Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 09.11.2022, Az.: 5 B 4068/22

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
09.11.2022
Aktenzeichen
5 B 4068/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 56139
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2022:1109.5B4068.22.00

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 EURO festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Bescheid, mit dem die Antragsgegnerin seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. einer Ausbildungsduldung abgelehnt und ihm die Abschiebung nach Ghana angedroht hat.

Der am D.. E. 2002 geborene Antragsteller ist ghanaischer Staatsangehöriger. Er reiste seinen eigenen Angaben zufolge am 20. Dezember 2017 in das Bundesgebiet zu seiner Mutter, der ghanaischen Staatsangehörigen F., ein, die jedenfalls vom 6. Januar 2017 bis zum 26. September 2018 Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG war.

Am 1. Februar 2018 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller auf dessen von seinem damaligen Bevollmächtigten gestellten Antrag vom 29. Dezember 2017 eine Duldung aus familiären Gründen, die fortlaufend, zuletzt bis zum 3. November 2020, verlängert wurde.

Mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 12. Februar 2020 wurde das Ruhen der elterlichen Sorge des Vaters festgestellt. Die elterliche Sorge stehe der Mutter allein zu.

Mit Schreiben vom 12. März 2020 und vom 19. Mai 2020 forderte die Antragsgegnerin die Mutter des Antragstellers zur Vorlage weiterer Dokumente auf, um die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers abzuschließen. Der Bevollmächtigte des Antragstellers bat daraufhin am 20. Juli 2020 um Sachstandsmitteilung, da die Mutter des Antragstellers die erbetenen Unterlagen abgegeben habe. Die Antragsgegnerin teilte am 28. Juli 2020 dazu mit, die Unterlagen seien in der Akte des Antragstellers nicht vorhanden, und bat um erneute Übersendung.

Am 1. Juli 2021 erlangte der Antragsteller den Hauptschulabschluss.

Am 22. Juli 2021 wandte sich Frau G. für den Antragsteller an die Antragsgegnerin und beantragte die Erteilung eines Aufenthaltstitels, damit der Antragsteller sich um seine berufliche Weiterbildung bzw. eine qualifizierte Berufsausbildung kümmern könne.

Am 30. März 2022 übersandte der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers der Antragsgegnerin den Berufsausbildungsvertrag des Antragstellers vom 8. März 2022 im Ausbildungsberuf Maler und Lackierer, Fachrichtung/Schwerpunkt Gestaltung und Instandhaltung.

Unter dem 10. Mai 2022 bat der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers um Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides.

Mit E-Mail vom 20. Juni 2022 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, er benötige dringend einen Termin für die Ausstellung einer Arbeitserlaubnis und eines Aufenthaltstitels, um seine Ausbildung beginnen zu können.

Unter dem 23. Juni 2022 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu ihrer Absicht an, sowohl die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als auch die Erteilung einer Beschäftigungsduldung abzulehnen und ihn unter Fristsetzung und Androhung der Abschiebung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet aufzufordern. Die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers teilte daraufhin mit, der Antragsteller sei auch über die Volljährigkeit hinaus faktisch geduldet worden. Er habe nach seiner Volljährigkeit weiterhin ganz normal die Schule besucht und im Haushalt der Mutter gelebt. Dort sei er auch weiterhin gemeldet. Er zähle zu den gut integrierten Jugendlichen.

Am 31. August 2022 beantragte die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG sowie die Ausstellung einer neuen Duldungsbescheinigung mit einer Beschäftigungserlaubnis. Dazu gab sie an, der Antragsteller falle unter den Personenkreis der Anspruchsberechtigten. Er habe auch noch nach Erreichen der Volljährigkeit kein selbstständiges Leben geführt, sondern weiter im Haushalt der Mutter gelebt und die Schule besucht. Bei Erreichen seines Hauptschulabschlusses sei er bereits 18 Jahre alt gewesen.

Mit Bescheid vom 5. September 2022 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. einer Ausbildungsduldung ab und drohte ihm, sollte er das Bundesgebiet nicht innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung der Verfügung verlassen haben, die Abschiebung nach Ghana an. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Aufenthalt des Antragstellers sei bis zu seiner Volljährigkeit am D.. E. 2020 gemäß Art. 6 GG zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit seiner ghanaischen Mutter geduldet worden. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 32 AufenthG habe nicht erfolgen können, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht nachgewiesen worden seien. Mit dem Eintritt der Volljährigkeit seien die Gründe für eine Verlängerung der Duldung entfallen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme mangels tatsächlicher oder rechtlicher Ausreisehindernisse nicht in Betracht. Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG sei nicht möglich. Der Antragsteller halte sich schon nicht seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet auf. Sein Aufenthalt sei lediglich bis zu seiner Volljährigkeit geduldet worden. Danach habe er keinen Kontakt zu ihr, der Antragsgegnerin, aufgenommen, sondern sich eineinhalb Jahre unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten. Diese Zeiten könnten ihm nicht auf die erforderliche Aufenthaltsdauer angerechnet werden. Auch die Erteilung einer Ausbildungsduldung komme nicht in Betracht, da der Antragsteller schon nicht im Besitz einer Duldung sei. Der Bescheid wurde am 9. September 2022 zugestellt.

Am 22. September 2022 hat der Antragsteller Klage erhoben (5 A H. /22) und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 AufenthG, hilfsweise § 36 AufenthG, weiter hilfsweise § 25a AufenthG. Die Antragsgegnerin habe im Bescheid weder die Doppelprüfung für § 32 AufenthG noch eine Prüfung von § 36 AufenthG vorgenommen. Auch ein Aufenthaltstitel nach § 25a AufenthG komme seit seinem Schulabschluss am 1. Juli 2021 bzw. vier Jahre nach seiner Einreise am 20. Dezember 2021 in Betracht. Es treffe zu, dass er nach seiner Volljährigkeit von sich aus keinen Kontakt zur Antragsgegnerin aufgenommen habe, sondern erstmals wieder im Jahr 2021. Seine Mutter spreche kein Deutsch. Er erhalte daher zuhause keine Unterstützung für seine behördlichen und schulischen Belange. Zuhause habe ihn im November 2020 niemand angewiesen, zur Ausländerbehörde zu gehen. Es komme letztlich auch nicht darauf an, ob er in den Jahren nach seiner Volljährigkeit über Duldungsbescheinigungen verfügt habe, da er faktisch geduldet gewesen sei. Da er wegen der bislang fehlenden eigenen Lebensstellung noch auf die Lebenshilfe durch die Mutter angewiesen sei, habe er einen weiteren Duldungsanspruch gehabt. Des Weiteren legt er eine Schulbescheinigung der BBS 3 vom 3. November 2022 über den regelmäßigen Besuch der Berufsfachschule Bautechnik in der Zeit vom 4. Oktober 2022 bis zum 5. Juli 2023 vor.

Nachdem der Antragsteller zunächst beantragt hatte, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, hilfsweise, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von Abschiebungsmaßnahmen gegen ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzusehen, hat er am 20. Oktober 2022 den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zurückgenommen.

Der Antragsteller beantragt nunmehr,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von Abschiebungsmaßnahmen gegen ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzusehen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angegriffenen Bescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Er ist zulässig und insbesondere nach § 123 VwGO statthaft. Soweit der Antragsteller sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wendet und zudem die Erteilung einer Ausbildungsduldung begehrt, handelt es sich in der Hauptsache um eine Verpflichtungssituation, bei der vorläufiger Rechtsschutz gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nicht auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, sondern auf Grundlage des § 123 Abs. 1 VwGO zu gewähren ist. Anderes gilt allenfalls dann, wenn der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Titels eine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG begründet und diese Wirkung durch die Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag wieder erloschen ist (VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 16.2.2021 - 11 S 3852/20 -, juris Rn. 6 und vom 7.7.2020 - 11 S 2426/19 -, juris Rn. 13). Dies ist unter den hier gegebenen Umständen nicht der Fall. Der Antrag des Antragstellers auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat keine Fiktionswirkung von Gesetzes wegen ausgelöst. Gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gilt der Aufenthalt eines Ausländers, der die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt (Erlaubnisfiktion). Wird der Antrag verspätet gestellt, bestimmt § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, dass die Abschiebung ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über die Abschiebung als ausgesetzt gilt (Duldungsfiktion). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Antragsteller hat sich zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Im Hinblick auf das Interesse des Antragstellers auf einen vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet kommt insoweit die Verpflichtung der Antragsgegnerin in Betracht, den Aufenthalt des Antragstellers bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu dulden.

Voraussetzung hierfür ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachsucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft gemacht werden, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Anspruch auf die begehrte Duldung richtet sich nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Für einen Anspruch auf eine Verfahrensduldung genügt es zunächst nicht, dass der Antragsteller überhaupt einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Klageverfahren geltend macht und diesen Anspruch im Bundesgebiet durchsetzen will (Nds. OVG, Beschluss vom 22.8.2017 - 13 ME 213/17 -, juris Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.1.2016 - 17 B 890/15 -, juris Rn. 6; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.2.2010 - 2 M 2/10 -, juris Rn. 7). Ein verfahrensbezogenes Bleiberecht in Form einer Erlaubnis-, Duldungs- oder Fortgeltungsfiktion hat der Bundesgesetzgeber nur für die in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG abschließend genannten Fälle bestimmt, die hier nicht gegeben sind.

Darüber hinaus kann ein Duldungsanspruch zwar zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Betracht kommen, wenn sich aus den aufenthaltsrechtlichen Regelungen (vgl. etwa §§ 39ff. AufenthV, § 5 Abs. 2 Satz 2, § 25b, § 25 Abs. 2 und 5 AufenthG) ergibt, dass der angestrebte aufenthaltsrechtliche Status aus dem Inland verfolgt werden kann, und die Aussetzung der Abschiebung zugleich notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens aufrechtzuerhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen kann. Das betrifft Titel, die tatbestandlich an eine bestehende Duldung anknüpfen, nicht jedoch die vom Antragsteller in der Hauptsache begehrte Aufenthaltserlaubnis zum Kindernachzug. Ein Anspruch auf eine Verfahrensduldung zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 AufenthG bzw. nach § 36 Abs. 2 AufenthG zum Zusammenleben mit der Mutter kommt daher schon nicht in Betracht.

Soweit der Antragsteller in der Hauptsache eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG begehrt, kommt, da diese Vorschrift tatbestandlich an eine Duldung anknüpft, ein Duldungsanspruch zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes grundsätzlich in Betracht. Allerdings liegen in Bezug auf den Antragsteller nicht sämtliche, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen der Vorschrift vor.

Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält (Nr. 1), er im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat (Nr. 2), der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird (Nr. 3), es gewährleistet erscheint, dass er sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann (Nr. 4) und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt (Nr. 5). Zwar hat der Antragsteller im Bundesgebiet einen Schulabschluss erworben und den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt. Beim Antragsteller handelt es sich allerdings schon nicht um einen geduldeten Ausländer.

Geduldet ist ein Ausländer, wenn ihm eine rechtswirksame Duldung erteilt worden ist oder wenn er einen Rechtsanspruch auf Duldung hat. Ein Rechtsanspruch auf Duldung ist jedenfalls dann ohne weiteres ausreichend, wenn die Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen dieser Voraussetzung ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34/18 -, juris, Rn. 23 f.). Hieran fehlt es. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller weder eine Duldung erteilt noch ist ein Rechtsanspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Duldung ersichtlich.

Ein Rechtsanspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Duldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich nicht aus seinem Vortrag, er sei wegen der bislang fehlenden eigenen Lebensstellung noch auf die Lebenshilfe durch die Mutter angewiesen. Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Familie zunächst als tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft der minderjährigen Kinder und ihrer Eltern. Der Schutz des Familiengrundrechts zielt darüber hinaus aber auch generell auf den Schutz spezifisch familiärer Bindungen, wie sie auch zwischen erwachsenen Familienmitgliedern bestehen können, wenn über die bloßen formal-rechtlichen familiäre Bindungen hinaus eine tatsächliche familiäre Lebensgemeinschaft besteht. Einem solchen Schutz der Beziehungen zwischen volljährigen Familienmitgliedern kommt im Verhältnis zu den widerstreitenden einwanderungspolitischen Belangen in der Regel aber nur ein geringeres Gewicht zu. Allenfalls dann, wenn beispielsweise ein erwachsenes Familienmitglied zwingend auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt, kann dies einwanderungspolitische Belange zurückdrängen; die tatsächlich geleistete Hilfe muss eine wesentliche sein (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9.8.2017 - 13 ME 167/17 -, juris, Rn. 18). Dies zu Grunde gelegt ergibt sich keine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise des Antragstellers. Dass die Mutter des inzwischen volljährigen Antragstellers diesem im Bundesgebiet Hilfe und Unterstützung gewährt, auf die er zwingend angewiesen ist, weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich und im Übrigen auch nicht glaubhaft gemacht worden.

Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG besteht nicht, da dem schon § 60c Abs. 2 Nr. 1 AufenthG entgegensteht. Nach dieser Vorschrift wird die Ausbildungsduldung nicht erteilt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 60a Abs. 6 AufenthG vorliegt. Gemäß § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG darf einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaats nach § 29 a AsylG ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Abs. 1 AsylG beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde. So liegt es hier.

Der Antragsteller, der keinen Asylantrag gestellt hat, ist Staatsangehöriger von Ghana, einem sicheren Herkunftsstaat i. S. v. § 29a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage II. Die Ausnahmevorschrift des § 60a Abs. 6 Satz 3 AufenthG, demzufolge § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung gilt, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte, greift zu Gunsten des Antragstellers nicht ein. Zwischen seiner Einreise ins Bundesgebiet am 20. Dezember 2017 und dem Eintritt seiner Volljährigkeit am D.. E. 2020 war der Antragsteller kein unbegleiteter minderjähriger Ausländer.

Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine Definition dieses Terminus. Anhaltspunkte ergeben sich jedoch aus dem europäischen Sekundärrecht. Gemäß Art. 2 Buchst. l) der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (RL 2011/95/EU) bezeichnet der Ausdruck "unbegleiteter Minderjähriger" einen Minderjährigen, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem Gesetz oder der Praxis des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet; das schließt Minderjährige ein, die nach der Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen wurden. Damit einhergehend bestimmt § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, dass das Jugendamt berechtigt und verpflichtet ist, ein Kind oder Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 5 Hs. 1 SGB VIII gehört in einem solchen Fall zu den Rechtshandlungen, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in den Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Asylgesetzes benötigt (OVG NRW, Beschluss vom 18.2.2021 - 18 B 70/21 -, juris, Rn. 5 f.). Diese Voraussetzungen lagen in Bezug auf den Antragsteller nicht vor. Zwar reiste er minderjährig und offenbar unbegleitet in das Bundesgebiet ein. Die Einreise erfolgte jedoch zu seiner bereits im Bundesgebiet lebenden Mutter, die ihn nach seiner Ankunft sofort bei sich aufgenommen hat.

Der Antragsteller erfüllt überdies auch nicht die Voraussetzung des § 25 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, da er sich seit seiner Einreise in das Bundesgebiet im Dezember 2017 nicht seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufgehalten hat. Der Aufenthalt des Antragstellers war lediglich in der Zeit vom 1. Februar 2018 bis zum Eintritt seiner Volljährigkeit am D.. E. 2020, mithin für einen Zeitraum von zwei Jahren und neun Monaten, geduldet. Dass, wie der Antragsteller vorträgt, nach Eintritt seiner Volljährigkeit weiterhin Duldungsgründe aus familiären Gründen vorgelegen hätten, hat er, wie zuvor ausgeführt, schon nicht glaubhaft gemacht.

Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht. Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Derartige Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen ergeben, zu denen u. a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.6.2006 - 1 C 14/05 -, juris). Die Ausreise des Antragstellers ist weder aus tatsächlichen noch rechtlichen Gründen unmöglich. Insbesondere der Vortrag des Antragstellers, er sei wegen der bislang fehlenden eigenen Lebensstellung noch auf die Lebenshilfe durch die Mutter angewiesen, begründet, wie zuvor ausgeführt, nicht die rechtliche Unmöglichkeit seiner Ausreise gemäß Art. 6 GG.

Ein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG besteht, wie zuvor ausgeführt, nicht.

Auch sonstige Duldungsgründe sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1 GKG und entspricht Nr. 1.5, 8.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NordÖR 2014, 11).