Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.10.2000, Az.: 9 L 1629/00
Abwasseranschluss; Erneuerung; Grundstücksanschluss; Grundstücksanschlusskanal; kommunale Einrichtung; Kosten; Kostenerstattung; leitungsgebundene Einrichtung; Unterhaltung; öffentliche Einrichtung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.10.2000
- Aktenzeichen
- 9 L 1629/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 42009
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 14.03.2000 - AZ: 1 A 106/99
Rechtsgrundlagen
- § 8 S 1 KAG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Erneuerung eines Grundstücksanschlusses ist anzunehmen, wenn zur Wiederherstellung eines nach bestimmungsgemäßer Nutzung abgenutzten Anschlusses die ganze oder nicht unerhebliche Teile der Leitung ersetzt werden.
Kostenerstattung für Grundstücksanschlusskanal
Zur Abgrenzung der Erneuerung eines Grundstücksanschlusskanals zu bloßen Unterhaltungsmaßnahmen.
Gründe
Der auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Heranziehung zur Kostenerstattung für den Schmutzwasser- und den Niederschlagswasserkanalanschluss in Höhe von 11.306,25 DM gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, der Erstattungsanspruch der Beklagten ergebe sich aus § 16 Abs. 1 ihrer Abgabensatzung für die Abwasserbeseitigung. Darin habe die Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bestimmt, dass die Höhe der ihr zu erstattenden Kosten im Falle der Herstellung und Erneuerung der Grundstücksanschlüsse nach Einheitssätzen und im Übrigen nach den tatsächlichen Kosten ermittelt werden. Die Anschlussleitung zum Grundstück der Klägerin sei erneuert worden, indem die alte Leitung durch eine neue ersetzt worden sei. Da die Klägerin selbst darauf hingewiesen habe, dass die Erneuerung der Rohre ab Grundstücksgrenze zur Vermeidung von Verstopfungen ratsam sei, könne es nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, dass die Beklagte eine Erneuerung der Rohre habe durchführen lassen. Sie sei deshalb berechtigt, die Kosten nach Einheitssätzen abzurechnen.
Die Klägerin bezweifelt die Richtigkeit dieser Beurteilung durch das Verwaltungsgericht. Sie meint, das Gericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich beim Ersatz des alten Anschlussrohres um eine Erneuerung handele. Es liege eine bloße Unterhaltungsmaßnahme im Sinne von § 16 Abs. 3 der Satzung vor, so dass die Beklagte lediglich eine Erstattung der Aufwendungen in tatsächlicher Höhe verlangen dürfe. Dass nur eine Unterhaltungsmaßnahme erfolgt sei, ergebe sich daraus, dass die Arbeiten lediglich dazu gedient hätten, den bestehenden gebrauchsfähigen Zustand der Anlage zu erhalten. Auch sei die neue Anlage im Wesentlichen mit der ursprünglichen vergleichbar. Der Umstand, dass die Beschädigung des Abwasserrohrs durch eingedrungenes Wurzelwerk und nicht durch Abnutzung infolge bestimmungsgemäßen Gebrauches erfolgt sei, spreche ebenfalls eher für eine Unterhaltungsmaßnahme als für eine Erneuerung. Die Erwägung des Verwaltungsgerichts, der Beklagten stehe ein Ermessen zu, ob sie statt einer Ausbesserung eine Erneuerung vornehme, sei fehlerhaft, weil die Vorschrift des § 16 Abs. 3 der Satzung dann umgangen werden könnte. Darüber hinaus sei die durchgeführte Maßnahme unverhältnismäßig gewesen. Denn das Ziel, den Anschluss des Grundstücks an den öffentlichen Kanal herzustellen, sei nicht erreicht worden, weil getrennte Anschlussrohre für Schmutz- und Regenwasser verlegt worden seien, obgleich in der Straße nur ein Mischkanal vorhanden sei. Schließlich hätte das Verwaltungsgericht berücksichtigen müssen, dass der Ersatz des alten Anschlusses allein deshalb notwendig geworden sei, weil in den vorangegangenen Jahren Untersuchungen des Zustandes des Abwasserrohres unterblieben und deshalb notwendige Reparaturen von der Beklagten nicht durchgeführt worden seien.
Der Senat teilt die dargelegten rechtlichen Bedenken der Klägerin nicht.
Das Verwaltungsgericht hat die durchgeführten Arbeiten zutreffend als eine Erneuerung das Anschlusses des Grundstücks der Klägerin an den öffentlichen Abwasserkanal im Sinne von § 8 Satz 1 NKAG (§ 16 Abs. 1 der Abgabensatzung) eingeordnet. Hierunter fällt jede Wiederherstellung eines nach bestimmungsgemäßer Nutzung abgenutzten Anschlusses durch die Ersetzung der ganzen Leitung oder eines nicht unerheblichen Teils der Leitung (vgl. Dietzel, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2000, § 10 RdNr. 21). Die Unterhaltung des Grundstücksanschlusses umfasst demgegenüber als Auffangtatbestand alle Maßnahmen, die erforderlich sind, einen bestehenden Anschluss ohne dessen Erneuerung, Veränderung oder Beseitigung weiterhin in einem gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten (vgl. Dietzel, a.a.O., RdNr.23; Urt. d. Sen. v. 8.12.1998 -- 9 L 5620/96 --; OVG Münster, Urt. v. 18.5.1993 -- 22 A 2169/91 --, NVwZ-RR 1994, 542 = KStZ 1995, 111). Hierzu gehören alle Erhaltungsmaßnahmen, z.B. Reparaturen an beschädigten oder gestörten Leitungsstrecken, die Entfernung von Ablagerungen aus dem Leitungskörper, die Reinigung der Leitung sowie sämtliche Maßnahmen der laufenden Unterhaltung. Die hier durchgeführten Arbeiten, bestehend aus der Freilegung des Abwasserrohres und des Grundstücksanschlusses im öffentlichen Straßenraum, der Entfernung des wegen Wurzeleinwuchses, Muffenversatzes, Scherbenbildung und Sturzgefälle nicht mehr funktionsfähigen alten Steinzeugrohres, der Verlegung getrennter Rohre für Schmutzwasser- und Regenwasser, dem Anschluss der Rohre an den öffentlichen Kanal und der Verfüllung der Baugruben, gehen unzweifelhaft über eine bloße Unterhaltungsmaßnahme hinaus und sind als Erneuerung zu qualifizieren.
Das Verwaltungsgericht hat des Weiteren zutreffend festgestellt, dass der Gemeinde bei der Entscheidung, ob und wann es infolge Verschleißes des Grundstücksanschlusses einer Erneuerung bedarf, ein Einschätzungsermessen eingeräumt ist. Denn die Gemeinde ist gesetzlich verpflichtet, die Abwasseranlage und die Grundstücksanschlüsse in einem technisch einwandfreien Zustand zu halten, um eine Störung der Ortsentwässerung zu vermeiden. Sie darf deshalb Grundstücksanschlüsse nicht erst bei Eintritt eines Schadens erneuern, sondern kann eine Erneuerung schon dann vornehmen, wenn deren Zustand in absehbarer Zeit nach den Regeln der Entsorgungstechnik verschleißbedingte Störungen erwarten lässt. Allerdings ist es der Gemeinde nicht völlig freigestellt, welche Maßnahmen sie ergreift, sondern das ihr eingeräumte Ermessen wird durch die Grundsätze der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit begrenzt. Die Gemeinde hat sich deshalb unter Berücksichtigung und Abwägung des öffentlichen Interesses an einer betriebssicheren Beschaffenheit der Anschlussleitung einerseits und der Belange des betroffenen Grundstückseigentümers andererseits auf betriebsnotwendige Maßnahmen zu beschränken, die geeignet sind, den angestrebten Zweck zu erreichen, ohne den Bürger mit vermeidbaren Nachteilen und Kosten zu belasten (vgl. Dietzel, a.a.O., RdNrn. 21 und 27).
Im hier zur Entscheidung stehenden Fall fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte dass ihr zustehende Ermessen durch die konkret erfolgte Erneuerungsmaßnahme verletzt haben könnte. Zwischen den Parteien ist unstreitig und es wird durch einen Untersuchungsbericht belegt, dass die Jahrzehnte alte Anschlussleitung sowohl im Bereich des Grundstücks der Klägerin als auch im Straßenbereich durch Abnutzung und eingedrungenes Wurzelwerk auf der gesamten Länge irreparabel beschädigt war und es deshalb zu häufigen Rückstaus im Keller des Hauses der Klägerin gekommen war. Die Klägerin nahm diesen Befund zum Anlass, das Schmutzwasserrohr durch zwei getrennte Rohre für Schmutz- und Regenwasser ersetzen zu lassen und die Beklagte zu bitten, "dass die Rohre ab Grundstücksgrenze jetzt auch mit erneuert würden, damit es nicht erneut zu Rückstau von Schmutz- und Regenwasser kommt, der durch die dann noch verbleibenden Schäden am Abwasserrohr ab Grundstücksgrenze vorprogrammiert ist". Genau dies hat die Beklagte getan, indem sie die von der Klägerin verlegten Rohre von der Grundstücksgrenze bis zum Abwasserkanal verlängerte und das alte Steinzeugrohr auch im öffentlichen Straßenbereich entfernte. Anhaltspunkte dafür, dass stattdessen eine Ausbesserung oder bloße Teilerneuerung in Betracht gekommen wäre, trägt die Klägerin selbst nicht vor. Dies erscheint auch kaum denkbar, da für die Beklagte nur noch die Möglichkeit bestand, die von der Klägerin verlegten neuen Rohre bis zum Kanal zu verlängern, nachdem die Klägerin bereits das abgängige alte Rohr im Bereich ihres Grundstücks hatte entfernen lassen. Aus demselben Grunde ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte getrennte Abwasserrohre verlegt hat, obwohl in der Straße noch ein Mischwasserkanal verlegt ist. Dies entsprach einerseits dem ausdrücklichen Wunsch der Klägerin und war andererseits auch im Hinblick auf die Vermeidung unnötiger Mehrkosten in der Zukunft sachgerecht. Denn die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass in absehbarer Zeit eine Umstellung des Kanals vom Mischsystem auf das Trennsystem vorgesehen ist. Angesichts dessen wäre es widersinnig gewesen, den neuen Grundstücksanschluss noch für das Mischsystem einzurichten mit der Folge, dass der Klägerin bei der Umstellung des Systems erneut Kosten entstehen würden.
Für ihr Vorbringen, es habe ein aufgestauter Reparaturbedarf vorgelegen, hat die Klägerin keine nachprüfbaren Tatsachen vorgetragen. Im Übrigen könnte dieser Umstand -- die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin insoweit unterstellt -- allenfalls dann Folgen für den geltend gemachten Erstattungsanspruch haben, wenn die Beklagte durch ihr Verhalten Kosten verursacht hätte, die sonst nicht entstanden wären, und diese nunmehr auf die Klägerin abwälzen wollte. Davon kann hier aber schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die erfolgten Erneuerungsmaßnahmen auch dann hätten durchgeführt werden müssen, wenn der marode Zustand des alten Steinzeugrohres und dessen irreparable Beschädigung durch vom Grundstück der Klägerin eindringendes Wurzelwerk früher festgestellt worden wäre.