Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 09.11.2022, Az.: 2 A 431/22

anderer Bewerber; Begründung; Landespersonalausschuss

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
09.11.2022
Aktenzeichen
2 A 431/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59699
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Beruht eine die Berufung in das Beamtenverhältnis ablehnende Entscheidung einer Behörde auf einem ablehnenden Beschluss des Landespersonalausschusses, so wirkt dieser Beschluss ähnlich wie ein Verwaltungsakt unmittelbar auf geschützte Rechtspositionen - hier Art. 33 Abs. 2 GG - ein.
2. Vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG muss der Landespersonalausschuss seine Entscheidung begründen.

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2022 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme ihrer Ernennung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.

Die Klägerin ist Diplomjuristin. Sie trat am 1. Juli 2015 in ein Angestelltenverhältnis beim Beklagten ein. Am 15. Juli 2016 wurde sie zur Regierungsinspektorin in ein Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Am 28. August 2019 wurde sie zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt.

Mit Schreiben vom 26. Mai 2020 teilte das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie dem Beklagten mit, dass bei der Ernennung der Klägerin laufbahnrechtliche Vorschriften verletzt worden seien. Sie habe ein rechtswissenschaftliches Studium absolviert. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass sie einen Vorbereitungsdienst für eine Laufbahn der Laufbahngruppe 2, erstes Einstiegsamt im Beamtenverhältnis auf Widerruf abgeleistet und eine entsprechende Prüfung abgelegt habe. Die Tätigkeit als Tarifbeschäftigte beim Beklagten stelle eine berufliche Tätigkeit und keinen Vorbereitungsdienst im beamtenrechtlichen Sinne dar. Die Klägerin hätte daher nicht in ein Beamtenverhältnis berufen werden dürfen. Ihre Einstellung wäre nur als andere Bewerberin unter Beteiligung des Landespersonalausschusses möglich gewesen (§ 17 NBG). Auf die Jahresfrist für die Rücknahme werde hingewiesen.

Mit Schreiben vom 18. Juni 2020 bat der Beklagte das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie um Unterstützung bei der Heilung des Vorgangs und führte unter anderem aus, dass er ebenfalls von einer Rechtswidrigkeit der Berufung in das Beamtenverhältnis ausgehe, da die Klägerin kein Studium mit überwiegend verwaltungswissenschaftlichen Inhalten absolviert habe. Das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie antwortete mit Schreiben vom 8. Juli 2020, dass für die Beteiligung des Landespersonalausschusses ein Vordruck auszufüllen sei. Diesen übersandte der Beklagte mit Schreiben vom 23. Juli 2020. Der Antrag wurde schließlich dem Landespersonalausschuss übersandt, der in seiner Sitzung vom 4. März 2021 der nachträglichen Ernennung der Klägerin zur Regierungsinspektorin ohne Begründung nicht zustimmte. Mit Schreiben vom 16. März 2021 informierte das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie den Beklagten über den ablehnenden Beschluss und teilte mit, die Ernennung der Klägerin sei nunmehr zurückzunehmen.

Mit Schreiben vom 11. Juni 2021 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Rücknahme ihrer Ernennung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit an. Darin heißt es im Wesentlichen, nach § 24 Abs. 1 NLVO sei Bildungsvoraussetzung für das erste Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 ein mit einem Bachelorgrad abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss. Die dabei zu beachtenden Voraussetzungen nach § 25 Abs. 1 NLVO i.V.m. Nr. 12 der Anlage 4 zur Niedersächsischen Laufbahnverordnung lägen nicht vor. Die Klägerin habe zwar ein juristisches Studium abgeschlossen, hierbei handele es sich jedoch nicht um ein Studium mit überwiegend verwaltungswissenschaftlichen Inhalten. Das Studium der Rechtswissenschaften werde dort nicht aufgeführt, sodass eine Berufung in ein Beamtenverhältnis zum Land Niedersachsen nicht hätte erfolgen dürfen. Zwar sei eine Berufung in ein Beamtenverhältnis nach § 17 Abs. 1 Satz 1 NBG möglich, allerdings habe der Landespersonalausschuss nicht gemäß § 17 Abs. 2 NBG zugestimmt. Die Ernennung sei daher gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 BeamtStG mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Die Klägerin äußerte sich mit Schreiben vom 6. August 2021 und führte aus, die Mitwirkung des Landespersonalausschusses sei nachgeholt worden. Seine Zustimmung sei nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 BeamtStG nicht erforderlich. Es könne auch nicht landesrechtlich eine Zustimmung des Landespersonalausschusses zur Bedingung erklärt werden. Die zunächst unterbliebene Mitwirkung des Landespersonalausschusses sei zudem nicht ordnungsgemäß nachgeholt worden. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen ergäben sich aus den §§ 97 ff. NBG und der Geschäftsordnung des Landespersonalausschusses vom 11. Juni 2009. Aus ihrer Personalakte sei nicht ersichtlich, dass die genannten Vorschriften eingehalten worden seien. Vielmehr müsse vom Gegenteil ausgegangen werden. So enthalte der ablehnende Beschluss vom 4. März 2021 keine Begründung. Außerdem sei die Rücknahme verfristet erfolgt. Bereits mit Schreiben des Niedersächsischen Landesamts für Soziales, Jugend und Familie vom 26. Mai 2020 habe der Beklagte Kenntnis vom Rücknahmegrund erlangt und die für die Rücknahme entscheidungserheblichen Tatsachen seien vollständig bekannt gewesen. Dass der Landespersonalausschuss erst am 4. März 2021 eine Entscheidung getroffen habe, sei unerheblich, zumal die Möglichkeit bestanden habe, eine Rücknahme fristgerecht bis Ende Mai 2021 zu veranlassen.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2022 nahm der Beklagte die Ernennung der Klägerin in das Beamtenverhältnis zum Land Niedersachsen vom 15. Juli 2016 mit Wirkung für die Vergangenheit unter gleichzeitiger Belassung der bisher gewährten Dienstbezüge zurück. Er wiederholte im Wesentlichen seine Argumentation im Anhörungsschreiben vom 11. Juni 2021 und führte ergänzend aus, die Jahresfrist gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG sei eingehalten. Die Rechtswidrigkeit der Ernennung stehe erst seit dem Tag abschließend fest, an dem der Landespersonalausschuss seine Zustimmung verweigert habe.

Die Klägerin hat am 3. Februar 2022 Klage erhoben. Sie nimmt Bezug auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus, die Entscheidung des Landespersonalausschusses sei rechtsfehlerhaft. Er wirke ähnlich wie ein Verwaltungsakt, da die Entscheidung des Beklagten darauf beruhe. Auf Verlangen müssten daher zumindest die tatsächlichen und rechtlichen Gründe der Entscheidung mitgeteilt werden. Ihr werde durch die bloße Mitteilung des Beschlusstenors ein effektiver Rechtsschutz unmöglich gemacht. Des Weiteren dürfte die Rücknahme nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG auch deshalb verfristet sein, weil das niedersächsische Landesrecht die nachträgliche Mitwirkung des Landespersonalausschusses nicht vorsehe. Das Beamtenstatusgesetz sehe eine Heilungsmöglichkeit bei nichtigen Verwaltungsakten nach § 11 Abs. 2 BeamtStG vor, nicht jedoch im Rahmen des § 12 Abs. 1 Nr. 4 BeamtStG, wenn eine Nichtbeteiligung vorliege. In Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sei die nachträgliche Heilung der Rechtswidrigkeit explizit eröffnet worden. Der niedersächsische Gesetzgeber habe bewusst die nachträgliche Einschaltung des Landespersonalausschusses als Option der Heilung nicht vorgesehen. Damit habe die Jahresfrist bereits Ende Mai 2020 zu laufen begonnen. Ein behördlicher Irrtum hindere den Fristbeginn nicht.

Die Klägerin beantragt,

den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 10. Januar 2022 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf sein Schreiben vom 11. Juni 2021 und den angefochtenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage kann durch den Berichterstatter entschieden werden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Rücknahme ihrer Ernennung als Beamtin auf Lebenszeit hätte (noch) nicht erfolgen dürfen.

Der angefochtene Bescheid beruht auf § 12 Abs. 1 Nr. 4 BeamtStG. Hiernacht ist die Ernennung ist mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn eine durch Landesrecht vorgeschriebene Mitwirkung einer unabhängigen Stelle oder einer Aufsichtsbehörde unterblieben ist und nicht nachgeholt wurde.

Die Klägerin erfüllt unstreitig nicht die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen zur Ernennung in ein Beamtenverhältnis als Regierungsinspektorin. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die nach Landesrecht vorgeschriebene Befähigung besitzt. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 NBG ist für den Zugang zu den Laufbahnen der Laufbahngruppe 2 für das erste Einstiegsamt mindestens ein mit einem Bachelorgrad abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss und eine nach Art und dauerqualifizierende berufliche Tätigkeit oder ein mit einer Prüfung abgeschlossener Vorbereitungsdienst erforderlich. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NLVO hat unter anderem derjenige die Befähigung für eine Laufbahn der Laufbahngruppe 2 erworben, wer die Bildungsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 bis 3 NLVO erfüllt und eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat (§ 25 NLVO). § 25 Abs. 1 NLVO bestimmt durch Verweis auf Anlage 4, in welchen Studiengängen ein Hochschulstudium in Verbindung mit einer beruflichen Tätigkeit für eine Laufbahn der Laufbahngruppe 2 qualifiziert. Dies ist entsprechend Nr. 12 der Anlage 4 unter anderem ein Studiengang mit überwiegend verwaltungswissenschaftlichen Inhalten. Die Klägerin ist Diplomjuristin. Ein rechtswissenschaftliches Studium ist kein Studium mit überwiegend verwaltungswissenschaftlichen Inhalten.

Die Klägerin hätte daher nur als „andere Bewerberin“ in das Beamtenverhältnis berufen werden dürfen, wenn sie, ohne die Zugangsvoraussetzungen zu erfüllen, die Laufbahnbefähigung durch Lebens- und Berufserfahrung innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes erworben hat (§ 17 Abs. 1 Satz 1 NBG). Für die Feststellung der Laufbahnbefähigung von anderen Bewerberinnen oder anderen Bewerbern ist der Landespersonalausschuss zuständig (§ 17 Abs. 2 NBG).

Die Vorschrift des § 17 NBG dient dem Zweck, Fachkräften ohne laufbahnrechtliche Befähigung aus personalwirtschaftlichen Gründen eine Tätigkeit im Beamtenverhältnis zu ermöglichen. Sie stellt ein Korrektiv zum Laufbahnprinzip dar, das für einzelne Laufbahnen bestimmte Vorbildungsvoraussetzungen verlangt. Durch die Norm soll die Personalrekrutierung im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung verbessert werden, um im Einzelfall Kompetenzlücken zu schließen, die durch das Fehlen geeigneter Bewerberinnen und Bewerber entstehen können (Kümmel, Beamtenrecht, 145. EL 2022, § 17 NBG Rn. 2).

Die Entscheidung des Landespersonalausschusses kann von dem Betroffenen nicht unmittelbar angefochten werden. Seine Beschlüsse, die die Ernennungsbehörde binden, stellen keine Verwaltungsakte dar, weil es im Verhältnis zum anderen Bewerber an einer Außenwirkung fehlt. Der andere Bewerber kann allerdings die Entscheidung der Ernennungsbehörde, die der Entscheidung des Landespersonalausschusses folgt und darauf beruht, anfechten. Hierbei prüft das Gericht inzident, ob der Beschluss des Landespersonalausschusses im Sinne des § 114 VwGO ermessensfehlerhaft ist (Kümmel, Beamtenrecht, 145. EL 2022, § 17 NBG Rn. 16; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 19.1.1967 - VI C 73.64 -, juris Rn. 40 ff. u. Urt. v. 19.3.1969 - VI C 54.64 -, juris Rn. 23).

Beruht eine die Berufung in das Beamtenverhältnis ablehnende Entscheidung der Behörde mithin auf dem ablehnenden Beschluss des Landespersonalausschusses, so wirkt dieser Beschluss ähnlich wie ein Verwaltungsakt unmittelbar auf geschützte Rechtspositionen - hier Art. 33 Abs. 2 GG - ein. Vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG ist mithin die Entscheidung des Landespersonalausschusses zu begründen. Art und Umfang der Begründung müssen sich daran orientieren, dass die Begründung Voraussetzung für die gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung und damit für effektiven Rechtsschutz ist, sodass zumindest auf Verlangen die für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkte dargelegt werden müssen (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 14.9.2010 - 12 K 1157/10 -, juris Rn. 32). Nichts anderes gilt, wenn es um die Rücknahme einer Ernennung und einer in diesem Zusammenhang notwendigen Zustimmung des Landespersonalausschusses geht.

Das Gericht kann allerdings die Entscheidung des Landespersonalausschusses über die Befähigungsfeststellung anderer Bewerber nur eingeschränkt zu überprüfen. Denn es handelt sich dabei um einen Akt wertender Erkenntnis, bei dem der Landespersonalausschuss einen Beurteilungsspielraum besitzt. Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob der Landespersonalausschuss den anzuwendenden Begriff der durch Lebens- und Berufserfahrung erworbenen Befähigung oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (VG Dessau, Urt. v. 14.2.2007 - 1 A 342/06 -, juris Rn. 22; vgl. auch VG Weimar, Urt. v. 26.10.1999 - 4 K 323/97.We -, juris Rn. 33).

Dem Berichterstatter ist es unmöglich, die Entscheidung des Landespersonalausschusses vom 4. März 2021 rechtlich zu überprüfen, denn über deren Gründe ist nichts bekannt. In der Ausfertigung seines Beschlusses vom 4. März 2021 (Blatt 297 des Verwaltungsvorgangs) heißt es lediglich, der Ernennung der Klägerin werde nachträglich nicht zugestimmt.

Auf eine Anfrage der Klägerin vom 15. April 2021, ihr eine Begründung der Entscheidung des Landespersonalausschusses zukommen zu lassen, antwortete die Geschäftsstelle des Landespersonalausschusses per Mail vom 26. April 2021 (Blatt 308 des Verwaltungsvorgangs bzw. Blatt 36 der Gerichtsakte), dass das Interesse an einer Begründung für die Ablehnung des Antrags nachvollziehbar sei. Er werde allerdings um Verständnis gebeten, dass der Landespersonalausschuss gemäß § 7 Abs. 2 seiner Geschäftsordnung vom 11. Juni 2009 den antragstellenden Behörden nur das Ergebnis seiner Beschlussfassungen bekannt gebe. Der Grund hierfür liege in der Funktion des Landespersonalausschusses. Dessen Errichtung gehe auf die §§ 61 f. BRRG zurück und beruhe auf dem Gedanken, durch Übertragung bestimmter Befugnisse auf eine Weisungen nicht unterworfene Stelle eine einheitliche Durchführung dienstrechtlicher Vorschriften zu gewährleisten. Dementsprechend übe der Landespersonalausschuss seine Tätigkeit innerhalb der Schranken der Gesetze unabhängig, weisungsfrei und in eigener Verantwortung aus. Er entscheide in nichtöffentlicher Sitzung mit Stimmenmehrheit. Die den Mitgliedern eingeräumte Unabhängigkeit trage dazu bei, eine richtige und gleichmäßige Anwendung der beamtenrechtlichen, insbesondere der laufbahnrechtlichen Vorschriften zu gewährleisten und unsachliche Einflüsse auf die Personalwirtschaft auszuschließen. Die Bekanntgabe der Begründung von Beschlüssen würde Rückschlüsse auf den internen Willensbildungsprozess, die Entscheidungsfindung und das Abstimmungsverhalten ermöglichen und hierdurch die Unabhängigkeit der Mitglieder gefährden.

Diesen Ausführungen des Landespersonalausschusses folgt der Berichterstatter nicht. Konsequenz wäre nämlich, dass behördliche Entscheidungen, die eine Verbeamtung unter Berufung auf eine Entscheidung des Landespersonalausschusses ablehnen oder zurücknehmen, gerichtlich nicht überprüft werden können, zumal der Ernennungsbehörde in diesem Zusammenhang kein Ermessen zukommt. Sie ist, ohne etwas dagegen ausrichten zu können, an den Beschluss des Landespersonalausschusses gebunden (§ 101 Abs. 2 NBG). Eine solche Folge käme einer Rechtsschutzverweigerung zulasten des Beamten bzw. Bewerbers gleich, die nicht mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch Schaffung des Landespersonalausschusses eine solche Rechtsfolge herleiten wollte.

Soweit der Landespersonalausschuss in seiner Mail vom 26. April 2021 darauf hinweist, er könne eine Begründung nicht bekanntgeben, da er seine Tätigkeit innerhalb der Schranken der Gesetze unabhängig, weisungsfrei und in eigener Verantwortung ausübe und durch die Bekanntgabe von Gründen die Unabhängigkeit seiner Mitglieder gefährde, führt dieses ausnahmslose Vorgehen wie bereits dargestellt zu einer Rechtsschutzverweigerung zulasten der Klägerin. Im Übrigen ist schon nicht erkennbar, dass die Mitteilung der Gründe, die für die Entscheidung maßgebend waren, eine Gefährdung der Unabhängigkeit der Mitglieder zu Folge hätte. Ebenso wenig beinhaltet eine Entscheidungsbegründung die Offenlegung des Abstimmungsverhaltens einzelner Gremiumsmitglieder oder ihrer Stellungnahmen im Rahmen der (geheimen) Beratung. Es verlangt nur, dem Betroffenen darzulegen, welche Erwägungen das Gremium im Ergebnis zu seiner Entscheidung bewogen haben. Im Übrigen haben auch Gerichte mit unabhängigen Richtern Urteile, die aufgrund geheimer Beratung zustande gekommen sind, gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu begründen (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 14.9.2010 - 12 K 1157/10 -, juris Rn. 33).

Der Landespersonalausschuss ist ebenso wie alle staatliche Gewalt an Recht und Gesetz gebunden (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG). Davon scheint auch der Landespersonalausschuss auszugehen, wenn er trotz der durch ihn hervorgehobenen Unabhängigkeit ausführt, er übe seine Tätigkeit „innerhalb der Schranken der Gesetze“ aus und gewährleiste eine richtige und gleichmäßige Anwendung der beamtenrechtlichen, insbesondere der laufbahnrechtlichen Vorschriften (vgl. hierzu auch § 97 Satz 1 NBG). Im Übrigen sieht § 99 Abs. 1 Satz 1 NBG vor, dass die Mitglieder des Landespersonalausschusses trotz ihrer Unabhängigkeit dem Gesetz unterworfen sind. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb eine kurze Begründung seiner Beschlüsse die Funktionsfähigkeit des Gremiums beeinträchtigen sollte.

Nach Ansicht des Berichterstatters kommt eine Rücknahme der Ernennung der Klägerin als Beamtin (derzeit) nicht in Betracht, weil die Mitwirkung des Landespersonalausschusses (noch) nicht ordnungsgemäß i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 4 BeamtStG nachgeholt wurde. Eine ordnungsgemäße (nachträgliche) Mitwirkung liegt erst dann vor, wenn der Landespersonalausschuss seine Entscheidung in einer Form begründet hat, die es dem Gericht ermöglicht, sie einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Der Beklagte wird den Landespersonalausschuss daher auffordern müssen, die tragenden Gründe seiner Entscheidung vom 4. März 2021 mitzuteilen.

Für das weitere Verfahren weist der Berichterstatter darauf hin, dass die Jahresfrist für einen (eventuellen) Widerruf der Verbeamtung der Klägerin erst zu laufen beginnt, wenn der Landespersonalausschuss ordnungsgemäß mitgewirkt, mithin seine Entscheidung begründet hat. Erst dann liegen die vollständigen Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 4 BeamtStG vor (vgl. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG; so auch Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, 27. Ed. 2021, § 12 BeamtStG Rn. 24). Der Berichterstatter vertritt zudem die Auffassung, dass eine nachträgliche Befassung des Landespersonalausschusses möglich ist, auch wenn § 17 NBG entgegen anderer landesrechtlicher Vorschriften eine nachträgliche Mitwirkung nicht explizit vorsieht. Das ergibt sich bereits aus § 12 Abs. 1 Nr. 4 BeamtStG, der davon ausgeht, dass „eine durch Landesrecht vorgeschriebene Mitwirkung einer unabhängigen Stelle oder einer Aufsichtsbehörde unterblieben ist und nicht nachgeholt wurde“ (so im Ergebnis auch Kümmel, Beamtenrecht, 145. EL 2022, § 17 NBG Rn. 15). Eine Heilungsmöglichkeit dient dem Schutz des Beamten vor nachteiligen Folgen etwaiger Fehler der Behörde und der Rechtsklarheit (BVerwG, Urt. v. 11.6.1985 - 2 C 12.83 -, juris Rn. 20). Die klägerische Argumentation, wonach eine nachträgliche Beschlussfassung nicht in Betracht komme und zudem die Jahresfrist zu laufen beginne, sobald der Dienstherr Kenntnis davon habe, dass ein Beamter die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle und deshalb nicht hätte verbeamtet werden dürfen, würde darauf hinauslaufen, dass eine Ernennung unverzüglich und ohne Beteiligung des Landespersonalausschusses mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen wäre. Das dürfte nicht im Interesse der Klägerin liegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

Die Berufung ist gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint (BVerfG, Beschl. v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 -, juris Rn. 20). Soweit ersichtlich, existiert keine obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob und wie umfangreich der Landespersonalausschuss bei der Zulassung anderer Bewerber i.S.d. § 17 NBG seine Entscheidungen zu begründen hat und welche Folgen eine ausbleibende Begründung für den Beamtenbewerber bzw. den Beamten hat, dessen Beamtenstatus widerrufen werden soll. Eine Klärung erscheint zur Fortbildung des Rechts geboten.