Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.05.2013, Az.: 13 LA 160/12

Vorlage der Zusammenfassung der Produktmerkmale im Sinne des § 22 Abs. 7 Satz 1 AMG eines bereits zugelassenen vergleichbaren Tierarzneimittels als Ersatz einer Vorlage vorgeschriebenen Gutachten im Rahmen eines sogenannten bibliografischen Antrags nach § 22 Abs. 3 AMG

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.05.2013
Aktenzeichen
13 LA 160/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 37097
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0516.13LA160.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 25.04.2012 - AZ: 5 A 54/10

Fundstelle

  • NordÖR 2013, 495

Amtlicher Leitsatz

Auch im Rahmen eines sogenannten bibliografischen Antrags nach § 22 Abs. 3 AMG ersetzt die Vorlage der Zusammenfassung der Produktmerkmale im Sinne des § 22 Abs. 7 Satz 1 AMG (summary of product characteristics) eines bereits zugelassenen vergleichbaren Tierarzneimittels nicht die Vorlage der nach § 24 Abs. 1 AMG vorgeschriebenen Gutachten.

[Gründe]

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Zulassung der Berufung setzt nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO voraus, dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe dargelegt ist und vorliegt. Eine hinreichende Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert, dass in der Begründung des Zulassungsantrags im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt sein soll. Zwar ist bei den Darlegungserfordernissen zu beachten, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 12.03.2008 - 2 BvR 378/05 -; BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschl. v. 24.01.2007 - 1 BvR 382/05 -; BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 21.01.2000 - 2 BvR 2125/97 -, jeweils zit. nach [...]). Erforderlich sind aber qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen.

Der in erster Linie geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils können nur dann bestehen, wenn gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gründe sprechen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458; BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4/03 -, [...]). Da das Erfordernis der ernstlichen Zweifel auch auf die Ergebnisrichtigkeit abstellt, dürfen sich die Zweifel indessen nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen, sondern es ist zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen. Für die Zulassung der Berufung wegen des Vorliegens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen hingegen nicht vor, wenn zwar einzelne Rechtssätze oder tatsächliche Feststellungen, welche das Urteil tragen, zu Zweifeln Anlass bieten, das Urteil aber im Ergebnis aus anderen Gründen offensichtlich richtig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, a.a.O.). Ist das Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller Begründungen Zulassungsgründe dargelegt werden (Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll: VwGO, 5. Aufl. § 124a Rdnr. 82).

Keinen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung weckt die Klägerin mit ihrem Vorbringen, im Rahmen der Prüfung einer Nachzulassung auf der Grundlage des "well established use" sei das Verwaltungsgericht nicht auf die vorgelegten bzw. nachgereichten "summaries of product characteristics" vergleichbarer Arzneimittel eingegangen. Die Voraussetzungen einer Nachzulassung auf der Grundlage eines sog. "bibliografischen Zulassungsantrags" nach § 22 Abs. 3 AMG sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht aus den von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Gutachten lediglich die Wirksamkeit für die im angefochtenen Bescheid benannten Atemwegserkrankungen bei Rind und Schwein entnommen hat. Dieser Auffassung ist die Klägerin im Rahmen der Zulassungsbegründung nicht entgegengetreten, sondern hat den Mangel eingeräumt (S. 10 der Zulassungsbegründung). Damit fehlt es für die darüber hinaus beantragten Zieltierarten und Anwendungsbereiche bereits an dem auch bei einem bibliografischen Antrag erforderlichen gutachterlichen Nachweis der Wirksamkeit (§ 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AMG). Eine weitergehende Nachzulassung ist insoweit nach § 105 Abs. 4f i.V.m. § 25 Abs. 2 Nr. 4 AMG ausgeschlossen.

Dieser Nachweis kann - worauf die Klägerin offensichtlich abstellt - auch nicht durch die Vorlage der Zusammenfassung der Produktmerkmale vergleichbarer Tierarzneimittel ersetzt werden.

Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG kann anstelle der grundsätzlich erforderlichen Ergebnisse präparatespezifischer pharmakologischer und toxikologischer Versuche (§ 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG) sowie klinischer Prüfungen oder sonstiger tierärztlicher Erprobung (§ 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AMG) anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn es sich um ein Arzneimittel handelt, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein tiermedizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem vorgelegten wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind. Gleiches gilt nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AMG bei einem Arzneimittel, das einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist und nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AMG bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile. Es kann in diesem Fall jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind. Diesem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial sind nach § 24 Abs. 1 Satz 1 AMG Gutachten beizufügen, in denen Kontrollmethoden, Prüfungsergebnisse und Rückstandsnachweisverfahren zusammengefasst und bewertet werden. Aus dem in diesem Zusammenhang vorzulegenden klinischen Gutachten muss hervorgehen, ob das Arzneimittel bei den angegebenen Anwendungsgebieten angemessen wirksam ist, ob es verträglich ist, ob die vorgesehene Dosierung zweckmäßig ist und welche Gegenanzeigen und Nebenwirkungen bestehen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AMG). Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 AMG hat die zuständige Bundesoberbehörde die Arzneimittelprüfrichtlinien sinngemäß auf das wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 AMG anzuwenden, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Arzneimittel zu berücksichtigen sind. Als wissenschaftliches Erkenntnismaterial gilt auch das nach wissenschaftlichen Methoden aufbereitete medizinische Erfahrungsmaterial (§ 26 Abs. 2 Satz 2 AMG). Nach § 1 der Tierarzneimittel-Prüfrichtlinienverordnung vom 18. Februar 2010 (BGBl. I S. 130) müssen die nach den §§ 22 bis 24 AMG einzureichenden Angaben, Unterlagen und Gutachten die Anforderungen erfüllen, die Anhang I Titel I, II, III, und IV Nr. 2 der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABL. L 311 vom 28. November 2001, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung geregelt sind.

Diesen Anforderungen an einen bibliografischen Zulassungsantrag genügt die Vorlage lediglich der Zusammenfassung der Produktmerkmale vergleichbarer im europäischen Ausland zugelassener Medikamente nicht. Das eingereichte Erkenntnismaterial soll eine Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels in der angegebenen Dosierung unter Berücksichtigung der vorgesehenen Anwendungsbedingungen ermöglichen. So legt Titel III Nr. 3 des Anhangs I der Richtlinie 2001/81/EG fest, dass alle Aspekte der Unbedenklichkeit und der Wirksamkeit in einer ausführlichen wissenschaftlichen Bibliografie erfasst werden müssen. Der Antragsteller muss in den Unterlagen, die er einreicht, auf alle Aspekte der Beurteilung der Unbedenklichkeit und/oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die vorgeschlagene Indikation bei der Zieltierart unter Verwendung des vorgeschlagenen Verarbeitungswegs und Dosierungsschemas eingehen. Sie müssen einen Überblick über die einschlägigen Veröffentlichungen umfassen bzw. auf einen solchen verweisen; dabei sind vor und nach dem Inverkehrbringen durchgeführte Studien und wissenschaftliche Veröffentlichungen über die Erfahrungen aus epidemiologischen Studien, insbesondere vergleichenden epidemiologischen Studien, zu berücksichtigen. Alle Unterlagen, sowohl günstige als auch ungünstige, sind vorzulegen. In Bezug auf die Vorschriften über die allgemeine tiermedizinische Verwendung ist insbesondere zu präzisieren, dass auch ein bibliografischer Verweis auf andere Informationsquellen (beispielsweise Untersuchungen nach dem Inverkehrbringen, epidemiologische Studien usw.) und nicht nur Daten von Versuchen und Prüfungen als gültiger Nachweis für die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Arzneimittels dienen können, wenn in dem Antrag hinreichend erläutert und begründet wird, warum diese Informationsquellen angeführt werden. Besondere Aufmerksamkeit ist auf etwaige fehlende Informationen zu richten und es ist zu begründen, warum der Nachweis eines annehmbaren Grades an Unbedenklichkeit und/oder Wirksamkeit erbracht werden kann, obwohl bestimmte Studien fehlen. Aus den ausführlichen kritischen Zusammenfassungen über die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit muss hervorgehen, inwiefern vorgelegte Daten, die ein anderes als das in Verkehr zu bringende Arzneimittel betreffen, relevant sind. Es ist zu beurteilen, ob das geprüfte Arzneimittel trotz der bestehenden Unterschiede als dem Arzneimittel gleich betrachtet werden kann, für das der Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wurde. Nach dem Inverkehrbringen gemachte Erfahrungen mit anderen Arzneimitteln, die die gleichen Bestandteile enthalten, sind von besonderer Bedeutung und die Antragsteller müssen diesen Aspekt besonders berücksichtigen.

Es liegt auf der Hand, dass angesichts dieser Anforderungen der schlichte Verweis auf die Zusammenfassung der Produktmerkmale vergleichbarer Arzneimittel für die Nachzulassung eines Tierarzneimittels nicht ausreicht. Bei der Zusammenfassung der Produktmerkmale handelt es sich um ein dem Zulassungsantrag nach § 22 Abs. 7 Satz 1 AMG hinzuzufügendes Schriftstück, das zugleich die Fachinformation nach § 11a Abs. 1 Satz 2 AMG darstellt. Diese hat das Ziel, durch Information der Fachkreise über Qualität, Risiken, Wirksamkeit und Anwendung der Arzneimittel ausführlich zu informieren und damit zu einem erfolgreichen Therapieerfolg beizutragen. Bereits diese eingeschränkte Zielrichtung schließt die alleinige Zugrundelegung bei der Zulassung eines vergleichbaren Arzneimittels aus. Darüber hinaus mangelt es einer Zusammenfassung der Produktmerkmale jedweder Aussage über die Vergleichbarkeit des Arzneimittels, dessen Zulassung begehrt wird. Es mag dahinstehen, ob die Zusammenfassung der Produktmerkmale eines vergleichbaren Medikaments aufgrund ihrer Anwendungsbezogenheit und eingeschränkten Überprüfbarkeit überhaupt zum wissenschaftlichen Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG gerechnet werden kann (vgl. dazu die Aufzählung unter Abs. 7 des ersten Abschnitts der Arzneimittelprüfrichtlinien für Humanarzneimittel). Deren alleinige Vorlage ist jedenfalls ungeeignet, die Zulassung eines vergleichbaren Arzneimittels zu begründen.

Für die offensichtliche Annahme der Klägerin, eine solche Zusammenfassung der Produktmerkmale könne wissenschaftliches Erkenntnismaterial und Gutachten im Sinne des § 24 Abs. 1 AMG zugleich sein, finden sich in der gesetzlichen Regelung keinerlei Anhaltspunkte. Dies belegt schon § 24 Abs. 1 Satz 1 AMG, der eine gutachterliche Zusammenfassung und Bewertung des vorgelegten Erkenntnismaterials fordert. Daneben verlangt § 24 Abs. 2 AMG, dass aus dem vorzulegenden Gutachten hervorgeht, dass das wissenschaftliche Erkenntnismaterial in sinngemäßer Anwendung der Arzneimittelrichtlinien erarbeitet wurde. Auch der historische Gesetzgeber beabsichtigte die Gleichsetzung der Zusammenfassung der Produktmerkmale eines vergleichbaren Arzneimittels mit einem Gutachten nach § 24 Abs. 1 AMG bei der Schaffung der Möglichkeit eines bibliografischen Zulassungsantrags erkennbar nicht, auch wenn er den Begriff des wissenschaftlichen Erkenntnismaterials weit ausgelegt wissen und an die vorzulegenden Unterlagen keine übertriebenen formellen Anforderungen stellen wollte (vgl. die amtliche Begründung abgedruckt in Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 22 AMG, Loseblatt, Stand 2013). § 22 Abs. 3 AMG dispensiert demzufolge auch nicht von der Vorlage der Gutachten nach § 24 Abs. 1 AMG, sondern nur von der Vorlage der Ergebnisse eigener pharmakologischer und toxikologischer Versuche sowie klinischer Prüfungen oder sonstiger tierärztlicher Erprobungen. Die erforderlichen Gutachten können auf wissenschaftliche Erkenntnisse über auf dem europäischen Markt befindliche vergleichbare Konkurrenzprodukte zurückgreifen, diese können die Gutachten indes nicht ersetzen. Die Gutachten müssen nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung und den Vorgaben des Anhangs I der Richtlinie 2001/81/EG vielmehr zu dem vorgelegten Erkenntnismaterial hinzutreten. Hätte der Gesetzgeber die Nachzulassung eines Tierarzneimittels allein auf der schmalen Grundlage der Zusammenfassung der Produktmerkmale eines vergleichbaren Konkurrenzproduktes beabsichtigt, hätte es einer eindeutigen Regelung bedurft, die sich durch eine Bezugnahme auf § 22 Abs. 7 Satz 1 AMG auch unschwer hätte schaffen lassen. Dies ist indes nicht geschehen. Dass eine derartige Regelung zu keinem Zeitpunkt in seiner Absicht stand, belegt auch die von der Klägerin herangezogene ursprüngliche Fassung des § 25 Abs. 7 AMG vom 24. August 1976 (BGBl. I S. 2445, 2456). Danach hatte die zuständige Bundesoberbehörde bei Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterlagen, das wissenschaftliche Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG durch Kommissionen aufbereiten zu lassen und die Ergebnisse bekanntzumachen. In diesem Falle hatte die Bundesoberbehörde auf der Grundlage der bekanntgemachten Ergebnisse über den Zulassungsantrag zu entscheiden und bei einer Abweichung die Gründe darzulegen. Mithin reichte das Vorliegen wissenschaftlichen Erkenntnismaterials auch nach dieser Bestimmung für sich genommen für die Zulassung nicht aus. Es bedurfte erst einer Aufbereitung dieses Materials durch die zuständige Kommission. Eine durch eine der genannten Kommissionen erstellte Aufbereitungsmonografie für die Wirkstoffkombination des Arzneimittels, dessen Zulassung die Klägerin begehrt, liegt indes nicht vor. Die von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachten belegen unbestritten eine Wirksamkeit des zuzulassenden Tierarzneimittels nur hinsichtlich der im Bescheid benannten Atemwegserkrankungen bei Rind und Schwein. Über dieses Ergebnis können auch die vorgelegten Zusammenfassungen der Produktmerkmale vergleichbarer Konkurrenzprodukte nicht hinweghelfen. Unabhängig davon, dass die Anforderungen an ein Gutachten nach § 24 Abs. 1 AMG andere sind, als die an eine Zusammenfassung der Produktmerkmale nach § 22 Abs. 7 Satz 1 AMG gestellten, schließt schon diese Verschiedenheit des untersuchten bzw. beschriebenen Arzneimittels eine Verwertung als Gutachten in dem von der Klägerin gewünschten Sinne aus. Während die vorzulegenden Gutachten das Arzneimittel zum Gegenstand haben, dessen Zulassung begehrt wird, beziehen sich die Zusammenfassungen der Produktmerkmale vergleichbarer Arzneimittel ausschließlich auf diese. Ebensowenig, wie ein Arzneimittel allein auf der Grundlage eines für ein anderes - wenn auch vergleichbares - Arzneimittels erstellten Gutachtens zugelassen werden kann, kann eine Zulassung alleine auf der Grundlage der Zusammenfassung der Produktmerkmale eines anderen - wenn auch vergleichbaren - Arzneimittels erfolgen.

Soweit die Klägerin sich auf die Zulassung des nach ihren Angaben identischen Tierarzneimittels "B." in Österreich beruft und damit die erleichterte Nachzulassung auf der Grundlage § 105 Abs. 4c AMG in Anspruch nimmt, führt auch dies zu keinen Zweifeln an der Ergebnisrichtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Antragstellung nach dieser Vorschrift liegen ersichtlich nicht vor. Nach § 105 Abs. 4c AMG hat der Antragsteller alle in § 22 Abs. 6 AMG vorgesehenen Angaben zu machen und einem Antrag die danach erforderlichen Kopien beizufügen und schriftlich zu erklären, dass die eingereichten Unterlagen nach den Absätzen 4 und 4a des § 105 AMG mit den Zulassungsunterlagen übereinstimmen, auf denen die Zulassung in dem anderen Mitgliedstaat beruht. Diesen Anforderungen an die Antragstellung und die vorzulegenden Unterlagen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht einmal ansatzweise. Diese hat in ihrem an das Verwaltungsgericht gerichteten Schriftsatz vom 30. März 2012 lediglich auf die Zulassung vergleichbarer und identischer Arzneimittel im europäischen Ausland hingewiesen und diesem Schriftsatz eine Kopie der Zusammenfassung der Produktmerkmale des o.g. Arzneimittels beigefügt. Weitere Unterlagen hat die Klägerin auch zur Begründung ihres Zulassungsantrags nicht vorgelegt. Unter diesen Voraussetzungen kommt eine Nachzulassung nach § 105 Abs. 4c AMG schon mangels Überprüfungsmöglichkeit der Beklagten nicht in Betracht. Auf die Frage einer Präklusion nach § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27. Januar 2011 - 3 C 10.10 -, [...]) kommt es mithin nicht an.

Auch die Bestätigung der Versagung der Zulassung für die Zieltierart Schwein durch das Verwaltungsgericht aufgrund der nicht belegten Wartefrist ist nicht zu beanstanden. Insoweit liegt der Versagungsgrund des § 105 Abs. 4f i.V.m. § 25 Abs. 2 Nr. 6 AMG vor. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, lagen die Rückstandswerte an der Injektionsstelle bei der Zieltierart Schwein auch am 45. Tag nach der Injektion mit 574mg Dihydrostreptomycin je kg Muskelfleisch über dem in der VO (EU) 37/10 der Kommission, die die VO (EG) 470/2009 des Parlamentes und des Rates umsetzt, für Muskelfleisch festgelegten Grenzwert von 500 mg/kg. Unter Nr. 1.3 der Note for Guidance: Approach towards harmonization of withdrawl periods (EMEA/CVMP/036/95) vom 27. März 1996 wird für Arzneimittel, bei denen das Zielgewebe oder eines der Zielgewebe Muskelfleisch ist, empfohlen, Wartezeiten auf der Basis der Rückstandshöchstmenge für Muskelfleisch festzusetzen. Zu Recht haben der Beklagte und das Verwaltungsgericht diese Leitlinie ihrer Entscheidung zugrundegelegt. Die Leitlinien der EMEA (nunmehr EMA) entfalten keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung. Diese Regelwerke sind aber wie "antizipierte Sachverständigengutachten" bei der Anwendung arzneimittelrechtlicher Bestimmungen heranzuziehen, die sich auf außerrechtliche Erkenntnisquellen wie etwa den "jeweils gesicherte(n) Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse" (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 4, Satz 3 AMG) beziehen, weil sie regelmäßig widerspiegeln, was auf europäischer Ebene dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht. Sie können gerichtlich nur mit dem substantiierten Vorbringen angegriffen werden, dass sie nicht (mehr) dem gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen (vgl. etwa OVG NRW, Urt. v. 13. März 2013 - 13 A 2806/09 -, [...], Rdnr. 108 f., m.w.N.). Das ist der Klägerin nicht gelungen.

Insbesondere das angeführte Reflection paper on injection site residues: considerations for risk assessment an residue surveillance des Ausschusses für Tierarzneimittel (CVMP) der EMEA vom 23. Juni 2008 (EMEA/CVMP 520190/2007) stellt die genannte Leitlinie nicht in Frage. Dieses Diskussionspapier widmet sich der Problematik der Rückstandshöchstmengen an der Injektionsstelle, die typischerweise beträchtlich höher sind als diejenigen im übrigen Muskelfleisch, im Fett, in der Leber oder in der Niere und die zudem nur langsam abgebaut werden. Zur Lösung hat der Ausschuss mit den betroffenen Kreisen (Lebensmittelindustrie, Lebensmittelkontrolleuren) insgesamt 11 Lösungsvorschläge erörtert und einer Bewertung zugeführt. Dabei ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass keiner der untersuchten Lösungsvorschläge geeignet ist, die Wartezeiten deutlich zu reduzieren. Die wünschenswerteste Option sei die Entwicklung neuer (Arzneimittel)formeln, die weniger Rückstände an der Injektionsstelle erzeugten. Das Papier ist mit dem erklärten Ziel veröffentlicht worden, Anreize zur Diskussion dieses Themas zu bieten, die in dem Papier vorgebrachten Gesichtspunkte zu kommentieren und neue Impulse für mögliche Lösungen zu erhalten, um die Auswirkungen von Rückständen an Injektionsstellen zu reduzieren, ohne die Verbrauchersicherheit zu gefährden. Darin kann keine Abkehr von der bisherigen Leitlinie gesehen werden. Vielmehr handelt es sich um einen von den interessierten Kreisen angestoßenen wissenschaftlichen Diskussionsprozess, der bislang mangels Eignung zu keiner von der Leitlinie abweichenden Empfehlung gelangt ist. In die gleiche Richtung deutet der von der Klägerin vorgelegte Arbeitsplan der Arbeitsgruppe Arzneimittelsicherheit, der eine Überarbeitung dieses Diskussionspapiers für das erste bis zweite Quartal des Jahres 2012 ankündigt. Die Fortführung der wissenschaftlichen Diskussion im Hinblick auf die Fortentwicklung bestehender Empfehlungen nimmt diesen nicht ihre wissenschaftliche Anerkennung.

Ein Widerspruch zwischen der Leitlinie und der VO (EU) 37/10 der Kommission sowie der VO (EG) 470/2009 des Parlamentes und des Rates ist nicht erkennbar. Die Leitlinie legt - den vorliegenden Fall betreffend - lediglich fest, auf welche Weise die Injektionsstelle im Hinblick auf die vorgegebenen Rückstandshöchstwerte zu behandeln ist. Die genannten Verordnungen enthalten dazu keine Regelung. Soweit die Klägerin auf angeblich veränderte Essgewohnheiten im Hinblick auf den Fleischkonsum abstellt, betrifft dies nicht die Übereinstimmung der Leitlinie mit den genannten Verordnungen, sondern die der VO (EU) 37/10 der Kommission festgelegte Rückstandshöchstmenge und ist schon aus diesem Grunde nicht geeignet, Zweifel an der Zugrundelegung der Leitlinie zu begründen. Auch der Erwägungsgrund 6 der VO (EG) 470/2009, der auf die Veränderung der Verfahren zur Festsetzung der Rückstandshöchstmengen verweist, steht der Anwendung der Leitlinie nicht entgegen. Eine gesetzliche Regelung über die Berechnung der Wartezeit im Hinblick auf die Rückstände an der Injektionsstelle, die der Anwendung der wissenschaftlich anerkannten Methode der Leitlinie entgegenstünde, enthält diese Verordnung in ihrem Regelungsteil gerade nicht. Die im Erwägungsgrund 6 angesprochene Veränderung der Verfahren zur Festsetzung der Rückstandshöchstmenge bezieht sich lediglich auf die Veränderungen, die durch die Verordnung vorgenommen worden sind. Eine darüber hinausgehende rechtliche Wirkung kommt dem Erwägungsgrund nicht zu.

Schließlich war die Beklagte auch nicht gehalten, eine längere als die beantragte Wartefrist festzusetzen, da die Klägerin die Voraussetzung einer solchen nicht durch entsprechende Untersuchungsergebnisse belegt hat (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG, § 24 Abs. 1 Satz 2 AMG).

Eine Zulassung der Berufung kommt auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache in Betracht. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache auf, wenn sie mit einem Schwierigkeitsgrad verbunden ist, der signifikant über dem Durchschnitt vergleichbarer verwaltungsgerichtlicher Fälle liegt. Dabei müssen sich die besonderen Schwierigkeiten auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall und das konkrete Verfahren entscheidungserheblich sind (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 124, Rdnr. 9, m.w.N.). Der vorliegende Fall weist keine tatsächlichen Schwierigkeiten auf, die über denen durchschnittlicher Verfahren auf dem Rechtsgebiet der Arzneimittelzulassung liegen. Die Frage der Nachzulassung im Rahmen eines bibliografischen Zulassungsantrags allein auf der Grundlage vorgelegter Zusammenfassungen der Produktmerkmale vergleichbarer Tierarzneimittel kann aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelungen ohne weitere Schwierigkeiten einer Lösung zugeführt werden. Gleiches gilt für die Methode zur Ermittlung der Wartezeiten im Hinblick auf die Rückstandswerte an der Injektionsstelle. Diese wird durch die Leitlinie EMEA/CVMP/036/95 vom 27. März 1996 in fachlich weiterhin anerkannter Weise bestimmt. Dass die Klägerin die gesetzlichen Vorgaben bzw. wissenschaftlich anerkannten Methoden anzweifelt, macht die Rechtssache noch nicht zu einer rechtlich oder tatsächlich schwierigen.

Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dieser Zulassungsgrund wird nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor. Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich wäre und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum die Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.

Diesen Anforderungen genügt die Zulassungsbegründung der Klägerin vom 10. August 2012 nicht. Auf den Seiten 30 und 31 dieses Schriftsatzes führt sie lediglich aus, zu welchen Konsequenzen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach ihrer Auffassung führt und fasst ihre Rechtsauffassung zur Bedeutung der Summaries of Product Characteristics im Zulassungsverfahren und zur Bedeutung der Leitlinie der EMEA zusammen, ohne konkrete Fragen zu formulieren, die einer grundsätzlichen Klärung zugänglich wären. Unabhängig davon bedarf die Klärung der Bedeutung der Zusammenfassung der Produktmerkmale vergleichbarer Tierarzneimittel in einem Nachzulassungsverfahren keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da aus den gesetzlichen Regelungen ohne weiteres hervorgeht, dass diese Zusammenfassungen nicht geeignet sind, ein Gutachten im Sinne des § 24 Abs. 1 AMG zu ersetzen. Auch die Bedeutung der Leitlinie EMEA/CVMP/036/95 vom 27. März 1996 bedarf nach dem oben Ausgeführten keiner grundsätzlichen Klärung mehr.

Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen. Die erhobene Aufklärungsrüge greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hatte von seinem - zutreffenden - Standpunkt aus keinen Anlass aufzuklären, ob die im Ausland zugelassenen Arzneimittel, auf deren Vergleichbarkeit sich die Klägerin beruft, diese Zulassung aufgrund eingereichter und von den Zulassungsbehörden überprüfter Unterlagen erhalten hatten oder lediglich fiktiv zugelassen waren. Die Klägerin hat lediglich Zusammenfassungen der Produktmerkmale dieser Arzneimittel vorgelegt, die - wie ausgeführt - für sich genommen für eine Zulassung auf der Grundlage eines bibliografischen Zulassungsantrags nicht ausreichen. Es ist dabei unerheblich, ob diese in Bezug genommenen Arzneimittel ihre Zulassung infolge der Überprüfung eingereichter Unterlagen erhalten haben, oder ob ihre Zulassungen lediglich fiktiv fortgelten.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).