Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.11.2016, Az.: 13 ME 112/16
Enteignung; formnichtig; Formunwirksamkeit; Gestattungsvertrag; Gewässerausbau; Inanspruchnahme; Planfeststellungsbeschluss; Teilnichtigkeit; Treu und Glauben; Unterlassungsanspruch; enteignungsrechtliche Vorwirkung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.11.2016
- Aktenzeichen
- 13 ME 112/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43504
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 22.04.2016 - AZ: 2 B 119/16
Rechtsgrundlagen
- § 1004 BGB
- § 125 BGB
- § 139 BGB
- § 242 BGB
- § 311b BGB
- § 903 S 1 BGB
- § 109 Abs 1 WasG ND
- § 113 Abs 1 WasG ND
- § 75 Abs 2 S 1 VwVfG
- § 70 Abs 1 WHG
- § 71 WHG
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1. gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer - vom 22. April 2016 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Antragsgegnerin zu 2. sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.637,83 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1. gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 22. April 2016 hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht dieser Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen (Sicherungs-)Anordnung untersagt, das im Eigentum des Antragstellers stehende Flurstück E. der Flur F. der Gemarkung G. zu betreten, zu befahren oder sonst in irgendeiner anderen Form zu benutzen.
Diese Anordnung war nach §§ 123 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO zu erlassen. Denn der Antragsteller hat angesichts des drohenden Beginns der Bauarbeiten auf seinem Grundstück einen Anordnungsgrund (eine besondere Dringlichkeit) und als Eigentümer - ungeachtet der öffentlich-rechtlichen Überlagerung - einen sicherungsfähigen Anordnungsanspruch (Unterlassungsanspruch) aus §§ 903 Satz 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen einer Eigentumsbeeinträchtigung in Gestalt eines von ihm unerwünschten Gebrauchs seines Grundstücks durch Dritte (vgl. Fritzsche, in: Bamberger/Roth, Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 40. Edition, Stand 1. August 2016, § 1004 Rdnr. 37) glaubhaft gemacht. Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug.
Die von der Antragsgegnerin zu 1. hiergegen dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung der Entscheidung. Ihr ist nicht in der Auffassung zu folgen, der Antragsteller sei i.S.d. § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung des bestandskräftig planfestgestellten Gewässerausbaus des Flüsschens H. auf seinem Grundstück verpflichtet und müsse daher auch ein Betreten, Befahren oder eine sonstige zur Ausführung der planfestgestellten Maßnahme erforderliche Nutzung dieses Grundstücks seitens der Antragsgegnerin zu 1. hinnehmen.
1. Unmittelbar aus dem Gesetz folgt eine derartige Duldungspflicht des Antragstellers entgegen der Beschwerde nicht.
a) § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG i.V.m. §§ 109 Abs. 1 NWG, 70 Abs. 1, 2. HS. WHG bietet hierfür keine Grundlage.
Zwar ist der Planfeststellungsbeschluss der Antragsgegnerin zu 1. vom 21. Juni 2006, mit dem zugunsten des Wasserverbandes I. die mit einem Gewässerausbau einhergehende Renaturierungsmaßnahme (Laufverlegung der H. zwischen J. und K.) u.a. auf dem Grundstück des Antragstellers planfestgestellt wurde, mit rechtskräftiger Abweisung der hiergegen gerichteten Klage 2 A 152/11 durch Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 9. Mai 2012 am 23. Juni 2012 bestandskräftig geworden. Die Bestandskraft führt jedoch nicht nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG dazu, dass der Antragsteller der Durchführung der planfestgestellten Maßnahmen (hier aktuell: der Anlage eines Altgewässers im südlichen Teil des Flurstücks E., nachdem die Mäandern im nördlichen Teil bereits fertiggestellt sind) sein Eigentum nicht entgegenhalten könnte, sondern zu deren Duldung verpflichtet wäre.
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift sind zwar Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen, sobald der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden ist. Zuzugeben ist der Antragsgegnerin zu 1. auch, dass diese Duldungs- oder Ausschlusswirkung neben öffentlich-rechtlichen Ansprüchen auch privatrechtliche - etwa dingliche oder obligatorische - Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln (z.B. Verträgen) beruhen, erfasst (vgl. 3. Senat des Nds. OVG, Urt. v. 7. Dezember 1995 - 3 L 5593/92 -, juris Rdnr. 7; Schink, in: Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 75 Rdnr. 55). Indessen sind nach dieser Vorschrift nur die etwaigen Abwehransprüche Drittbetroffener (insbesondere der Nachbarn des Planungsgrundstücks nach §§ 861 ff., 903, 906, 1004 BGB) ausgeschlossen, nicht hingegen dingliche Ansprüche des Eigentümers des Planungsgrundstücks - hier diejenigen des Antragstellers in Bezug auf das Flurstück 175/1 - gegen die Inanspruchnahme und Nutzung seines Grundstücks zu Zwecken der Planungsausführung, d.h. gegen einen unmittelbaren Zugriff auf das Eigentum am Planungsgrundstück (vgl. Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 75 Rdnr. 22). Die Planfeststellung als solche gewährt nämlich keine weitergehenden zivilrechtlichen Befugnisse, etwa zum Betreten oder zur Nutzung fremder Grundstücke (vgl. Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs [Hrsg.], VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 75 Rdnr. 62; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 75 Rdnr. 38). Die (faktische) Ausführung des festgestellten Plans steht vielmehr unter dem Vorbehalt, dass entgegenstehende private Rechte gütlich - durch wirksame Vereinbarung - oder im Wege der Enteignung bzw. vorzeitigen Besitzeinweisung beseitigt bzw. überwunden werden (vgl. BGH, Urt. v. 24. Oktober 2003 - V ZR 424/02 -, juris Rdnr. 15; Masing/Schiller, a.a.O.).
Das von der Antragsgegnerin zu 1. zitierte Urteil des BVerwG vom 19. Dezember 2007 - 9 A 22.06 - (juris) vermag deren abweichende Rechtsansicht nicht zu stützen. Zwar hat auch der Eigentümer eines mit einer naturschutz- bzw. waldrechtlichen Kompensationsmaßnahme (dort: Ersatzaufforstung) überplanten Grundstücks nach Rdnr. 14 jener Entscheidung gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG die Inanspruchnahme seines (mit dem eigentlichen Planungsgrundstück nicht identischen) Grundstücks für die Kompensationsmaßnahme zu dulden. Der Antragsgegnerin zu 1. ist auch zuzugeben, dass sich dieser Eigentümer in dem vom BVerwG entschiedenen Fall in einer mit einem Eigentümer des Planungsgrundstücks grundsätzlich vergleichbaren Situation befunden hat, d.h. nicht lediglich mittelbarer Drittbetroffener der Planung gewesen ist. Zu den privatrechtlichen Abwehransprüchen als Eigentümer, die der dortige Kläger gegenüber einer tatsächlichen Planverwirklichung hätte, musste sich diese Entscheidung wegen des dort lediglich erreichten Verfahrensstadiums (Abweisung einer auf Planänderung gerichteten Klage) nicht verhalten. Aus den Entscheidungsgründen (a.a.O., Rdnr. 18) wird aber deutlich, dass derart umfassende Abwehransprüche des Klägers im konkreten Fall nicht mehr bestanden, weil die Belastung des Grundstücks mit einer Dienstbarkeit - offenbar im Rahmen eines enteignungsrechtlichen Verfahrens - angeordnet worden war. Rdnr. 12 des Urteils betont im Übrigen, dass das Grundeigentum des Klägers an dem streitbefangenen Grundstück als solches ungeachtet der enteignungsrechtlichen Vorwirkung der Planfeststellung aus § 22 AEG (im vorliegenden Fall: nach § 71 WHG bzw. § 129 Abs. 2 NWG a.F.) fortbestanden hatte.
b) Aus § 113 Abs. 1 Satz 1 NWG folgt kein anderes Ergebnis.
Zwar dürfen nach dieser Vorschrift private Grundstücke, soweit dies zur Vorbereitung oder Ausführung des (Ausbau-)Unternehmens erforderlich ist, nach vorheriger Ankündigung betreten und vorübergehend benutzt werden. Jedoch wird hierzu erstens nur der Ausbauunternehmer oder dessen Beauftragter berechtigt. Planungsträger und Ausbauunternehmer ist hier nicht die Antragsgegnerin zu 1., sondern der Wasserverband I., dessen Beauftragte die Antragsgegnerin zu 2. ist. Entscheidend ist aber zweitens, dass nur die „vorübergehende“ Benutzung geduldet werden muss. Das bedeutet, dass sich die Duldungspflicht hinsichtlich der Ausführung des Unternehmens nicht auf Eingriffe bezieht, die Gegenstand des Plans selbst sind, d.h. das Grundstück dauerhaft verändern (vgl. Zeiler, in: Haupt/Reffken/Rhode, NWG, Stand: 18. NL Mai 2015, § 113 Rdnr. 5). Hier geht es jedoch gerade um die dauerhafte Nutzung durch Anlage eines Altgewässers auf dem südlichen Teil des Flurstücks E.. Auch das befürchtete Betreten und Befahren dieses Grundstücks soll allein diesem Zweck dienen und ist daher nach § 113 Abs. 1 Satz 1 NWG vom Antragsteller ebenfalls nicht zu dulden.
2. Aus § 1 Satz 2 des Gestattungsvertrages zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin zu 1. vom 18. September 2006 (Bl. 104 der BA 001) kann eine Duldungspflicht des Antragstellers i.S.d. § 1004 Abs. 2 BGB - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - ebenfalls nicht hergeleitet werden.
a) Zwar hat der Antragsteller nach dieser Vertragsbestimmung der Antragsgegnerin zu 1. gestattet, das Flurstück E. für die Durchführung der Baumaßnahmen, die im Zusammenhang mit der H. -Renaturierung erforderlich werden, in Anspruch zu nehmen. Das schließt grundsätzlich ein Betreten, Befahren und Nutzen des Grundstücks ein.
b) Jedoch ist der Vertrag vom 18. September 2006 nach §§ 125 Satz 1, 139, 1. HS. i.Vm. § 128 BGBinsgesamt - und damit auch hinsichtlich der Gestattung aus § 1 Satz 2 und der flankierenden Regelung zur Entschädigungsfreiheit der Inanspruchnahme aus § 2 Satz 1 - formnichtig. Er weist mit dem in § 2 Sätze 2 und 3 enthaltenen Vorvertrag zu einem Grundstückskaufvertrag für das betreffende Flurstück E. der Flur F. der Gemarkung G. zum Kaufpreis von 3,20 EUR je m² einen Bestandteil auf, der ebenso wie das künftige Hauptrechtsgeschäft (der Grundstückskaufvertrag) zu seiner Wirksamkeit gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung bedurfte (vgl. BGH, Urt. v. 7. Februar 1986 - V ZR 176/84 -, BGHZ 97, 147, juris Rdnr. 31, noch zur Vorläufervorschrift § 313 Satz 1 BGB a.F.), an der es hier fehlt. Anhaltspunkte, die für eine bloße Teilnichtigkeit (§ 139, 2. HS. BGB) sprächen, sind nicht ersichtlich. Das hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt. Mit ihrem hiergegen unter verschiedenen Aspekten gerichteten Beschwerdevorbringen vermag die Antragsgegnerin zu 1. nicht durchzudringen.
aa) Soweit sie gegen die Anwendbarkeit der Formvorschrift aus § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB auf § 2 Sätze 2 und 3 des Vertrages geltend macht, Vorverträge bedürften der Form des Hauptvertrages, zu dessen Eingehung sie verpflichteten, nur im Falle eines gebotenen Übereilungsschutzes, der hier nach den Umständen des Einzelfalls nicht einschlägig sei, führt dies nicht zum Erfolg. Sie legt bereits nicht hinreichend dar (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), weshalb der Antragsteller eines solchen Übereilungsschutzes nicht bedurft habe. Sie verweist lediglich darauf, der Antragsteller habe bereits im Planfeststellungsverfahren eine Verkaufsabsicht ausgebildet, und ihm sei klar gewesen, dass angesichts des Planfeststellungsbeschlusses eine Enteignung in Betracht komme. Diese Argumentation ist nicht zielführend. Zum einen hat der Antragsteller seine Verkaufs- und Veräußerungsabsichten zwischenzeitlich ersichtlich geändert. Die Ermöglichung einer Willensänderung ist gerade der Kern eines Schutzes vor dem übereilten Abschluss bindender Rechtsgeschäfte. Zum anderen kam gerade wegen der möglichen Enteignung nicht nur der einvernehmliche Erwerb des Grundstücks in Betracht; vielmehr stellte dieser lediglich eine von mehreren Alternativen der Verschaffung zivilrechtlicher Einwirkungsrechte der Antragsgegnerin zu 1. auf das Grundstück dar. Das stützt mithin gerade nicht die Annahme, der Antragsteller habe die dauerhafte und unveränderliche Einsicht gewonnen, ihm stehe nur noch die Veräußerung seines Grundeigentums zu Gebote.
bb) Aus dem Beschwerdevorbringen folgt entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 1. ferner nicht, dass der Gestattungsvertrag allein mit seinem restlichen Inhalt - d.h. mit der Gestattungswirkung der darauf gerichteten, nicht formbedürftigen Erklärung des Antragstellers aus § 1 Satz 2 des Vertrages - wirksam geworden wäre, d.h. es sich um eine bloße Teilnichtigkeit i.S.d. § 139, 2. HS. BGB bezogen auf die beurkundungspflichtigen Teile des Vertrages vom 18. September 2006 handelte. Vielmehr ist dieser Vertrag wegen eines Formverstoßes gesamtnichtig. Nichts spricht für die Ansicht der Antragsgegnerin zu 1., die Vertragsparteien hätten - nach dem Maßstab des hypothetischen Willens - die Gestattung der Arbeiten auch ohne die Regelung zum beabsichtigten Grundstücksverkauf vereinbart. Im Gegenteil wird aus verschiedenen Gründen deutlich, dass Gestattung und Vorvertrag mit den darin bestimmten Konditionen nach dem Willen der Vertragsparteien in einem synallagmatischen Verhältnis standen.
(1) Soweit die Antragsgegnerin zu 1. geltend macht, sie habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei Vertragsschluss am 18. September 2006 kein gesteigertes Interesse an einer verbindlichen Regelung des Abschlusses eines Grundstückskaufvertrages mit einem bestimmten Kaufpreis gehabt und ihr sei es nur darauf angekommen, zunächst die Maßnahme auf dem Grundstück des Antragstellers durchführen zu können, mag dies zutreffen. Allerdings übersieht sie, dass der Antragsteller seine dafür - mangels Enteignung oder vorzeitiger Besitzeinweisung - erforderliche Gestattungserklärung gerade nur im Hinblick auf die spätere Veräußerung, insbesondere auf die Höhe des erheblich über dem damaligen Bodenrichtwert (max. 2,80 EUR je m²) liegenden Kaufpreises von 3,20 EUR je m² abgeben wollte. Das lässt sich der dem Vertragsschluss vorausgegangenen Korrespondenz zwischen den betroffenen Beteiligten klar entnehmen (vgl. insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze vom 14., 17. und 29. August 2006, Bl. 78 f., 80 und 88 der BA 001). Darauf, dass die Antragsgegnerin zu 1. selbst den Gestattungsvertrag auch ohne den Vorvertrag eingegangen wäre, kommt es nicht allein an. Entscheidend ist, dass der Antragsteller als Gegenseite nicht in gleicher Weise gehandelt hätte. Für diesen stellte der Vorvertrag eine conditio sine qua non seiner Gestattung dar. Die Beschwerdebegründung vom 13. Mai 2016 räumt diesen Gegenseitigkeitszusammenhang an anderer Stelle (S. 9) sogar ein, soweit dort ausgeführt wird, die Antragsgegnerin zu 1. habe „sich bereit erklärt, diesen höheren Kaufpreis zu zahlen, um den Antragsteller zu bewegen, ihr die planfestgestellten Arbeiten auf dem Grundstück zu erlauben“ (Bl. 86 der GA, Hervorhebung durch den Senat). Schon der Präambel des Gestattungsvertrages kann im Übrigen entnommen werden, dass die Antragsgegnerin zu 1., weil ein Grundstückserwerb (aus steuerlichen Gründen) zunächst nicht möglich erschien, dringend auf die Gestattung angewiesen war, um im öffentlichen Interesse zeitnah die Durchführung der planfestgestellten Maßnahmen beginnen lassen zu können. Um die Gestattung zu erlangen, war es nach Lage der Dinge erforderlich, dem Antragsteller gegenüber Zugeständnisse im Hinblick auf die künftige Kaufpreishöhe zu machen.
(2) Aus der textlich-formalen Gestaltung des Vertrages vom 18. September 2006 lassen sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Ansicht der Antragsgegnerin zu 1. entnehmen, die Parteien hätten dem (nichtigen) Vorvertrag keine Bedeutung beigemessen und deshalb hypothetisch auch eine „isolierte Gestattung“ gewollt. Seine Betitelung als „Gestattungsvertrag“ ist unbeachtlich. Dass die Gestattungserklärung bereits in § 1 Satz 2 enthalten ist, unterstreicht allenfalls den Stellenwert, den die Verfasserin des Vertragsentwurfs - die Antragsgegnerin zu 1. - dieser sie berechtigenden Regelung zugemessen hat. Nicht nachvollzogen werden kann das Argument, die Regelung über den Vorvertrag zum Grundstücksverkauf (§ 2 Sätze 2 und 3) sei nicht in einem eigenständigen Paragraphen erfolgt. Dass in § 2 Satz 1 des Vertrages auch eine Regelung über die Entschädigungsfreiheit der Gestattung aus § 1 Satz 2 getroffen worden ist, mag als kautelarischer „Fremdkörper“ erscheinen, wertet jedoch die in den beiden späteren Sätzen getroffene Vorvertragsregelung nicht per se ab. Im Übrigen lässt sich dem gesamten Vertrag vom 18. September 2006, wie der Antragsteller im Beschwerdeverfahren zu Recht hervorhebt, ein klarer „Fahrplan“ für die von den Vertragsparteien beabsichtigte Reihenfolge voneinander abhängiger Schritte entnehmen (entschädigungsfreie vorverlagerte Gestattung der Inanspruchnahme gegen Vorvertrag zum Grundstückskauf mit fixierter Kaufpreishöhe - Abschluss eines Grundstückskaufvertrages bis zum 1. Oktober 2007 - Übereignung an die Antragsgegnerin zu 1. - Rückverpachtung des Grundstücks an den Antragsteller).
(3) Auch aus dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses folgt nichts für die Auffassung der Beschwerde. Soweit die Antragsgegnerin zu 1. vorträgt, der Antragsteller habe sich bereits und allein durch die - außerhalb des Vertrages, nämlich am 1. September 2006 erfolgte - Zurverfügungstellung landwirtschaftlich nutzbarer Ersatzflächen in K. dazu motiviert gesehen, seine Gestattungserklärung nach § 1 Satz 2 abzugeben, trägt dies nichts aus. Die gleichzeitige Aufnahme des Vorvertrags mit der bestimmten Kaufpreishöhe von 3,20 EUR je m² in § 2 Sätze 2 und 3 des Gestattungsvertrages spricht eher dafür, dass sich der Antragsteller über den genannten Erhalt der Ersatzflächen hinausgehend von der Antragsgegnerin zu 1. eine zusätzliche Gegenleistung - hier in Gestalt einer hohen Kaufpreishöhe - aus seiner Sicht verbindlich ausbedungen hatte. Das schließt die Annahme seiner isolierten „Gestattungsbereitschaft“ aus.
(4) Die mit der Beschwerdebegründung erhobene Behauptung, die Vertragsparteien hätten sich bereits im August 2006 - d.h. zeitlich vor dem und außerhalb des Vertrages vom 18. September 2006 - auf einen Grundstücksverkauf zum Quadratmeterpreis von 3,20 EUR geeinigt, so dass mit § 2 Sätze 2 und 3 des Gestattungsvertrages nur der Vollständigkeit halber eine schon getroffene Vereinbarung wiederholt worden sei, die unmöglich im Gegenseitigkeitsverhältnis mit der Gestattung aus § 1 Satz 2 stehen könne, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zunächst ist festzuhalten, dass der einfache Schriftwechsel vom 14./17. August 2006 (Bl. 78 f., 80 der BA 001) bei rechtlicher Bewertung - wenn er überhaupt von einem Rechtsbindungswillen getragen gewesen ist - allenfalls einen ersten - ebenfalls nach §§ 125 Satz 1, 311b Abs. 1 Satz 1, 128 BGB formnichtigen - erfolglosen Versuch des wirksamen Zustandebringens eines Grundstückskaufvertrages oder eines auf dessen Abschluss gerichteten Vorvertrages dargestellt hat. Die Regelung in § 2 Sätze 2 und 3 des Gestattungsvertrages vom 18. September 2006 erweist sich vor diesem Hintergrund lediglich als ein zweiter - ebenfalls erfolgloser - Versuch eines wirksamen Vorvertrages. Angesichts seines klaren Wortlauts - der im Übrigen keinerlei Bezugnahme auf den vorausgegangenen Schriftwechsel enthält - verbietet sich die Annahme, es habe sich dabei lediglich um eine Wiederholung einer anderweitig schriftlich bereits geschlossenen Vereinbarung gehandelt.
(5) Dass dem Antragsteller bewusst gewesen sein mag, das Grundstück werde beim Nichtzustandekommen einer einvernehmlichen Regelung ohnehin für Renaturierungsarbeiten in Anspruch genommen, und sei es auch im Wege der Enteignung, zwingt entgegen dem weiteren Vorbringen der Antragsgegnerin zu 1. nicht zu der Annahme, der Antragsteller hätte die Gestattungserklärung im September 2006 auch ohne Festschreibung des - hohen - Kaufpreises in einem Vorvertrag abgegeben. Auch soweit der Antragsteller über Jahre hinweg Veräußerungsbereitschaft signalisiert und selbst noch im den Planfeststellungsbeschluss vom 21. Juni 2006 betreffenden Klageverfahren 2 A 152/11 vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig erklärt hat, er wolle das Grundstück verkaufen oder zumindest Entschädigung verlangen, und soweit er die Nutzung des Grundstücks - vor allem im nördlichen Teil, auf dem die Flussmäandern hergestellt wurden - über längere Zeit hinweg nicht in Frage gestellt hat, spricht dies alles ebenso wenig für die Mutmaßung der Antragsgegnerin zu 1., der Antragsteller habe hypothetisch von Anfang an auch einen isolierten Gestattungsvertrag schließen wollen. Hierzu kann auf die obigen Ausführungen unter aa) verwiesen werden.
(6) Soweit die Beschwerde schließlich glauben machen will, die Vertragsparteien hätten in § 2 Sätze 2 und 3 des Vertrages von Anfang an „erkannt Unwirksames“ geregelt und deshalb im tatsächlichen Sinne eindeutig die Rechtsgültigkeit der übrigen Vertragsbestimmungen gewollt (vgl. hierzu Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2015, § 139 Rdnr. 30), greift sie nicht durch. Aus der Behauptung der Antragsgegnerin zu 1., beiden Vertragsparteien sei klar gewesen, dass es noch der notariellen Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages bedurft habe, folgt nämlich nichts für die von ihr vorgetragene einhellige Überzeugung beider Parteien, sie hätten mit § 2 Sätze 2 und 3 des Gestattungsvertrages einen formnichtigen Vorvertrag hierzu geschlossen, aber an den restlichen Regelungen - insbesondere denjenigen aus §§ 1 Satz 2 (Gestattung), 2 Satz 1 (Unentgeltlichkeit) sowie § 3 (Rückverpachtung nach Eigentumsübergang) - in jedem Falle festhalten wollen. Regelungsgegenstand von § 2 Sätze 2 und 3 des Vertrages war nicht etwa ein Grundstückskaufvertrag, sondern ein darauf bezogener Vorvertrag. Das Argument der Antragsgegnerin zu 1. betrifft damit lediglich die Erfüllung des Vorvertrages, nicht aber die Voraussetzungen, unter denen die Parteien dessen wirksames Zustandekommen mit Verpflichtungswirkung beabsichtigten. Im Gegenteil spricht alles dafür, dass die Vertragsparteien die in § 2 Sätze 2 und 3 getroffene Vorvertragsregelung ungeachtet deren fehlender notarieller Beurkundung anfänglich und über einen langen Zeitraum hinweg für wirksam gehalten haben. Genau dies trägt die Beschwerdebegründung in anderem Zusammenhang (S. 11 f.) sogar vor (Bl. 88 f. der GA).
c) Der Antragsteller ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 1. auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, sich auf die Formunwirksamkeit des Gestattungsvertrages zu berufen.
Zu Recht betont das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die Rechtsprechung der Zivilgerichte, dass ein solches Hindernis, auch wenn die Vertragsparteien einen formunwirksamen Vertrag lange Zeit als gültig angesehen haben, nur in extremen Ausnahmefällen (Existenzgefährdung des von der Formunwirksamkeit härter betroffenen - einen - Teils oder besonders schwere Treuepflichtverletzung des anderen Teils) in Betracht kommt, in denen das Ergebnis eines Scheiterns der Abrede für die betroffene Partei nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 16. Juli 2004 - V ZR 222/03 -, juris Rdnr. 13; Beschl. v. 12. Dezember 2005 - II ZR 330/04 -, juris Rdnr. 5), und dass eine solche Konstellation hier nicht gegeben ist. Die von der Antragsgegnerin zu 1. mit der Beschwerdebegründung hiergegen vorgetragenen Umstände erfüllen keine dieser beiden Fallgruppen.
aa) Eine Existenzgefährdung der Antragsgegnerin zu 1., einer kreisfreien Stadt, durch die einstweilige Verzögerung der Umsetzung einer lokalen Renaturierungsmaßnahme im Rahmen eines Gewässerausbaus kommt nicht in Betracht. Dies gilt auch im Hinblick auf den Umfang etwaiger Fördermittel, die der Antragsgegnerin zu 1. entgangen sein sollen (20.000 EUR).
bb) Das Verhalten des Antragstellers kann auch nicht als „schwerwiegend treuwidrig“ eingestuft werden. Es mag, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls erwogen hat, in Anbetracht der Tatsache, dass beide Parteien des Vertrages über einen längeren Zeitraum von der Wirksamkeit der getroffenen Abreden ausgegangen sind und der Antragsteller dennoch durch immer neue nachträglich aufgestellte Voraussetzungen sich dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages und damit der Erfüllung seiner vermeintlichen Verpflichtungen aus § 2 Sätze 2 und 3 des Gestattungsvertrages fortwährend und bis heute entzogen hat, widersprüchlich, fordernd und im Ergebnis verzögernd gewesen sein.
Allerdings hätte sich, wie der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers im Beschwerdeverfahren zu Recht eingewandt hat, die Antragsgegnerin zu 1. nach Eintritt der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 21. Juni 2006 am 23. Juni 2012 nicht auf weitere Verhandlungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Einigung mit dem Antragsteller einlassen müssen, sondern hätte enteignungsrechtliche Mittel (vgl. die entsprechende Vorwirkung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses nach § 71 WHG bzw. § 129 Abs. 2 NWG a.F.) wie die Enteignung oder die vorläufige Besitzeinweisung erwägen müssen, um in einen berechtigten Besitz des betreffenden Grundstücks zu gelangen. Dass sie noch lange Zeit eine gütliche Einigung mit dem Antragsteller diesen Schritten vorgezogen hat, führt nicht dazu, das Verhalten des Antragstellers als extrem treuwidrig zu qualifizieren. Diesem war es nicht per se verwehrt, sich nach anfänglich nicht vorhandenen Wirksamkeitszweifeln im Laufe der Auseinandersetzung doch noch auf die Formunwirksamkeit zu besinnen (vgl. BGH, Urt. v. 24. April 1998 - V ZR 197/97 -, BGHZ 138, 339, juris Rdnr. 18).
Im Übrigen fehlt es an der für diese Fallgruppe erforderlichen Feststellung, dass der Antragsteller als „anderer Teil“ über längere Zeit aus dem formnichtigen Vertrag vom 18. September 2006 Vorteile gezogen habe und sich nunmehr seinen Verpflichtungen unter Berufung auf den Formmangel entziehen wolle (vgl. BGH, Urt. v. 16. Juli 2004, a.a.O., Rdnr. 16). Hier ist zu konstatieren, dass nicht der Antragsteller, sondern im Gegenteil die Antragsgegnerin zu 1. als betroffener „einer Teil“ über lange Zeit hinweg den Großteil der Renaturierungsmaßnahmen auf dem nördlichen Teil des Grundstücks (die Herausbildung von Flussmäandern der H.) unter Berufung auf § 1 Satz 2 des Gestattungsvertrages hat realisieren lassen und dadurch Vorteile aus dem formunwirksamen Vertrag hat ziehen können. Dass sie dem Antragsteller ebenfalls tatsächliche Vorteile - in Gestalt einer fünfjährigen unentgeltlichen Zurverfügungstellung landwirtschaftlicher Ersatzflächen in K. ohne gültigen Pachtvertrag im Gegenwert von 2.683,55 EUR ab dem 1. Oktober 2006 - gewährt haben mag, ist unerheblich, weil derartige Abreden nicht Inhalt des von der Formnichtigkeit betroffenen Vertrages vom 18. September 2006 gewesen, sondern außerhalb dessen zustande gekommen sind. Soweit die Beschwerde darauf verweist, die Antragsgegnerin zu 1. sei weiterhin bereit gewesen, die in den Kaufpreis von 3,20 EUR je m² eingerechnete Aufwuchsentschädigung von 0,40 EUR je m² ungeachtet des Umstandes zu entrichten, dass bei Beginn der Maßnahme auf dem Grundstück keine Bewirtschaftung mehr stattgefunden habe und kein Aufwuchs vorhanden gewesen sei, ist die tatsächliche Gewährung eines Vorteils an den Antragsteller nicht ersichtlich, denn der zu diesem Kaufpreis gehörige Grundstückskaufvertrag ist bislang nicht geschlossen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Etwaige im Beschwerdeverfahren entstandene außergerichtliche Kosten der Antragsgegnerin zu 2. sind nicht erstattungsfähig, weil diese an dem Rechtsverhältnis zwischen der Antragsgegnerin zu 1. und dem Antragsteller nicht beteiligt und damit auch nicht Beteiligte des Beschwerdeverfahrens vor dem Senat ist. Im Verhältnis zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin zu 2. hat die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts bereits mangels fristgerechter Einlegung einer Beschwerde des Antragstellers Rechtskraft erlangt.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).