Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 28.02.2014, Az.: VgK-01/2014

Vergabe von Personennahverkehrsleistungen als Dienstleistungsauftrag im Sektorenbereich Verkehr; Frage des Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehre als Gegenstand eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
28.02.2014
Aktenzeichen
VgK-01/2014
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 16769
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 01.07.2014 - AZ: 13 Verg 4/14

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
den xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegner -
wegen
Vergabe gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen in der Stadt und im Landkreis xxxxxx
(EU-Bekanntmachung xxxxxx)
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer BOR Peter und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl-Ök. Brinkmann im schriftlichen Verfahren
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) des Nachprüfungsverfahrens trägt die Antragstellerin.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für den Antragsgegner notwendig.

Begründung

I.

Der Auftraggeber und Antragsgegner hat mit Vorinformation vom xxxxxx.2012 die Vergabe von öffentlichen Personennahverkehrsleistungen auf der Straße im Linienverkehr im Gesamtlinienbündel "Bus xxxxxx" als wettbewerbliches Vergabeverfahren im Sinne von Artikel 5 Abs. 3 VO (EG) 1370/2007 angekündigt. Gem. Abschnitt II.8) der Vorinformation war die Betriebsaufnahme zum 01.04.2015 vorgesehen. Mit weiterer Vorinformation vom xxxxxx.2013 präzisierte der Antragsgegner die vorherige Bekanntmachung und teilte unter dem Abschnitt II.8) der Vorinformation mit, dass entsprechend dem Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre gem. § 8 Abs. 4 PBefG die Möglichkeit bestehe, innerhalb eines Zeitraums von 3 Monaten ab Bekanntmachung der Vorinformation eigenwirtschaftliche Genehmigungsanträge bei der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) zu stellen.

Als voraussichtlichen Beginn des Vergabeverfahrens teilte der Antragsgegner im Abschnitt II.6) der Vorinformation den 04.12.2013 mit. In Bezug auf das wettbewerbliche Verfahren wurde im Abschnitt II.8) der Vorinformation mitgeteilt, dass hinsichtlich der grundsätzlichen quantitativen und qualitativen Anforderungen an das Verkehrsangebot sowie die Anforderung an die Qualität der Fahrzeuge, der Infrastruktur und des Personals der vom Kreistag beschlossene Nahverkehrsplan des Landkreises xxxxxx für den Zeitraum von 2011 bis 2015 maßgeblich sei.

Am 29.11.2013 stellte die Antragstellerin als derzeitige Erbringerin der Personennahverkehrsleistungen auf den ausgeschriebenen Linien einen Antrag auf Erteilung einer eigenwirtschaftlichen gebündelten Genehmigung nach § 42 PBefG i.V.m. § 9 PBefG bei der LNVG, der von dieser dem Antragsgegner am 18.12.2013 zur Anhörung gem. § 14 PBefG übersandt wurde. Weitere Anträge auf eigenwirtschaftlichen Verkehr von anderen Verkehrsunternehmen waren innerhalb der dreimonatigen Frist nicht bei der LNVG eingegangen.

Nach Ablauf der dreimonatigen Frist zur Einreichung für eigenwirtschaftliche Genehmigungsanträge dokumentierte der Antragsgegner seine wesentlichen Vorüberlegungen und Entscheidungen zur Durchführung eines gemeinwirtschaftlichen Verfahrens in einem Vermerk vom 06.12.2013. Darin stellte der Antragsgegner u.a. dar, dass das notwendige Verkehrsangebot aufgrund steigender Kosten, rückläufiger Schülerzahlen und des demographischen Wandels voraussichtlich zukünftig nicht mehr eigenwirtschaftlich betrieben werden könne und aufgrund des aufwändigen und zeitintensiven Ausschreibungsverfahrens für ein wettbewerbliches Vergabeverfahren nicht bis zu einer Entscheidung der LNVG über den eigenwirtschaftlichen Antrag abgewartet werden könne, um eine Anschlusslösung für den kreisweiten ÖPNV an dem 01.04.2015 sicherzustellen. Zudem sei realistischerweise nicht zu erwarten, dass der eigenwirtschaftliche Antrag der Antragstellerin aufgrund der Anforderungen des Nahverkehrsplans des Antragsgegners positiv beschieden werde.

Entsprechend den Vorinformationen schrieb der Antragsgegner mit EU-Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2013 die streitgegenständlichen öffentlichen Personennahverkehrsleistungen nunmehr im wettbewerblichen Vergabeverfahren im Sinne von Artikel 5 Abs. 3 VO (EG) 1370/2007 als Verhandlungsverfahren aus. Unter dem Abschnitt II.1.5 der Vergabebekanntmachung führte der Antragsgegner zur Begründung an, dass bis zur Angebotsfrist für die eigenwirtschaftlichen Anträge am 04.12.2013 aus seiner Sicht keine genehmigungsfähigen Anträge eingegangen seien. Gem. Abschnitt IV.3.4 der Vergabebekanntmachung war als Schlusstermin für den Eingang der Angebote der xxxxxx.2014 vorgesehen. Gem. Abschnitt II.3) der Bekanntmachung sollte der Vertrag für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis zum 31.03.2025 geschlossen werden.

In den zugehörigen Vergabeunterlagen führte der Antragsgegner in der Aufforderung zur Angebotsabgabe auf der ersten Seite im Fettdruck Folgendes aus:

"Zum Zeitpunkt der Eröffnung des gemeinwirtschaftlichen Vergabeverfahrens ist noch nicht abschließend über einen vorliegenden eigenwirtschaftlichen Antrag zum gleichen Leistungsgegenstand entschieden. Die Vergabestelle macht darauf aufmerksam, dass im Falle der Festlegung der Genehmigungsfähigkeit dieses eigenwirtschaftlichen Antrages das gemeinwirtschaftliche Verfahren umgehend abgebrochen wird. Die Vergabestelle geht davon aus, dass daraus keine berechtigten Schadenersatzansprüche von Bietern erwachsen. Auch im Falle der Ablehnung des eigenwirtschaftlichen Antrages wird die Vergabestelle umgehend alle Verfahrensteilnehmer informieren."

Mit E-Mail vom 20.12.2013 rügte die Antragstellerin das eingeleitete Vergabeverfahren. Eine öffentliche Ausschreibung gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen sei unter Berücksichtigung des Vorrangs der Eigenwirtschaftlichkeit nach § 8 Abs. 4 PBefG nur zulässig, wenn eine Verkehrsbedienung durch eigenwirtschaftliche Verkehre unmöglich sei. Der Landkreis sei daher gehalten, vor der Ausschreibung die Entscheidung der LNVG abzuwarten. Eine Vergabereife liege insoweit nicht vor.

Der Antragsgegner wies die Rüge mit Schreiben vom 23.12.2013 zurück, indem er mitteilte, dass eine Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen nicht vorliege.

Auf die Rügezurückweisung hin beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 06.01.2014 die Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und auch begründet. Die Antragstellerin habe als Bestandsanbieterin großes Interesse an der Beauftragung. Sie ziehe es aber vor, den Linienverkehr in Stadt und Landkreis xxxxxx eigenwirtschaftlich zu erbringen, da ihr in diesem Rahmen unternehmerische Freiheiten zustehen würden, die im Rahmen der gemeinwirtschaftlichen Erbringung reduziert seien. Gleichwohl habe sie sich an der hier streitigen Ausschreibung gemeinwirtschaftlicher Leistungen beteiligt, um sich die Chancen auf Erhalt des Auftrages und damit des Überlebens des Unternehmens zu sichern. Der Antragstellerin gehe es insoweit nicht um die grundsätzliche Aufhebung der Ausschreibung, sondern um die Abgrenzung der Ausschreibung vom Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit und der Einhaltung der in diesem Zusammenhang maßgeblichen personenbeförderungsrechtlichen Anforderungen des PBefG. Entsprechend ihres vorgelegten eigenwirtschaftlichen Antrags sei es möglich, die streitgegenständlichen Leistungen ohne wesentliche Abweichungen und ohne zusätzliche Beihilfen des Landkreises zu erbringen und gleichwohl ein ausreichendes Verkehrsangebot zu gewährleisten.

Der Antragsgegner habe gegen die vergaberechtlichen Normen der EU-VO 1370/2007 und des novellierten PBefG verstoßen, wonach eine öffentliche Ausschreibung erst in Betracht kommen würde, "soweit eine ausreichende Verkehrsbedienung nicht durch eigenwirtschaftliche Verkehre möglich ist". Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.10.2009 (3 C 1/09) müsse der Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs vor der Entscheidung für einen gemeinwirtschaftlichen Verkehr zunächst prüfen und ausschließen, dass eine ausreichende Verkehrsbedienung durch eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen möglich sei. Erst danach dürfe er gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen ausschreiben und vergeben. Die Antragstellerin habe gem. § 8 Abs. 4 PBefG insoweit einen Anspruch auf eine vorrangige Entscheidung über ihren eigenwirtschaftlichen Antrag durch die LNVG. Erfülle der beantragte Verkehr die in der Vorabbekanntmachung aufgestellten Anforderungen oder weiche er nur unwesentlich davon ab, wäre ihr die Genehmigung gem. § 13 PBefG zu erteilen und das streitige Vergabeverfahren nicht durchzuführen.

Das Verhalten des Antragsgegners sei insoweit widersprüchlich und verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, da er einerseits mit seiner Vorinformation zur Abgabe eigenwirtschaftlicher Anträge aufgefordert habe und nunmehr unabhängig davon die Leistungen ausschreibe, ohne eine Entscheidung über die eigenwirtschaftlichen Anträge abzuwarten. Er schreibe damit Leistungen aus, die möglicherweise unerfüllbar seien, da die von der LNVG zu erteilende Linienkonzession einem ausschließlichen Recht zumindest gleichkomme und nur einmal erteilt werden könne. Unerfüllbare Anforderungen widersprächen aber dem Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Vergabeverfahren gelte. Eine unerfüllbare Anforderung stelle einen Mangel im Vergabeverfahren dar, der eine Beauftragung der nachgefragten Leistung ausschließe.

Durch die Vergaberechtsverstöße des Antragsgegners drohe der Antragstellerin bei der Beteiligung an der Ausschreibung ein Schaden, da die Fertigung des Angebotes nutzlos sei, weil die Erteilung möglicherweise objektiv unmöglich sei und der Auftrag nicht aufgrund der öffentlichen Ausschreibung vergeben werden könne, solange nicht über den eigenwirtschaftlichen Antrag entschieden sei. Die Kosten für die Bedienung des Ausschreibungsverfahrens seien für ein mittelständiges Verkehrsunternehmen schwer zu verkraften, zumal die dafür notwendigen Kapazitäten nicht im Unternehmen vorhanden seien, sondern zusätzlich eingekauft werden müssten. Zusätzlich sei eine kostenintensive Rechtsberatung notwendig, welche das Verfahren zusätzlich verteuere.

Des Weiteren könne sich der Antragsgegner auch nicht bei seiner Behauptung, dass der eigenwirtschaftliche Antrag nicht genehmigungsfähig sei, auf die Nichteinhaltung der Vorgaben des Nahverkehrsplanes berufen. Dieser habe noch eine Laufzeit bis zum 31.12.2015. Die streitgegenständlichen Leistungen hätten aber eine Laufzeit vom 01.04.2015 bis zum 31.03.2025. Es sei damit völlig unklar, welches Verkehrsangebot der Antragsgegner nach Laufzeit des Nahverkehrsplans, also ab dem 01.01.2016 begehre. Die Prüfung, ob der eigenwirtschaftliche Antrag von den Vorgaben des Nahverkehrsplans abweicht, könne sich damit nur auf einen Bruchteil der Genehmigungslaufzeit beziehen, nämlich für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis zum 31.12.2015, also 9 Monate. Für die darüber hinausgehenden 111 Monate habe der Antragsgegner keine wirksamen Anforderungen gestellt. Dies habe sich durch die Antwort des Antragsgegners auf die Bieterfrage 070 bestätigt.

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    ein Nachprüfungsverfahren gem. § 107 GWB einzuleiten;

  2. 2.

    festzustellen, dass die Antragstellerin durch das im Supplement zu EU-Amtsblatt unter Aktenzeichen xxxxxx am xxxxxx.2013 als Auftragsbekanntmachung bekannt gemachte Verfahren in ihren Rechten verletzt ist;

  3. 3.

    der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;

  4. 4.

    geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen;

  5. 5.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;

  6. 6.

    dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

Der Antragsgegner beantragt:

  1. 1.

    die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin keine Akteneinsicht zu gewähren,

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines anwaltlichen Beistandes auf Seiten des Antragsgegners für notwendig zu erklären,

  4. 4.

    die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

Der Antrag der Antragstellerin sei bereits offensichtlich unzulässig.

Der Antragstellerin sei bereits vor Veröffentlichung der EU-Bekanntmachung der Beginn des gemeinwirtschaftlichen Verfahrens bekannt gewesen. Indem sie dies erst nach mehreren Tagen als vergaberechtswidrig rügte, habe sie gegen § 107 Abs. 3 S. 1 Nr.1 GWB verstoßen.

Der Antragstellerin sei vorliegend auch nicht antragsbefugt. Antragsbefugt seien gem. § 107 Abs. 2 GWB nur solche Bieter, die eine Verletzung in ihren Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften machen und darlegen können, dass ihnen durch die behauptete Verletzung ein Schaden entstehe oder zu entstehen drohe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Soweit sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf die Vorschrift des § 8 Abs. 4 S. 1 PBefG berufe, stelle diese Regelung lediglich ein für das Genehmigungsverfahren relevantes Rechtsverhältnis mit dem Vorrang der eigenwirtschaftlichen Verkehrsleistungen dar. Dies sei keine Regelung, die das Vergabeverfahren betreffe und damit durch einen Nachprüfungsantrag angegriffen werden könne.

Die Rechtssprechung verschiedener Vergabesenate habe klargestellt, dass die Frage des Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehre gerade nicht Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens sein könne. So habe das OLG Brandenburg mit Beschluss vom 07.10.2010 (Verg W 12/10) ausgeführt, dass es kein im Nachprüfungsverfahren zulässiges Rechtsschutzziel sei, von der Anwendung das Kartellvergaberechts abzusehen und statt dessen ein anderes Verfahren zu wählen, bei dem ein Bieter entsprechend den Regelungen des PBefG zu bevorzugen sei. Ziel eines Nachprüfungsverfahrens könne es danach allein sein, das Vergaberecht zu beachten, nicht jedoch, es gerade nicht anzuwenden. Auch das OLG Rostock habe mit Beschluss vom 04.07.2012 (17 Verg 3/12) festgestellt, dass es sich bei der Frage der Vorrangigkeit eigenwirtschaftlicher Verkehre um eine Vorfrage handele, die nicht Gegenstand der vergaberechtlichen Prüfung im Rahmen von Art. 5 VO 1370/2007 sein könne, sondern allenfalls im Rahmen des gewerberechtlichen Genehmigungsverfahrens von Bedeutung sein könne.

Mangels einer Verletzung von Vergabevorschriften fehle es der Antragstellerin damit bereits an der Antragsbefugnis, was zu einer offensichtlichen Unzulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens führe.

Vorliegend sei aufgrund des offensichtlich nicht genehmigungsfähigen eigenwirtschaftlichen Antrages klar, dass der Antragsgegner die Verkehrsleistungen im gemeinwirtschaftlichen Verfahren vergeben werde. Die ausstehende Entscheidung der LNVG stelle allenfalls ein sehr geringes Risiko dar, dass das laufende Wettbewerbsverfahren aufgehoben werde. Nach dem Beschluss des OLG Naumburg vom 17.05.2006 (1Verg 3/06) dürfe ein Auftraggeber sogar parallele Vergabeverfahren führen. Dies bedeute, dass ein Bieter auf der Primärrechtsschutzebene nicht gegen eine zulässige Parallelausschreibung vorgehen könne. Lediglich auf der Sekundärrechtsschutzebene könne er gegebenenfalls Schadenersatz fordern. Vorliegend handele es sich aber nicht um eine Parallelausschreibung, da der Antragsgegner unmissverständlich allen Bietern mitgeteilt habe, dass das Verfahren nach einer eigenwirtschaftlichen Genehmigung zwingend aufgehoben werde.

Der Antragstellerin drohe auch kein Schaden im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Unter dem Gesichtspunkt des Primärrechtsschutzes betrachtet, bestehe der diesbezügliche Schaden darin, dass durch den einzelnen behaupteten Vergaberechtsverstoß die Aussichten des den Antrag stellenden Bieters zumindest verschlechtert sein könnten. Vorliegend könne der von der Antragstellerin geltend gemachte angebliche Verstoß ihre Chancen aber nicht verschlechtern, denn der Antragsgegner habe deutlich in den Vergabeunterlagen bekannt gemacht, dass vor einer Entscheidung über den eigenwirtschaftlichen Antrag keine Vergabeentscheidung im gemeinwirtschaftlichen Verfahren getroffen werde. Die Zuschlagschancen der Antragstellerin seien damit gerade nicht verschlechtert, da erst dann ein anderer Bieter den Zuschlag im gemeinwirtschaftlichen Verfahren erhalten könne, wenn die LNVG über den eigenwirtschaftlichen Antrag der Antragstellerin entschieden habe.

Nicht umfasst vom § 107 Abs. 2 GWB sei dabei der von der Antragstellerin vorgetragene "Schaden" für den Aufwand der Angebotserstellung, der typischerweise jedem nicht zum Zug kommenden Unternehmen dadurch entstehe, dass sich die Aufwendungen für die Teilnahme am Wettbewerb als nutzlos erweisen würden. Ein Nachprüfungsverfahren als Primärrechtsschutzverfahren diene jedenfalls nicht dazu, einen potentiellen Bieter vor Kosten für die Angebotserstellung zu schützen.

Im Weiteren fehle der Antragsstellerin auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse, da sie sich widersprüchlich verhalten habe. Sie könne sich von daher aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB nicht auf ihre Rüge gegen das Vergabeverfahren berufen. Da der Antragsgegner vor Beginn des gemeinschaftlichen Verfahrens dessen Termin mit der Antragstellerin abgestimmt und diese ihr Einverständnis signalisiert habe, habe der Antragsgegner darauf vertrauen können, dass die Antragstellerin keine Rüge erheben würde. Durch ihr treuwidriges Verhalten sei die Antragstellerin mit ihrer Rüge präkludiert.

Schließlich sei auch der Vortrag der Antragstellerin zu den abweichenden Laufzeiten des Nahverkehrsplanes und des Zeitraums der Verkehrserbringungen irrelevant. Die Fortschreibung des Nahverkehrsplans für den Zeitraum von jeweils fünf Jahren sei gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Niedersächsisches Nahverkehrsgesetz gesetzlich festgelegt. Maßgeblich könne immer nur der zum Zeitpunkt des Vergabeverfahrens gültige Nahverkehrsplan unabhängig von dessen Restlaufzeit sein. Dies gelte auch über den Zeitraum der Gültigkeit des aktuellen Nahverkehrsplans hinaus. Folge man der diesbezüglichen Argumentation der Antragstellerin, könnten Auftraggeber Verkehrsleistungen schlichtweg nicht ausschreiben.

Der Nachprüfungsantrag sei zudem offensichtlich unbegründet. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner eine Entscheidung der LNVG abwarte, bevor er mit dem gemeinwirtschaftlichen Verfahren beginnt. Ein solcher ergebe sich weder aus der VO (EG) 1370/2007 noch aus dem PBefG. Durch den entsprechenden Hinweis in den Vergabeunterlagen bestehe vorliegend noch nicht einmal das Risiko, dass eine Zuschlagsentscheidung im gemeinwirtschaftlichen Verfahren getroffen wird, bevor über den eigenwirtschaftlichen Antrag entschieden worden ist. Soweit man bei offensichtlich nicht genehmigungsfähigen Anträgen dem Aufgabenträger ein Abwarten zugestehen würde, so würde dies wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen Tor und Tür öffnen. Der Altbetreiber könne die Neuvergabe der Verkehrsleistungen durch Widerspruch und Klage über Jahre blockieren. Während dieses Zeitraums würde in der Regel der Altbetreiber die Verkehrsleistungen weiter erbringen, wodurch Wettbewerbsgebot und Gleichbehandlungsgrundsatz konterkariert werden würden.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

II.

1. Im vorliegenden Nachprüfungsverfahren finden die Vergabeverordnung (VgV) in der Fassung vom 15.10.2013 und die Verordnung (EG) 1251/2011 der Kommission vom 30.11.2011 Anwendung. Das streitbefangene Vergabeverfahren wurde mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2013, also nach Inkrafttreten der Änderung der VgV vom Oktober 2013, jedoch vor Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 1336/2013 der Kommission vom 13. Dezember 2013 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG, 2004/18/EG und 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren eingeleitet.

2. Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich mit dem Landkreis xxxxxx um eine Gebietskörperschaft gemäß § 98 Nr. 1 GWB, somit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des 4. Teils des GWB. Der Antragsgegner will einen öffentlichen Auftrag vergeben, da er einen entgeltlichen Vertrag über eine Dienstleistung gemäß § 99 Abs. 4 GWB zu erteilen beabsichtigt. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den verfahrensgegenständlichen Leistungen handelt es sich um die Vergabe von Personennahverkehrsleistungen im Landkreis xxxxxx, die von einem Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB vergeben wird, somit um einen Dienstleistungsauftrag im Sektorenbereich Verkehr. Die Sektorenverordnung enthält in § 1 Abs. 2 eine dynamische Verweisung auf die jeweils angepassten europarechtlichen Schwellenwerte, die unmittelbar gelten. In der Verordnung (EG) 1251/2011 der Kommission vom 30. November 2011 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren (vgl. ABl. L319/43 vom 02.12.2011) sind die Schwellenwerte für die Anwendung des EU-Vergaberechts mit Wirkung vom 01.01.2012 festgesetzt worden. Der danach für Dienstleistungsaufträge maßgebliche Schwellenwert beträgt 400.000 EUR. Zwar hat der Antragsgegner keine Schätzung des Auftragswertes in der Vergabebekanntmachung angegeben, jedoch ergibt sich aus den Angaben zu Ziffer II.2.1 der Vergabebekanntmachung und den darin enthaltenen Vorgaben zum Leistungsumfang sowie dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten offenkundig, dass dieser Schwellenwert deutlich überschritten werden wird.

Die Antragstellerin ist jedoch nicht antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Danach ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

a) Der Antragstellerin fehlt das Rechtschutzbedürfnis für ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren, soweit sie in ihrer Argumentation darauf abstellt, dass es dem Antragsgegner verwehrt sein müsse, ein gemeinwirtschaftliches Verfahren durchzuführen. Die Frage des Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehre kann nicht Gegenstand eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens sein. Es handelt sich um eine Vorfrage zum Vergabeverfahren, die einer Überprüfung vor der Vergabekammer nicht zugänglich ist, da die Vergabekammer nur die Einhaltung der Wettbewerbsregeln überprüfen darf, nicht jedoch etwaiger Vorfragen, ob die Wettbewerbsregeln überhaupt einschlägig sind. Das eigenwirtschaftliche Verfahren ist kein öffentlicher Auftrag gemäß § 99 GWB, da es sich um eine Dienstleistungskonzession handelt. Für die Überprüfung dieser Verfahren fehlt es der Vergabekammer an einer Zuweisungsnorm (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 04.07.2012, 17 Verg 3/12; OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2010, Verg W 12/10). Auch das OLG Naumburg hat mit Beschluss vom 17.01.2014, 2 Verg 6/13, festgehalten, dass ein Nachprüfungsantrag nur insoweit statthaft sein kann, als vorgetragen wird, dass ein Vergabeverfahren gemäß den §§ 97 ff. GWB trotz entsprechender Ausschreibungspflicht nicht eingeleitet worden ist. Hier wendet sich jedoch die Antragstellerin gegen die Einleitung eines solchen wettbewerblichen Vergabeverfahrens.

Der Antragstellerin ist insoweit zuzustimmen, als aus § 8 Abs. 4 PersBefG ein Vorrang eigenwirtschaftlich erbrachter Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr vor den gemeinwirtschaftlich erbrachten Verkehrleistungen folgt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat der Gesetzgeber die verfahrenstechnische Umsetzung dieses Vorranges eigenwirtschaftlicher Verkehrsleistungen vor den gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen nicht durch ein Verbot der gemeinwirtschaftlichen Vergabe bis zu einem wie auch immer gearteten Abschluss des eigenwirtschaftlichen Verfahrens umgesetzt. Die Behauptung der Antragstellerin, "der Antragsgegner dürfe einen gemeinwirtschaftlichen Verkehr erst ausschreiben, wenn kein Antrag auf eigenwirtschaftlichen Verkehr beschieden wurde", findet im Gesetz keine Grundlage. Eine strikte Trennung der beiden Verfahren ist nicht gesetzlich normiert. Vielmehr ist der Vorrang des eigenwirtschaftlichen Verfahrens im Gesetz ausschließlich durch Fristen zum Ausdruck gekommen, die zwischen der Einleitung eines eigenwirtschaftlichen Verfahrens und der Einleitung eines gemeinwirtschaftlichen Verfahrens liegen.

Das PersBefG 2013 erlaubt dem öffentlichen Auftraggeber in § 12 Abs. 6 PersBefG sogar ausdrücklich, sich frühzeitig für eine gemeinwirtschaftliche Vergabe zu entscheiden (BT Drucksache 17/8233 vom 21.12.2011Seite 15, zu Nr. 4 {§ 12}, Absatz 5). Zuerst wird dort die Absicht des Auftraggebers genannt, einen Dienstleistungsauftrag zu vergeben. An diese getroffene Entscheidung knüpft sich die Rechtsfolge, dass sich für den dennoch gestellten eigenwirtschaftlichen Antrag die Antragsfrist auf drei Monate nach der Vorabbekanntmachung verkürzt, während ohne diese Absicht der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für einen eigenwirtschaftlichen Verkehr im Linienverkehr gemäß § 12 Abs. 5 PersBefG spätestens 12 Monate vor dem Beginn des beantragten Geltungszeitraumes zu stellen ist (vgl. Fromm, Sellmann, Zuck, Personenbeförderungsrecht, 4. Auflage 2013, § 12 PersBefG, Rdnr. 8).

Konkret hätte die Antragstellerin ohne die vom Antragsgegner dokumentierte Absicht, ein gemeinwirtschaftliches Vergabeverfahren zu beginnen, gemäß § 12 Abs. 5 PersBefG den Antrag auf eigenwirtschaftlichen Verkehr noch bis zum 01.04.2014 stellen können. Dagegen verkürzte sich nach der Regelung des § 12 Abs. 6 PersBefG ihre Antragsfrist bis zum 04.12.2013.

Somit erhält der Anbieter eigenwirtschaftlicher Verkehre nur die Gelegenheit, sich schnell und inhaltlich überzeugend zu den vom Auftraggeber in der Vorabbekanntmachung genannten Bedingungen mit einem eigenwirtschaftlichen Antrag vor die gemeinwirtschaftliche Vergabe zu werfen. Diese Gelegenheit hat der Antragsgegner hier klar und rechtssicher geschaffen, die Antragstellerin genutzt.

Bei der Entscheidung des Auftraggebers gemäß § 8a Abs. 1 PersBefG, dass eine ausreichende Verkehrsbedienung im eigenwirtschaftlichen Verkehr für eine Gesamtleistung oder für eine Teilleistung nicht möglich ist, handelt es sich um dessen originär von ihm zu treffende Entscheidung. Er darf sie als Prognoseentscheidung (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 04.07.2012, 17 Verg 3/12) treffen. Mangels zeitlicher Beschränkungen im Gesetz ist eine solche Prognose auch zu einem frühen Zeitpunkt im Verfahren möglich. Der Antragsgegner ist nicht darauf beschränkt, eine fremde behördliche oder verwaltungsgerichtliche Entscheidung über den eigenwirtschaftlichen Antrag zu adaptieren. Ob sich diese Prognoseentscheidung als zutreffend erweist, entscheidet die Landesnahverkehrsgesellschaft in einem gesonderten Verfahren über den eigenwirtschaftlichen Antrag.

Die Vergabekammer vermag eine zeitliche und inhaltliche Trennung der Verfahren auch nicht aus § 15 Abs. 1 PersBefG abzuleiten. Danach soll über den eigenwirtschaftlichen Antrag innerhalb von drei Monaten nach Eingang bei der Genehmigungsbehörde entschieden werden. Diese drei Monate sind zeitlich nicht identisch mit den drei Monaten gemäß § 12 Abs. 6 PersBefG, sondern beginnen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 PersBefG erst mit Ablauf dieser Zeit (BT Drucksache 17/8233 vom 21.12.2011 Seite 16, zu Nr. 8 {§ 15}). Die Frist wird zwar im Hinblick auf die obige Regelung angepasst, dient aber ausschließlich dazu, der Genehmigungsbehörde die gemeinsame Prüfung und den direkten Vergleich aller im Antragszeitraum eingehenden Anträge zu ermöglichen.

Überdies enthält § 15 Abs. 1 Satz 3 PersBefG für die Genehmigungsbehörde die Befugnis, die Entscheidungsfrist um bis zu weitere drei Monate zu verlängern. Das Genehmigungsverfahren nach § 15 PersBefG und die dem öffentlichen Auftraggeber auferlegte Wartefrist gemäß § 12 Abs. 6 PersBefG haben daher miteinander keine zeitliche Verknüpfung, lassen daher die vom Gesetzgeber gewollte Vorgabe einer zwingend einzuhaltenden inhaltlichen Reihenfolge nicht erkennen.

Das eigenwirtschaftliche Verfahren bekommt zwar einen zeitlichen Vorsprung, nicht aber einen inhaltlichen Vorrang vor dem gemeinwirtschaftlichen Verfahren, um die Wertung des Gesetzgebers, dass das eigenwirtschaftliche Verfahren vorrangig zu betreiben sei, umzusetzen. Auch die Antragstellerin hat in ihrem auf einer rechtlichen Beratung beruhenden Schreiben vom 01.11.2012 an den Landrat unter "Ziffer 6 eigenwirtschaftlicher Antrag" ausgeführt: "..der Landkreis könnte zwar das Vergabeverfahren fortführen". Sie ist also nicht von einem Verfahrenshindernis ausgegangen.

Die Auffassung von Weyand, (Vergaberecht, GWB, § 100, Rdnr. 199/3, Aktualisierung vom 23.09.2013), wonach § 8a Abs. 1 PersBefG bestimme, dass eine öffentliche Ausschreibung erst in Betracht komme, soweit eine ausreichende Verkehrsbedienung nicht durch eigenwirtschaftliche Verkehre möglich sei, ist daher nicht so zu verstehen, dass erst eine bestands- oder rechtskräftige Feststellung der Unmöglichkeit Tatbestandsvoraussetzung sei, um einen gemeinwirtschaftlichen Verkehr vergeben zu wollen. Es verhält sich vielmehr umgekehrt so, dass vor allem der eigenwirtschaftliche Antrag, der die Anforderungen der Vorabbekanntmachung überzeugend erfüllt den Beweis erbringt, dass es des Einsatzes öffentlicher Mittel zur Erfüllung des öffentlichen Bedarfs an Linienverkehren nicht bedarf.

Wollte man Weyand folgen, müsste die Vergabekammer wegen der ausstehenden Entscheidung der Landesnahverkehrsgesellschaft eine zumindest summarische Prüfung des eigenwirtschaftlichen Antrages zum Gegenstand ihrer Entscheidung machen. Dies ist jedoch nach übereinstimmender und überzeugender Rechtsprechung in diesem Verfahren mit einer gesetzlich vorgegebenen Entscheidungsfrist von nur 5 Wochen nicht vorgesehen. OLG Rostock (Beschluss vom 04.07.2012 - 17 Verg 3/12) und OLG Düsseldorf (Beschluss vom 02.03.2011 - Verg 48/10) haben schon zur alten Rechtslage übereinstimmend festgestellt, dass die Frage, ob vorrangig ein eigenwirtschaftlicher Verkehr vergeben werden muss, eine durch den Aufgabenträger zu entscheidende Vorfrage betrifft, die nicht Gegenstand der vergaberechtlichen Prüfung ist, sondern allenfalls im Rahmen des gewerberechtlichen Genehmigungsverfahrens nach dem PersBefG von Bedeutung sein kann. Die VK Münster und VK Bremen haben zur neuen Rechtslage ebenso entschieden, dass die Frage, ob die Durchführung der Verkehrsleistungen eigenwirtschaftlich möglich sei, nicht in den Prüfbereich der Vergabekammer falle. Da der Antragsgegner die im PersBefG genannten Frist hier eingehalten hat (anders als in dem von der VK Münster entschiedenen Fall), sieht die Vergabekammer nicht die Gefahr, dass der Antragsgegner hier Vorschriften des Vergaberechts nicht beachtet hat und dadurch die Rechte der Antragstellerin verletzt haben könnte. Überdies hat der Antragsgegner bereits zugestanden, dass ein positiv beschiedener eigenwirtschaftlicher Antrag ihn zum Abbruch der gemeinwirtschaftlichen Vergabe veranlassen würde.

Der Antragsgegner hat sich ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte sehr frühzeitig und durchaus intensiv mit der Möglichkeit beschäftigt, die Verkehre eigenwirtschaftlich zu bedienen. Die Vergabekammer verweist hier unter anderem auf das Schreiben des Antragsgegners an die Antragstellerin vom 22.12.2009. Auch der eigenwirtschaftliche Antrag hat ausweislich der Anhörung des Antragsgegners im Verfahren vor der LNVG keine andere Bewertung des Sachlage nahegelegt.

Die Genehmigung des eigenwirtschaftlichen Antrags wäre ein externes, aus Sicht der Vergabestelle ex ante nicht erwartetes neues Ereignis, welches den Antragsgegner zu einer Aufhebung nach § 30 SektVO berechtigt. Zweifel an der Ernsthaftigkeit der beabsichtigten Vergabe lassen sich daraus nicht ableiten.

Die Antragsbefugnis ist daher allenfalls gegeben, soweit die Antragstellerin vorträgt sie werde sich gleichwohl an der streitigen Ausschreibung gemeinwirtschaftlicher Leistungen beteiligen, um sich die Chance auf Erhalt des Auftrags zu sichern. Das genügt für die Darlegung des Interesses am wettbewerblich zu vergebenden Auftrag.

b) Die Antragstellerin hat keinen möglichen Schaden geltend gemacht. Als möglicher Schaden kommen grundsätzlich nicht die einmaligen Aufwendungen für einen Genehmigungs- oder Teilnahmeantrag in Betracht. Hierbei handelt es sich um übliche Aufwendungen zur Auftragsakquise, denen sich jeder Marktteilnehmer stellen muss, gleich ob es sich um die Abfassung eines eigenwirtschaftlichen Antrages oder eines Teilnahmeantrags im Verhandlungsverfahren gemäß der Sektorenverordnung handelt.

Als möglicher Schaden kommt nur ein doppelter Aufwand durch eine mehrfach erforderliche Bewerbung auf denselben Leistungsgegenstand in Betracht. Ein doppelter Aufwand entsteht nur, wenn die beiden Bewerbungen für denselben Leistungsgegenstand inhaltlich voneinander abweichen müssen, es also dem Wettbewerber objektiv nicht möglich ist, den bereits im eigenwirtschaftlichen Verfahren erstellten Antrag ohne oder nur mit geringfügigen Modifikationen auch im wettbewerblichen Verfahren einzureichen. Nur dann entsteht echter Mehraufwand.

Je größer die Abweichung von eigenwirtschaftlichem Antrag und gemeinwirtschaftlichem Angebot bei identischem Leistungsgegenstand ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass nur eine der beiden Unterlagen in vollem Umfang auf der Basis der geforderten Leistungen kalkuliert worden ist.

Die Antragstellerin trägt zum Schaden in der Antragsschrift vor, dass ihr durch die Beteiligung an der Ausschreibung ein Schaden entstehe, indem sie ein Angebot fertigen müsse, das nutzlos sei, weil aufgrund dieser Ausschreibung kein öffentlicher Auftrag vergeben werden könne. Eine Auftragserteilung sei vielmehr objektiv unmöglich, solange nicht über den eigenwirtschaftlichen Antrag entschieden worden sei. Die Kapazitäten für die Fertigung eines Angebots seien nicht im Unternehmen vorhanden und müssten zusätzlich eingekauft werden.

Sie stellt nahezu wortgleich zu der Entscheidung der Vergabekammer Münster vom 29.05.2013 - VK 5/13, 1.1.1a Abs. 2, dar, dass es ihr nicht um die grundsätzliche Aufhebung der Ausschreibung gehe, sondern um den Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit und der Einhaltung der in diesem Zusammenhang maßgeblichen personenbeförderungsrechtlichen Anforderungen des PersBefG. Die Vergabekammer hat daran Zweifel. Die Antragstellerin hat sich mit ihrem Schreiben vom 01.11.2012 an den Landrat persönlich gegen jede Form der wettbewerblichen Vergabe gewandt. Den eigenwirtschaftlichen Antrag bezeichnete sie als "Gefahr". Sie bevorzuge vielmehr eine Auftragsvergabe "wie früher", also ohne europaweites Wettbewerbsverfahren. Erst weil der Antragsgegner sich nicht hat beirren lassen, vielmehr seinerzeit bereits die Zulassung eines Wettbewerbs anstrebte, kam es zu den Verfahren nach dem PersBefG 2013.

Die Antragstellerin hat nutzlose Aufwendungen für das gemeinwirtschaftliche Angebot wegen der zeitlich überlappenden Bearbeitung des eigenwirtschaftlichen Antrags und des gemeinwirtschaftlichen Angebots in der vorgegebenen Zeit nicht substantiiert darlegen können. Sie hat es versäumt, die notwendigen Unterschiede in der Kalkulation beider Anträge bzw. Angebote vorzutragen. War der Antrag auf eigenwirtschaftliche Genehmigung genehmigungsfähig, weil er gemäß § 13 Abs. 2a PersBefG die Anforderungen der Vorabbekanntmachung (im Wesentlichen) erfüllt und in Einklang mit dem Nahverkehrsplan steht, so dürfte ein vom Leistungsumfang identisches Angebot im Verhandlungsverfahren ebenfalls geeignet sein, um zur Angebotsabgabe aufgefordert zu werden. Darüber hinaus hat die Antragstellerin im Verhandlungsverfahren die Möglichkeit, ihr Angebot im Rahmen der weiteren Verhandlungsrunden gemeinsam mit dem Antragsgegner als Auftraggeber weiter zu entwickeln, wenn sie sich in der Konkurrenz zu den sukzessive ausscheidenden Teilnehmern bewährt.

Die Antragstellerin ist in dem hier vorliegenden Verhandlungsverfahren trotz der deutlichen Bezüge unter Ziffer II.1.5) und VI.3) der Vergabebekanntmachung, nicht verpflichtet, alle Vorgaben des nur bis zum Jahr 2015 gültigen Nahverkehrsplanes in vollem Umfang einzuhalten. Wie die Antragstellerin zutreffend vorträgt, bezieht sich ihr Angebot im Wesentlichen auf einen späteren Zeitraum. Da § 6 des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetzes die Geltungsdauer von Nahverkehrsplänen auf 5 Jahre begrenzt, kann ein Nahverkehrsplan nicht die abschließende Grundlage für einen auf 10 Jahre befristeten Dienstleistungsauftrag sein. Gemäß Ziffer VI.3) der Vergabebekanntmachung ergeben sich (nur) die grundsätzlichen quantitativen und qualitativen Anforderungen an das Verkehrsangebot aus dem Nahverkehrsplan 2011 bis 2015. Aus dem Wort "grundsätzlich" folgt eine gewisse Abweichungsbefugnis, jedoch beschränkt auf Details. Wenn aber eigenwirtschaftlicher Antrag und gemeinwirtschaftliches Angebot nur in unwesentlichem Umfang vom Nahverkehrsplan abweichen dürfen, gibt es keinen sachlichen Grund für eine im Leistungsumfang abweichende Angebotserstellung. Somit fehlt es am möglichen Schaden der Antragstellerin.

Die Antragstellerin hat auf die Verfügung der Vergabekammer vom 23.01.2014 unter Fristsetzung gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 GWB keinen konkret drohenden oder bereits eingetretenen Schaden belegt. Die Vergabekammer hatte sie seinerzeit darauf hingewiesen, dass der Schaden von der Antragstellerin konkret zu belegen sei. Die Vergabekammer sieht wegen des identischen Leistungsgegenstandes sowohl im eigenwirtschaftlichen Verfahren, als auch im gemeinwirtschaftlichen Verfahren zwei im Wesentlichen vergleichbar strukturierte Kostenkalkulationen. Sie hat daher der Antragstellerin aufgegeben, bis zum 29.01.2014 darzulegen, das Konzessionsvertrag und Dienstleistungsvertrag für denselben Leistungsgegenstand hier grundlegend voneinander abweichend zu kalkulieren seien. Die Vergabekammer hat darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der am 29.01.2014 gesetzten Frist weiterer Vortrag zu diesem Gegenstand unbeachtlich bleiben kann.

Die Antragstellerin hat innerhalb der gesetzten Frist nicht darlegen können, worin ihr Schaden konkret liegen solle. Sie hat im eigenwirtschaftlichen Verfahren ein Angebot abgegeben, welches den Vorgaben des Nahverkehrsplanes in Teilbereichen wohl nicht entspricht. Sie bietet nur xxxxxx Mio. Nutzkilometer pro Jahr statt der geforderten 4,25 Mio. Nutzkilometer pro Jahr an. Sie erhält bereits jetzt eine jährliche nicht von § 8 Abs. 4 PersBefG gedeckte Zuwendung von xxxxxx EUR pro Jahr für die Bedienung eines gegenüber dem Nahverkehrsplan abgemagerten Linienverkehrs. Ob diese Abweichungen erheblich im Sinne des § 13 PersBefG sind, also die Genehmigungsfähigkeit ausschließen, ist von der Landesnahverkehrsgesellschaft zu entscheiden.

Da die Antragstellerin mit weiterem Vorbringen eigentlich präkludiert ist, einen konkret drohenden oder bereits eingetretenen Schaden nicht dargelegt hat, ist der Nachprüfungsantrag unzulässig.

c) Die Vergabekammer berücksichtigt zugunsten der Antragstellerin ergänzend auch den Vortrag aus dem nicht nachgelassenen und somit gemäß § 113 GWB eigentlich präkludierten Vortrag im Schriftsatz vom 18.02.2014. Das erscheint hier möglich, weil der Antragsgegner aufgrund der noch laufenden Angebotsfristen auch bei Berücksichtigung dieses Vortrags nicht daran gehindert wird, den Zuschlag zu erteilen. Eine konkrete Verzögerung des Vergabeverfahrens durch das Nachprüfungsverfahren, mithin ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz ist daher nicht zu erkennen. Auch die nachgeschobenen Argumente führen aber nicht zu einem anderen Ergebnis.

Die Antragstellerin hat mit ihrem Schriftsatz vom 18.02.2014 vorgetragen, dass der Schaden in benannten zusätzlichen Aufwendungen bestünde, die sie nun vornehmen müsse. Sie habe im gemeinwirtschaftlichen Angebot eine Vielzahl von drittbestimmten Anforderungen zu berücksichtigen, daher unterscheide sich dies Verfahren von den Anforderungen des eigenwirtschaftlichen Antrages. Im gemeinwirtschaftlichen Verfahren werde die angebotene Verkehrsleistung nicht durch den Auftragnehmer, sondern durch den Auftraggeber bestimmt (Schriftsatz vom 18.02.2014, Blatt 10 oben).

Jedoch bestimmt gemäß § 13 Abs. 2a PersBefG der Auftraggeber durch die Vorgaben in der Vorabbekanntmachung die Anforderungen, die der eigenwirtschaftliche Verkehr zu erfüllen hat, um genehmigungsfähig zu sein. Ein Gestaltungsrecht des Anbieters über die vom Auftraggeber gewünschte Leistung ist hier wie auch sonst im Vertrags- und Vergaberecht unbekannt. Im eigenwirtschaftlichen Verfahren übt der Auftraggeber sein Leistungsbestimmungsrecht durch den Nahverkehrsplan und die Linienbündelung gemäß § 9 Abs. 2 und § 13 Abs. 2 Nr. 3 d PersBefG aus.

Es stellt nach den obigen Ausführungen zur Rechtslage keine Verwerflichkeit, keinen Verstoß gegen das PBefG, und somit auch keinen Verstoß gegen vorvertragliche Schutz- und Rücksichtnahmepflichten (vgl. BGH Urteil vom 09.06.2011 X ZR 143/10 Rdnr. 11, 13) aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 oder § 241 BGB dar, dass der Antragsgegner von Anfang an ausschließlich die Einleitung des gemeinwirtschaftlichen Verfahrens beabsichtigte. Es ist völlig ausreichend, dass er der Antragstellerin formal die ihr gesetzlich gegebene Möglichkeit einräumte, einen eigenwirtschaftlichen Antrag zu stellen.

Der in der Rechtsprechung zum alten Recht entwickelte (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10. 2006, BVerwGE 127, 42, Rn. 35) Vorrang der eigenwirtschaftlichen Verkehre besteht nach der aktuellen Entscheidung des BVerwG nur noch (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.10.2013, 3 C 26.12, Rdnr. 22, Rdnr. 27), wenn diese eigenwirtschaftlichen Verkehre auch dauerhaft, also während der gesamten Laufzeit der Genehmigung, in dem in der Genehmigung zugrunde liegenden Umfang wirtschaftlich betrieben werden können. Nach der Auffassung des BVerwG verschafft sich der Bewerber um eine eigenwirtschaftliche Genehmigung ohne eine Überprüfung der Dauerhaftigkeit des Verkehrsangebotes einen sachlich nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber weniger risikofreudig kalkulierenden Konkurrenten, die sich aufgrund der bei der Linie zu erwartenden Ertragssituation nur zu einer gemeinwirtschaftlichen Verkehresbedienung bereitfinden. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht in jener Entscheidung den von der Antragstellerin für sich reklamierten Vorrang der eigenwirtschaftlichen Verkehre vor den gemeinwirtschaftlichen Verkehren wesentlich eingeschränkt. Der Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre kommt inhaltlich nur dann zum Tragen, wenn die beantragte eigenwirtschaftliche Genehmigung nicht wegen der Beeinträchtigung öffentlicher Verkehrsinteressen versagt werden muss (Bundesverwaltungsgericht a.a.O., Rdnr. 43).

Der Antragsgegner hat in der Vorabinformation vom xxxxxx.2013 unter II.4) die Dienstleistungen dahin beschrieben, dass die zu erbringende Verkehrsleistung 4,25 Mio. Nutzungskilometer pro vollständiges Leistungsjahr betrage. Außerdem sind 25 Linienverbindungen namentlich genannt. Die gleichen Angaben finden sich unter II.1.5 der Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2013.

§ 13 Abs. 2a Satz 2 PersBefG sieht vor, dass die Genehmigung für den eigenwirtschaftlichen Verkehr zu versagen ist, wenn ein Antrag die in der Vorabbekanntmachung beschriebenen Anforderungen nicht erfüllt oder sich nur auf Teilleistungen bezieht. Als wesentlich gelten ferner gemäß Satz 4 des Absatzes grundsätzlich die Abweichungen von Anforderungen zu Linienweg, Haltestellen, Bedienungshäufigkeit und Bedienungszeitraum. Die Vergabekammer sieht keine Veranlassung, diese von der Landesnahverkehrsgesellschaft durchzuführende Prüfung vorwegzunehmen. Angesichts des letztlich unbestrittenen Unterschiedes in der jährlichen Kilometerleistung von xxxxxx Mio. Kilometern jährlich zu 4,25 Mio. Nutzkilometer pro Jahr erscheint es jedoch problematisch bis unwahrscheinlich, dass die Antragstellerin mit ihrem eigenwirtschaftlichen Antrag zugleich alle Anforderungen der Vorabbekanntmachung erfüllt.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin bestimmt gemäß § 13 Abs. 2a Satz 2 PersBefG auch im eigenwirtschaftlichen Verfahren nicht der Anbieter, sondern der Auftraggeber den Leistungsgegenstand. Der von der Antragstellerin nun als Schaden reklamierte Mehraufwand besteht ausschließlich darin, dass sie nun - erstmals - die vorab und transparent kommunizierten Vorgaben des Auftraggebers für die Auftragserteilung einhalten will. Da der Antragsgegner diese Vorgaben jedoch nicht verändert hat, handelt es sich bei diesem Mehraufwand nicht um einen Schaden, der der Antragstellerin entsteht, sondern um ohnehin notwendige Nachbesserung eines von den Vorgaben abweichenden, also mangelhaften eigenwirtschaftlichen Antrags, die der Antragstellerin auch dann nicht erspart werden könnte wenn ausschließlich das eigenwirtschaftliche Verfahren anhängig wäre. Dabei nimmt die Vergabekammer zugunsten der Antragstellerin an, dass eine Nachbesserung des bereits gestellten Antrags im eigenwirtschaftlichen Verfahren in diesem Umfang zulässig wäre.

Auf die weitere inhaltliche Diskussion zu den vorgeblichen Abweichungen vom Nahverkehrsplan oder inhaltlichen Fehlern in den Anlagen AG 9, AG 19 ff kommt es daher in diesem wettbewerblichen Verfahren vor der Vergabekammer nicht an. Dies mag die Landesnahverkehrsbehörde entscheiden.

Es kann aus den obigen Gründen hier offenbleiben, ob die Antragstellerin tatsächlich gegen ihre Rügepflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB verstoßen hat. Die Rüge ist eine Verfahrenshandlung im Vergabeverfahren. Dieses wird jedoch erst mit der öffentlichen Bekanntmachung eingeleitet, so dass die Vergabekammer trotz der ausführlichen Vorabbekanntmachungen und der von der Antragstellerin bemühten vorvertraglichen Schutzpflichten nicht dazu neigt, der Antragstellerin eine Rügepflicht vor Beginn des eigentlichen Vergabeverfahrens aufzuerlegen. Die hier mit der Antragstellerin durchgeführten Vorabstimmungen zur Auftragsvergabe und die dabei vorgebrachten Einwendungen der Antragstellerin sieht die Vergabekammer als vorsichtige Hinweise im Vorfeld der eigentlichen Vergabe an, nicht jedoch als Erfüllung vorvertraglicher Verpflichtungen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechtes vom 20.04.2009 (BGBl. I, S. 790).

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 128 Abs. 2 GWB. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin wie auch des Antragsgegners ist für die Gebührenbemessung vor der Vergabekammer § 50 GKG nicht einschlägig. Diese Regelung gilt ausschließlich für die Festsetzung gerichtlicher Gebühren sowie der Festsetzung rechtsanwaltlicher Kosten. Die Gebührenerhebung vor der Vergabekammer beruht auf § 128 GWB und dem Bundesverwaltungskostengesetz. Sie unterscheidet sich hiervon grundlegend. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 EUR, die Höchstgebühr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der hier zugrunde zu legende Auftragswert ist hier nicht nach einem Angebot kalkulierbar, da zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vergabekammer noch kein Angebot vorliegt. Ebenso scheidet eine Bemessung des Streitgegenstandes anhand der Kostenschätzung gemäß § 2 SektVO aus, da der Antragsgegner eine solche Kostenschätzung nicht gefertigt und auch nicht in der Vergabebekanntmachung veröffentlicht hat. Der zugrunde zu legende Auftragswert wird an dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag bemessen. Bei einem Dienstleistungsauftrag entspricht das Interesse der Antragstellerin an dem Auftrag der Summe der Vergütungen, die sie für die Erledigung des Auftrags über die feste Gesamtlaufzeit voraussichtlich erhalten wird. Es kommt nicht auf den Zuschussbedarf an, da es hier nicht um die Verwendung öffentlicher Mittel geht, sondern um das Interesse der Antragstellerin am Auftrag. Die während der Vertragslaufzeit erzielbaren Fahrgelderlöse reduzieren nicht das Interesse der Antragstellerin am Auftrag, sondern lediglich den vom Antragsgegner für den Auftrag bereitzustellenden Anteil öffentlicher Mittel. Der Antragsgegner hat mit offen gelegtem Schriftsatz vom 18.02.2014 eine geschätzte Gesamtnettoauftragssumme von xxxxxx EUR dargestellt. Er hat diese in einem weiteren nicht offen gelegten Schriftsatz vom 19.02.2014 substantiiert, indem er sie in die Einnahmen aus Fahrausweiserlösen, Einnahmen aus gesetzlichen Ausgleichszahlungen und Erstattungen sowie Einnahmen aus Zuschusszahlungen des Landkreises aus öffentlichem Dienstleistungsauftrag zum Ausgleich der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen aufgeschlüsselt hat. Außerdem hat er die unterschiedlichen Umsatzsteuersätze addiert. Die Antragstellerin hat diese ihr nicht offen gelegten Zahlen vorsorglich bestritten. Sie ist in der Antragsschrift von einem Zuschussbedarf von xxxxxx EUR ausgegangen, hat diesen auf xxxxxx EUR reduziert, nachdem die Vergabekammer eine erste Einschätzung zu den Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags abgegeben hatte. Auf den Zuschussbedarf kommt es gemäß den obigen Erwägungen nicht an. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der von der Antragstellerin ursprünglich angegebene Zuschussbedarf etwa 25% der Nettosumme des Auftraggebers entspricht, erscheint die Darstellung des Antragsgegners unter Berücksichtigung der anderen Zahlen aus der Vergabeakte und der langen Laufzeit von 10 Jahren durchaus als angemessen. Die Vergabekammer geht daher von einem Interesse der Antragstellerin an dem Auftrag in Höhe von xxxxxx EUR aus (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.12.2010, VergW 12/10 Kostenbeschluss).

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR. Dieser Betrag überschreitet den regelmäßigen Höchstwert gemäß § 128 Abs. 2 GWB, ist daher als Gebühr nur in Ausnahmefällen zu rechtfertigen. Sowohl in § 2 der hier einschlägigen Sektorenverordnung als auch in § 3 der Vergabeverordnung geht der Verordnungsgeber davon aus, dass Vergaben regelmäßig für eine Laufzeit von bis zu 48 Monaten geschlossen werden. Ebenso enthält Art. 17 der Richtlinie 2004/17 EG vom 31. März 2004 unter Abs. 9 bis 11 als längste Berechnungsgrundlage für den zu schätzenden Gesamtwert 48 Monate. Hier handelt es sich jedoch um einen Dienstleistungsauftrag, der gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 PersBefG zulässigerweise über 10 Jahre vergeben werden soll. Insofern liegt es nahe, dass der Auftragswert aufgrund dieser Ausnahmevorschrift wegen der um den Faktor 2,5 erhöhten Laufzeit auch um einen ähnlichen Faktor erhöht sein darf, als üblicherweise. Somit erscheint nach Auffassung der Vergabekammer ein Ausnahmefall im Sinne des § 128 Abs. 2 GWB gegeben, weil die wirtschaftliche Bedeutung dieses langfristigen Auftrages außergewöhnlich hoch ist.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Eine gewisse Ersparnis des Aufwandes mag sich ergeben, weil die Vergabekammer die Prüfung auf die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages beschränken musste. Das OLG Jena (OLG Jena, Beschluss vom 23.12.2011 - 9 Verg 3/11) hat einmal in einem Fall ohne feste Gesamtlaufzeit der Vergabekammer auferlegt, die Gebühr auf die Kappungsgrenze zu senken. Die Vergabekammer geht hier zugunsten der Antragstellerin und zur Rechtsbefriedung darüber hinaus und halbiert die Gebühr auf xxxxxx EUR. Sie weist darauf hin, dass das OLG durchaus befugt ist, auch zu Lasten der Antragstellerin davon abzuweichen und dass das OLG Celle die Vergabekammer in diesem Sinne bereits einmal ermuntert hat (OLG Celle, Beschluss vom 15.03.2013, 13 Verg 4/13 Blatt 6). Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in einer etwaigen mündlichen Verhandlung sind andererseits nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 114 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem öffentlichen Auftraggeber die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden notwendigen Aufwendungen gemäß § 128 Abs. 4 GWB zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für den Antragsgegner notwendig.

Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Auftragsbezogene Rechtsfragen aus dem Bereich der EG-VOL/A oder EG-VOB/A wird regelmäßig das mit der Vergabe betraute Personal sachkundig beantworten können. Daher wird die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes regelmäßig nicht notwendig sein, wenn der öffentliche Auftraggeber in einer ex ante zu Beginn eines Nachprüfungsverfahrens (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.07.2013 - 11 Verg 7/13) zu erstellenden Prognose zu dem Ergebnis gelangt, dass auftragsbezogene Fragen Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sein werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2011, Verg 60/10; OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011, 13 Verg 17/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010, 15 Verg 4/10; OLG München, Beschluss vom 11.06.2008, Verg 6/08, und vom 28.02.2011, Verg 23/10; jetzt auch OLG Dresden, Beschluss vom 14.11.2012 - Verg 8/11). Andererseits ist das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus sowohl nationalem Recht als auch dem Europarecht, die nicht immer im Gleichklang stehen. Soweit der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens daher hauptsächlich rechtliche Probleme des GWB umfasst, ist im Einzelfall die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners durchaus angemessen.

Hier verfügt der Antragsgegner zwar über ein eigenes Rechtsamt mit Juristen, ist daher personell ausreichend aufgestellt, um einfache vergaberechtliche Fragen selbst bearbeiten zu können. Rechtlich handelt es sich hier jedoch um außerordentlich schwierige Fragen zur Sektorenverordnung und zu dem 2013 neu gefassten Personenbeförderungsgesetz, welche das Rangverhältnis zwischen einem eigenwirtschaftlichen Antrag und einem gemeinwirtschaftlichen Antrag betreffen. Dieses Problem ist in der Rechtsprechung aufgrund der neuen Rechtslage bisher kaum diskutiert worden. Eine einheitliche Rechtsprechung hat sich nicht gebildet und die Abgrenzung der verschiedenen Vergabeverfahren voneinander hat sich als besonders schwierig erwiesen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für den Antragsgegner als notwendig anzuerkennen.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

...

Gaus
Peter
Brinkmann