Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 09.11.2022, Az.: 2 A 4717/20

Anwärtersonderzuschlag; Beamter; Wohlverhaltenspflicht; zu vertretender Grund

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
09.11.2022
Aktenzeichen
2 A 4717/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59801
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstelle

  • DÖD 2023, 77-80

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Begriff des vom Beamten zu vertretenden Grunds i.S.d. § 60 Abs. 3 NBesG ist wertneutral auszulegen; es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass das vorzeitige Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis auf Umständen beruht, die dem Verantwortungsbereich des Beamten zuzurechnen sind.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Anwärtersonderzuschlägen und begehrt die Auszahlung einer Urlaubsabgeltung.

Am 1. Juni 2017 wurde der Kläger als Tarifbeschäftigter im Aufsichts- und Betreuungsdienst in der JVA D. eingestellt. Am 2. Januar 2018 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Obersekretäranwärter im Justizvollzugsdienst ernannt und zum Vorbereitungsdienst in der Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt der Fachrichtung Justiz zugelassen. Der Vorbereitungsdienst sollte zwei Jahre dauern. Von diesem Tag erhielt er einen Anwärtersonderzuschlag gemäß § 59 NBesG. Ende September 2018 verletzte er sich im Rahmen eines privaten Fußballspiels am linken Knie und war anschließend seit dem 1. Oktober 2018 durchgehend krankgeschrieben. Er wurde am linken Knie operiert und erhielt eine physiotherapeutische Behandlung. Ausweislich eines Arztbriefes des E. vom 28. März 2019 sei das verletzte Knie reizarm und weise eine hervorragende Bandstabilität auf. Lediglich die Oberschenkelmuskulatur sei noch nicht vollständig regeneriert. Das Knie lasse sich weiterhin nur eingeschränkt bewegen. Eine Dienstfähigkeit wurde für Juni/Juli 2019 vorhergesagt.

Im Mai/Juni 2019 flog der Kläger in den Urlaub in die Türkei. Diese Reise zeigte er seinem Dienstherrn nicht an. Dort übte er die Sportart „Stand-Up-Paddling“ aus. Ausweislich eines auf „TikTok“ veröffentlichten Videos stand der Kläger freihändig auf einem Paddleboard im Wasser, warf einen Ball in die Luft und schoss ihn mit einem Seitfallzieher in ein Wasserballtor. Bei dieser Bewegung habe er sich nach Ansicht der Beklagten erneut am linken Knie verletzt. Am 8. Juli 2019 wurde er nochmals operiert. Hierauf erfolgte wiederum eine lange physiotherapeutische Behandlung.

Nach Bekanntwerden der Urlaubsreise erstattete die Beklagte bei der Staatsanwaltschaft D. Anzeige wegen des Verdachts, der Kläger habe unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschlichen. Das Strafverfahren - F. - wurde zwischenzeitlich gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da die vorgelegten ärztlichen Berichte eine Knieverletzung und Dienstunfähigkeit bestätigten.

Am 17. Juni 2019 fand ein Personalgespräch statt. Der Inhalt dieses Gespräches ist zwischen den Beteiligten streitig. Nach der zweiten Operation und der Physiotherapie wurde im Oktober 2019 ein amtsärztliches Gutachten zur Feststellung der Dienstfähigkeit eingeholt. Im Gutachten vom 30. Oktober 2019 heißt es, dass das linke Bein und Knie weiterhin nicht vollständig belastbar seien, beim Kläger allerdings nur eine geringe gesundheitliche Beeinträchtigung mit geringer Einschränkung in der dienstlichen Einsetzbarkeit vorliege. Die uneingeschränkte Aufnahme der dienstlichen Tätigkeit wurde für Januar 2020 prognostiziert. Der Kläger ließ sich in der Folgezeit weiterhin krankschreiben.

Mit Bescheid vom 31. Januar 2020 wurde der Kläger gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen. Zur Begründung heißt es, es bestünden Zweifel an seiner Dienstunfähigkeit. Aus diesem und den im Schreiben vom 7. Januar 2020 genannten Gründen sei das Vertrauensverhältnis zerrüttet. Im Schreiben vom 7. Januar 2020 wird ausgeführt, es sei bekannt geworden, dass der Kläger trotz Krankschreibung in die Türkei geflogen sei und dort sein Knie beim „Stand-Up-Paddling“ belastet habe. Dieses Verhalten lege den Verdacht nahe, dass er unter Vorspiegelung falscher körperlicher Beeinträchtigungen am Knie ärztliche Krankschreibungen erschlichen habe. Deshalb sei im Juni 2019 ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, das aufgrund eines beauftragten aber noch ausstehenden fachärztlichen Gutachtens nicht abgeschlossen sei. Außerdem habe er bis zum 17. Oktober 2019 keine weitere Krankschreibung vorgelegt, obwohl er nur bis zum 4. Oktober krankgeschrieben gewesen sei. Zuletzt sei die Krankschreibung zum 31. Dezember 2019 ausgelaufen, eine weitere Krankschreibung sei per Post erst am 6. Januar 2020 eingegangen. Während der kompletten Erkrankungszeit habe der Kläger nur sporadisch Kontakt gehalten, obwohl seine Ausbildungsleiterin in einem Telefonat am 8. Juli 2019 um regelmäßige Kontaktaufnahme gebeten habe. Es fehle daher das notwendige Interesse an einer Fortführung der Ausbildung; das Vertrauensbehältnis sei zerstört. In der Verfügung vom 31. Januar 2020 heißt es weiter, der Kläger habe durch seinen Urlaub während der Krankschreibung ein Dienstvergehen begangen. Er hätte den Urlaub anzeigen müssen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Rechtsbehelf ein und das Beamtenverhältnis endete am 31. März 2020.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2020 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 13.068,40 EUR auf. Zur Begründung führte sie aus, die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis sei allein aus in der Person des Klägers zu findenden Gründen erfolgt. Gemäß § 60 Abs. 3 Nr. 1 NBesG entfalle damit rückwirkend der Anspruch auf Zahlung einer Anwärtersonderzulage. In den Jahren 2018 bis 2020 seien mit den monatlichen Bezügen insgesamt 15.250,15 EUR als Anwärtersonderzuschlag ausgezahlt worden. Demgegenüber stehe der Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 25 Urlaubstagen, mithin 2.181,75 EUR. Damit verbleibe ein Rückzahlungsanspruch zugunsten der Beklagten in Höhe von 13.068,40 EUR. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 12. August 2020 zurück.

Der Kläger hat am 11. September 2020 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, er habe in der Türkei das Paddleboard zu therapeutischen Zwecken für Gleichgewichts- bzw. Stabilitätsübungen benutzt. Es habe seiner Gesunderhaltungspflicht gedient. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid habe er sich nicht durch den Seitfallzieher verletzt. Bei der zweiten Operation sei vielmehr ein Fettkörper entfernt und etwas am Schleimbeutel gerichtet worden, was die Einschränkung und den Schmerz möglicherweise verursacht habe. Bei dem Personalgespräch im Juni 2019 habe er entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht gesagt, dass er vor dem Urlaub schmerzfrei gewesen sei. Er habe stets betont, dass er Schmerzen bei der Beugung und nicht beim Strecken des Knies habe. Auch nach Januar 2020 sei er weiterhin arbeitsunfähig gewesen. Noch heute befinde er sich in physiotherapeutische Behandlung. Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis sei nicht aus von ihm zu vertretenden Gründen erfolgt; eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses liege nicht vor. Die Entlassung habe er hingenommen, weil ein gedeihliches Weiterarbeiten auf seiner Dienststelle nicht zu erwarten gewesen wäre. Für seine Erkrankung könne er nichts. Die Rückzahlung der Bezüge stelle eine unbillige Härte dar. Bei seiner aktuellen Arbeitsstelle verdiene er nicht viel und könne die Beträge nicht begleichen. Es sei auch unrichtig, dass er kein Interesse an der Fortsetzung seines Ausbildungsverhältnisses gehabt habe. Die Beklagte unterstelle seine charakterliche Ungeeignetheit aufgrund von Indizien. Es sei auch unrichtig, dass er zugesichert habe, sich in regelmäßigen Abständen mit der Ausbildungsleitung während seiner Erkrankung in Verbindung zu setzen. Es sei vereinbart gewesen, dass er sich bei Fortschritten melde.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.181,75 EUR netto an Urlaubsabgeltung für 2019 und anteilig 2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 Nr. 1 NBesG seien erfüllt. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei durch das Verhalten des Klägers stark erschüttert. Es sprächen deutliche Indizien dafür, dass eine Dienstunfähigkeit während des Krankschreibungszeitraums nicht vollständig vorgelegen habe. Der hierdurch vorliegende Vertrauensbruch wiege schwer. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger trotz attestierter Arbeitsunfähigkeit in den Urlaub geflogen sei und dort Sport getrieben habe, der seinen Genesungsverlauf mehr als nur unerheblich beeinträchtigt habe. Es bestehe eine Gesunderhaltungspflicht und eine Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf. Dieser Pflicht widerspreche es, wenn der Beamte seine Kräfte nicht schont. Ein konkreter Nachweis der Behinderung oder Verzögerung des Gesundungsprozesses sei nicht notwendig. Durch den im Urlaub ausgeübten Sport habe der Kläger eine Sportart ausgeübt, die ein hohes Maß an körperlicher Fitness voraussetze. Ihm sei daher ein pflichtwidriges, subjektiv vorwerfbares Verhalten anzulasten. Beim „Stand-Up-Paddling“ und dem Seitfallzieher handele es sich nicht um eine schonende Rehabilitationsmaßnahme und der Kläger habe sich damit auch entgegen der ärztlichen Anweisungen verhalten. Seine Fitness hätte ausgereicht, um seinen Dienst bei der Beklagten mit leichten Einschränkungen wieder aufzunehmen. Dieser Pflicht sei der Kläger nicht nachgekommen. Zur Nebentätigkeit während einer Krankschreibung habe das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass der Beamte pflichtwidrig handele, wenn er seine Dienstleistungen trotz bestehender Fähigkeit seinem Dienstherrn nicht anbiete. Dies gelte auch hier. Im Personalgespräch im Juni 2019 habe der Kläger mitgeteilt, vor seinem Urlaub schmerzfrei gewesen zu sein. Nach dem „Stand-Up-Paddling“ und dem Seitfallzieher sei das Knie sofort wieder dick geworden. Der ärztliche Befund des Klinikums G. vom 27. Juni 2019, der nach den Beschwerden des Klägers im Urlaub angefertigt worden sei, spreche dafür, dass die Verletzung aufgrund des Sportunfalls in der Türkei entstanden sei. Aus dem im Oktober 2019 eingeholten amtsärztlichen Gutachten und der ärztlichen Stellungnahme des Herrn Dr. H. aus Januar 2020 ergebe sich, dass der Kläger im November 2019 voll dienstfähig gewesen sei. Dennoch habe er sich weiter krankschreiben lassen. Der Beweiswert seiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei daher in Zweifel zu ziehen. Er habe offensichtlich kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses gehabt. Die Fortsetzung wäre schon im Mai/Juni 2019, spätestens jedoch ab Oktober 2019 möglich gewesen. Die Gründe, die zu seiner Entlassung geführt hätten, lägen einzig in seiner Person. Die Entlassungsverfügung vom 31. Januar 2020 habe er zudem bestandskräftig werden lassen. Soweit der Kläger vortrage, er könne die geforderte Summe nicht bezahlen, sei ihm eine Ratenzahlung angeboten worden, wobei er dieses Angebot habe verstreichen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage kann der Berichterstatter entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO).

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, hierzu unter 1.). Zudem hat er keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 2.181,75 EUR (hierzu unter 2.).

1. Rechtsgrundlage für den Rückforderungsbescheid vom 24. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2020 ist § 19 Abs. 2 NBesG in Verbindung mit § 60 Abs. 3 Nr. 1 NBesG.

Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 NBesG richtet sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

Der Kläger hat für den Zeitraum seiner Verbeamtung vom 2. Januar 2018 bis zum 31. März 2020 den im angegriffenen Bescheid vom 24. Juni 2020 ausgewiesenen Teil seiner Anwärterbezüge in Form des Anwärtersonderzuschlags in Höhe von 15.250,15 EUR im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 NBesG „zu viel“ erhalten.

Gemäß § 60 Abs. 3 Nr. 1 NBesG entfällt der Anspruch auf den Anwärtersonderzuschlag rückwirkend, wenn die Beamtin oder der Beamte aus einem von ihr oder ihm zu vertretenden Grund vorzeitig oder wegen Nichtbestehens der den Vorbereitungsdienst abschließenden Prüfung aus dem Beamtenverhältnis ausscheidet.

Der Kläger ist vorzeitig aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden. Zwar sollte der Vorbereitungsdienst nur zwei Jahre dauern (vgl. § 5 Abs. 1 APVO-Justiz-JVVD). Da er am 2. Januar 2018 begann, war der Zeitraum zum 31. März 2020 bereits verstrichen. Allerdings erfolgt die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf (vgl. zur Einstellung auf Widerruf § 4 Abs. 1 NBG) für gewöhnlich erst mit dem Bestehen oder endgültigen Nichtbestehen der den Vorbereitungsdienst abschließenden Prüfung (§ 30 Abs. 4 Satz 1 NBG). Diese Voraussetzungen lagen beim Kläger aufgrund seiner Krankschreibung zu keinem Zeitpunkt vor, sodass das Beamtenverhältnis ohne die Verfügung der Beklagten vom 31. Januar 2020 nicht zum 31. März 2020 beendet worden wäre. Der Kläger ist mithin vorzeitig ausgeschieden.

Zum vom Beamten zu vertretenden Grund i.S.d. § 60 Abs. 2 NBG hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem nicht veröffentlichten Beschluss vom 26. Mai 2021 - 5 LA 2/21 - ausgeführt:

„Die Formulierung des von einem Beamten „zu vertretenden Grundes“ findet sich wortgleich oder wortähnlich auch in anderen Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts (z. B. § 4 AnwSZV in der bis zum 31. Mai 1990 geltenden Fassung [„aus einem von ihm zu vertretenden Grunde aus dem Vorbereitungsdienst ausscheidet“], § 10 BeamtVG oder §§ 115 BBG a. F. [„ohne von dem Beamten zu vertretende Unterbrechung tätig“] oder § 3 Abs. 1 Nr. 3 SZuwG [„ein früheres Ausscheiden nicht selbst zu vertreten hat“]). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt der Begriff des von einem Beamten „zu vertretenden Grundes“ zwischen dem engeren Begriff des „Verschuldens“, der in der Regel ein pflichtwidriges, subjektiv vorwerfbares Verhalten voraussetzt, und dem weiteren Begriff der „in der Person des Beamten liegenden Gründe", von dem in der Regel ohne Rücksicht auf das Motiv Umstände erfasst werden, welche durch die Initiative oder durch ein Unterlassen des Bediensteten bestimmt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.6.1971 - BVerwG 2 C 44.69 -, Buchholz 232 § 115 BBG Nr. 34; Urteil vom 6.7.1972 - BVerwG 2 C 7.72 -, Buchholz 238.95 § 3 SZuwG Nr. 3; Urteil vom 17.10.1985 - BVerwG 2 C 31.83 -, juris Rn. 17; Urteil vom 12.3.1987 - BVerwG 2 C 22.85 -, juris Rn. 15; Urteil vom 16.1.1992 - BVerwG 2 C 30.90 -, juris Rn. 17; Nds. OVG, Beschluss vom 1.12.2020 - 5 LA 39/20 -). Der Begriff ist wertneutral auszulegen; es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die nicht erfolgte Übernahme auf Umständen beruht, die dem Verantwortungsbereich des Beamten zuzurechnen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.2.1967 - BVerwG 6 C 85.64 -, Buchholz 232 § 115 BBG Nr. 24; Urteil vom 12.3.1987, a. a. O., Rn. 15; Urteil vom 16.1.1992, a. a. O., Rn. 17; Nds. OVG, Beschluss vom 1.12.2020 - 5 LA 39/20 -). Das ist in der Regel der Fall, wenn die Umstände maßgeblich durch das Verhalten des Beamten geprägt sind, wobei die Motive für das Ausscheiden aus dem Dienst zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1985, a. a. O., Rn. 17; Urteil vom 12.3.1987, a. a. O., Rn. 15; Urteil vom 16.1.1992, a. a. O., Rn. 17). Es kommt dabei nicht darauf an, ob diese Motive billigenswert oder aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen verständlich sind (BVerwG, Urteil vom 17.10.1985, a. a. O., Rn. 17); entscheidend ist vielmehr, ob das Verhalten des Beamten bei der Einbeziehung der Motivation in dem jeweiligen rechtlichen Zusammenhang, in dem er steht - hier: der Rückzahlung erhaltener Anwärterbezüge - „billigerweise“ der Sphäre des Bediensteten oder der Sphäre des Dienstherrn, also dem vom Bediensteten oder dem vom Dienstherrn zu verantwortenden Bereich, zuzuordnen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.6.1971, a. a. O.; Urteil vom 6.7.1972, a. a. O.; Urteil vom 17.10.1985, a. a. O., Rn. 17; Urteil vom 12.3.1987, a. a. O., Rn. 15; Urteil vom 16.1.1992, a. a. O., Rn. 17; Nds. OVG, Beschluss vom 1.12.2020 - 5 LA 39/20 -).“

Dem folgt der Berichterstatter ebenfalls für die Auslegung desselben Tatbestandsmerkmals des § 60 Abs. 3 NBesG. Es ist für den hier zu beurteilenden Sachverhalt erforderlich, aber auch ausreichend, dass das vorzeitige Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis auf Umständen beruht, die dem Verantwortungsbereich des Klägers zuzurechnen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die im Bescheid vom 31. Januar 2020 genannten Gründe, derentwegen die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG erfolgte, keine Bindungswirkung entfalten. Im Rahmen der Rückforderung von Bezügen ist eigenständig und losgelöst von den in einer Entlassungsverfügung genannten Gründen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Rückforderung vorliegen, auch wenn regelmäßig kein Anlass zu einer abweichenden Beurteilung bestehen mag (BVerwG, Beschl. v. 4.7.2022 - 2 B 5.22 -, juris Rn. 12).

Der Berichterstatter sieht den entscheidenden vom Kläger zu vertretenen Grund, der zu seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis führte, darin, dass er während seiner Krankschreibung in den Urlaub gefahren ist, ohne es seinem Dienstherrn anzuzeigen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 NBG) und dort einer sportlichen Betätigung nachgegangen ist, die nicht mit seiner Erkrankung in Einklang zu bringen ist.

Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG haben sich Beamtinnen und Beamte mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Ist der Beamte dienstunfähig erkrankt, setzt sich die vorübergehend nicht erfüllbare Pflicht, nach besten Kräften Dienst zu tun, als Pflicht fort, alles Mögliche und Zumutbare für die alsbaldige Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zu tun. Diesem Ziel muss der dienstunfähige Beamte Vorrang vor allen anderen Interessen geben. Er muss sich im Krankenstand so verhalten, dass er so bald wie möglich wieder imstande ist, Dienst zu leisten. Er ist im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, die nach den konkreten Umständen der Genesung und damit der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit dienen, und alles zu unterlassen, was diese Wiederherstellung verzögern oder beeinträchtigen könnte. Eines konkreten Nachweises, dass das Verhalten den Gesundungsprozess behindert oder verzögert hat, bedarf es für die Annahme einer Pflichtverletzung nicht. Es genügt, wenn das beanstandete Verhalten im Krankenstand generell geeignet ist, die Wiedergenesung zu verzögern oder gar zu beeinträchtigen. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Gegenüberstellung von Krankheitsbild und beanstandeter Tätigkeit nach allgemeiner Lebenserfahrung, d.h. für einen verständigen, medizinisch nicht sachkundigen Betrachter, der sowohl das Krankheitsbild als auch die Umstände der beanstandeten Tätigkeit kennt, auf der Hand liegt, dass Letztere der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beamten abträglich ist. Diese Annahme liegt umso näher, je zeitlich aufwändiger oder körperlich anstrengender das beanstandete Verhalten des Beamten ist. Allerdings muss der Verstoß gegen die Wiedergesundungspflicht objektiv erheblich sein, d.h. eine Verzögerung des Heilungsprozesses muss ernstlich zu besorgen sein (BVerwG, Urt. v. 27.6.2013 - 2 A 2.12 -, juris Rn. 17 f.).

Dabei verstößt ein außerdienstliches Verhalten des Beamten gegen die Wohlverhaltenspflicht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, wenn es bei fallbezogener Würdigung nachteilige Rückschlüsse auf die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zulässt. Dieser dienstliche Bezug ist gegeben, wenn aufgrund des außerdienstlichen Verhaltens Zweifel bestehen, ob der Beamte seine innerdienstlichen Pflichten beachten wird. Die Dienstausübung ist auch betroffen, wenn zu befürchten ist, dass der Beamte wegen der gegen ihn bestehenden Vorbehalte nicht mehr die Autorität genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zwingend angewiesen ist. Ansonsten verstößt ein außerdienstliches Verhalten gegen berufliche Erfordernisse im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, wenn dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigt werden kann (BVerwG, Urt. v. 28.7.2011 - 2 C 16.10 -, juris Rn. 22).

Der Berichterstatter geht davon aus, dass der Kläger durch sein Verhalten in der Türkei zum einen den Heilungsprozess zumindest gefährdet, zum anderen aber auch gegen seine Wohlverhaltenspflicht verstoßen hat. In einem vor dem Urlaub ausgestellten Attest des E. vom 28. März 2019 heißt es, vor gut vier Monaten sei beim Kläger ein vorderer Kreuzbandersatz bei Komplexverletzung des linken Kniegelenkes durchgeführt worden. Bei der heutigen Untersuchung hätten sich ein reizarmes Kniegelenk, eine hervorragende Bandstabilität, reizlose Narben, geringe Beschwerdesymptomatik noch über dem medialen und lateralen Gelenksspalt gezeigt. Die Oberschenkelmuskulatur sei noch verschmächtigt. Zudem sei das linke Kniegelenk eingeschränkt beweglich. Eine weitere Rehabilitation sei zwingend erforderlich. Diese werde mindestens drei Monate betragen, wobei davon auszugehen sei, dass ein sehr gutes Rehabilitationsergebnis mit voller Belastbarkeit des linken Kniegelenkes erreicht werde. Dem Attest ging ein Personalgespräch vom 4. März 2019 voraus. In einem Vermerk vom 5. März 2019 heißt es hierzu, der Kläger habe mit seiner Ausbildungsleiterin gesprochen und habe erklärt, der Heilungsverlauf verlaufe langsam. Aktuell sei noch nicht daran zu denken, das Knie wieder voll belasten zu können. Der Kläger solle sich durch seinen behandelnden Arzt eine Prognosebescheinigung erstellen lassen, wann mit einem Wiedereintritt in den Dienst zu rechnen sei. Dies werde er mit seinem Arzt Ende März 2019 besprechen. Mit Schreiben vom 28. Mai 2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er möge eine erneute Prognosebescheinigung vorlegen, der zu entnehmen sein soll, wann mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zu rechnen ist.

Es erschließt sich nicht, wieso der Kläger im Sommer 2019 trotz der Krankschreibung und der noch nicht vollends wiederhergestellten Belastbarkeit seines linken Kniegelenks ohne es seinem Dienstherrn anzuzeigen in den Urlaub flog, dort die Sportart „Stand-Up-Paddling“ ausübte und damit seine Genesung gefährdete. Soweit der Kläger ausführt, er habe dies zu Stabilitätszwecken getan, erklärt dies nicht, weshalb er die Abwesenheit von seinem Wohnort während der Kranschreibung seinem Dienstherrn nicht anzeigte. Außerdem stellt das Schießen eines Balles in ein Wasserballtor mit einem Seitfallzieher keine Stabilitätsübung dar. Auch wenn nicht sicher festgestellt werden kann, dass es aufgrund dieses Verhaltens zu einer Verschlimmerung der Verletzung gekommen ist, erscheint es aus Sicht eines verständigen Betrachters als widersprüchlich, dass der Kläger einerseits seit geraumer Zeit aufgrund ärztlicher Atteste krankgeschrieben war, andererseits gleichwohl einer sportlichen Betätigung nachging, die eine Beanspruchung des verletzten Kniegelenks erforderte. Es ist unverkennbar, dass dieses Verhalten den Eindruck nahelegt, dass der Kläger im Krankenstand mache, was er wolle, ohne sich intensiv um die Wiederherstellung seiner Gesundheit zu kümmern. Dass der Dienstherr das nicht hinnehmen kann, liegt auf der Hand, denn ein solcher Eindruck beeinträchtigt das Ansehen des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen in ihn (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2013 - 2 A 2.12 -, juris Rn. 26). Im Übrigen war der Kläger offensichtlich gesund genug, um eine Flugreise ins Ausland zu unternehmen und Sport zu treiben. Er hätte folglich seine Dienstleistung zu diesem Zeitpunkt zumindest teilweise seinem Dienstherrn wieder anbieten müssen. Es erschließt sich nicht, weshalb er zum „Stand-Up-Paddling“, nicht jedoch in der Lage war, in eingeschränktem Maße bei der Beklagten Tätigkeiten durchzuführen, die eine Belastung des Knies nicht erfordern. Insbesondere hätte der Kläger am theoretischen Teil seiner Ausbildung, insbesondere den angebotenen Lehrveranstaltungen, teilnehmen können (vgl. zu einer Pflicht, die Dienstleistung trotz Krankschreibung teilweise anzubieten OVG LAS, Urt. v. 21.4.2015 - 10 L 6/14 -, juris).

Soweit der Kläger vorträgt, er habe nicht gewusst, dass er sich melden müsse, wenn er trotz Krankschreibung in den Urlaub fahre, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an. Es ändert nichts daran, dass das vorzeitige Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis aus den dargelegten Gründen seiner Sphäre zuzurechnen ist. Im Übrigen hat ein Beamter seine aus § 67 NBG folgenden Pflichten zu kennen, ohne das hierüber eine besondere Belehrung erfolgen muss.

Auf die übrigen zwischen den Beteiligten streitigen Aspekte kommt es nicht streitentscheidend an. Deshalb muss nicht näher auf den Inhalt des Personalgesprächs vom 17. Juni 2019 eingegangen werden. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob sich die Verletzung des Klägers durch das „Stand-Up-Paddling“ verschlechtert hat und ob der Kläger die zwischen den Beteiligten getroffenen Absprachen zur Kontaktaufnahme beachtet hat. Die von der Beklagten diesbezüglich geführte Argumentation ist allerdings nicht vollends haltbar. Aus dem Attest des E. vom 27. Juni 2019 ergibt sich, dass Ursache für die zweite Operation wohl ein Hoffa’scher Fettkörper gewesen sei. Im Attest vom 8. Juli 2019 wird mitgeteilt, dass eine Arthroskopie des linken Kniegelenks mit Teilresektion des Hoffa’schen Fettkörpers bei Entfernung des freien Gelenkkörpers und partieller Synovektomie durchgeführt wurden sei. Auch das wegen Betrugs geführte Strafverfahren gegen den Kläger wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil die vorliegenden ärztlichen Befunde eine schwerwiegende Knieverletzung und eine daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit bescheinigten. Auch ist dem Berichterstatter nicht klar, was genau die Beklagte unter einer „regelmäßigen Kontaktaufnahme“ versteht und wann diese nicht eingehalten ist. Es besteht im Falle einer Dienstunfähigkeit zudem nur die Pflicht, die voraussichtliche Dauer der Erkrankung mitzuteilen (§ 67 Abs. 2 Satz 1 NBG).

Auch die Übrigen Voraussetzungen für die Rückforderung der Anwärtersonderzuschläge liegen vor. Der Berichterstatter folgt nicht dem klägerischen Vorbringen, die Rückzahlung der Bezüge stelle eine unbillige Härte dar, bei seiner aktuellen Arbeitsstelle verdiene er nicht viel. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 NBesG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden (zum Zweck und den Voraussetzungen eines Billigkeitserlasses vgl. BVerwG, Urt. v. 16.7.2020 - 2 C 7.19 -, juris Rn. 30 ff.). Gründe, die für einen solchen Erlass oder etwa auch für eine Entreicherung des Klägers i.S.d. § 818 Abs. 3 BGB sprechen, sind nicht ersichtlich. Es reicht aus, dass dem Kläger im angefochtenen Bescheid eine Ratenzahlung angeboten wurde. Außerdem wurde er im Schreiben der Beklagten vom 14. November 2017 darüber belehrt, dass er den Anwärtersonderzuschlag unter gewissen Voraussetzungen, unter anderem bei einem Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst vor dessen Abschluss, zurückzahlen muss.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 2.181,75 EUR für 25 nichtgenommene Urlaubstage. Diese Summe, die dem Kläger dem Grunde nach unstreitig zusteht, hat die Beklagte mit dem zurückzuzahlenden Anwärtersonderzuschlag (15.250,15 EUR) verrechnet, sodass vom Kläger durch den angefochtenen Bescheid nur 13.068,40 EUR zurückgefordert wurden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.