darin aufgeworfenen Probleme in der Auseinandersetzung darüber erschöpfen, ob die Vergabestelle das von ihr im Rahmen des streitbefangenen Vergabeverfahrens ohnehin zu beachtende "materielle" Vergaberecht zutreffend angewandt hat, d. h. im Wesentlichen die Bestimmungen der Verdingungsordnung eingehalten sind. Denn dann ist - zumindest bei größeren Auftraggebern, die Vergaben nicht nur in Einzelfällen ausführen - der Kernbereich der Tätigkeit betroffen, deren Ergebnisse zu rechtfertigen eine Vergabestelle grundsätzlich auch ohne anwaltlichen Beistand in der Lage sein muss (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 22. Februar 2010 - WVerg 0001/10, zitiert nach [...], Tz 15 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juni 2010 - 15 Verg 4/10, zitiert nach [...], Tz 54; OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2008 - Verg 6/08, zitiert nach [...], Tz 13).

Nach dieser Maßgabe war es für den Antragsgegner im vorliegenden Vergabeverfahren notwendig, einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Denn der Nachprüfungsantrag betraf nicht allein und auch nicht in erster Linie Probleme des gewöhnlichen materiellen, in den Vergabe- und Vertragsordnungen geregelten Vergaberechts, das eine Vergabestelle nach der oben zitierten aktuellen Rechtsprechung zumindest in der Regel auch ohne anwaltlichen Beistand rechtlich bewerten, einordnen und vertreten muss. Streitgegenstand waren hier insbesondere auch die verfahrensrechtlichen Regelungen des GWB und dort insbesondere die Abgrenzung der wirksamen freihändigen Vergabe von der unzulässigen de-facto-Vergaben nach § 101 b GWB, die Voraussetzungen für ein Entfallen der Informationspflicht nach § 101 a Abs. 2 GWB sowie die Voraussetzungen für die Rechtbehelfsfrist gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB und die dazu ergangene Rechtsprechung. Der Antragsgegner bedurfte daher anwaltlicher Unterstützung.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

...

Gause
Rohn
Woll