Sozialgericht Aurich
Beschl. v. 13.04.2012, Az.: S 55 AS 78/12 ER

Gewährung eines Darlehens zur Begleichung von Rückständen bei einem Energieversorger

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
13.04.2012
Aktenzeichen
S 55 AS 78/12 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 42292
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGAURIC:2012:0413.S55AS78.12ER.0A

Tenor:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller den Betrag von 943,82 Euro an weiteren Leistungen nach dem SGB II darlehensweise zu bewilligen. Dieser Betrag ist wie auch die ab Mai 2012 fällig werdenden laufenden Abschläge für die Versorgung mit Gas und Strom direkt vom Antragsgegner an den örtlichen Energieversorger zu leisten. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsgegner verpflichtet ist, dem Antragsteller ein Darlehen wegen Rückständen bei seinem Energieversorger zu gewähren.

Der Antragssteller lebt im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Gemeinsam mit ihm in seinem Haushalt leben in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft drei in den Jahren 1992, 1996 und 2006 geborene Kinder. Die Bedarfsgemeinschaft steht im laufenden Bezug für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).

Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Unterlagen wurden der Bedarfsgemeinschaft insgesamt zumindest im Monat Dezember 2011 1133,- Euro an Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Diese Leistungen beinhalteten die Regelleistungen und auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. An Heizkosten ohne Warmwasseranteile wurden ausweislich des Bewilligungsbescheides vom 27.01.2012 monatlich insgesamt 114,75 Euro als sogenannter Höchstbetrag übernommen.

Der Antragsteller muss für seine Bedarfsgemeinschaft monatlich Abschläge in Höhe von 286,- Euro an den örtlichen Energieversorger leisten. Diese Abschläge bestehen aus einem Anteil von 138,- Euro für die Belieferung mit Strom und 148,- Euro für die Belieferung mit Gas. Seit der letzten Jahresabrechnung im Juni 2011 zahlte der Kläger diese Abschläge nur unregelmäßig. Daraus resultierte inklusive der Mahnkosten ein zum 12.04.2012 bestehendes negatives Saldo von 920,02 Euro.

Ausweislich des Vorbringens des Antragsgegners, welches der Antragsteller nicht bestreitet, wurde ihm bereits in den Jahren 2007 und 2010 jeweils ein Darlehen für Energiekostenrückstände bewilligt. Im Jahre 2008 waren auch Energiekostenrückstände entstanden, die aber nicht durch ein Darlehen des Antragsgegners übernommen und beglichen wurden.

Der Antragsteller leidet an einem Schlafapnoe-Syndrom und ist deswegen bei Dres. C. in D. in dauernder Behandlung. Teil dieser Behandlung ist ein stromabhängiges Beatmungsgerät, welches der Antragsteller seit etwa zwei bis zweieinhalb Jahren jede Nacht für die gesamte Schlafdauer von zwischen sechs und neun Stunden nutzt. Hintergrund dieser Behandlung mit dem Gerät ist, dass im Rahmen des Apnoe-Syndroms er nachts Atemaussetzer hat und die Sauerstoffkonzentration bei ihm unter einen kritischen Wert sinkt.

Der Antragsteller bringt vor, dass die relativ hohen Stromabschläge zum einen aufgrund des Betriebes des Beatmungsgerätes entstehen und zum anderen aufgrund eines vermutlich wenig energieeffizienten Betriebes von zwei Eisschränken und einem Kühlschrank. Insbesondere bringt er vor, dass die in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder öfters vergessen, die Türen zu schließen. Des weiteren entstehe der Stromverbrauch dadurch, dass er wegen seines jüngsten Sohnes gezwungen sei, sehr oft zu waschen. Bezüglich seiner Zahlungsmoral legt er dar, dass er das gezahlt und überwiesen habe, was der Antragsgegner ihm an Heizkosten und Stromkostenanteilen bewilligt und ausgezahlt habe. Mehr könne er nicht zahlen.

Er bringt vor, dass er mit dem örtlichen Energieversorger keine Einigung bezüglich einer Ratenzahlung erlangt habe, da es sich um rückständige Abschläge handele und darauf keine Ratenzahlung möglich sei. Im Übrigen könne er nicht einmal die laufenden Abschläge bezahlen, da er die allgemeinen Lebenshaltungskosten bestreiten müsse, hierbei insbesondere ein Schulessen für seine Tochter.

Vor diesem Hintergrund beantragt der Antragsteller sinngemäß schriftlich,

den Antragsgegner zu verpflichten, seine Energiekostenrückstände bei der E. darlehensweise im Wege der einstweiligen Verfügung zu übernehmen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Auffassung, dass eine darlehensweise Bewilligung deswegen nicht gerechtfertigt sei, weil der Antragsteller kontinuierlich über Monate hinweg weniger an den Energieversorger gezahlt habe, als gefordert worden sei. Er habe die ihm bewilligten Leistungen nicht an den Stromversorger weiter geleitet. Des weiteren sei dem Antragsteller vorzuwerfen, dass er sich erst in allerletzter Sekunde nach Durchführung einer Stromsperre an den Antragsgegner wie auch an das Gericht wende. Außerdem sei der Bedarfsgemeinschaft bereits mehrfach eine Notlagenhilfe gewährt worden. Ein Selbsthilfewille sei nicht erkennbar. Auch das Beatmungsgerät sei durch den Antragsteller nicht notwendig zu betreiben. Entsprechendes sei nicht glaubhaft gemacht. Der Aufenthalt des fünf Jahre und acht Monate alten Sohnes könne keine andere Bewertung rechtfertigen, da Mitte April 2012 keine gesundheitlichen Gefahren aufgrund von tiefen Temperaturen beständen. Eine Angewiesenheit auf Säuglingsnahrung liege nicht vor.

Es wurde mit Schreiben vom 12.04.2012 angeboten, bei der zuständigen Gemeinde F. ein Gaskochfeld und ein Gasheizstrahler zu leihen. Hierfür würde geäußert, dass der Antragsteller am 12.04.2012 zwischen 08.30 Uhr und 12.00 Uhr im Servicebüro der Gemeinde F. vorstellig werden müsse.

Das Gericht hat telefonisch beim örtlichen Energieversorger in Erfahrung gebracht, dass eine Aufhebung der Stromsperre alleine bei Übernahme der vollen Rückstände in Betracht käme.

Gegenstand der Entscheidungsfindung war der Inhalt der Gerichtsakte und die Ergebnisse der Telefonate mit den Mitarbeitern des örtlichen Energieversorgers.

II.

Der zulässige Antrag des Antragstellers ist begründet. Der Antragsteller hat den notwendigen Anordnungsgrund wie auch den notwendigen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Die Erfolgsaussichten eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beurteilen sich nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (S. 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung nötig erscheint (S. 2). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile müssen glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Dabei darf die einstweilige Anordnung jedoch wegen des summarischen Charakters des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und/oder Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dies jedenfalls dann, wenn die grundrechtlichen Belange des Antragstellers betroffen sind, weil die Gerichte sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen müssen. Bei offensichtlicher Betroffenheit der Grundrechte sind die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend in die Abwägung einzustellen. (Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 12.05.2005 zum AZ 1 BvR 569/05; Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 25.02.2009 zum AZ 1 BvR 120/09).

Der Anordnungsgrund in Form einer besonderen Eilbedürftigkeit besteht aus dem Grund, dass die Belieferung mit Strom und Gas bei dem Antragsteller und seinen Kindern bereits am 11.04.2012 eingestellt wurde. Die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme sämtlicher Rückstände führt nach telefonischer Mitteilung des Energieversorgers gegenüber dem Vorsitzenden dazu, dass die Energieversorgung noch heute wieder aktiviert wird.

Der Anordnungsanspruch besteht in Form eines Anspruchs des Antragstellers gemäß § 22 Abs. 8 SGB II gegen den Antragsgegner auf darlehensweise Übernahme der beim örtlichen Stromversorger und Gasversorger entstandenen Schulden.

§ 22 Abs. 8 SGB II besagt: Sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn die gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 S. 1. Nr. 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

Ausweislich des Vorbringens der Beteiligten werden dem Antragsteller Leistungen des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -, das sogenannte Arbeitslosengeld II, für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht.

Bei den beim Energieversorger aufgelaufenen Rückständen handelt es sich um Schulden im Sinne des § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II, da der Antragsteller seine laufenden Abschläge nicht kontinuierlich und in voller Höhe bezahlt hat. (vgl. BSG vom 22.03.2010 B 4 AS 62/09 R)

Das weitere Tatbestandsmerkmal der "Rechtfertigung" erfordert eine Betrachtung des Einzelfalls unter Heranziehung sämtlicher entscheidungsrelevanter Aspekte (LSG Niedersachsen-Bremen vom 09.06.2010, Az.: L 13 AS 147/10 B ER). Erst wenn dieses Tatbestandsmerkmal des § 22 Abs. 8 SGB II vorliegt, folgt ein Ermessen des Leistungsträgers. Dieses Ermessen wiederum ist nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II im Sinne einer sogenannten Sollvorschrift reduziert, wenn die Übernahme gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit droht. Bezüglich der Rechtfertigung der Übernahme von Energiekostenrückständen gelten nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte gleiche Maßstäbe wie bei drohender Obdachlosigkeit aufgrund des Verlustes der Wohnung (LSG Niedersachsen-Bremen a. a. O. m. w. N.). Im Rahmen der Überprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen ist auf alle Umstände des Einzelfalls abzustellen. In einer umfassenden Gesamtschau sind diese Einzelfallumstände zu würdigen. Es ist insbesondere zu bewerten, ob die Leistungsberechtigten missbräuchliches Verhalten an den Tag gelegt haben. Des weiteren ist zu bedenken, dass eine Übernahme von Rückständen dann nicht gerechtfertigt sein kann, wenn dies zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft im Sinne des SGB II führen würde. Diese letzte Voraussetzung besteht im Falle des Antragstellers und seiner Bedarfsgemeinschaft ausweislich der Aktenlage und des Vorbringens der Beteiligten nicht. Die Wohnung stellt sich für das Gericht als angemessen im Sinne des § 22 SGB II dar.

Im Rahmen der Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls ist jedenfalls zu berücksichtigen die Höhe der Rückstände, ihre Ursache, die Zusammensetzung des von der Energiesperre bedrohten Personenkreises (insbesondere Kleinkinder oder Behinderte), ob der in der Vergangenheit Selbsthilfeversuche erfolgt sind und ob eine gezielte Herbeiführung der Notlage besteht. (LSG Nds. a.a.O.)

Die Höhe der Rückstände kann im vorliegenden Fall keinen entscheidenden Einfluss auf die Abwägung und Betrachtung der Gesamtumstände haben, da es sich nicht um einen signifikant hohen und ebenso wenig um einen signifikant niedrigen Betrag handelt.

Bezüglich des in der Vergangenheit von dem Leistungsempfänger gezeigten Verhaltens kann dem Vorbringen des Antragsgegners in soweit gefolgt werden, als dass die nicht laufende Zahlung von Energiekostenabschlägen zu Lasten des Antragstellers zu beachten ist. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass nicht nur in der Zeit ab Juli 2011 (seit der letzten Abrechnung) ein entsprechendes Verhalten an den Tag gelegt wurde, sondern ausweislich des Vorbringens des Antragsgegners bereits in der Vergangenheit. Insbesondere kann dem Vorbringen des Antragstellers in diesem Zusammenhang keine zu seinem Gunsten zu wertende Bedeutung beigemessen werden, da seine Abschläge aktuell nicht extrem hoch sind, sodass sie aus den Leistungen nach dem SGB II rein tatsächlich nicht zu erbringen wären. Das Vorbringen, dass der Antragsteller ein Schulessen für eine Tochter finanzieren müsse, kann nicht durchgreifen. Bezüglich der Schulverpflegung kann der Antragsteller sich an den Antragsgegner bezüglich Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket des § 28 ff. SGB II wenden. Ein entsprechender Antrag wird dem Antragsteller dringend geraten. Bezüglich der Fahrtkosten für Bewerbungsbemühungen können diese ebenfalls im Rahmen der Leistung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt unabhängig von der Regelleistung erbracht werden.

Bezüglich des vom Antragsgegner postulierten Vorwurfes, dass der Antragsteller sich nicht um eine Ratenzahlung bemüht habe, überzeugt das Vorbringen des Antragstellers, dass der Energieversorger nicht bereit ist, Ratenzahlungen für ausstehende Abschläge zu akzeptieren. Entsprechendes wurde dem Vorsitzenden telefonisch bestätigt.

Der Vorhalt des Antragsgegners, dass der Antragsteller die Notlage bewusst provoziert und eine Versorgungseinstellung in Kauf genommen habe, ist zwar nicht von der Hand zu weisen, kann das Gericht nicht überzeugen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller nach Vorbringen des Antragsgegners bereits in der Vergangenheit mangelhafte Zahlungsmoral an den Tag gelegt hat. Es wäre für den Antragsgegner unschwer möglich gewesen, im Rahmen der Regelung des § 22 Abs. 7 SGB II dem problematischen Zahlungsverhalten des Antragstellers Rechnung zu tragen, indem direkt Zahlungen an den Energieversorger erfolgen. Eine solche Maßnahme hätte sich in Bezug auf die Vorgeschichte des Antragstellers und seine Probleme mit den Zahlungen an den Energieversorger geradezu aufdrängen müssen.

Das Faktum, dass der Antragsteller tatsächlich bewusst und willentlich weniger gezahlt hat, als die monatlichen Abschläge, zu denen er verpflichtet war, könnte dennoch zu Lasten des Antragstellers in die Abwägung einzustellen sein. Den gesamten Erwägungen des Antragstellers (wohl Antragsgegners) muss jedoch nach Auffassung der erkennenden Kammer (vgl. bereits Beschluss vom 06.06.2011, Az.: S 55 AS 185/11 ER) der Umstand des von der Stromsperre betroffenen Personenkreises entscheidend durchgreifen. Zum einen betrifft die Stromsperre mit dem Antragsteller selbst einen Menschen, bei dem ein Grad der Behinderung anerkannt ist. Auch wirkt die Stromsperre ihm gegenüber in besonders hohem Maße die Lebensführung einschränkend, da er nach seinem Vorbringen und ärztlicher Bescheinigung auf ein Beatmungsgerät zur Unterstützung der Nachtatmung wegen seiner Schlafapnoe angewiesen ist. Die Tatsache, dass ausweislich der ärztlichen Bescheinigung keine Lebensnotwendigkeit des Gerätes besteht, steht dem nicht entgegen. Auch ohne unmittelbare Bedrohung für Leib und Leben ist nach dem glaubhaften Vorbringen des Antragstellers die Behandlung laufend medizinisch notwendig und eine Einstellung der Behandlung könnte zu gesundheitlichen Problemen führen.

Neben dem als schwerbehinderter Mensch betroffenen Antragsteller betrifft die Stromsperre auch noch zwingend seinen im Jahre 2006 geborenen Sohn. Dieses minderjährige Kind hat keinerlei Veranlassung dafür gegeben, dass die Belieferung mit Energie eingestellt wurde. Bei einer Betroffenheit von minderjährigen Personen von einer Einstellung der Energieversorgung besteht eine (nahezu) zwingende Rechtfertigung der Schuldenübernahme. Nur in ganz besonderen Ausnahmekonstellationen wäre eine Ablehnung einer darlehensweisen Übernahme denkbar (Sozialgericht Aurich a. a. O.; Sozialgericht Aurich, Beschluss vom 14.03.2011, Az.: S 45 111/11 ER nicht veröffentlicht; vgl. Berlin-Brandenburg vom 02.03.2007, Az.: L 5 B 173/07 AS ER; LSG Rheinland-Pfalz vom 27.12.2010, Az.: L 3 AS 557/10 B ER). Eine Abweichung könnte in Betracht kommen, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Energieversorgung anderweitig (illegal) durchgeführt wird. Solche Anhaltspunkte eines rechtswidrigen Verhaltens sind für das Gericht nicht erkennbar. Die Argumentation des Beklagten, dass aufgrund höherer Temperaturen in April 2012 keine die Grundversorgung der Kinder einschränkende Auswirkung entstehe, ist im übrigen dadurch widerlegt, dass aktuell am Morgen des 13.04.2012 Temperaturen von nur wenig über dem Gefrierpunkt am Wohnort des Antragstellers gemessen wurden.

Der vom Antragsgegner vorgetragene Vorwurf, dass der Antragsteller keine Maßnahmen zur Abwendung einer Stromsperre zum Schutz seines Kindes ergriffen habe, kann nicht durchgreifen. Selbst wenn dem so wäre, was das Gericht ausdrücklich dahingestellt lässt, könnte das Gericht immer noch kein dem Kind zurechenbares Fehlverhalten erkennen. Selbst bei einem eventuell höchstfahrlässigen gar vorsätzlichem Verhalten der Erziehungsberechtigten eines kleinen Kindes erscheint es dem erkennenden Gericht in einem Sozialstaat wie der Bundesrepublik Deutschland nicht zu rechtfertigen, die Lebensumstände von Kindern aufgrund von Fehlverhaltens ihrer Eltern massiv einzuschränken (vgl. für Säuglinge SG Aurich vom 05.04.2012, Az.: s 13 SO 27/12 ER nicht veröffentlicht). Die Ablehnung der Übernahme eines Darlehens für die Wiederherstellung der Stromversorgung zu Lasten des betroffnen Kindes würde eine Form von "Sippenhaftung" bedingen. Eine Ablehnung würde eine Haftung des kleinen Kindes für das Fehlverhalten der Eltern bedeuten, wobei das Kind dieses Fehlverhalten weder kennen noch steuern kann (vgl. zum Aspekt der sogenannten Sippenhaftung LSG Niedersachsen-Bremen vom 08.07.2009, Az.: L 6 AS 335/09 B ER).

Auch die Tatsache, dass der Sohn des Antragstellers keine Säuglingsnahrung benötigt rechtfertigt keine andere Bewertung. Es kann im Rahmen des Sozialstaatsprinzips und des Anspruches auf ein menschenwürdiges Dasein (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht vom 09.02.2010, Az.: 1 BvL 1/09; 3/09 und 4/09) nicht gerechtfertigt werden, dass ein kleines Kind ohne Grundversorgung mit strombetriebenen Geräten bleibt. Eine Abwendung einer solchen Situation durch zur Verfügung Stellung von Gaskochgerät und Gasheizgerät durch den Antragsgegner ändert hieran nichts. Die Aufnahme des Datums 12.04.2012 ins Schreiben vom 12.04.2012 dürfte im übrigen ein offensichtlicher Schreibfehler sein, da bei Ausfertigung des Schreibens gegen 14.00 bis 15.00 Uhr ein Verweis auf eine Zeit von 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr offenkundig sinnlos ist. Dennoch stellt nach Auffassung der Kammer die Versorgung mit Strom ein solch elementares Element eines menschenwürdigen Daseins dar, dass ein Fehlen in der Regel nicht durch zur Verfügung Stellung von kleineren Gasgeräten korrigiert werden kann.

Diesbezüglich ist es nach Auffassung des Gerichts ausdrücklich unerheblich, inwieweit bei dem jüngsten Sohn des Antragstellers besondere gesundheitliche Einschränkungen bestehen, diese Bewertung muss auch für ein gesundes kleines Kind geltend. Eine gesundheitliche Einschränkung, wie das vorgetragene Asthma, könnte die Argumentation nur - nicht mehr entscheidungserheblich - verstärken.

Bezüglich des Vorbringens des Antragstellers, dass die Nahrungsmittelvorräte verderben könnten, wenn die Kühlgeräte nicht funktionieren, ist dieses für das Gericht auch nicht weiter entscheidungserheblich (s. o.).

Der Antragsgegner wird gem. § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II verpflichtet, zukünftig die laufenden Abschläge für die Belieferung mit Strom und Gas unmittelbar an den örtlichen Energieversorger zu zahlen. Ein entsprechender Antrag wurde auf Nachfrage des Gerichtes durch den Antragsteller im laufenden Verfahren formuliert (Schreiben vom 12.04.2012). Das Gericht weist darauf hin, dass gemäß der Regelung des § 22 Abs. 7 S. 2 und 3 SGB II ohnehin ein Fall vorliegen dürfte, in dem der Antragsgegner verpflichtet sein dürfte, eine entsprechende Zahlung durchzuführen. Es bestehen jedenfalls Energiekostenrückstände, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen (§ 22 Abs. 7 S. 3 Nr. 2 SGB II).

Auch ist der Einwand, der vom Antragsteller im Schreiben vom 12.04.2012 formuliert wurde, dass der Antragsgegner die tatsächlichen Kosten zu übernehmen habe, wohl nicht durchgreifend. Stromkosten sind im Regelsatz der Leistungsberechtigten enthalten und bezüglich der Heizkosten kann das Gericht aktuell keine Gründe für eine Übernahme höherer Heizkosten als derjenigen, die vom Antragsgegner als Höchstbetrag bereits bewilligt wurden, erkennen. Nichtsdestotrotz ist festzustellen, dass wesentliche Gründe dafür bestehen können, dass der Antragsgegner den vollen monatlichen Gasabschlag als Kosten der Heizung zu übernehmen hat. Dies ist jedoch im laufenden Verfahren nicht entscheidungserheblich.

Bezüglich der vom Antragsteller mitgeteilten Leistungen der Krankenkasse für den Betrieb des Beatmungsgerätes stellt das Gericht fest, dass der Antragsteller sich zumindest im gewissen Umfange um die Erlangung von Hilfen aus anderen Quellen bemüht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetztes (SGG). Der Antragsteller hat mit seinem Begehren obsiegt.

Nippen Richter am Sozialgericht