Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.10.2000, Az.: 4 M 3278/00
Abschiebung; Abschiebungshindernis; Afghanistan; Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Ausländer; Ausreise; freiwillige Ausreise; Freiwilligkeit; Hindernis; Rückkehr; Sozialhilfe; Unzumutbarkeit; Zumutbarkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.10.2000
- Aktenzeichen
- 4 M 3278/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41925
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 19.07.2000 - AZ: 7 B 2966/00
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 AsylbLG
- § 3 AsylbLG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zum Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG wegen Unzumutbarkeit einer freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts ist gemäß § 146 Abs. 4 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Er ist auch begründet, weil die genügend dargelegten ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus den folgenden Gründen bestehen; diese Gründe tragen auch die Begründetheit der zugelassenen Beschwerde.
Die Antragsteller haben einen Anordnungsgrund und -anspruch glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsanspruch kommt den Antragstellern zu, weil ihnen eine freiwillige Rückkehr in ihr Heimatland nicht zugemutet werden kann und wegen der Unzumutbarkeit der Ausreise nach Afghanistan auch ein Abschiebungshindernis aus humanitären und persönlichen Gründen vorliegt, mithin neben dem Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten seit dem 1. Juni 1997 auch die weiteren Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 AsylbLG gegeben sind. Der Senat sieht sich nicht veranlasst, die Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 13. Juli 2000 zur Zumutbarkeit einer Ausreise der Antragsteller nach Afghanistan in Zweifel zu ziehen. Dort wird ausgeführt:
"Zur Frage der freiwilligen Ausreise ist auszuführen, dass zur Zeit keine direkten Flugverbindungen aus der Bundesrepublik zu einem der afghanischen Flughäfen bestehen. Auch Flüge aus dem dortigen benachbarten Ausland nach Afghanistan sind nicht buchbar. Somit ist nach hiesiger Kenntnis eine freiwillige Ausreise allenfalls über Turkmenistan oder Pakistan möglich, da von dort aus Landverbindungen offen sein sollen. Dieses wird jedoch seitens der Ausländerbehörde als nicht zumutbar angesehen."
Nach diesen aktuellen Erkenntnissen bestünde für die Antragsteller zwar die theoretische Möglichkeit, einen Weg nach Afghanistan zu finden. Dieser Weg ist ihnen jedoch nicht zuzumuten. Die freiwillige Ausreise der Antragsteller ist folglich nicht möglich. Wegen der Unzumutbarkeit der zwar theoretisch gegebenen Reisemöglichkeiten für die Antragsteller besteht insofern auch ein Abschiebungshindernis aus persönlichen bzw. humanitären Gründen, da eine Abschiebung, die nur in einer für die Betroffenen unzumutbaren Art und Weise durchgeführt werden kann, nicht erfolgen darf.
Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Senat nimmt in ständiger Rechtsprechung das Bestehen eines Anordnungsgrundes an, sofern im Wege der einstweiligen Anordnung um die Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt gestritten wird, weil es um die Beseitigung einer existentiellen Notlage geht. In der Regel wird bei laufenden Leistungen - wie hier - dieser Anordnungsgrund ab dem Ersten des Monats der Entscheidung bejaht. Hier besteht begründeter Anlass nicht, von dieser Regel eine Ausnahme zu machen.