Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 28.11.2022, Az.: 3 A 7201/18
allein hochschulinterne Gründe; Ausbildungsförderung; hochschulinterne Gründe; hochschulinterne Verzögerung; kein Verschulden; keine Exmatrikulation; Rückforderung; Theorie der wesentlichen Bedingung; verfassungskonforme Auslegung; verspätete endgültige Zulassung; Vorbehalt der Rückforderung; vorläufige Zulassung zum Masterstudium; Zwöf Monate; Zwölfmonatsfrist; Keine anspruchsvernichtende Zwölfmonatsfrist für die endgültige Zulassung zum Masterstudium nach § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG in der bis zum 21. Juli 2022 gültigen Fassung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 28.11.2022
- Aktenzeichen
- 3 A 7201/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 46176
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2022:1128.3A7201.18.00
Rechtsgrundlagen
- BAföG § 20 Abs. 1 Nr. 4
- BAföG § 7 Abs. 1a) Satz 3 in bis zum 21. Juli 2022 gültigen Fassung
- Art. 3 GG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
§ 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG in der bis zum 21. Juli 2022 gültigen Fassung enthält keine Regelung, nach welcher Ausbildungsförderung nur zu leisten ist, wenn eine Auszubildende/ein Auszubildender die endgültige Zulassung zum Masterstudium binnen zwölf Monaten erhält.
- 2.
Jedenfalls soweit Gründe für eine verzögerte endgültige Zulassung allein aus der Sphäre der Hochschule stammen, wäre eine solche Regelung auch wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG verfassungswidrig.
Tenor:
Die Beklagte wird verpflichtet, ihren Bescheid vom 7. November 2018 in Form des Bescheides vom 9. November 2018 aufzuheben.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Leistungen nach dem BAföG im Rahmen einer vorläufigen Zulassung zum Masterstudium.
Der Kläger nahm zum Wintersemester 2017/18 den Masterstudiengang D. an der Beklagten auf, ohne die Bachelorprüfung bestanden zu haben. Mit Bescheid vom 5. September 2017 ließ ihn die Beklagte vorläufig zu diesem Studiengang zu, wobei die Zulassung unter der Bedingung erfolgte, dass der Kläger den Nachweis über die bestandene Bachelorprüfung bis zum 15. April 2018 dem Immatrikulationsamt der Beklagten vorlegt. Laut dem Zulassungsbescheid erlischt die Mastereinschreibung ohne den entsprechenden fristgerechten Nachweis.
Der Kläger stellte bereits Anfang Juni 2017 einen Antrag auf Ausbildungsförderung für den vorbezeichneten Masterstudiengang beim Studentenwerk der Beklagten, woraufhin dieses ihm mit Bescheid vom 30. Oktober 2017 Ausbildungsförderung nach dem BAföG für den Bewilligungszeitraum Oktober 2017 bis September 2018 in Höhe von monatlich 735,- EUR bewilligte. Die Bewilligung erfolgte wegen der nur vorläufigen Zulassung unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG in der bis zum 21. Juli 2022 gültigen Fassung (a. F.).
Ende Mai 2018 stellte der Kläger einen Wiederholungsantrag für den Bewilligungszeitraum Oktober 2018 bis September 2019. In diesem Zusammenhang forderte ihn das Studentenwerk der Beklagten auf, eine Kopie des Bachelorzeugnisses vorzulegen. Ende Oktober 2018 reichte der Kläger eine Kopie seiner Notenübersicht bei dem Studentenwerk der Beklagten ein, aus welcher ein Bachelorabschluss am 17. Oktober 2018 hervorgeht.
In einer E-Mail des Vorsitzenden des "Zulassungsausschuss[es] Master" vom 25. Oktober 2018 (Bl. 10 d. A.) teilte dieser dem Kläger mit, dass ihm - dem Kläger - kein Verschulden für die Verzögerung bei dem Erwerb des Bachelorabschlusses zur Last zu legen sei. Deshalb habe er - der Vorsitzende des Zulassungsausschusses - in Eilkompetenz, ohne Einberufung des Ausschusses, entschieden, den Kläger mit sofortiger Wirkung zum Master zuzulassen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorbezeichnete E-Mail Bezug genommen.
Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 7. November 2018 forderte das Studentenwerk der Beklagten vom Kläger die geleistete Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2017 bis September 2018 - unter Verrechnung mit laufenden Zahlungen - zurück. Der Rückforderungsbetrag beträgt 6.701,- EUR (7.350,- EUR - 649,- EUR). Zur Begründung führte das Studentenwerk der Beklagten aus, dass eine rückwirkende Entziehung der Leistungen erfolge, da der Kläger die endgültige Zulassung zum Master nicht innerhalb von zwölf Monaten nach der vorläufigen Zulassung erlangt habe.
Der Kläger erklärte daraufhin, der Wiederholungstermin für die letzte Prüfungsleistung E. im Bachelorstudium sei ohne sein Verschulden erst am 17. Oktober 2018 angeboten worden, und reichte beim Studentenwerk der Beklagten einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X ein.
Diesen lehnte das Studentenwerk der Beklagten mit Bescheid vom 9. November 2018 mit der Begründung ab, der Kläger habe die Prüfungsleistung E. am 16. Oktober 2017 und am 25. Juli 2018 nicht bestanden, weshalb das verspätete Anbieten des Wiederholungstermins nicht kausal für die Verzögerte Zulassung zum Masterstudium geworden sei.
Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 7. November 2018 in Form des Bescheides vom 9. November 2018 am 13. November 2018 Klage erhoben. Er behauptet, ihn treffe kein Verschulden an der verspäteten Zulassung zum Masterstudium, da der Termin der o. g. Klausur nicht im Sommersemester 2018, sondern erst zu Beginn des Wintersemesters angesetzt gewesen sei, obgleich es sich um einen Wiederholungstermin für das vorangegangene Semester gehandelt habe. Es lägen der Verzögerung also hochschulinterne Gründe zugrunde. Aus der Leistungsübersicht sei auch eindeutig erkennbar, dass die Prüfungsleistung dem Sommersemester 2018 zugeordnet worden sei. Am 29. September 2018 habe er beim Studentenwerk eine Fristverlängerung für die Einreichung der Zulassungsunterlagen beantragt. Diese Fristverlängerung sei ihm am 4. Oktober 2018 bewilligt und die verlängerte Frist von ihm eingehalten worden. Da in der Rechtsprechung im Rahmen des § 48 Abs. 1 BAföG geklärt sei, dass verspätet im Folgesemester angebotene Prüfungen so zu behandeln seien, als wären sie zum Ende des vorangegangenen Semesters bestanden worden, ist er der Auffassung, dass dieses gerade auch im Rahmen des § 7 Abs. 1a) BAföG a. F. gleichgelagert zu bewerten sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers hätten mit § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG a. F. "studentenorganisatorische Probleme", wie sie typischerweise in der Übergangsphase zwischen Bachelor- und Masterausbildung aufträten, verhindert werden sollen. Die entsprechende Formulierung in § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG a. F. "längstens jedoch für zwölf Monate" sei nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auszulegen. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers solle die Vorschrift Studierende betreffen, "die durch eigenes Engagement die Dauer der Ausbildungszeit durch vorgezogene Aufnahme des Masterstudiums noch in der Endphase des Bachelorstudiums verkürzen und bspw. eine Unterbrechung bis zum Beginn des nächsten Semesters vermeiden wollen, zu dem der Masterstudienbeginn nach vollendetem Bachelorabschluss möglich wäre. Diese Studierenden werden landeshochschulrechtlich nur vorläufig zum Studium zugelassen. Die Zulassung entfällt regelmäßig wieder - mit der Folge der Exmatrikulation -, wenn nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums von zumeist einem Jahr der förmliche Bachelorabschluss nachgewiesen wird. Mit der Neuregelung wird es auch den auf BAföG-Förderung angewiesenen Studierenden künftig erleichtert, das Studium insgesamt zügiger abzuschließen." Aus diesem Auszug aus der BT-Drucksache 18/2663 ziehe auch die Kommentarliteratur die Erkenntnis, dass die zeitliche Einschränkung "längstens jedoch für zwölf Monate", eher eine Richtschnur für die Hochschule sei, als etwa eine Ausschlussfrist. Denn nur wenn die Hochschule die eine endgültige Zulassung (mit der Folge der Exmatrikulation) nicht vornehme, habe der im Masterstudium Studierende die unter Vorbehalt geleistete Ausbildungsförderung zurückzuzahlen. Soweit die Beklagte ihm das erstmalige Nichtbestehen einer Klausur "vorwerfe", obgleich die einschlägige Prüfungsordnung eine Wiederholung von Prüfungsleistungen vorsehe, verstoße sie damit gegen Treu und Glauben.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 7. November 2018 in Form des Bescheides vom 9. November 2018 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass den Kläger kein Verschulden an der verspäteten Zulassung treffe, da es ihm zumutbar gewesen sei, das Bachelorstudium innerhalb von zwölf Monaten abzuschließen. Er habe die Prüfungsleistung E. sowohl am 16. Oktober 2017 als auch am 25. Juli 2018 nicht bestanden, weshalb die verspätet angebotene Wiederholungsprüfung nicht kausal dafür sei, dass der Bachelorabschluss erst am 17. Oktober 2018 durch den Kläger erworben worden sei. Zudem ist sie der Ansicht, dass nach § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG a. F. die unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistete Ausbildungsförderung zurückzuzahlen sei, wenn nicht binnen eines Jahres eine endgültige Zulassung zum Master erfolge. Die Zulassung zum Masterstudiengang sei mit der Maßgabe erfolgt, dass die Mastereinschreibung ohne den fristgerechten Nachweis der bestandenen Bachelorprüfung zum 15. April 2018 erlösche. Die endgültige Zulassung sei erst durch die Eilentscheidung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses mittels seiner E-Mail vom 25. Oktober 2018 erfolgt, weshalb die in § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG a. F. genannte Zwölfmonatsfrist überschritten sei. Dass die Nichteinhaltung der Jahresfrist zu einer Rückforderung führen müsse, ergebe sich sowohl aus der Begründung zum Entwurf des Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (25. BAföGÄndG) und werde durch den auf der Seite des BMBF veröffentlichten Referentenentwurf eines 27. BAföGÄndG (Sachstand 3. März 2022) gestützt. Auch werde diese Rechtsauffassung so in der Kommentierung zum BAföG vertreten. Es bestehe kein Ermessensspielraum für eine andere Entscheidung, was zum einen auf der sie bindenden Erlasslage (Runderlass des BMBF vom 30. Mai 2022, Az.: 414-42531-1 § 7) als auch auf der entsprechenden Klarstellung und Bestätigung durch die mit dem 27. BAföGÄndG erfolgte Änderung in § 7 Abs. 1a) Sätze 3 und 4 BAföG (Einführungsrundschreiben des BMBF zum 27. BAföGÄndG vom 21. Juli 2022, Az.: 431-42501-ÄndG/27) beruhe. Die Ausführungen des Klägers zu § 48 BAföG seien für die Bewilligung der Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG a. F. nicht relevant.
Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 5. Mai 2022 gemäß § 6 Abs. 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten haben jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO schriftsätzlich erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der Bescheid vom 7. November 2018 in Form des Überprüfungsbescheides vom 9. November 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1.)
Die Beklagte kann ihren Rückforderungsbescheid nicht auf § 20 Abs. 1 Nr. 4 BAföG i. V. m. § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG in der hier einschlägigen bis zum 21. Juli 2022 gültigen Fassung (a. F.) stützen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 BAföG ist - außer in den Fällen der §§ 44 bis 50 SGB X - der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, als Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist, soweit die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tage des Kalendermonats vorgelegen haben.
Nach § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG a. F. wird Auszubildenden, die von der Ausbildungsstätte auf Grund vorläufiger Zulassung für einen nach § 7 Abs. 1a) Satz 1 BAföG a. F. förderungsfähigen Studiengang eingeschrieben worden sind, Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Zulassung geleistet, längstens jedoch für zwölf Monate.
Im hiesigen Fall sind die Leistungsvoraussetzungen nach dieser letztgenannten Vorschrift nicht (rückwirkend) entfallen, obgleich die endgültige Zulassung zum Masterstudium nicht innerhalb von zwölf Monaten erfolgte; für den Kläger liegen die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG a. F. vielmehr für den gesamten hier streitigen Zeitraum vor.
a) Nach dem Wortlaut der Norm, der nach allgemeiner Auffassung die äußerste Grenze der Auslegung bildet (vgl. z. B.: BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2012 - 9 C 8/11 -, Rn. 12, juris, m. w. N.), erfüllt der Kläger für den gesamten streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum - anders als die Beklagte meint - die Leistungsvoraussetzungen. Denn schon danach muss eine endgültige Zulassung zum Masterstudium nicht zwingend innerhalb von zwölf Monaten erfolgen.
Aus der Gesetzesformulierung, ist kein anderer Schluss zu ziehen, als dass sich der Satzteil "längstens jedoch für zwölf Monate" allein auf den Leistungszeitraum bezieht. Denn diese Formulierung schließt zum einen direkt an denjenigen zur Leistung an. Zudem kann sich die Formulierung "für zwölf Monate" (Unterstreichung durch den Einzelrichter) auch grammatikalisch nur auf die Leistung beziehen.
Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass bereits bei einer nicht endgültigen Zulassung innerhalb von zwölf Monaten, ohne dass aber eine endgültige Nichtzulassungsentscheidung (mit der Folge einer Exmatrikulation) erfolgt, der Rückforderungstatbestand erfüllt ist, hätte dies auch sprachlich entsprechend umgesetzt werden müssen. Das lässt sich dem Wortlaut aber grammatikalisch nicht entnehmen.
b) Auch systematische und teleologische Gründe sprechen gegen eine Auslegung in dem von der Beklagten vorgetragenen Sinn.
Jedenfalls wenn es - wie hier - nicht im Verantwortungsbereich der/des Auszubildenden liegt, dass eine endgültige Zulassung nicht binnen zwölf Monaten erfolgt, ist - auch nach den allgemeinen Grundsätzen des BAföG-Rechts, dass Umstände, die nicht in die Verantwortungssphäre der auszubildenden Person fallen, sich nicht förderungsschädlich auswirken dürfen (vgl. hierzu z. B. § 15 Abs. 3 BAföG, § 48 Abs. 2 BAföG) - klar, dass dies nicht zu einer Rückforderung führen kann. Vorliegend hat die Beklagte selbst dem Kläger in einer E-Mail mitgeteilt, dass keine Exmatrikulation trotz der Zeitüberschreitung erfolge, weil den Kläger an dieser Verzögerung kein Verschulden treffe. Es liegt auf der Hand, dass der Kläger die Zulassung rechtzeitig innerhalb von zwölf Monaten erworben hätte, wenn die letzte erforderliche (Wiederholungs-)Prüfung nicht aus allein in der Beklagtensphäre liegenden Gründen verspätet angeboten worden wäre. Hierbei ist auch nur der Zeitraum der vorläufigen Zulassung in den Blick zu nehmen, der hier streitgegenständlich ist. Die Beklagte begibt sich mit ihren Aussagen im Gerichtsverfahren in einen eindeutigen Widerspruch zu ihrem vorherigen Verhalten (vorbezeichnete E-Mail). Nach der spezifisch sozialrechtlichen Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. hierzu ausführlich: BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, Rn. 13ff., juris) besteht keine spezifische Kausalität zwischen dem Umstand, dass der Kläger zuvor die noch erforderliche Prüfung mehrfach nicht bestanden hatte und der eingetretenen Verzögerung bei der endgültigen Zulassung zum Masterstudium. Denn wenn die vom Kläger bestandene Prüfung von der Ausbildungsstätte rechtzeitig angeboten worden wäre, wäre die Verzögerung nicht eingetreten.
Weiterhin ist auch zu beachten, dass die Prüfungsleistung dem vorherigen Semester zugeschrieben wurde, welches auch noch innerhalb des Zwölfmonatszeitraums lag.
Es ist mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar, auf die Zwölfmonatsfrist in Bezug auf die Rückforderung abzustellen. Die leistende Behörde ist hinreichend dadurch geschützt, dass nicht länger als zwölf Monate geleistet wird. Dadurch riskiert sie nicht, dass im Falle einer nach dieser Frist erfolgten Exmatrikulation sehr hohe Beträge zurückzufordern wären. Genau diesen Sinn dürfte die Zwölfmonatsbegrenzung haben. Denn der Gesetzgeber ist - wie oben dargestellt - davon ausgegangen, dass eine entsprechende Entscheidung regelmäßig binnen Jahresfrist zustande kommt. Vor diesem Hintergrund ergibt die Beschränkung des Leistungszeitraums durchaus Sinn. Andernfalls hinge es auch von außerhalb der Sphäre der auszubildenden Person liegenden Eventualitäten ab, ob eine Rückforderung erfolgt. Beispielsweise wäre es auch möglich, dass alle Leistungsnachweise rechtzeitig vorliegen, die Universität allerdings aus krankheitsbedingten Gründen innerhalb des eigenen Personals (z. B. COVID-19) die endgültige Zulassungsentscheidung kurz nach Ablauf der Zwölfmonatsfrist trifft. Dass in einem solchen Fall eine Rückforderung erfolgt, wäre nicht zu rechtfertigen. Es würde auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Anreizgedanken (vgl.: BT-Drucksache 18/2663, Seite 36) widersprechen, wenn eine Rückforderung möglich wäre, ohne dass einen Studierenden an einer Verzögerung der endgültigen Zulassung ein Verschulden trifft. Damit würde eine "Abschreckungswirkung" erzielt; § 7 Abs. 1 1a) Satz 3 BAföG a. F. sollte jedoch eine vorgezogene Aufnahme des Masterstudiums gerade privilegieren und fördern. Dass es für eine Rückforderung maßgeblich auf die Frage der Exmatrikulation ankommt, ergibt sich auch aus der bereits von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts. Dieses hat u. a. ausgeführt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. Januar 2020 - 4 LA 111/19 -, Rn. 3, juris):
"§ 7 Abs. 1a Satz 3 BAföG bestimmt, dass Auszubildenden, die von der Ausbildungsstätte auf Grund vorläufiger Zulassung für einen nach Satz 1 förderungsfähigen Studiengang eingeschrieben worden sind, Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Zulassung geleistet wird, längstens jedoch für zwölf Monate. Mit dieser Vorschrift, die mit Wirkung vom 1. August 2015 durch das 25. BAföGÄndG (v. 23.12.2014, BGBl. I, S. 2475) eingeführt worden ist, soll zügiges Studieren förderungsrechtlich begünstigt und sollen Förderungslücken zwischen Bachelor- und Masterstudiengängen vermieden werden, indem auch landeshochschulrechtlich vorläufig zum Masterstudium zugelassene Studierende für das Masterstudium bereits Ausbildungsförderung beantragen und erhalten können (vgl. Entwurf eines 25. BAföGÄndG, BR-Drs. 375/14 v. 28.8.2014, S. 36 und BT-Drs. 18/2663 v. 25.9.2014, S. 36). Aus dem Vorbehalt der Rückforderung, unter den die Förderungsbewilligung für ein Masterstudium aufgrund vorläufiger Zulassung zu stellen ist, folgt, dass bei einer Exmatrikulation wegen der Nichterfüllung der Zulassungsvoraussetzungen innerhalb der von der Hochschule gesetzten Frist - also einer negativen endgültigen Entscheidung über die Zulassung - die für das Masterstudium bewilligte Leistung vom Auszubildenden zurückzuerstatten ist. Nur wenn während der vorläufigen Zulassung zum Masterstudium die Förderungshöchstdauer des überlappend betriebenen Bachelorstudiums noch nicht erreicht war oder nach § 15 Abs. 3 BAföG überschritten werden durfte, unterbleibt die Rückforderung der für das Masterstudium geleisteten Ausbildungsförderung (Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 6. Aufl. 2016, § 7 Rn. 59c unter Hinweis auf die Begründung des o.a. Gesetzesentwurfs)."
Der Grundgedanke hinter der Rückforderungsregelung ist, dass Studierende im Falle einer endgültigen Nichtzulassung - also einer Exmatrikulation - nicht gefördert werden sollen. Nur für diesen Fall erscheint die Risikoübertragung einer vorläufigen Einschreibung in einen Masterstudiengang auf die Studierenden gerechtfertigt. Denn dem BAföG liegt der - in verschiedenen Normen zum Ausdruck kommende - Gedanke zu Grunde, dass eine Förderung (jedenfalls im fortgeschrittenen Stadium der Ausbildung) nur erfolgen soll, wenn die/der Auszubildende grundsätzlich geeignet und in der Lage ist, ihre/seine Ausbildung innerhalb der vorgesehenen Regelzeit zu beenden (vgl. z. B. § 48 BAföG).
c) Die von der Beklagten zitierten Kommentarstelle (Steinweg in: Ramsauer/Stallbaum, 7. Auflage, Rn. 59c) - welche auf den vermeintlichen Willen des historischen Gesetzgebers rekurriert - ist nicht geeignet, an dem Vorgenannten Zweifel zu wecken. Denn diese gibt lediglich (aus dem Kontext gerissen) den Satz aus dem Gesetzesentwurf (BT-Drucksache 18/2663, Seite 36) wieder: "Der neue Satz 3 sieht dabei einen Vorbehalt der Rückforderung vor für den Fall, dass nicht binnen eines Jahres eine endgültige Zulassung erfolgt ist.", ohne sich damit in irgendeiner Form auseinanderzusetzen bzw. einen Zusammenhang mit dem Wortlaut des Gesetzes herzustellen.
Selbst wenn der historische Gesetzgeber dieses Rechtsziel gehabt haben sollte, ist er ersichtlich dabei davon ausgegangen, dass regelmäßig innerhalb von zwölf Monaten die endgültige Entscheidung über die Zulassung erfolgt. Das ergibt sich aus dem Gesamtkontext der Gesetzesbegründung. Dann darin ist ausgeführt:
"Die Zulassung entfällt regelmäßig wieder - mit der Folge der Exmatrikulation -, wenn nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums von zumeist einem Jahr der förmliche Bachelorabschluss nachgewiesen wird."
Aber selbst wenn es die Vorstellung des historischen Gesetzgebers gewesen sein sollte, die Rückforderung allein an den Umstand einer fehlenden endgültigen Zulassung zum Masterstudiengang innerhalb der zwölf Monate zu knüpfen, so ist diese Vorstellung jedenfalls, wie sich bereits aus dem Wortlaut, der systematischen und teleologischen Auslegung der Norm ergibt (s. o.), nicht Gesetz geworden. Es zählen nicht die subjektiven Vorstellungen des historischen Gesetzgebers dazu, was er regeln wollte, sondern es zählt das, was er objektiv geregelt hat. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59 -, BVerfGE 11, 126-136, juris Rn. 19 f. (allerdings [direkt nur] zur Auslegung vorkonstitutionellen Rechts) ausgeführt:
"Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 21. Mai 1952 <BVerfGE 1, 299 [BVerfG 21.05.1952 - 2 BvH 2/52] <312>> ausgesprochen, daß für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend ist, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, und daß der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zukommt, "als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können". In seiner Entscheidung vom 15. Dezember 1959 <BVerfGE 10, 234 [BVerfG 15.12.1959 - 1 BvL 10/55] <244>> hat das Gericht diese Grundsätze erneut bestätigt."
d) Soweit die Beklagte sich auf den § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG in der aktuellen ab dem 22. Juli 2022 geltenden Fassung berufen möchte, um ihre Rechtsansicht zu untermauern, vermag dies (auch schon vor dem zuvor dargestellten Hintergrund) nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber hat nunmehr eine neue Formulierung vorgenommen, die von der alten - hier einschlägigen - klar zu unterscheiden ist. Hieran ändert nichts, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 2. Mai 2022 ausführt, es handele sich um eine "ausschließlich klarstellende Regelung" (BT-Drucksache 20/1631, S. 23). Die neue Fassung unterscheidet sich ganz erheblich von der alten, wobei letztere - wie oben ausführlich dargelegt - eindeutig nicht so auszulegen ist, dass eine Rückforderung zu erfolgen hat, wenn nicht binnen zwölf Monaten die endgültige Zulassung erfolgt. Nach der neuen Fassung der Vorschrift (also der aktuellen Fassung) wird Auszubildenden, die von der Ausbildungsstätte auf Grund vorläufiger Zulassung für einen nach § 7 Abs. 1a) Satz 1 BAföG förderungsfähigen Studiengang eingeschrieben worden sind, für die Dauer der vorläufigen Zulassung, längstens jedoch für zwölf Monate, Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall geleistet, dass bis dahin keine endgültige Zulassung erfolgt. Der vorbezeichnete Gesetzesentwurf (a. a. O., S. 23f.) führt dazu aus:
"(...) Für die landeshochschulrechtlich nur vorläufig zum Masterstudium zugelassenen Studierenden entfällt die Zulassung - mit der Folge der Exmatrikulation -, wenn nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums von zumeist einem Jahr der erfolgreiche Bachelorabschluss nachgewiesen wird. Im Hinblick auf die landeshochschulrechtlichen Zulassungsregelungen sieht die Regelung des neuen Satzes 3 zum einen eine maximale Förderungsdauer von zwölf Monaten während der Dauer der nur vorläufigen Zulassung vor. Zum anderen ist für diese Förderung ein Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer endgültigen Entscheidung über die zunächst nur vorläufige Zulassung für den Fall vorgesehen, dass eine endgültige Zulassung zum Masterstudium nicht binnen eines Zeitraums von maximal einem Jahr erfolgt.
Über das Verhältnis der maximal zwölfmonatigen Förderungsdauer zur Dauer der nur vorläufigen bis zur endgültigen Zulassung, also zur Frage, ob die Zwölf-Monats-Frist auch für den Eintritt der Voraussetzung für den Rückforderungsvorbehalt gilt, hat es im Verwaltungsvollzug unterschiedliche Auffassungen gegeben. So wurde vereinzelt vertreten, dass der Rückforderungsvorbehalt für die während des noch nicht abgeschlossenen Bachelorstudiums geleistete Förderung auch dann nicht greife, wenn die endgültige Zulassung erst später als maximal zwölf Monate nach der vorläufigen erfolgt, und zwar selbst dann nicht, wenn die vorläufige Zulassung zunächst mit der Folge der Exmatrikulation für den unter Vorbehalt geförderten Studiengang entfallen war. Der Gesetzeswortlaut lasse auch die Auslegung zu, dass bei nochmaliger, endgültiger Zulassung zum Masterstudium - gleich wann diese erfolgt - die Förderung für die Dauer von jedenfalls zwölf Monaten nicht mehr zurückgefordert werden könne. Mit der Neufassung von Satz 3 wird demgegenüber nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass die unter Vorbehalt geleistete Förderung lediglich dann nicht mehr zurückgefordert wird, wenn eine endgültige Zulassung zum Masterstudium innerhalb der von der Hochschule vorgegebenen Frist, maximal jedoch binnen zwölf Monaten erfolgt."
Anders als die Bundesregierung meint, ließ § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG a. F. die von ihr bezeichnete Auslegung gerade nicht zu (s. o.). Insofern erfolgt durch die Neufassung keine Klarstellung, sondern vielmehr tatsächlich eine materielle Änderung des Gesetzes. Dass es sich um eine echte Änderung handelt, wird schon an der deutlich geänderten Formulierung klar, die sich gravierend von der alten unterscheidet (s. o.); es wurde ein neuer Halbsatz mit eigenem Regelungsgehalt hinzugefügt.
e) Selbst wenn man all dies anders sehen wollte, müsste § 7 Abs. 1a) Satz 3 BAföG a. F. verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass eine Rückforderung nicht in Fällen erfolgt, in denen die/der Auszubildende kein Verschulden an einer verspäteten endgültigen Zulassung trägt, sondern die Gründe vielmehr allein aus der Sphäre der Hochschule stammen (in Bezug auf die neue Fassung bedürfte es insoweit einer teleologischen Reduktion). Es wäre eine nicht mit Artikel 3 GG vereinbare Rechtslage, wenn Auszubildende, die aus allein hochschulinternen Gründen verspätet ihren Bachelorabschluss erhalten, eine Schlechterstellung gegenüber solchen erführen, bei denen dies nicht der Fall ist. Eine Rechtsauslegung im Sinne der Beklagten könnte sogar in Einzelfällen zur Folge haben, dass Auszubildende, die alle Prüfungen im ersten Versuch bestehen und aufgrund eines Fehlers der Hochschule zu spät endgültig zum Masterstudium zugelassen würden, schlechter gestellt wären als solche, die mehrere Wiederholungsprüfungen benötigen und die endgültige Zulassung innerhalb der Zwölfmonatsfrist erhielten. Auch aus dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 2. Mai 2022 lässt sich erkennen, dass sich der Gesetzgeber der möglichen verspäteten endgültigen Zulassung aus Gründen, die die Auszubildenden nicht zu vertreten haben, in keiner Weise bewusst war.
2.)
Eine andere Norm, welche die Rückforderung stützen könnte, ist weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.