Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.05.2013, Az.: 5 LB 253/12

Bestimmung der Gesamteinkünfte des Beamten gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 BBhV anhand der tatsächlich zufließenden Einkünfte; Hinzurechnung des Kürzungsbetrags gemäß § 57 BeamtVG bei der Bestimmung der Gesamteinkünfte des Beamten gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 BBhV

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.05.2013
Aktenzeichen
5 LB 253/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 36083
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0507.5LB253.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 30.06.2011 - AZ: 1 A 72/09

Fundstelle

  • ZBR 2013, 315-317

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Gesamteinkünfte des Beamten gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 BBhV sind anhand der tatsächlich zufließenden Einkünfte zu bestimmen. Der Kürzungsbetrag gemäß § 57 BeamtVG ist zu diesen Einkünften nicht hinzuzurechnen.

  2. 2.

    § 47 Abs. 2 Satz 1 BBhV sieht regelhaft vor, dass bei einer Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der Beihilfebemessungssatz zu erhöhen ist. Besondere Umstände, die nach Ermessen eine abweichende Entscheidung ermöglichen, liegen insbesondere dann vor, wenn der Versorgungsempfänger trotz geringer Einkünfte - etwa aufgrund von Vermögen - nicht bedürftig ist oder aber eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes mit der Folge sinkender Krankenversicherungsbeiträge nicht dem Versorgungsempfänger, sondern einem Dritten - beispielsweise einem Gläubiger - zugute käme.

[Tatbestand]

Der Kläger begehrt eine Erhöhung seines Beihilfebemessungssatzes.

Der Kläger ist Ruhestandsbeamter der Beklagten. Als solcher ist er mit einem Bemessungssatz in Höhe von 70 Prozent beihilfeberechtigt und bezieht Versorgungsbezüge. Die Versorgungsbezüge, die sich nach dem Grundgehalt der Endstufe der Besoldungsgruppe A 8 BBesO zuzüglich verschiedener Zulagen bestimmen, betragen 2.028,98 EUR brutto pro Monat. Hinzu kommt eine - teilweise auf die vorbezeichneten Versorgungsbezüge angerechnete - gesetzliche Altersrente in Höhe von 285,21 EUR. Nach Kürzung der Versorgungsbezüge aufgrund eines Versorgungsausgleichs zu Gunsten seiner geschiedenen Ehefrau im Umfang von 742,49 EUR verbleiben dem Kläger monatliche Gesamteinkünfte in Höhe von 1.558,51 EUR brutto. Dem stehen Kosten einer beihilfekonformen privaten Krankenversicherung in Höhe von 269,75 EUR abzüglich eines Zuschusses aus der Rentenversicherung in Höhe von 20,82 EUR gegenüber.

Mit Schreiben vom 19. März 2009 beantragte der Kläger unter Hinweis auf sein geringes Einkommen eine Erhöhung seines Beihilfebemessungssatzes um 10 Prozentpunkte für die Dauer von zunächst zwei Jahren. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. April 2009 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die begehrte Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes gemäß § 47 Abs. 2 BBhV voraussetze, dass das Gesamteinkommen weniger als 150 Prozent des Mindestruhegehaltes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 BeamtVG betrage. Das monatliche Einkommen des Klägers liege ohne Berücksichtigung der Kürzung der Versorgungsbezüge aufgrund des Versorgungsausgleichs darüber.

Unter dem 18. April 2009 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung verwies er sinngemäß darauf, dass sein Gesamteinkommen unter Berücksichtigung der Kürzung seiner Versorgungsbezüge aufgrund des Versorgungsausgleichs zu bestimmen sei. Davon ausgehend liege sein Einkommen unter dem Schwellenwert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Minderung der anzurechnenden Versorgungsbezüge um den Kürzungsbetrag nach § 57 BeamtVG, der aufgrund des Versorgungsausgleichs festgesetzt worden sei, erfolge nicht. Es müsse verhindert werden, dass die versorgungsrechtlichen Kürzungen über eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes ausgeglichen würden.

Mit seiner am 22. Juni 2009 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, sein gemäß § 47 Abs. 2 BBhV maßgebliches Einkommen sei nach dem tatsächlich verfügbaren Einkommen zu bestimmen. Zu berücksichtigen sei deshalb auch die Kürzung seiner Versorgungsbezüge gemäß § 57 BeamtVG. Die Kürzung führe dazu, dass ihm der Kürzungsbetrag nicht zur Verfügung stehe und von ihm auch nicht zu versteuern sei. Die Beklagte rechne ihm demgegenüber ein fiktives Einkommen zu. Das sei mit dem Ziel des § 47 Abs. 2 BBhV, ein niedriges Einkommen auszugleichen, nicht zu vereinbaren. Die Kosten der Krankenversicherung stellten sich für ihn als unzumutbare Belastung dar. Gegebenenfalls komme auch ein Anspruch aus § 47 Abs. 3 BBhV in Betracht.

Der Kläger hat beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Bundesfinanzdirektion Nord vom 16. April 2009 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Beihilfebemessungssatz antragsgemäß für zwei Jahre um zehn Prozent zu erhöhen,

hilfsweise

seinen Antrag auf Erhöhung seines Beihilfebemessungssatzes unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt ihre Rechtsauffassung, nach der versorgungsrechtliche Kürzungen nicht über eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes ausgeglichen werden dürften. Es sei anerkannt, dass sogar die Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 BeamtVG gemäß § 57 BeamtVG gekürzt werden dürfe. Dementsprechend dürfe auch die Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes keine Refinanzierungsquelle für versorgungsrechtliche Kürzungen darstellen. Der Umstand, dass ein Versorgungsausgleich stattfinde, liege allein in der Risikosphäre des Beamten. Der Dienstherr solle dadurch nach der Zielsetzung des § 57 BeamtVG in keiner Weise belastet werden. Zudem fließe der gekürzte Betrag der geschiedenen Ehefrau zu und stelle sich damit als Teil der Alimentation des Beamten und seiner Familie dar. Zu berücksichtigen sei weiter, dass der Kläger in der Vergangenheit zu Unrecht Versorgungsbezüge erhalten habe, mit denen sie monatlich aufrechne. Komme es zu einer Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes, sei zu prüfen, ob eine weitergehende Aufrechnung erfolgen könne. § 47 Abs. 3 BBhV sei nicht einschlägig, weil die Vorschrift nur in seltenen Ausnahmefällen, die nicht unter § 47 Abs. 2 BBhV fielen, Anwendung finde.

Mit Urteil vom 30. Juni 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe das Gesamteinkommen des Klägers zutreffend ohne Berücksichtigung der Kürzung der Versorgungsbezüge gemäß § 57 BeamtVG bestimmt. Die Kürzung beruhe allein auf der in der Sphäre des Klägers liegenden individuellen Lebensgestaltung. Eine Pflicht des Dienstherrn, die Folgen der Ehescheidung in irgendeiner Weise abzufedern, bestehe nicht. Auch die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 BBhV lägen nicht vor. Die Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes wegen eines geringen Einkommens sei in § 47 Abs. 2 BBhV abschließend geregelt.

Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 18. September 2012 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich des auf Neubescheidung gerichteten Hilfsantrags abgewiesen hat.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger ergänzend vor, wie auch im Steuerrecht sei nur das Einkommen maßgeblich, das ihm tatsächlich zur Verfügung stehe. Das sei hinsichtlich des Kürzungsbetrags nicht der Fall. Dem Fürsorgeprinzip werde es nicht gerecht, wenn derartige Beträge im Rahmen einer an der Bedürftigkeit des Beamten orientierten Vorschrift als Einkommen eingesetzt würden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2009 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Erhöhung seines Beihilfebemessungssatzes unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt ergänzend vor, soweit in § 4 Abs. 1 BBhV auf den Einkünftebegriff des § 2 Abs. 3 EStG Bezug genommen werde, lasse das keine Rückschlüsse auf die Bestimmung der Gesamteinkünfte gemäß § 47 Abs. 2 BBhV zu. Im Übrigen laufe das Begehren des Klägers ins Leere, weil private Krankenversicherungsunternehmen die entsprechenden Verträge nur maximal drei Monate rückwirkend änderten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 16. April 2009 und deren Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat deshalb einen Anspruch darauf, dass die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über seinen Antrag vom 16. März 2009 auf Erhöhung seines Beihilfebemessungssatzes entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 BBhV (Bundesbeihilfeverordnung vom 13.2.2009, BGBl. I S. 326). Danach kann die oberste Dienstbehörde den Beihilfebemessungssatz von Versorgungsempfängern mit geringen Gesamteinkünften für höchstens drei Jahre um höchstens 10 Prozentpunkte erhöhen, wenn der Beitragsaufwand für eine beihilfekonforme private Krankenversicherung 15 Prozent der geringen Gesamteinkünfte übersteigt. Die geringen Gesamteinkünfte betragen 150 Prozent des Ruhegehalts nach § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 BeamtVG.

Ob der Beihilfebemessungssatz zeitweise erhöht werden kann, hängt mithin von der Höhe der Gesamteinkünfte des Versorgungsempfängers ab. Schon nach dem Gesetzeswortlaut ist - ausgehend von dem üblichen Sprachgebrauch - davon auszugehen, dass bei der Bestimmung der Gesamteinkünfte nur solche Einnahmen zu berücksichtigen sind, die dem Versorgungsempfänger tatsächlich zufließen. Dafür spricht auch, dass sich § 47 Abs. 2 Satz 1 BBhV sprachlich an den steuerrechtlichen Begriff des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) anlehnt. Dieser Begriff kennzeichnet wiederum die Summe der Einkünfte, die nach Saldierung der positiven und negativen Einkünfte, also der Einnahmen und der Verluste, tatsächlich verbleibt (vgl. BFH, Urteil vom 25.5.2011 - IX R 84/06 -, [...] Rn. 10). In die Betrachtung einzubeziehen sind deshalb die tatsächlich gezahlten Versorgungsbezüge einschließlich etwaiger Sonderzuwendungen, Renten, Kapitalerträge sowie sonstige laufende Einnahmen (ebenso Nr. 47.2.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung vom 14.2.2009). Der Kürzungsbetrag gemäß § 57 BeamtVG fließt dem Versorgungsempfänger demgegenüber gerade nicht zu. Aus seiner Sicht wirkt er sich im Gegenteil unmittelbar versorgungsmindernd aus.

Vor diesem Hintergrund kommt es auf die von dem Verwaltungsgericht angestellte Erwägung, der Kläger habe grundsätzlich Anspruch auf die vollen Versorgungsbezüge, die allerdings auf Dauer gekürzt ausgezahlt würden, nicht an. Die rechtstechnische Gestaltung der Kürzung ändert nichts daran, dass dem Versorgungsempfänger der Kürzungsbetrag für seinen Lebensunterhalt nicht zur Verfügung steht. Ohne Relevanz ist auch, dass der Kürzung der Bezüge des Versorgungsempfängers jedenfalls im Grundsatz eine Leistung an den geschiedenen Ehegatten gegenübersteht. Nach dem Gesetzeswortlaut maßgeblich sind nämlich nur die Gesamteinkünfte des Versorgungsempfängers und seiner gemäß § 4 BBhV berücksichtigungsfähigen Angehörigen, nicht aber die Einkünfte von sonstigen beihilferechtlich nicht berücksichtigungsfähigen Personen.

Spricht demnach bereits der Wortlaut des § 47 Abs. 2 Satz 1 BBhV dagegen, den Kürzungsbetrag gemäß § 57 BeamtVG bei der Bestimmung der Gesamteinkünfte in Ansatz zu bringen, bestätigt die Systematik der Bundesbeihilfeverordnung dieses Ergebnis. Soweit die Verordnung an anderer Stelle - nämlich in § 4 Abs. 1, § 27 Abs. 3 Nr. 2, § 39 Abs. 3 und § 45 Abs. 3 BBhV - den Begriff der Einkünfte verwendet, stellt sie implizit oder - wie in § 4 Abs. 1, § 39 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BBhV - ausdrücklich auf die positiven, dem Betreffenden tatsächlich zufließenden Einkünfte ab. Die Höhe der Einkünfte dient dabei entweder zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit einer Person oder aber - bei dem Ausfall von Einkünften aufgrund der Pflege einer beihilfeberechtigten Person durch Familienangehörige gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 2 BBhV - der Bemessung von Beihilfeleistungen. Diese Funktion könnte der Begriff der Einkünfte nicht erfüllen, wenn es nicht allein auf die tatsächlich zufließenden Einkünfte ankäme.

Entscheidend spricht schließlich der Sinn und Zweck der Vorschrift dagegen, den Kürzungsbetrag gemäß § 57 BeamtVG bei der Bestimmung der Gesamteinkünfte zu berücksichtigen. § 47 Abs. 2 Satz 1 BBhV ist ausweislich der amtlichen Begründung ein Ausfluss der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 78 BBG). Der Sinn und Zweck der Vorschrift liegt darin, Versorgungsempfänger mit geringem Einkommen, die durch die notwendigen Beiträge zur privaten Krankenversicherung übermäßig belastet werden, durch die Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes - und der damit einhergehenden Verringerung des privat zu versichernden Krankheitsrisikos - finanziell zu stärken. Profitieren sollen diejenigen Versorgungsempfänger, die tatsächlich bedürftig sind (vgl. die amtliche Begründung zum Entwurf der Bundesbeihilfeverordnung, zitiert nach Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, § 47 BBhV Rn. 9 <Stand der Bearbeitung: Oktober 2012>).

Legt man dies zugrunde, ist der Kürzungsbetrag nicht zu den Gesamteinkünften i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 1 BBhV zu zählen. Angesichts der weit gefassten Zielsetzung des Gesetzgebers, bedürftige Beamte hinsichtlich ihres Beitrags zur privaten Krankenversicherung finanziell zu entlasten, ist es unerheblich, aus welchen Gründen der Beamte bedürftig ist. Die Vorschrift ist Ausdruck der sozialen Verantwortung des Dienstherrn, die nicht davon abhängt, ob ein geringes Einkommen auf einer unsteten Erwerbsbiografie, auf einer frühen Dienstunfähigkeit, einer Ehescheidung oder auf anderen Gründen beruht.

Soweit die Beklagte demgegenüber einwendet, die Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes dürfe keine Refinanzierungsquelle für versorgungsrechtliche Kürzungen darstellen, greift eine solche Betrachtungsweise zu kurz. Der Sache nach zutreffend ist zwar, dass die Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes bei einem Versorgungsempfänger, der - wie der Kläger - allein aufgrund einer Kürzung seiner Versorgungsbezüge gemäß § 57 BeamtVG Gesamteinkünfte unterhalb des Schwellenwertes des § 47 Abs. 2 Satz 2 BBhV bezieht, dazu führt, dass dem Dienstherrn höhere Gesamtaufwendungen entstehen, als wenn es keine Ehescheidung gegeben hätte. Dem Sinn und Zweck des § 57 BeamtVG läuft dies allerdings nur auf den ersten Blick zuwider. Dieser Sinn und Zweck liegt darin zu verhindern, dass der Dienstherr durch die Ehescheidung des Beamten bezüglich der gesamten Versorgungsaufwendungen höher belastet wird, als wenn sich der Beamte nicht hätte scheiden lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.1.1987 - BVerwG 2 B 49.86 -, [...] Rn. 2; BVerfG, Beschluss vom 9.11.1995 - 2 BvR 1762/92 -, [...] Rn. 21; Hervorhebung durch den Senat). Bei genauer Betrachtung wird diese Zielsetzung nicht berührt.

§ 57 BeamtVG geht von dem finanziellen Interesse des Dienstherrn aus, bei einem familienrechtlichen Versorgungsausgleich versorgungsrechtlich nicht zusätzlich belastet zu werden. Deshalb soll der Versorgungsempfänger - vereinfacht ausgedrückt - Versorgungsbezüge in der Höhe verlieren, in der sein geschiedener Ehegatte eine Rente erhält und deshalb Zahlungspflichten des Dienstherrn entstehen (vgl. § 225 SGB VI). Diese Zielsetzung impliziert, dass eine Kürzung selbst dann stattfindet, wenn der Versorgungsempfänger in der Konsequenz nicht einmal die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 BeamtVG erhält (vgl. Strötz, in: GKÖD, § 57 BeamtVG Rn. 21, 23 <Stand der Bearbeitung: Mai 2011>) und im Extremfall sogar auf den Bezug ergänzender Sozialleistungen angewiesen ist. Auch im Fall des Klägers greift die Kürzung uneingeschränkt durch, sodass der Regelungsgehalt des § 57 BeamtVG nicht tangiert wird.

§ 47 Abs. 2 Satz 1 BBhV stellt demgegenüber das Interesse des bedürftigen Versorgungsempfängers in den Vordergrund und nimmt damit aus Gründen der Fürsorge eine höhere Belastung des Dienstherrn ausdrücklich in Kauf. Dabei fragt die Vorschrift - wie bereits dargelegt - nicht nach den Gründen für die Bedürftigkeit, sondern ermöglicht eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes auch in den Fällen, in denen die Bedürftigkeit des Beamten auf dessen eigenen Entscheidungen beruht. Sie dient - wie das allgemeine Sozialleistungsrecht - dem Ausgleich von sozialen Härten, die auch daraus resultieren können, dass die Ehe eines Versorgungsempfängers gescheitert ist. Das steht in keinem Widerspruch zu der auf das Versorgungsrecht bezogenen Intention des § 57 BeamtVG. Die Vorschrift des § 57 BeamtVG schließt es weder direkt noch indirekt aus, dass der Dienstherr im Einzelfall entstehende Härten an anderer Stelle aufgrund seiner Fürsorgepflicht abmildert.

Ein Einwand gegen die Bestimmung der Gesamteinkünfte anhand des tatsächlich zufließenden Einkommens folgt auch nicht daraus, dass eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den Ansprüchen, die der geschiedene Ehepartner aufgrund eines Versorgungsausgleichs unmittelbar gegen den Versorgungsträger bzw. die gesetzliche Rentenversicherung erlangt, und direkten Unterhaltsansprüchen gegen den Versorgungsempfänger selbst besteht. Zwar bleibt eine Minderung des Einkommens aufgrund von Unterhaltszahlungen, die der Beamte aus dem ihm zugeflossenen Einkommen leistet, bei der Bestimmung der Gesamteinkünfte unstreitig außer Betracht. Das führt jedoch nicht dazu, dass dem Beamten deshalb aus Gründen der Gleichbehandlung der Kürzungsbetrag gemäß § 57 BeamtVG zuzurechnen wäre. Denn nur hinsichtlich des Versorgungsausgleichs, nicht aber hinsichtlich sonstiger Unterhaltspflichten besteht eine besondere beamtenrechtliche Regelung, die unmittelbar zu einer Kürzung der Versorgungsbezüge führt. Hinzu kommt, dass Unterhaltspflichten nur dann entstehen, wenn der Schuldner ausreichend leistungsfähig ist (vgl. § 1603 BGB). Solche Schutzvorkehrungen kennt § 57 BeamtVG nicht.

Bei der Bestimmung der Gesamteinkünfte kommt es schließlich - abweichend von Nr. 47.2.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung vom 14.2.2009 und dem Vorgehen der Beklagten - nicht auf das in der Vergangenheit erzielte Einkommen, sondern vielmehr auf das im Antragszeitraum zu erwartende Einkommen an. Das in der Vergangenheit erzielte Einkommen kann dabei ein Indiz für die insofern erforderliche Prognose darstellen. Der Mittelwert des Einkommens der letzten zwölf Monate ist als Prognosegrundlage indes dann ungeeignet, wenn es zwischenzeitlich Anpassungen der Versorgungsbezüge bzw. Renten gegeben hat oder Einmalbeträge gezahlt worden sind. In einem solchen Fall lässt ein Mittelwert aus der Vergangenheit keinen verlässlichen Rückschluss auf die Einkommensverhältnisse in der Zukunft zu.

Nach diesen Maßgaben sind die Gesamteinkünfte des Klägers als gering i. S. v. § 47 Abs. 2 BBhV anzusehen. Die Summe seiner Einkünfte - bestehend aus den gemäß den §§ 55, 57 BeamtVG gekürzten Versorgungsbezügen in Höhe von 1.273,30 EUR sowie der gesetzlichen Altersrente in Höhe von 285,21 EUR - betrug im März 2013 1.558,51 EUR. Der nach § 47 Abs. 2 Satz 2 BBhV zu bestimmende Schwellenwert in Höhe von 150 Prozent der Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 BeamtVG beträgt demgegenüber 2.245,58 EUR (Grundgehalt der Endstufe A 4 BBesO: 2.255,95 EUR, davon 65 %: 1.466,37 EUR, zzgl. 30,68 EUR: 1.497,05 EUR, davon 150 %: 2.245,58 EUR). Diesen Wert unterschreitet die Versorgung des Klägers deutlich.

Zugleich beläuft sich der Beitrag des Klägers zu seiner beihilfekonformen privaten Krankenversicherung auf mehr als 15 Prozent seiner geringen Gesamteinkünfte. Auch wenn der Wortlaut des § 47 Abs. 2 Satz 1 BBhV ein anderes Verständnis ermöglicht, bezieht sich der Begriff der geringen Gesamteinkünfte auf das Einkommen des Versorgungsempfängers und nicht auf den Schwellenwert gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 BBhV (vgl. Nr. 47.2.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung vom 14.2.2009). Nur ein solches Verständnis berücksichtigt - dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechend - die individuelle Belastung des Versorgungsempfängers in einer angemessenen Weise. Legt man dies zugrunde, entsprechen 15 Prozent der Gesamteinkünfte des Klägers einem Betrag in Höhe von 233,78 EUR. Dem steht ein Beitrag zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 269,75 EUR abzüglich des von der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Zuschusses in Höhe von 20,82 EUR, demzufolge ein Betrag in Höhe von 248,93 EUR gegenüber.

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 BBhV vor, ist die Beklagte gehalten, nach pflichtgemäßem Ermessen über den Antrag des Klägers zu entscheiden. Dies hat sie bislang nicht getan, sodass die ergangenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichten ist (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Bei der Neubescheidung wird die Beklagte einerseits zu beachten haben, dass die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der geringen Gesamteinkünfte nach dem gesetzgeberischen Willen indiziert, dass eine Erhöhung erfolgen soll (vgl. die amtliche Begründung zum Entwurf der Bundesbeihilfeverordnung, a. a. O.). Andererseits wird sie erwägen müssen, ob aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls trotz der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 Abs. 2 BBhV eine Erhöhung ausnahmsweise versagt werden kann.

Derartige Umstände liegen beispielsweise dann vor, wenn ein Versorgungsempfänger trotz geringer Gesamteinkünfte - etwa aufgrund von Vermögen - nicht bedürftig ist und sich deshalb die § 47 Abs. 2 BBhV zugrunde liegende Gleichsetzung von geringen Gesamteinkünften und Bedürftigkeit als unzutreffend erweist. Umstände, die ein Versagungsermessen eröffnen, liegen aber auch dann vor, wenn eine Entlastung bei der Absicherung des Krankheitsrisikos nicht unmittelbar dem Lebensunterhalt des Versorgungsempfängers, sondern einem Dritten - beispielsweise einem Gläubiger - zu Gute käme. Letzteres könnte auch hier der Fall sein. Der Kläger schuldet der Beklagten aufgrund überzahlter Versorgungsbezüge einen Betrag von mehr als 77.000,- EUR, sodass eine Entlastung bei den Beiträgen zur privaten Krankenversicherung ein höheres pfändbares Einkommen und damit eine höhere monatliche Rückzahlungsrate als die gegenwärtig gezahlten 50,- EUR zur Folge haben könnte. § 47 Abs. 2 Satz 1 BBhV ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass geringere Beiträge zur privaten Krankenversicherung dem Kläger ungeachtet seiner weiteren Zahlungsverpflichtungen verbleiben müssen. Die diesbezüglichen Grenzen ergeben sich vielmehr - wie bei anderen Schuldnern auch - aus den Schutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO.

Soweit der Kläger also mit einer höheren Rückzahlungsrate zu belasten wäre, läge es im Ermessen der Beklagten, eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes ganz oder teilweise abzulehnen, weil die Erhöhung in diesem Fall nicht dem allgemeinen Lebensunterhalt, sondern der Schuldentilgung - und damit einem von § 47 Abs. 2 BBhV nicht gedeckten Zweck - diente. Ob das der Fall ist, wird die Beklagte im Rahmen der gebotenen Neubescheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen haben.

Einem Anspruch auf Neubescheidung steht schließlich nicht entgegen, dass eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückwirkende Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes aufgrund der in § 48 BBhV zum Ausdruck kommenden Begrenzung der Summe von Beihilfe und Leistungen der privaten Krankenversicherung auf die Höhe der dem Grunde nach beihilfefähigen Aufwendungen insoweit nicht in Betracht kommt, als die private Krankenversicherung des Klägers den bestehenden Krankenversicherungsschutz nicht ebenfalls rückwirkend an den erhöhten Beihilfebemessungssatz anpasst und ihre Leistungen entsprechend reduziert. Jedenfalls für den Zeitraum in der Vergangenheit, für den der Kläger eine rückwirkende Anpassung seines Versicherungsschutzes nachweist, sowie für die Zukunft muss die Beklagte eine ermessensfehlerfreie neue Entscheidung treffen (vgl. auch Nr. 47.2.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung vom 14.2.2009).

Ein Anspruch des Klägers folgt demgegenüber nicht aus § 47 Abs. 3 Satz 1 BBhV. Danach kann die oberste Dienstbehörde den Bemessungssatz in weiteren besonderen Ausnahmefällen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern angemessen erhöhen, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 BBG zwingend geboten ist. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, bezieht sich diese Vorschrift schon tatbestandlich nur auf "weitere besondere Ausnahmefälle", also nicht auf Fälle, in denen geringe Gesamteinkünfte eine Erhöhung erfordern können. In derartigen Fällen ist allein § 47 Abs. 2 Satz 1 BBhV als die speziellere Vorschrift anzuwenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.