Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 17.10.2014, Az.: VgK-38/2014
Vergabe eines Neubaus zur schlüsselfertigen Erstellung eines zweigeschossigen Bürogebäudes und Laborgebäudes in modularer Bauweise i.R.d. Erteilung des Zugschlags
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 17.10.2014
- Aktenzeichen
- VgK-38/2014
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 31602
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 7 GWB
- § 107 Abs. 2 GWB
- § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 3 GWB
- § 16 EG Abs. 7 S. 1 VOB/A
- § 20 EG VOB/A
- § 55 NHG
- § 62 Abs. 1 NHG
- § 2 Nr. 3 VgV
In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx
Verfahrensbevollmächtigter xxxxxx
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
xxxxxx
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx
- Beigeladene -
wegen
Vergabenummer xxxxxx, Neubau xxxxxx, schlüsselfertige Erstellung eines zweigeschossigen Büro- und Laborgebäudes in modularer Bauweise,
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Magill auf die mündliche Verhandlung vom 17.10.2014
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, erneut in das Vergabeverfahren einzutreten, dieses ab dem Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen und den Bietern sämtliche Anforderungen an Form und Inhalte der zu den Wertungskriterien vorzulegenden Konzeptausarbeitungen sowie ihre Bewertungsmaßstäbe mitzuteilen. Bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes hat sie nur die bekannt gemachten Kriterien, Unterkriterien und Bewertungsmaßstäbe zu Grunde zu legen und dabei die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten. Ebenso ist sie verpflichtet, Prüfung und Ergebnis der Angebotswertung in einer den Anforderungen des § 20 EG VOB/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene je zu 1/2 zu tragen. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.
- 3.
Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.
- 4.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene sind verpflichtet, der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen je zur Hälfte zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung
I.
Auf dem Gelände der Antragsgegnerin soll ein Büro- und Laborgebäude für die experimentelle Forschung und theoretisches Arbeiten mit Service-Flächen und Kommunikationseinrichtungen erstellt werden. Hierzu hat die Antragsgegnerin ein offenes VOB-Vergabeverfahren ausgeschrieben. Die ausgeschriebenen Leistungen umfassen die schlüsselfertige Erstellung eines zweigeschossigen Büro- und Laborgebäudes in modularer Bauweise bzw. mit einem hohen Vorfertigungsgrad auf der Grundlage einer funktionalen Baubeschreibung. Die Entwurfsplanung und die Ausführungsplanung für die Laboreinrichtung liegen vor. Teile der Genehmigungsunterlagen sind durch den Auftragnehmer zu erbringen. Das Raumprogramm umfasst den Eingangsbereich mit Aufzug, Mikroskopierräume mit hohen Anforderungen an die Schwingungsarmut, Nasslabore, Spülküchen, Räume für kurzzeitigen Tieraufenthalt, Büros, Sanitär- und Sozialräume, einen Konferenzraum und Räume für die Technik. Der Zuschlag soll auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden, wobei folgende Kriterien in die Wertung eingehen sollen:
1. Preis mit 30 %
2. Konzeption der technischen Gebäudeausrüstung mit 20 %
3. Konzeption der Baukonstruktion insbes. Schwingungsthematik mit 15 %
4. Konzeption zur Erbringung der Leistung mit 10 %
5. Konzeption der Qualitätssicherung in der Bauphase mit 10 %
6. Energetische Qualität und Ökologie mit 10 %
7. Qualitätssicherung (Zertifikate) mit 5 %.
Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe erhielten die Bieter die Vergabeunterlagen, bestehend aus der Projektbeschreibung, den Leistungsbeschreibungen des Gebäudes und der Laboreinrichtung mit entsprechenden Zeichnungen und Plänen, verschiedenen Gutachten und Nachweisen sowie den Ausführungsrichtlinien und den Standards der Antragsgegnerin.
Nach Maßgabe der Vorbemerkungen zur Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm wird ein Angebot erwartet für ein schlüsselfertiges Gebäude aus modularen Bausystemen oder mit einem hohen Vorfertigungsgrad. Unter Ziffer 3.2. wird die Baukonstruktion der Raummodule beschrieben, wobei die beschriebene Konstruktionsart nur beispielhaft sein soll. Für abweichende Konstruktionsarten wurde vorgegeben:
"Sofern die gestellten technischen und terminlichen Anforderungen auch bei einer anderen Konstruktionsart realisiert werden, muss diese technische Lösung mit Angebotsabgabe detailliert beschrieben werden."
Die Konstruktionsbeschreibung lässt erkennen, welche Anforderungen die Antragsgegnerin an die Baukonstruktion stellt und welche Vorteile sie in einer Konstruktion mit Raummodulen sieht.
Die Anforderungen an die technische Gebäudeausrüstung sind unter Ziffer 3.3. beschrieben.
Den Vergabeunterlagen ist ein Schwingungsgutachten beigefügt, das sich mit der Schwingungsproblematik vor Ort auseinandersetzt und Hinweise für die Planung enthält.
In den Besonderen Vertragsbedingungen wurden der 11.09.2014 als Baubeginn und der 22.06.2015 als Termin für die abnahmereife Fertigstellung verbindlich festgelegt. Diese Termine wurden bei Verlängerung der Angebotsfrist um jeweils 10 Tage verschoben.
Während der Angebotsphase präzisierte die Vergabestelle auf Nachfrage die Anforderungen an Form und Inhalte der zu den Wertungskriterien vorzulegenden Konzeptausarbeitungen wie folgt:
"Der den Ausschreibungsunterlagen zugrunde liegende Gebäudeentwurf enthält präzise Angaben zum Raumprogramm, den Raumbeziehungen, der jeweiligen Raumausstattung und den jeweiligen Raumanforderungen in technischer und baulicher Hinsicht. Bauteile und technische Anlagen sind also hinsichtlich ihres jeweiligen Aufbaus überwiegend nicht definiert.
Zu 2. Es werden generelle Aussagen zur Konzeption der geforderten technischen Anlagen erwartet, die erkennen lassen, dass die Anforderungen verstanden, erfüllt sowie kalkulatorisch berücksichtigt werden. Dies kann beispielsweise durch schriftliche Erläuterungen und Schemata erfolgen.
Zu 3. Es werden generelle Aussagen erwartet, wie die Anforderungen an Schwingungen im Gebäude erfüllt werden, zu denen das den Ausschreibungsunterlagen beiliegende Schwingungsgutachten in Verbindung mit dem ebenfalls beiliegenden Baugrundgutachten entsprechende Angaben enthält. Dies kann beispielsweise durch schriftliche Erläuterungen, Skizzen, Berechnungen erfolgen.
Zu 4. Die Maßnahmen für die notwendige Baustellenlogistik ergeben sich aus der Bauart und den spezifischen Bedingungen vor Ort (Baufeld, Erreichbarkeit, Einflugschneise des Hubschrauberlandeplatzes, Krankenhausbetrieb).
Zu 5. Wir erwarten Aussagen zu den Methoden der Qualitätssicherung während der Bauausführung. Dies kann beispielsweise durch schriftliche Beschreibungen und Organigramme erfolgen.
Zu 6. Wir erwarten die Herausstellung der wesentlichen Maßnahmen für die Erfüllung der ENEV 2014 sowie Aussagen zu den Themen Nachhaltigkeit und Betriebskosten."
Bezüglich der Geschosshöhen stellte die Vergabestelle klar:
Von der in dem mit den Ausschreibungsunterlagen mitgelieferten Schnitt angegebenen Raumhöhe darf abgewichen werden, wenn außer den bauordnungsrechtlichen Anforderungen die Vorgaben für die Laboreinbauten eingehalten werden, ..."
Auf die Bieterfrage, ob eine konventionelle Bauweise mit entsprechender Flexibilität der einzelnen Raumeinheiten zulässig sei, gab die Vergabestelle folgende Antwort:
Ja, wenn mit Flexibilität die Beachtung der den Ausschreibungsunterlagen zugrunde liegenden Grundrisslösung und die geforderte Möglichkeit der späteren Erweiterung um 2 Vollgeschosse gemeint ist und die Terminvorgaben für die Realisierung eingehalten werden. Unseres Erachtens ist die Berücksichtigung von vorgefertigten Bauelementen notwendig, um den aufgezeigten Terminrahmen einzuhalten...."
Nach Maßgabe der Niederschrift über die Submission sind insgesamt 5 Angebote eingegangen. Nach den eingetragenen Angebotssummen hat die Antragstellerin das preislich niedrigste Angebot vorgelegt. Auf Rang 2 folgt diesbezüglich das Angebot der Beigeladenen.
Die Angebote wurden geprüft und fehlende Erklärungen und Nachweise wurden nachgefordert. In einem Bietergespräch hatten die Bieter Gelegenheit, ihr Gesamtangebot vorzustellen, von der Vergabestelle gestellte Detailfragen zu ihren konzeptionellen Annahmen und Ansätzen zu beantworten, unklare Angaben ihrer Angebote aufzuklären und eigene Fragen zu stellen. Die Bietergespräche mit der Antragstellerin und der Beigeladenen fanden am 14.08.2014 statt. Sie wurden protokolliert. Mit Schreiben vom 21.08.2014 stellte die Vergabestelle der Antragstellerin ergänzende Fragen zum Lüftungskonzept inkl. Wärmerückgewinnung, welche die Antragstellerin mit Schreiben vom 25.08.2014 beantwortete.
Das Ergebnis der Prüfung und Wertung wurde im Vergabevorschlag vom 26.08.2014 dokumentiert. Unter Ziffer 5 des Vergabevorschlags wird zur Aufklärung des Angebotes der Antragstellerin u.a. vermerkt:
"Erläuterungen zum TGA-Konzept sind schlüssig, sind analog der Funktionalbeschreibung, diese wurden verstanden und angeboten. Dies wurde auch im Aufklärungsgespräch vom 14.08.2014 bestätigt. ... Die konzeptionellen Ansätze zur Baukonstruktion wurden vorgetragen. Besonders der konzeptionelle Ansatz eines Doppelbodenkanals als Installationsebene ist nach Prüfung nicht schlüssig. Der Bewerber erklärt, dass alle Leistungen vollständig beschrieben und verstanden wurden."
Dem Vorschlag beigefügt ist die Tabelle "Auswertung Zuschlagskriterien als Anlage zum Vergabevorschlag", in welcher für jedes Angebot die für die einzelnen Kriterien erreichten Punktzahlen und die Gründe hierfür benannt sind.
Beim Kriterium 1. "Preis" hat die Antragstellerin 30 und damit die maximal mögliche Punktzahl erreicht. Beim Kriterium 2. "Konzeption der technischen Gebäudeausrüstung" erhielt sie 15 von 20 Punkten, weil sie ein "gutes Konzept (Vorplanungsstadium)" vorgelegt habe, dessen "Ansatz ... trotz fehlender Schemata gut erkennbar und nachvollziehbar" sei. Beim Kriterium 3. "Konzeption der Baukonstruktion" erreichte die Antragstellerin nur 5 von 15 Punkten. Negativ bewertet wurde hier der geplante Einsatz von Mauerwerk, bei dem ein hohes Terminrisiko und die Gefahr von Schäden durch Feuchtigkeit gesehen werden. Bei den Kriterien 4 bis 7 erreichten weder die Beigeladene noch die Antragstellerin die maximal erreichbaren Punktzahlen und wurden nahezu gleich bewertet.
Im Ergebnis erhielt die Antragstellerin 75 von 100 Punkten. Ihr Angebot liegt damit auf Rang 2 hinter dem Angebot der Beigeladenen mit 85,75 Punkten. Die Vergabestelle kommt zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung aller Zuschlagskriterien der Zuschlag auf das höher bewertete Angebot der Beigeladenen zu erteilen ist.
Mit Schreiben vom 29.08.2014 wurden die Bieter über das Ergebnis der Ausschreibung und den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen informiert. Der Antragstellerin wurde Folgendes mitgeteilt:
"Das Angebot Ihres Hauses konnte insgesamt nicht die Standards erreichen, die der beste Bieter gesetzt hat. Die in den schriftlichen Angebotsunterlagen vorhandenen konzeptionellen Darstellungen hätten sich nach Einschätzung der Vergabestelle noch dezidierter mit den Besonderheiten des Projektes, wie sie aus den Ausschreibungsunterlagen erkennbar waren, auseinandersetzen können. Abzüge waren zu machen bei der Konzeption der technischen Gebäudeausrüstung und der Baukonstruktion."
Mit anwaltlichem Rügeschreiben vom 05.09.2014 beanstandete die Antragstellerin das aus ihrer Sicht unzureichende Informationsschreiben und die darin mitgeteilte Entscheidung als vergaberechtswidrig. Es gebe keine Gründe für Punktabzüge bei den Kriterien Konzeption der technischen Gebäudeausrüstung und Baukonstruktion. Unklar sei auch die Wertung der übrigen qualitativen Kriterien. Selbst wenn Abzüge bei der qualitativen Wertung gerechtfertigt wären, könnten sie den Punktvorsprung aus dem Kriterium Preis nicht ausgleichen, sodass selbst dann der Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin erteilt werden müsse.
Mit Nachprüfungsantrag vom 08.09.2014 wandte sich die Antragstellerin gegen den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen. Hierzu trägt sie vor, ihr eigenes Angebot sei das preislich günstigste und müsse dafür die höchste Punktzahl erhalten. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Beurteilung sei fehlerhaft, ihr Angebot sei bei der qualitativen Wertung zu Unrecht abwertet worden. Das Angebot erfülle alle Vorgaben der Ausschreibung, auch seien alle geforderten Unterlagen rechtzeitig, vollständig und prüffähig vorgelegt worden. Die Beurteilungsmaßstäbe seien nicht zutreffend angewandt und es seien nicht zulässige Kriterien in die Wertung eingestellt worden.
Nach Akteneinsicht trug sie vor, die Abwertung beim Kriterium "Konzeption der technischen Gebäudeausrüstung" wegen Nichtvorlage nicht ausdrücklich geforderter Schemata sei unzulässig, auch sei die Punktedifferenz zwischen ihrem guten und dem sehr guten Konzept der Beigeladenen mit 25 % zu hoch.
Die Baukonstruktion sei den Bietern freigestellt. Unter Berücksichtigung der Vorgaben der Ausschreibung und insbesondere des Schwingungsgutachtens habe sie bewusst eine Ortbetonkonstruktion mit flexiblen Raumsystemen gewählt. Ihr Konzept erfülle alle Anforderungen der Ausschreibung und sei auch schlüssig.
In die Wertung des Kriteriums "Baukonstruktion" habe die Antragsgegnerin unzulässig ein Kriterium "Bauzeit" eingeführt, welches nicht bekannt gegeben worden sei. Sie habe anhand geeigneter Terminplanungen nachgewiesen, dass die vorgegebene Bauzeit eingehalten wird. Im Bietergespräch habe die Antragsgegnerin diesbezüglich auch keinerlei Zweifel vorgetragen. Soweit die Antragsgegnerin eine Abwertung wegen des Risikos von Schäden durch Feuchtigkeit vorgenommen habe, sei dies nicht nachvollziehbar, denn Baufeuchte sei im Mauerwerksbau normal und kein Schaden. Zu Unrecht gehe die Antragsgegnerin davon aus, dass für ihr Konzept zusätzliche Planungen erforderlich seien.
Sie habe sowohl die Konzeption der technischen Gebäudeausrüstung als auch die von ihr gewählte Baukonstruktion im Rahmen des Bietergespräches am 14.08.2014 vorgestellt. Die Antragsgegnerin habe die vorgestellten Lösungen nachvollzogen und akzeptiert. Selbst wenn sich der Antragsgegnerin nicht alle Vorteile der von ihr vorgestellten Konstruktion erschließen, erfülle ihr Konzept die Vorgaben der Ausschreibung und sei eine Bewertung mit nur fünf von 15 Punkten ungerechtfertigt.
Auch bei den übrigen Kriterien habe die Antragsgegnerin Kürzungen der Punktzahlen vorgenommen, die nicht nachvollziehbar dokumentiert oder gänzlich unbegründet seien.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
die Antragsgegnerin anzuweisen, bei dem genannten Bauvorhaben Neubau xxxxxx das Angebot der Antragstellerin wieder in die Wertung aufzunehmen und das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzusetzen;
- 2.
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen aufzuerlegen und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.
die Antragsgegnerin beantragt,
- 1.
1. den Nachprüfungsantrag als unzulässig,
hilfsweise
als unbegründet zurückzuweisen;
- 2.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen;
- 3.
festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin notwendig war.
Sie hält den Antrag bereits für unzulässig, weil die Antragstellerin ihre Rügen nicht unverzüglich und ohne das erforderliche Abhilfeverlangen vorgetragen habe. Der Antrag sei im Übrigen unbegründet, denn die vorgenommene Wertung der Angebote sei nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin verkenne, dass allein die Erfüllung der Vorgaben der funktionellen Leistungsbeschreibung keinen Anspruch auf die maximale Punktzahl vermittelt. Höchste Punktzahlen erhielten die Konzepte, welche die Vorgaben im Vergleich besser bzw. optimal erfüllen.
Die vorgenommenen Abwertungen bei den Kriterien "Konzept der technischen Gebäudeausrüstung" und "Baukonstruktion" seien berechtigt. Die Antragstellerin habe lediglich als textliche Beschreibung einen "konzeptionellen Ansatz TGA" und damit eine Vorplanung vorgelegt. Auch im Rahmen des Bietergespräches sei ein bereits schlüssiges Konzept nicht zu erkennen gewesen, so dass nicht die volle Punktzahl vergeben werden konnte. Dagegen sei das Konzept TGA der Beigeladenen vollständig, nachvollziehbar und schlüssig gewesen.
Auch ihr Konzept zur Baukonstruktion habe nicht überzeugen können. Es sei hinsichtlich der Decken unvollständig. Die beabsichtigte Montage der Installation unterhalb der Geschossdecken führe zu einer negativ zu wertenden Erhöhung des Gebäudevolumens. Die von ihr gewählte Massivkonstruktion sei sehr witterungsabhängig und habe damit ein höheres Risiko für Terminüberschreitungen. Das besser bewertete Angebot der Beigeladenen beinhalte eine Konstruktion mit einem hohen Vorfertigungsgrad, die mit geringen Risiken für Terminüberschreitungen verbunden sei.
Nicht schlüssig sei ihr Konzept auch hinsichtlich des Fußbodenaufbaus. Sie habe einen Hohlraumboden mit zusätzlicher Installationsebene angeboten, aber offenbar verkannt, dass diese Konstruktion keine Vorteile für Nachinstallationen bringt, weil die Laborräume einen Oberbelag aus wasserdichtem Material erhalten sollen.
Ihr Konzept eines Doppelbodens erfordere eine separate Planung für die Schwingungsproblematik. Es sei nicht schlüssig, weil die Vorteile des Massivbaues teilweise wieder aufgehoben würden und Probleme noch ungelöst blieben.
Das Konzept der Beigeladenen sei zu Recht besser bzw. höher bewertet worden.
Bei der Wertung der Kriterien 4 bis 7 seien die konzeptionellen Ansätze je nach Nachvollziehbarkeit unterschiedlich bewertet worden.
Im Falle der Antragstellerin seien die Abzüge bei den qualitativen Kriterien nicht durch die volle Punktzahl beim Preis ausgeglichen worden. Selbst wenn es der Antragstellerin gelingen sollte, ihre Wertung in einigen Punkten zu verbessern, werde sie den Vorsprung der Beigeladenen nicht aufholen können.
Die Beigeladene beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
- 2.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beigeladenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen;
- 3.
festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Beigeladenen notwendig war.
Hierzu trägt sie vor, die vorgenommene Wertung sei nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin habe sich bereits zu ihrer Ausschreibung für ein modulares, hochvorgefertigtes Bausystem entschieden. In den Antworten auf Bieterfragen war mitgeteilt worden, dass ein Massivbau nur dann angeboten werden könne, soweit er mit der ausgeschriebenen Modulbauleistung vergleichbar sei. Insoweit seien die Bieter bei der Wahl der Baukonstruktion nicht gänzlich frei gewesen. Das Kriterium "Termin" ergebe sich aus den Vergabeunterlagen, aus denen eindeutig hervorgehe, dass ein zügiger und störungsfreier Bauablauf und die Einhaltung der vorgegebenen Terminwünsche zu gewährleisten sind. Eine Abwertung des Angebotes der Antragstellerin wegen der Witterungsabhängigkeit und der Baufeuchte einer Bauweise in Ortbeton sei im Falle der hier vorliegenden Ausschreibung einer Modulbauweise durchaus gerechtfertigt. Soweit das Konzept der Antragstellerin den Einbau von Unterzügen erfordere, die wegen der hierdurch erschwerten Leitungsführung zu einer Erhöhung der Gebäudekubatur führen, rechtfertige auch dies eine Abwertung, wenn nicht gar einen Ausschluss aus der Wertung. Der von der Antragstellerin anstelle des ausgeschriebenen Estrichs geplante Doppelboden sei schwingungs- und schalltechnisch problematisch und rechtfertige ebenfalls einen Punktabzug. Soweit ihr eigenes Angebot beim TGA-Konzept höher bewertet worden sei, sei dies gerechtfertigt, denn sie habe sich tief in diesen Aspekt eingearbeitet und dementsprechend detaillierte und überzeugende Unterlagen zur Darstellung ihres Konzeptes vorgelegt. Dies habe den Bietern nach den Vergabeunterlagen offen gestanden. Die Antragstellerin habe diese Möglichkeit offenbar nicht genutzt.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 29.09.2014 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) hinaus bis zum 03.11.2014 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 17.10.2014 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin aufgrund der von ihr zulässigerweise angebotenen konventionellen Massivbauweise wegen bauartbedingter Terminrisiken und der Gefahr von Feuchtigkeitsschäden beim Zuschlagskriterium "Konzeption der Baukonstruktion insbes. Schwingungsthematik" abzuwerten, in ihren Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat die Wertung zwar auf der Grundlage der von den Bietern angebotenen Preise, der abgeforderten Konzeptionen und Zertifikate und damit der festgelegten und bekannt gemachten Zuschlagskriterien sowie der ebenfalls bekannt gemachten Gewichtung dieser Kriterien durchgeführt. Die Antragstellerin konnte jedoch auch aus der Sicht eines erfahrenen Bieterunternehmens anhand der kurzen Beschreibung der Anforderungen an Form und Inhalte der von den Bietern vorzulegenden Konzeptausarbeitungen nicht erkennen, dass bauartbedingte Terminrisiken und sonstige spezifische Risiken der von ihr angebotenen konventionellen Bauweise, die die Antragsgegnerin auf Nachfrage ausdrücklich zugelassen hatte, zu einem Bewertungsmalus gegenüber Bietern führen würden, die die von der Antragsgegnerin bevorzugte Modularbauweise angeboten haben. Die Antragsgegnerin hat somit zulasten der Antragstellerin Unterkriterien berücksichtigt, die sie entgegen § 16 EG Abs. 7 Satz 1 VOB/A den Bietern nicht bekanntgemacht hat. Ferner hat sie es versäumt, Bewertungsmaßstäbe für die Bewertung der Bieterkonzeptionen festzulegen und bekanntzugeben. In der Folge genügt deshalb auch die Dokumentation der Angebotswertung zum Teil nicht den Anforderungen des § 20 EG VOB/A.
1. Der Nachprüfungsantragsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Stiftung des öffentlichen Rechts gem. § 55 Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG), die gem. § 62 Abs. 1 NHG der Rechtsaufsicht des Landes Niedersachsen untersteht. Sie ist damit öffentlicher Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag i. S. des § 1 EG VOB/A, für den gem. § 2 Nr. 3 VgV in der seit 01.01.2014 geltenden Fassung ein Schwellenwert von 5.186.000,00 € gilt. Die Antragsgegnerin hat ausweislich des in der Vergabeakte enthaltenen "Vergabevermerk - Haushalt/Kosten/Ausführungsfristen" die Kosten für die zu vergebenden Leistungen auf über xxxxxx € geschätzt.
Die Antragstellerin war auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hatte und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, in dem sie vorträgt, sie sei mit Ihrer Baukonzeption für eine Ausführung in konventioneller Massivbauweise aufgrund von vermeintlich bauartbedingten Terminrisiken und sonstigen Risiken abgewertet worden, obwohl die Antragsgegnerin derartige Unterkriterien und ihre Wertungsrelevanz weder in der kurzen Beschreibung der Anforderungen an Form und Inhalte der von den Bietern vorzulegenden Konzeptausarbeitungen noch in sonstiger Weise in den Vergabeunterlagen festgelegt und bekannt gemacht hatte. Auch seien weder die zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe noch die Gründe für die konkrete Punktevergabe anhand der Dokumentation nachvollziehbar. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 102 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet und darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.05.2006 - X ZB 14/06). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorgetragen hat, dass sie bei einer aus ihrer Sicht gebotenen, besseren Bewertung ihrer Konzeptionen und insbesondere der Konzeption der Baukonstruktion eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte, zumal sie das preislich günstigste Angebot abgegeben hat.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Die Antragstellerin hat mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 29.08.2014, eingegangen per Fax vom gleichen Tage, gemäß § 101a GWB die Information erhalten, dass die Antragsgegnerin beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Ferner teilte die Antragsgegnerin die Gründe für die gegenüber der Beigeladenen schlechtere Bewertung des Angebots der Antragstellerin mit. Mit Anwaltsschreiben vom 05.09.2014 rügte die Antragstellerin die aus ihrer Sicht vergaberechtswidrige Entscheidung.
Die Rüge erfolgte somit sieben Tage nach Kenntniserlangung von der beanstandeten Entscheidung der Antragsgegnerin. Nach der Rechtsprechung des OLG Koblenz (Beschluss v. 24.04.2003 - 1 Verg 2/03 und Beschluss vom 18.09.2003 - 1 Verg 4/04 = VergabeR 2003, Seite 709, 711) muss die Rüge grundsätzlich innerhalb von ein bis drei Tagen nach Kenntnisnahme vom vermeintlichen Vergaberechtsverstoß erfolgen. Die Ausschöpfung der maximalen Rügefrist von zwei Wochen kann einem Antragsteller nach einhelliger Auffassung allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundige Unterstützung erfordert (vgl. Byok in: Byok/Jaeger, VergabeR, 3. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 61, m. w. N.).
Es kann jedoch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des OLG München (Beschluss vom 19.12.2013 - Verg 12/13, zitiert nach ibr-online) vorliegend dahinstehen, ob die Präklusionsregel gem. § 107 Ab. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 28.01.2010 in den Rs.C-406/08 und C-456/08) überhaupt noch anwendbar ist ( OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010, Az.: WVerg 6/10, und OLG Rostock, Beschluss vom 20.10.2010, Az.: 17 Verg 5/10, zitiert nach ibr-online; offen gelassen noch durch OLG Celle, Beschluss vom 16.09.2010, Az.: 13 Verg 8/10). Bei diesen beiden zum irischen und englischen Recht ergangenen Entscheidungen des EuGH ging es um die Frage, ob ein Nachprüfungsantrag zulässig ist, wenn das Verfahren nicht unverzüglich eingeleitet wird. Der EuGH hat in den dortigen Entscheidungen den Unverzüglichkeitsbegriff als zu unbestimmt bewertet.
Das OLG München hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 19.12.2013 - Verg 12/13 offen gelassen, ob die Präklusionsregel des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nach diesen Entscheidungen des EuGH überhaupt noch anwendbar ist oder dem Europarecht widerspricht. Zumindest aber lasse sich den EuGH-Entscheidungen entnehmen, dass der Primärrechtsschutz nicht durch zu unklare Anforderungen verhindert werden soll. Das bedeutet auch, dass bei einer Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen nicht zu kleinlich zu verfahren ist (ebenso bereits OLG München, Beschluss vom 06.08.2012 - Verg 14/12, zitiert nach ibr-online). Im Ergebnis hat das OLG München eine innerhalb von sieben Werktagen nach Kenntniserlangung vom gerügten Sachverhalt erfolgte Rüge noch als unverzüglich i. S. des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gewertet. Zur Begründung hat das OLG betont, dass in der vergaberechtlichen Rechtsprechung auch anerkannt ist, dass zur Abklärung, ob eine Rüge - und damit nachfolgend ein Nachprüfungsantrag - eingereicht werden soll, der Rat eines Anwalts eingeholt werden darf bzw. dem Bieter eine Überlegungsfrist zuzubilligen ist. Dies ist in Anbetracht der nicht leicht durchschaubaren rechtlichen Fragen und der nicht unerheblichen finanziellen Folgen, welche sich an die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens knüpfen, auch berechtigt. Unter Berücksichtigung dieser aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch die Antragstellerin nach Erhalt des Informationsschreibens der Antragsgegnerin zunächst einen Rechtsanwalt konsultiert und diesen mit der Absetzung der Rüge beauftragt hat, bewertet die Vergabekammer die vorliegend innerhalb von sieben Kalendertagen an die Antragsgegnerin übersandte Rüge noch als unverzüglich und damit rechtzeitig i. S. des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.
Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig.
2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Antragsgegnerin hat gegen den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB verstoßen. Sie hat die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 16 EG Abs. 7 VOB/A zwar unter Zugrundelegung der den Bietern bekannt gemachten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung durchgeführt. Sie hat jedoch bei der Bewertung des Zuschlagskriteriums "Konzeption der Baukonstruktion insbesondere Schwingungsthematik" zulasten der Antragstellerin bauartbedingte Terminrisiken und sonstige spezifische Risiken der von ihr zulässigerweise angebotenen konventionellen Bauweise punktemindernd berücksichtigt, obwohl sie auf die Berücksichtigung derartiger Aspekte weder in ihren kurzen Anforderungen an Form und Inhalte der von den Bietern vorzulegenden Konzeptausarbeitungen noch an sonstiger Stelle in den Vergabeunterlagen hingewiesen hatte. Sie hat damit zulasten der Antragstellerin Unterkriterien berücksichtigt, die sie entgegen § 16 EG Abs. 7 Satz 1 VOB/A den Bietern nicht bekannt gemacht hat (im folgenden a). Die Antragsgegnerin hat es ferner versäumt, über die Gewichtung hinaus Bewertungsmaßstäbe für die Bewertung der Bieterkonzeptionen festzulegen und bekannt zu geben. Daher ist auch die konkrete Punktevergabe nicht immer nachvollziehbar und genügt zum Teil nicht den Anforderungen an die Dokumentation des Vergabeverfahrens gemäß § 20 EG VOB/A (im folgenden b).
a. Die Antragsgegnerin hat bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zulasten der Antragstellerin gegen § 16 EG Abs. 7 VOB/A verstoßen, indem sie bei der Bewertung des Zuschlagskriteriums "Konzeption der Baukonstruktion insbesondere Schwingungsthematik" bauartbedingte Terminrisiken und sonstige spezifische Risiken der von der Antragstellerin zulässigerweise angebotenen konventionellen Bauweise Punkte mindernd berücksichtigt hat, obwohl sie weder entsprechende Unterkriterien festgelegt noch die Bieter in der kurzen Beschreibung der Anforderungen an Form und Inhalte der von den Bietern vorzulegenden Konzeptausarbeitungen auf die Bewertungsrelevanz derartiger Aspekte hingewiesen hatte.
Gemäß § 97 Abs. 5 GWB ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Gemäß § 17 EG Abs. 7 VOB/A dürfen bei der Wertung der Angebote nur Kriterien und deren Gewichtung berücksichtigt werden, die in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen genannt sind. Die Kriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen und können beispielsweise sein: Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist. Die Vergaberichtlinien der EU legen übereinstimmend fest, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich 2 Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Bieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet, oder denjenigen Bieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Art. 53 und 54 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (VKR)). Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs. 5 GWB jedoch zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium "wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebotes im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes eine maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht vielmehr regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht dass allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97, Rn. 144).
Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Angebotswertung an die von ihm festzulegenden und bekannt zu machenden Zuschlagskriterien im Sinne des § 17 EG Abs. 7 VOB/A gebunden. Dies gilt auch für die vom Auftraggeber festgelegten Unterkriterien und ihre Gewichtung. Mit dieser Verpflichtung soll erreicht werden, dass die Bieter vorher sehen können, auf was es dem Auftraggeber bei den Angeboten ankommt. Nur so können Bieter die Zielstellung und Wünsche des Auftraggebers bei der Angebotserstellung berücksichtigen. Für den Auftraggeber hat die Angabe der Zuschlagskriterien den Vorteil, dass er auf seine konkreten Bedürfnisse zugeschnittene Angebote erhält. Zugleich werden dadurch Manipulationen des Verfahrens ausgeschlossen und die Zuschlagsentscheidung wird transparent sowie nachprüfbar. Eine Festlegung der Zuschlagskriterien kann den Auftraggeber durch die damit eintretende Selbstbindung auch vor der Einflussnahme Dritter schützen (vgl. Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Aufl., § 9 EG VOL/A, Rn. 13, m. w. N.). Dabei ist zudem zu beachten, dass es nicht immer ausreicht, lediglich die Hauptzuschlagskriterien und ihre Gewichtung bekannt zu geben. Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe von Unterkriterien und deren Gewichtung besteht jedenfalls auch dann, wenn sich für die Bieter die Kenntnis davon auf den Inhalt ihrer Angebote auswirken kann (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.1.2008 - Verg 15/07).
Die Antragsgegnerin hatte ihre Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung in der europaweiten Bekanntmachung wie folgt festgelegt:
1. Preis mit 30 %
2. Konzeption der technischen Gebäudeausrüstung mit 20 %
3. Konzeption der Baukonstruktion insbesondere Schwingungsthematik mit 15 %
4. Konzeption zur Erbringung der Leistung mit 10 %
5. Konzeption der Qualitätssicherung in der Bauphase mit 10 %
6. energetische Qualität und Ökologie mit 10 %
7. Qualitätssicherung (Zertifikate) mit 5 %.
Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe erhielten die Bieter die Vergabeunterlagen bestehend aus der Projektbeschreibung, den Leistungsbeschreibungen des Gebäudes und der Laboreinrichtung mit entsprechenden Zeichnungen und Plänen, verschiedenen Gutachten und Nachweisen sowie den Ausführungsrichtlinien und den Standards der Antragsgegnerin. In den Vorbemerkungen zur Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm teilte die Antragsgegnerin den Bietern mit, dass ein Angebot für ein schlüsselfertiges Gebäude aus modularen Bausystemen oder mit einem hohen Vorfertigungsgrad erwartet wird. Unter Ziffer 2 wird die Baukonstruktion der Raummodule beschrieben, wobei die beschriebene Konstruktionsart ausdrücklich nur beispielhaft sein sollte. Für abweichende Konstruktionsarten wurde vorgegeben:
"Sofern die gestellten technischen und terminlichen Anforderungen auch bei einer anderen Konstruktionsart realisiert werden, muss diese technische Lösung mit Angebotsabgabe detailliert beschrieben werden."
Eine nähere Erläuterung der bewertungsrelevanten Aspekte oder eine detaillierte Festlegung der Anforderungen an die Konzeptionen enthielt die Aufforderung zur Angebotsabgabe jedoch nicht. Erst auf Bieternachfrage während der Angebotsphase präzisierte die Antragsgegnerin ihre Anforderungen an Form und Inhalte der zu den Wertungskriterien vorzulegenden Konzeptausarbeitungen. So teilte die Antragsgegnerin zum Zuschlagskriterium 3 "Konzeption der Baukonstruktion insbesondere Schwingungsthematik" mit:
"Es werden generelle Aussagen erwartet, wie die Anforderungen an Schwingungen im Gebäude erfüllt werden, zu denen das den Ausschreibungsunterlagen beiliegende Schwingungsgutachten in Verbindung mit dem ebenfalls beiliegenden Baugrundgutachten entsprechende Angaben enthält. Dies kann beispielsweise durch schriftliche Erläuterung, Skizzen, Berechnungen erfolgen."
Zum Zuschlagskriterium 4 "Konzeption zur Erbringung der Leistung" wurde ausgeführt:
"Die Maßnahmen für die notwendige Baustellenlogistik ergeben sich aus der Bauart und den spezifischen Bedingungen vor Ort (Baufeld, Erreichbarkeit, Einflugschneise des Hubschrauberlandeplatzes, Krankenhausbetrieb)."
Ausweislich der dem Vergabevermerk beigefügten tabellarischen Auswertung vom 27.08.2014 hat die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin zum Kriterium "Konzeption der Baukonstruktion insbesondere Schwingungsthematik" lediglich mit 5 von maximal 15 erreichbaren Punkten bewertet. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin in der tabellarischen Auswertung ausgeführt:
"Massive Bauweise, teilweise mit vorgefertigten Elementen, jedoch auch mit MW bedeutet hohes Terminrisiko. Es bestehen erhebliche Risiken im Hinblick auf Schäden durch Feuchtigkeit. Doppelbodenkanal als zusätzliche Installationsebene soll Flexibilität bringen. Das Konzept ist nicht schlüssig."
Auch im Vergabevorschlag vom 26.8.2014 heißt es zur Baukonstruktion der Antragstellerin auf Seite 6:
"Die qualitativen Angaben sind plausibel. Allerdings wird die Umsetzbarkeit des konzeptionellen Ansatzes zur Realisierung in Massivbauweise im vorgegebenen Terminrahmen als nicht machbar eingeschätzt. Die geforderten Produkt- und Fabrikatsangaben sind nach Prüfung ausreichend und erfüllen die geforderten Qualitäten."
Auf Seite 8 des Vergabevorschlags wird inhaltlich das Ergebnis eines Aufklärungsgesprächs mit der Antragstellerin vom 14.08.2014 wiedergegeben. Dort heißt es:
"Die konzeptionellen Ansätze zur Baukonstruktion wurden vorgetragen. Besonders der konzeptionelle Ansatz eines Doppelbodenkanals als Installationsebene ist nach Prüfung nicht schlüssig. Der Bewerber erklärt, dass alle Leistungen vollständig beschrieben und verstanden wurden."
Demgegenüber erzielte die Beigeladene, deren Angebot eine Bauausführung in Modularbauweise vorsieht, für ihre Konzeption der Baukonstruktion die mögliche Höchstbewertung von 15 Punkten. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin in der tabellarischen Auswertung ausgeführt:
"Die Bauweise aus Betonfertigteilen und Stahlrahmen und nach Erfordernis massiven Bauteilen entsprechend Schallgutachten ohne Unterzüge zeigt ein sehr ökonomisches Konzept und ein hohes Maß an Flexibilität."
Ergänzend dazu hat die Antragsgegnerin auf Seite 7 ihres Vergabevorschlags ausgeführt:
"Die geforderten Produkt- und Fabrikatsangaben sind nach Prüfung ausreichend und erfüllen die geforderten Qualitäten. Die abgefragten Einheitspreise sind im Vergleich angemessen und wirtschaftlich."
Aus der insoweit korrespondierenden, wenn auch knapp dokumentierten Begründung der Bewertung der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen zum Zuschlagskriterium 3 wird ersichtlich, dass der deutliche Punkteabschlag für die von der Antragstellerin vorgelegte Konzeption der Baukonstruktion in erster Linie darauf zurückzuführen ist, dass die Antragstellerin eine Bauausführung in konventioneller Massivbauweise vorsieht, während die Beigeladene eine Bauausführung in der von der Antragsgegnerin präferierten Modularbauweise angeboten hat.
Die Vergabekammer verkennt nicht, dass die konzeptionell unterschiedliche Art der Bauausführung Auswirkung auf die Einhaltung des vorgegebenen respektive zur Verfügung stehenden Terminrahmens haben kann. Auch mag es sein, dass - wie von der Antragsgegnerin vermerkt - der von der Antragstellerin vorgesehene Einsatz von Mauerwerk gegenüber der Modularbauweise mit Fertigteilen ein höheres Risiko von Feuchtigkeitsschäden mit sich bringt. Die Antragstellerin musste und konnte vorliegend bei der Ausarbeitung ihres Angebotes jedoch nicht damit rechnen, dass ihre Konzeption der Baukonstruktion von vornherein mit einem Bewertungsmalus versehen werden würde, weil sie eine konventionelle Massivbauweise anbietet. Denn eine Ausführung in konventioneller Massivbauweise war von der Antragsgegnerin unstreitig nicht ausgeschlossen worden, obgleich nach den Vorbemerkungen zur Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm ein Angebot für ein schlüsselfertiges Gebäude aus modularen Bausystemen oder mit einem hohen Vorfertigungsgrad erwartet wurde. Unter Ziffer 3.2 der Leistungsbeschreibung wurde zwar eine Baukonstruktion der Raummodule beschrieben, es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die beschriebene Konstruktionsart nur beispielhaft sein sollte. Abweichende Konstruktionsarten wurden ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Diesbezüglich wurde lediglich ausdrücklich vorgegeben:
"Sofern die gestellten technischen und terminlichen Anforderungen auch bei einer anderen Konstruktionsart realisiert werden, muss diese technische Lösung mit Angebotsabgabe detailliert beschrieben werden."
Auch auf die ausdrückliche Bieteranfrage, ob eine konventionelle Bauweise mit entsprechender Flexibilität der einzelnen Raumarbeiten zulässig ist, antwortete die Antragsgegnerin lediglich:
"Ja, wenn mit Flexibilität die Beachtung der den Ausschreibungsunterlagen zugrunde liegenden Grundrisslösung und die geforderte Möglichkeit der späteren Erweiterung um 2 Vollgeschosse gemeint ist und die Terminvorgaben für die Realisierung eingehalten werden. Unseres Erachtens ist die Berücksichtigung von vorgefertigten Bauelementen notwendig, um den aufgezeigten Terminrahmen einzuhalten..."
Die Antragsgegnerin hat somit bewusst Hauptangebote unter Zugrundelegung einer Ausführung in konventioneller Massivbauweise nicht ausgeschlossen. Sie hätte daher, um ihren gegen eine derartige Art der Bauausführung gleichwohl bestehenden Bedenken Rechnung zu tragen, zumindest in den den Bietern während der Angebotsphase übersandten Anforderungen an Form und Inhalte der zu den Wertungskriterien vorzulegenden Konzeptausarbeitungen oder aber als ausdrückliche Unterkriterien darauf hinweisen müssen, dass die Aspekte der Absicherung der Einhaltung des Terminrahmens und der Minimierung des bauartbedingten Risikos von Feuchtigkeitsschäden wertungsrelevant sind. Eine derartige Festlegung und die ausdrücklichen Hinweise waren auch aus dem Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters keinesfalls überflüssig oder unerheblich für die Ausarbeitung der Konzeption zur Baukonstruktion. Für die Berücksichtigung der Gewährleistung der Einhaltung des Terminrahmens folgt die Notwendigkeit und Bedeutung der Festlegung und Bekanntgabe schon daraus, dass der Aspekt der Ausführungsfrist nicht nur als Unterkriterium, sondern in § 17 EG Abs. 7 VOB/A ausdrücklich sogar als Regelbeispiel für ein mögliches Hauptzuschlagskriterium benannt ist.
Da die Antragsgegnerin aber diese Aspekte punktemindernd berücksichtigt hat, ohne zuvor auf ihre Wertungsrelevanz für das Kriterium Nummer 3 "Konzeption der Baukonstruktion insbesondere Schwingungsthematik" oder - was aus Sicht der Vergabekammer näher gelegen hätte - für das Kriterium Nummer 4 "Konzeption zur Erbringung der Leistung" hinzuweisen, hat sie zulasten der Antragstellerin Unterkriterien berücksichtigt, die sie entgegen § 16 EG Abs. 7 Satz 1 VOB/A den Bietern nicht bekannt gemacht hat. Sie hat damit gegen den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz verstoßen.
b. Die Antragsgegnerin hat es ferner versäumt, über die Gewichtung hinaus Bewertungsmaßstäbe für die Bewertung der Bieterkonzeptionen festzulegen und bekanntzugeben. Daher ist auch die konkrete Punktevergabe nicht immer nachvollziehbar und genügt zum Teil nicht den Anforderungen an die Dokumentation des Vergabeverfahrens gemäß § 20 EG VOB/A. Die Antragsgegnerin hat die Angebotswertung ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte zwar unter Zugrundelegung der bekannt gemachten Zuschlagskriterien und ihrer ebenfalls bekannt gemachten Gewichtung durchgeführt. Ein konkretes Bewertungsverfahren oder Bewertungsmaßstäbe für die Bewertung der einzelnen Konzeptionen hat die Antragsgegnerin jedoch nicht festgelegt geschweige denn den Bietern bekannt gemacht. Dies führt dazu, dass anhand des in der Vergabeakte enthaltenen Vergabevorschlags und der als Anlage beigefügten tabellarischen Auswertung der Ausschreibung zwar ersichtlich ist, wie viel (Prozent-) Punkte die Bieter für ihre vorzulegenden Konzeptionen erhalten haben. Es ist jedoch nicht immer nachvollziehbar, worauf die Punkteabstände zurückzuführen sind. So hat die Antragstellerin zu Recht darauf hingewiesen, dass ihr ausweislich der tabellarischen Auswertung zum Zuschlagskriterium 7 "Qualitätssicherung/Zertifikate" von der Antragsgegnerin nur 2 von maximal 5 erreichbaren Punkten zugemessen wurden, obwohl sie unstreitig mehrere Zertifikate vorgelegt und ihr auch im Bietergespräch bestätigt wurde, dass die notwendigen Zertifikate vorgelegt wurden. Es ist in keiner Weise erkennbar, in welchem Maße die Bieter nach der Erwartungshaltung der Antragsgegnerin Zertifikate vorlegen mussten, um die Höchstpunktzahl für dieses Zuschlagskriterium zu erhalten.
Bei zwei anderen Bietern (Bieter 4 und Bieter 9) hat die Antragsgegnerin zum Zuschlagskriterium 2 "Konzeption der technischen Gebäudeausrüstung" die unterschiedliche Punktebewertung mit 10 und 12 von maximal 20 erreichbaren Punkten sogar mit einer wörtlich identischen Begründung dokumentiert. In beiden Fällen heißt es:
"Gesamteinschätzung: der Bieter... hat sich mit der Funktionalbeschreibung beschäftigt, geht aber nicht ins Detail. Konzeptioneller Ansatz ist nicht erkennbar."
Demgegenüber wird die unterschiedliche Bewertung der Konzeption der technischen Gebäudeausrüstung bei der Antragstellerin mit 15 und bei der Beigeladenen mit 18 von 20 erreichbaren Punkten immerhin damit begründet, dass die Antragstellerin ein gutes Konzept vorgelegt hat, dessen Ansatz trotz fehlender Schemata gut erkennbar und nachvollziehbar sei, während die Beigeladene ein sehr gutes Konzept vorgelegt habe, dessen konzeptioneller Ansatz sehr gut erkennbar und nachvollziehbar sei. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2014 die unterschiedliche Bewertung der Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen hinsichtlich der technischen Gebäudeausrüstung damit erklärt, dass sich Nuancen bei der Darlegung der unterschiedlichen Konzeption niedergeschlagen hätten. So sei die Darlegung in unterschiedlicher Tiefe und Ausführlichkeit erfolgt. Dies habe dazu geführt, dass die Antragstellerin 3 Punkte weniger als die Beigeladene erzielt hat. Dies sei aber auch wieder nicht ein so großer Unterschied, dass hier das Angebot der Antragstellerin etwa zu niedrig bewertet wurde. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung auch darauf hingewiesen, dass sie im Rahmen der Aufklärungsgespräche auf der Grundlage der eingereichten Konzepte erwartet hätte, dass dann entsprechende Erläuterungen zu den einzelnen Konzepten erfolgen. Auch diese Erläuterung sei aber eben in unterschiedlicher Tiefe und unterschiedlicher Qualität erfolgt, so dass sich auch dies bei der Bewertung letztlich niedergeschlagen hat.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei der Bewertung die unterschiedliche Bearbeitungstiefe, Plausibilität und Überzeugungskraft der unterschiedlichen Bieterkonzeptionen und ihrer Erläuterungen in den Aufklärungsgesprächen berücksichtigt hat. Sie hätte diese Vorgehensweise jedoch bereits im Vorfeld der Angebotswertung als Bewertungsmaßstab festlegen und den Bietern spätestens mit den während der Angebotsphase bekannt gegebenen Anforderungen an Form und Inhalte der zu den Wertungskriterien vorzulegenden Konzeptausarbeitungen bekannt geben können und müssen, damit sich die Bieter ein Bild davon machen konnten, wie sie ihre Konzeptausarbeitungen optimieren müssen, um eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen.
Die Anwendung eines an sich zulässigen, aber offenbar nur intern von der Antragsgegnerin festgelegten und in der Vergabeakte nicht dokumentierten Bewertungsmaßstabes genügt nicht den Anforderungen des vergaberechtlichen Transparenzgrundsatzes gemäß § 97 GWB und insbesondere auch nicht den Anforderungen an die Dokumentation des Vergabeverfahrens gemäß § 20 EG VOB/A. Aus § 16 EG Abs. 7 VOB/A und § 20 EG VOB/A folgt nicht nur, dass der Auftraggeber keine Kriterien, Unterkriterien oder Gewichtungsregeln anwenden darf, die er den am Auftrag interessierten Unternehmen nicht vorher zur Kenntnis gebracht hat (vergleiche EuGH, Urteil vom 24.1.2008 - C 532/06, Rn. 36-38 = VergabeR 2008, Seite 496 ff.). Die Bekanntgabepflicht erstreckt sich darüber hinaus auch auf die für die Zuschlagskriterien vom Auftraggeber in der Angebotswertung verwendeten Umrechnungsformeln und Bewertungsregeln (vgl. VK Schleswig Holstein, Beschluss vom 2. 20.1.2010, Az: VK-SH 26/09; VK Thüringen, Beschluss vom 17.11.2008, Az: 250-4003.20-5125/2008-029-J; VK Bund, Beschluss vom 10.8.2006, Az.: VK 1 55/06; VK Sachsen, Beschluss vom 11.8.2006, Az.: 1/SVK/073/06 - jeweils zitiert nach ibr-online). Die potentiellen Bieter müssen in die Lage versetzt werden, bei der Vorbereitung ihrer Angebote nicht nur vom Bestehen, sondern auch von der Tragweite der Zuschlagskriterien Kenntnis zu nehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 4. 20. 1. 2008, Az.: Rs. C-532/06, m. w. N.). Zur Tragweite der Zuschlagskriterien gehört nicht nur die Gewichtung selbst, sondern auch die jeweiligen Maßstäbe bei der Wertung, denn die inhaltliche Gestaltung der vom Auftraggeber zur Errechnung der Punkte angewendeten Maßstäbe und Formeln über ermöglicht eine Einflussnahme auf die über die jeweiligen Kriterien erzielbare Punkteverteilung.
Dabei muss ein Auftraggeber für die Angebotswertung kein bis in die letzten Unterkriterien und deren Gewichtung gestaffeltes Wertungssystem aufstellen, das im Übrigen dann auch Gefahr liefe, endlos und unpraktikabel zu werden. Zu beachten ist, dass der Auftraggeber auf der letzten Ebene der Angebotswertung einen Wertungsspielraum hat. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn sich der Auftraggeber auf der letzten Stufe der Angebotswertung in einem Restbereich eine freie Wertung vorbehält. Laut Rechtsprechung ist die fehlende Bekanntgabe von Bewertungsregeln daher dann unschädlich, wenn dem betroffenen Unterkriterium nur ein sehr geringes Gewicht zukommt, das Verschiebungen bei der Angebotsreihenfolge nur im eingeschränkten Umfang erwarten lässt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.7.2009, Az.: VII-Verg 10/09).
Die Antragsgegnerin durfte die Bieter jedoch nicht, wie geschehen, über die Bewertungsmaßstäbe völlig im Unklaren lassen. Sie hätte zumindest bekannt geben müssen, dass bei der Bewertung der Bieterkonzeptionen der Grad der Bearbeitungstiefe und der Plausibilität entscheidend für die Punktezumessung sein würde. Auf dieser Basis hätte die Antragsgegnerin dann bei der Dokumentation der Angebotswertung die jeweilige Punktevergabe durchgehend nachvollziehbar und miteinander korrespondierend textlich erläutern müssen, was ihr nach der vorliegenden, von der Antragstellerin insoweit zu Recht beanstandeten Dokumentation nur teilweise gelungen ist.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Aufgrund der oben unter II. 2. festgestellten Tatsache, dass die Antragsgegnerin bei der Angebotswertung zum Teil Unterkriterien und Bewertungsmaßstäbe angewandt hat, die sie den Bietern zuvor nicht mitgeteilt hatte, und die Antragstellerin bei der Ausarbeitung ihres Angebotes nicht erkennen konnte, dass ihre Konzeption einer Baukonstruktion auf der Grundlage eines an sich von der Antragsgegnerin zugelassenen konventionellen Massivbaus zu einem erheblichen Bewertungsmalus aufgrund bauartbedingter Termin- und sonstiger Risiken führen würde, war vorliegend festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Antragsgegnerin war daher zu verpflichten, erneut in das Vergabeverfahren einzutreten, dieses ab dem Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen, den Bietern sämtliche Anforderungen an Form und Inhalte der zu den Wertungskriterien vorzulegenden Konzeptausarbeitungen sowie ihre Bewertungsmaßstäbe mitzuteilen und die Bewertung ausschließlich unter Zugrundelegung der bekannt gemachten Zuschlagskriterien, der Unterkriterien und der Bewertungsmaßstäbe durchzuführen und in der Vergabeakte in einer den Anforderungen des § 20 EG VOB/A genügenden Weise zu dokumentieren.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 €, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.
Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx € brutto. Dieser Betrag entspricht dem von der Antragsgegnerin geprüften und dokumentierten Angebotspreis der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der z. Zt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 €(§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass sowohl die Antragsgegnerin als auch die Beigeladene, die in der mündlichen Verhandlung eigene Anträge gestellt hat, unterlegen sind, da der Nachprüfungsantrag Erfolg hatte.
Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu je 1/2 zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.
Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene im Nachprüfungsverfahren unterlegen sind, haben sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
Die Beigeladene wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den auf sie entfallenden Betrag von xxxxxx€ unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx
xxxxxx
IV.
Rechtsbehelf
...
Gause