Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.05.2013, Az.: 2 ME 74/13

Anspruch eines Bachelorabsolventen im Studiengang Betriebswirtschaftslehre (Studienrichtung Handel) an einer Dualen Hochschule Baden-Württemberg auf Zugang zum konsekutiven Masterstudiengang an einer Universität

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.05.2013
Aktenzeichen
2 ME 74/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 37046
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0517.2ME74.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 18.01.2013 - AZ: 1 B 51/12

Fundstellen

  • DÖV 2013, 694-695
  • NVwZ-RR 2013, 6
  • NVwZ-RR 2013, 687-688

Amtlicher Leitsatz

Den Universitäten ist es nach § 18 Abs. 8 NHG unbenommen, jedenfalls in begründeten Einzelfällen den Zugang zu einem Masterstudiengang auch an solche Zugangsvoraussetzungen zu knüpfen, die von Absolventen anderer Bildungseinrichtungen wie einer Dualen Hochschule oder einer Berufsakademie typischerweise nicht erfüllt werden können.

[Gründe]

Der Antragsteller, der über einen Bachelorabschluss im Studiengang Betriebswirtschaftslehre (Studienrichtung Handel) an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg verfügt, erstrebt den Zugang zum konsekutiven Masterstudiengang Accounting and Management der Antragsgegnerin (einer Universität i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 NHG), den letztere ihm wegen Verfehlung der besonderen Zugangsvoraussetzungen nach der für diesen Studiengang einschlägigen Ordnung über den Zugang und die Zulassung versagt hat.

Das Verwaltungsgericht hat seinen Antrag auf einstweilige Anordnung abgelehnt, weil er die nach § 18 Abs. 8 NHG zulässigerweise erhobenen Anforderungen nicht erfüllt habe, wie im Einzelnen ausgeführt wird. Diese Zugangsvoraussetzungen stünden mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang, genügten namentlich dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Antragsgegnerin habe hinreichend plausibel gemacht, dass die nötigen Grundkenntnisse für den Masterstudiengang nur durch die Erzielung von Leistungspunkten in bestimmten Bereichen nachgewiesen werden könnten. Auch in ihrer Gesamtheit stellten die Zugangsvoraussetzungen keine unangemessen hohe Zugangshürde dar, denn immerhin habe ein Anteil von 33,4 % der diesbezüglichen Bewerber ihre Anforderungen erfüllt. Unschädlich sei letztlich, dass die Zugangsvoraussetzungen auf den eigenen Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften der Antragsgegnerin zugeschnitten seien; eine solche Ausrichtung sei nicht sachfremd. Zwar seien Bewerber von Berufsakademien und Fachhochschulen faktisch ausgeschlossen, weil deren Studiengänge regelmäßig nicht die geforderte Anzahl an Leistungspunkten in "quantitativen Methoden" und "miroökonomischer Theorie" erbrächten; von den mindestens 89 Bewerbern mit einem solchen Abschluss habe kein einziger diese Voraussetzung erfüllt. Dies rechtfertige sich aber wegen der unterschiedlichen Ausrichtung der Studiengänge an den Hochschulen einerseits und den Fachhochschulen und Berufsakademien andererseits.

Offen bleibe, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angesichts der engen Abstimmung mit dem von der Antragsgegnerin selbst angebotenen Bachelorstudiengang zur Vermeidung von Härten das Vorhandensein einer Ausnahmeregelung dahingehend erfordere, dass bei Nichterfüllung einzelner besonderer Zugangsvoraussetzungen ein vorläufiger Zugang mit der Auflage ermöglicht werden müsse, die fehlenden Leistungspunkte nachzuholen oder die notwendigen Kenntnisse im Rahmen einer Prüfung nachzuweisen. Dem Antragsteller fehlten nicht nur einzelne, sondern mehr als ein Drittel der erforderlichen Leistungspunkte.

Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, die von der Antragsgegnerin aufgestellten Zugangsvoraussetzungen seien unverhältnismäßig. Zur Erreichung des Zieles, ein hohes fachliches und wissenschaftliches Niveau des Masterstudienganges zu sichern, seien sie zwar geeignet, aber nicht erforderlich und angemessen. Der verfolgte Zweck lasse sich auch in einer Weise erreichen, bei der Absolventen anderer Hochschulen, Berufsakademien und Fachhochschulen nicht benachteiligt würden. Die Einschätzungsprärogative der Universität sei insoweit durch Art. 12 Abs. 1 GG eingeschränkt.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt habe, seien die Zugangsvoraussetzungen in § 2 Abs. 4 Nr. 2 a-c ZZO auf den Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften der Antragsgegnerin zugeschnitten. Dies diskriminiere Absolventen anderer Ausbildungseinrichtungen. Deshalb bedürfe es besonders kritischer Prüfung, ob die Bevorzugung der eigenen Absolventen gerechtfertigt sei, zumal die Antragsgegnerin den Nachweis der Qualifikation auf andere Weise nicht zugelassen habe. Eine Regelung, die die Absolventen von Berufsakademien und Fachhochschulen faktisch ausschließe, sei nicht verhältnismäßig.

Soweit das Verwaltungsgericht die Notwendigkeit einer Härtefallregelung nicht ausschließe, dies aber für den vorliegenden Fall für unbeachtlich halte, weil der Antragsteller die Vorgaben weit verfehle, verkenne es, dass es insoweit nicht auf den Einzelfall ankomme. Im Übrigen bleibe damit unberücksichtigt, ob die erforderlichen Qualifikationen in anderen Teilbereichen erworben worden seien.

Schließlich gehe die Annahme des Verwaltungsgerichts fehl, dass die Absolventen von Berufsakademien und Fachhochschulen nicht benachteiligt würden, obwohl sie faktisch vom Masterstudiengang ausgeschlossen seien. Darin liege ein Verstoß gegen § 6a Abs. 5 NBAkadG und den Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15. Oktober 2004.

Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt nicht die Änderung des angegriffenen Beschlusses.

Wie der Antragsteller selbst nicht in Zweifel zieht, sind Zugangsbeschränkungen beim Masterstudium aus Gründen der Qualitätssicherung grundsätzlich zulässig (Senatsbeschlüsse v. 7.6.2010 - 2 NB 375/09 -, NdsVBl. 2010, 296, u. v. 19.2.2013 - 2 NB 5/13 -, [...]). Die in § 18 Abs. 8 Satz 1 NHG vorausgesetzte "besondere Eignung" darf nach Satz 2 dieser Vorschrift auf der Grundlage des Ergebnisses der Bachelorprüfung festgestellt werden. Der an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg erzielte Abschluss des Antragstellers im Studiengang Betriebswirtschaftslehre in der Studienrichtung Handel stellt einen Bachelorabschluss im Sinne dieser Vorschrift dar. Wie das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt hat, erfüllt der Antragstellers jedoch nicht die konkreten Voraussetzungen der "Ordnung über den Zugang und die Zulassung für den konsekutiven Masterstudiengang 'Accounting and Management'" der Antragsgegnerin. Das stellt er mit seiner Beschwerde nicht grundsätzlich in Frage.

Richtig ist, dass sich derartige Zugangsbeschränkungen ihrerseits an Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen müssen, den Zugang insbesondere für Absolventen anderer Bildungseinrichtungen also nicht unangemessen beschränken dürfen (vgl. auch VGH München, Beschl. v. 18.3.2013 - 7 CS 12.1779 -). In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht sieht der Senat jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass diese Grenze hier überschritten ist.

Das gilt zunächst absolut wie auch im Verhältnis zu Absolventen anderer Hochschulen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts haben 33,4 % der Bewerber die Zugangsvoraussetzungen erfüllt. Das spricht dafür, dass die Zugangshürden für sich genommen noch nicht zu hoch waren. Wie ferner die Antragsgegnerin unwidersprochen hervorgehoben hat, haben von den 116 zugelassenen Bewerbern 73 ihren Bachelorabschluss an anderen Hochschulen erworben, nur 43 bei der Antragsgegnerin selbst. Insoweit ist auch nicht zu beanstanden, dass die eigenen Absolventen möglicherweise einen "Heimvorteil" dergestalt genießen, dass sie bei erfolgreichem Bachelorabschluss praktisch automatisch die Zugangsvoraussetzungen für den Masterstudiengang erfüllen, wenn sie überhaupt die Mindestnote von 3,0 erzielt haben, wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat. Die Hochschulen sind durch den Bologna-Prozess nicht gehindert, sondern ermutigt, sich in bestimmter Weise zu profilieren und von anderen, mit ihnen im Wettbewerb stehenden Hochschulen unterscheidbar zu machen. Das kann auch das jeweilige Angebot an Bachelorstudiengängen mitprägen. Eine inhaltliche Abstimmung gerade zwischen konsekutiven Bachelor- und Masterstudiengang ist unter diesen Umständen nicht zu beanstanden. Die Hochschule muss den Bachelorstudiengang nicht eigens "verfremden", um das Verbleiben an der Hochschule genauso schwierig zu gestalten wie einen Wechsel der Hochschule zwischen Bachelor- und Masterstudiengang. Jedenfalls bei den hier gegebenen Zahlen von Absolventen der eigenen und fremder Hochschulen bedarf es keiner Nachprüfung im Detail mehr, ob die Abstimmung des Bachelor- und des Masterstudienganges gemessen am Gebot der Fairness gegenüber den Absolventen fremder Hochschulen zu weit gegangen ist.

Die Antragsgegnerin musste die Zugangsvoraussetzungen hier auch nicht so gestalten, dass jeder Bachelor-Absolvent im Fach Betriebswirtschaft statistisch gesehen die gleichen Chancen auf Zugang hat(te), unabhängig davon, ob er seinen Abschluss an einer Universität oder gleichgestellten Hochschule (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 NHG, vgl. ferner §§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 LHG BW), einer Fachhochschule, einer Dualen Hochschule oder einer Berufsakademie erworben hat. Zwar dürfen die Universitäten die "Schaffung eines einheitlichen Europäischen Hochschulraums" (vgl. § 29 Abs. 2 Satz 1 LHG BW) nicht dadurch vereiteln, dass sie die Zugangsvoraussetzungen für ihre Masterstudiengänge generell als nicht überwindbare Hürde für Bewerber auslegen, die ihren Bachelor nicht an einer Universität erworben haben. Es ist ihnen aber unbenommen, Masterstudiengänge im Einzelfall nur für Studierende mit Vorkenntnissen zu öffnen, die an einer Fachhochschule, einer Berufsakademie oder einer Dualen Hochschule typischerweise nicht erworben werden können. Anderenfalls müsste sich das gesamte Masterstudienangebot an der Zielrichtung der genannten Bildungseinrichtungen ausrichten, ohne die sich davon abhebende Ausprägung der Bachelorstudiengänge an Universitäten in irgendeiner Weise noch berücksichtigen zu können. Das ist vom Bologna-Prozess ersichtlich nicht intendiert.

Das Verwaltungsgericht hat bereits zutreffend auf die unterschiedliche Ausrichtung der universitären Bachelor- und Masterstudiengänge auf der einen Seite und der Fachhochschul- sowie der damit vergleichbaren Berufsakademiestudiengänge nach niedersächsischem Recht hingewiesen (§ 3 Abs. 4 NHG, § 1 Abs. 1 NBAkadG). Nach baden-württembergischem Recht, das auf den Bachelorstudiengang des Antragstellers Anwendung fand, bestehen ebenfalls Ausrichtungsunterschiede, die sich nur graduell von den niedersächsischen unterscheiden. Den Universitäten obliegt dort nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 LHG BW in der Verbindung von Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung die Pflege und Entwicklung der Wissenschaften. Die Duale Hochschule Baden-Württemberg, an welcher der Antragsteller seinen Abschluss erworben hat, ist aus Berufsakademien hervorgegangen (Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung der Förderalismusreform im Hochschulbereich vom 3.12.2008, GBl. 2008, 435); nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 LHG BW vermittelt sie durch die Verbindung des Studiums an der Studienakademie mit der praxisorientierten Ausbildung in den beteiligten Ausbildungsstätten (duales System) die Fähigkeit zu selbstständiger Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in der Berufspraxis; sie betreibt im Zusammenwirken mit den Ausbildungsstätten auf die Erfordernisse der dualen Ausbildung bezogene Forschung (kooperative Forschung).

Es liegt auf der Hand, dass der praxisorientierte Anteil eines solchen Bachelorstudienganges neben den unzweifelhaften Vorteilen, die er bietet, im Vergleich zu Studiengängen an einer Universität den Zeitanteil einschränkt, der in den theoretisch-wissenschaftlichen Anteil investiert werden kann. Dass an die für diesen Studiengang gewollte Reduzierung des theoretisch-wissenschaftlichen Ansatzes an anderer Stelle nachteilige Folgen geknüpft werden, kann nicht grundsätzlich beanstandet werden. Im Übrigen sucht die Duale Hochschule hierfür selbst einen Ausgleich zu finden, indem sie nach ihrer Selbstdarstellung im Internet "für ausgewählte Absolventinnen und Absolventen seit kurzem eigene, nicht-konsekutive Masterstudiengänge" anbietet.

Vor diesem Hintergrund wäre ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur dann zureichend dargelegt, wenn das Beschwerdevorbringen darlegen könnte, dass die betroffene Universität nicht nur in einzelnen, begründeten Fällen Absolventen von Fachhochschulen, Dualen Hochschulen und Berufsakademien faktisch von der Aufnahme eines Masterstudienganges ausschließt, sondern dies unbesehen auch ohne zureichende Gründe in einer Weise tut, die dem Durchlässigkeitsanliegen des Bologna-Prozesses nicht Rechnung trägt. Dafür liegen hier jedoch keine Anhaltspunkte vor.

Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Verwaltungsgericht dem Begehren des Antragstellers nicht schon wegen Fehlens einer Ausnahmebestimmung entsprochen hat, wonach fehlende Leistungspunkte nachgeholt oder auf andere Weise ausgeglichen werden könnten. Unter Umständen mögen solche Ausnahmebestimmungen zwar geboten sein können. Die enge Abstimmung eines Bachelorstudienganges mit einem konsekutiven Masterstudiengang allein führt jedoch noch nicht zu dieser Folge, wenn sie nur Ausdruck einer für sich genommen sachlich nicht zu beanstandenden Profilbildung ist. Daran, dass die gemeinsame fachliche Ausrichtung der hier in Rede stehenden Bachelor- und Masterstudiengänge der Antragsgegnerin sachliche Gründe für sich hat, hat der Senat nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen und den vertiefenden Angaben der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren jedoch keine durchgreifenden Zweifel.