Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 15.11.2022, Az.: 7 A 6378/21

Allgemeine Verwaltungsvorschrift StVO; Ausnahmegenehmigung: StVO; Dauererlaubnis § 29 StVO; Groß- und/oder Schwertransporte; mehrere (nicht zusammenhängende) Fahrtwege in einem Antrag; örtliche Zuständigkeit nach § 47 StVO; Örtliche Zuständigkeit bei der Erteilung einer Dauererlaubnis zur Durchführung von Groß- und/oder Schwertransporten

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.11.2022
Aktenzeichen
7 A 6378/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 50422
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2022:1115.7A6378.21.00

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Dauererlaubnis zur Durchführung von Groß- und/oder Schwertransporten für insgesamt fünf Fahrtwege.

Die Klägerin betreibt in D. einen Genehmigungsservice für Schwertransporte. Am 14. Oktober 2021 beantragte die Klägerin über das Verfahrensmanagement für Großraum- und Schwertransporte (VEMAGS) zur Verfügung der E., einem Unternehmen für Containertransporte mit Niederlassungen in F. und G., eine Dauererlaubnis gemäß § 29 Abs. 3 StVO sowie Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO und § 46 Abs. 1 Nr. 2 StVO. Der Antrag bezieht sich auf den Zeitraum vom 21. Oktober 2021 bis einschließlich 20. Oktober 2024 für eine unbegrenzte Anzahl von Fahrten und hat drei Gespanne (LKW und Anhänger) zum Gegenstand. Die Ladung rage nach links und rechts über das Fahrzeug hinaus.

Im Antrag sind insgesamt fünf Fahrtwege mit folgenden Fahrtwegteilen aufgeführt:

Fahrtweg 1: C-Stadt - Rechlin, Rechlin - C-Stadt

Fahrtweg 2: Hamburg - Dargun, Dargun - Hamburg

Fahrtweg 3: Hamburg - Waren, Waren - Hamburg

Fahrtweg 4: Hamburg - Malchin, Malchin - Hamburg

Fahrtweg 5: Hamburg - Rostock, Rostock - Hamburg

Unter dem 15. Oktober 2021 teilte der Landkreis Harburg der Beklagten mit, dass für den Antrag der Klägerin die Zustimmung abgelehnt werde. Die Beklagte habe keine Zuständigkeit für diese Art von Anträgen (mehrere Fahrtwege mit unterschiedlichen Abfahrtorten). Dieser Antrag könne nur bei der Erlaubnis-/Genehmigungsbehörde (EGB) des transportdurchführenden Unternehmens gestellt werden.

Mit E-Mail vom 20. Oktober 2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nach Rücksprache mit der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) durch sie nur die erste Strecke zu genehmigen sei, und bat um entsprechende Anpassung des Antrages. Die Klägerin entgegnete darauf per E-Mail vom 20. Oktober 2021, dass diese Aussage falsch sei, und bat darum, mit der Rechtsabteilung Rücksprache zu halten oder "gleich einen ablehnenden Bescheid" zu erlassen.

Mit Bescheid vom 5. November 2021 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Die Strecken des ersten Fahrtweges begännen und endeten in ihrem Stadtgebiet. Die Fahrtwege zwei bis fünf verliefen nicht durch ihr Stadtgebiet, sodass es sich nicht um zusammenhängende Fahrwege handele. Insgesamt würden bei allen fünf Fahrtwegen unterschiedliche Abfahrtsorte angegeben, an denen der erlaubnispflichtige Verkehr beginne. Dadurch sei sie nur für den ersten Fahrtweg sachlich und örtlich zuständig. Da in dem Antrag alle fünf Fahrtwege ausgewiesen seien, sei der Antrag insgesamt abzulehnen.

Mit Gegenvorstellung vom 22. November 2021 bat die Klägerin um Abänderung des Bescheides. Die Auslegung der Beklagten sei falsch. Das Gesetz sei eindeutig; es könne ein Antrag für bis zu fünf Strecken gestellt werden. Dabei sei die Behörde an dem Ort zuständig, an dem die erste Strecke beginne. Es sei nicht normiert, dass diese fünf Strecken einen Zusammenhang aufweisen oder gar alle an demselben Ort beginnen müssten. Dies sähen andere Behörden auch so, etwa der Landesbetrieb Straßenbau NRW oder der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz.

Mit E-Mail an die Beklagte vom 23. November 2021 führte die NLStBV aus: § 47 StVO unterscheide nicht zwischen Kurzzeit- und Daueranträgen. Eine EGB könne bei einem Dauerantrag mit z.B. fünf Fahrtwegen nur diejenigen genehmigen, für die sie nach § 47 StVO zuständig sei. Die übrigen Fahrtwege seien wegen Unzuständigkeit abzulehnen. Zweckmäßigerweise solle der Antragsteller dazu bewegt werden, die entsprechenden Fahrtwege aus dem Antrag zu entfernen, damit ein ausschließlich begünstigender Verwaltungsakt erteilt werden könne. Es sei falsch, dass § 47 StVO auf den ersten Fahrtweg abstelle, sondern darauf, wo der erlaubnis-/genehmigungspflichtige Verkehr beginne. Die Vorschrift gebe nicht vor, dass der erste Fahrtweg entscheidend sei. Natürlich könne es verschiedene Abgangsorte geben. Diese seien nach dem Wortlaut der Vorschrift - auch nach der Änderung vom 15. November 2021 - einzeln zu betrachten. Auch hier werde nicht auf den ersten Fahrtweg abgestellt. Die Beklagte könne daher nur über die Transportumläufe entscheiden, bei denen der erlaubnispflichtige Teil in ihrem Stadtgebiet beginne.

Mit Schreiben vom 30. November 2021 lehnte die Beklagte die Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 5. November 2021 ab. Bei den beantragten Fahrtwegen beginne der genehmigungspflichtige Verkehr lediglich für einen Fahrtweg in ihrem Stadtgebiet, sodass sie nur in diesem Fall die sachlich und örtlich zuständige Straßenverkehrsbehörde sei. Für die anderen Fahrtwege sei die jeweilige Straßenverkehrsbehörde zuständig, bei der der genehmigungspflichtige Verkehr beginne oder das antragstellenden Unternehmen seinen Sitz oder eine Zweigniederlassung habe. Die in dem Antrag gestellten Fahrtwege stünden weder in einem örtlichen noch in einem zeitlichen Zusammenhang, da der erlaubnispflichtige Verkehr an unterschiedlichen Abfahrtsorten beginne. Die einzelnen Strecken seien durch erlaubnisfreie Fahrten unterbrochen. Es könnten zwar Dauergenehmigungen mit fünf Fahrtwegen erteilt werden; dies jedoch nur, wenn die Straßenverkehrsbehörde nach § 47 StVO für die fünf Fahrtwege zuständig sei oder diese zusammenhingen. Sei - wie vorliegend - die örtliche Zuständigkeit nicht gegeben, seien die übrigen Fahrtwege abzulehnen.

Die Klägerin hat am 6. Dezember 2021 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt sie - ihre vorprozessualen Ausführungen ergänzend - im Wesentlichen vor: Die Annahme der Beklagten, wonach sie - die Klägerin - entweder Einzelanträge bei unterschiedlichen Behörden hätte stellen oder eine Erlaubnis für alle Strecken am Sitz der Behörde, wo das antragstellenden Unternehmen seinen Sitz oder Zweigniederlassung habe, hätte beantragen müssen, sei falsch. Der Gesetzeswortlaut gebe dies nicht her. Das Gesetz sei eindeutig: Es könne ein Antrag für bis zu fünf Strecken gestellt werden. Zuständig sei die Behörde an dem Ort, an der die erste Strecke beginne. Dies sei vorliegend im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Dass diese fünf Strecken einen Zusammenhang aufweisen oder gar alle an demselben Ort beginnen müssten, sei nicht normiert.

Die Beklagte nehme eine unrechtmäßige Interpretation eines eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Gesetzestextes vor. Sie betreibe Gesetzesfortbildung und ergänze den Gesetzeswortlaut willkürlich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, indem sie einen "zusammenhängenden" Verkehr zwischen den verschiedenen Strecken verlange. Willkürlich gehe sie davon aus, dass bei einer genehmigungsfreien "Zwischenstrecke" über 100 km Länge kein Zusammenhang mehr bestehe und deshalb für jede Strecke einzelne Genehmigungen einzuholen seien. Die VwV-StVO widerspreche § 29 Abs. 3 StVO i.V.m. § 47 Abs. 1 StVO nicht. Die teleologischen Erwägungen der Beklagten stünden dem Wortlaut entgegen. Aus dem Wort "zwischen" ergebe sich keinesfalls, dass der zuständigkeitsbegründende Ort immer derselbe sein müsse, wenn eine streckenbezogene Dauergenehmigung für mehrere Strecken bei ein und derselben Behörde beantragt werde.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 5. November 2021 zu verpflichten, ihr entsprechend dem Antrag vom 14. November 2021 eine Erlaubnis gemäß § 29 Abs. 3 StVO zur Durchführung von Großraum- und/oder Schwertransporten

und eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO i.V.m. einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 2 StVO zur Beförderung von Ladungen mit Überbreite, Überhöhe und/oder Überlänge und zur Benutzung von Autobahnen oder Kraftfahrtstraßen zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Der Ablehnungsbescheid vom 5. November 2021 sei rechtmäßig. Nur hinsichtlich des ersten in dem Antrag der Klägerin genannten Fahrtweges beginne der erlaubnispflichtige Verkehr in ihrem Stadtgebiet (§ 47 StVO). Der erlaubnispflichtige Verkehr für die übrigen vier beantragten Fahrtwege habe jeweils an unterschiedlichen Abfahrtsorten in Hamburg seinen Ausgangspunkt und führe zu jeweils unterschiedlichen Endpunkten. Die Fahrtwege seien jeweils durch erlaubnisfreie Fahrten unterbrochen. Eine zusammenhängende Fahrt insbesondere zwischen C-Stadt und Hamburg bestehe nicht. Die Klägerin habe gleichwohl mitgeteilt, dass sie an einer Modifizierung des Antrages oder der Genehmigung einer einzelnen Fahrt kein Interesse habe.

Grundsätzlich könnten in einem Antrag mehrere Fahrtwege ausgewiesen werden. Allerdings müssten diese entweder im örtlichen Zuständigkeitsbereich der angerufenen Straßenverkehrsbehörde liegen oder in einem Zusammenhang stehen; dies sei hier nicht der Fall. Hinge die örtliche Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde bei zeitlich und örtlich zusammenhanglosen Fahrtwegen von dem Startpunkt der beantragten Fahrten ab, ergäbe sich die örtliche Zuständigkeit aus der willkürlichen Zusammenstellung der Reihenfolge einzelner Fahrstrecken durch den jeweiligen Antragsteller. Dies sei nicht im Sinne der Regelung des § 47 StVO. Daher stelle die Norm auch nicht auf den ersten Fahrweg ab, sondern auf den Beginn des erlaubnispflichtigen Verkehrs. Sofern der erlaubnispflichtige Verkehr - wie hier - nach der ersten Fahrt ende und die nächste beantragte Fahrt in einem anderen über 100 km entfernten örtlichen Zuständigkeitsbereich beginne, könne nicht mehr von einem erlaubnispflichtigen (zusammenhängenden) Verkehr im Sinne des § 47 StVO ausgegangen werden. Sofern der Antragsteller fünf einzelne Fahrtwege in einer Dauergenehmigung beantragen wolle, sei dies nach § 47 StVO bei der Straßenverkehrsbehörde möglich, in deren Bezirk der Antragsteller seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Zweigniederlassung habe. Alternativ stehe es ihm frei, fünf einzelne Dauerausnahmegenehmigungen zu beantragen. Die Klägerin verkenne, dass die von ihr beantragte streckenbezogene Dauererlaubnis für fünf Fahrtwege nicht in der StVO selbst normiert sei, sondern sich erst aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO aus Punkt 99 zu § 29 ergebe. Anderenfalls könnte der Antragsteller die Zuständigkeitsregelungen des § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO umgehen. Dazu müsste er den ersten der fünf Fahrtwege in den Zuständigkeitsbereich einer Behörde legen, die etwa niedrige Verwaltungsgebühren erhebe oder ihm anderweitig nützlich erscheine, und könnte vier andere, völlig unabhängige Fahrtwege, die den Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde beträfen, ebenfalls dort genehmigen lassen.

Die klägerseits geforderte Anwendung des Punkt 99 zu § 29 VwV-StVO liefe § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO zuwider. Dafür spreche auch der Wortlaut in Punkt 99. Das Wort "zwischen" kennzeichne eine Erstreckung von etwas innerhalb von zwei begrenzenden Punkten. Fest stehe, dass der Startpunkt im Sinne der genannten Norm am Ort des Beginns des erlaubnispflichtigen Verkehrs, an dem die Zuständigkeit der Erlaubnisbehörde begründet werde, liegen müsse. Dadurch könne das Wort "zwischen" nur bedeuten, dass die Fahrtwege zwischen dem zuständigkeitsbegründenden Ort und weiteren anderen Zielpunkten liegen müssten. Die Auslegung, dass bei einem Zusammenhang der Fahrtwege und dem dadurch fehlenden erneuten Beginn des erlaubnispflichtigen Verkehrs die Zuständigkeit der Erlaubnisbehörde nicht unterbrochen werde, sei bereits weit und komme der Klägerin zugute. Ob zwischen Fahrtwegen ein Zusammenhang bestehe, sei im Einzelfall eindeutig zu beantworten. Ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Fahrtwegen bestehe, wenn der erste Fahrweg an demselben Ort ende, an dem der nächste Fahrtweg beginne und dadurch der erlaubnispflichtige Verkehr des ersten Fahrtweges, der die Zuständigkeit der Erlaubnisbehörde begründe, nicht ende, sondern auf dem weiteren Fahrtweg fortgeführt werde. Dadurch bestehe die Zuständigkeit der Erlaubnisbehörde für die anschließenden Fahrtwege quasi in einer zusammenhängenden Kette fort. Ende der erlaubnispflichtige Verkehr und beginne er in einem anderen Bezirk neu, werde dort die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet und der Fahrtweg könne nicht Teil derselben streckenbezogenen Dauererlaubnis sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO und Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO und § 46 Abs. 1 Nr. 2 StVO. Die Beklagte ist lediglich für den ersten erlaubnispflichtigen Fahrtweg aus dem klägerischen Antrag, nicht aber für die Fahrtstrecken zwei bis fünf örtlich zuständig (dazu I.). Die Beklagte hat die Erteilung einer Teilerlaubnis in Ansehung des klägerischen Begehrens, dass ihr Antrag als Einheit beschieden werden solle, zu Recht abgelehnt (dazu II.).

I. Die örtliche Unzuständigkeit der Beklagten hinsichtlich der Fahrtstrecken zwei bis fünf ergibt sich aus Folgendem:

Für die Erteilung der Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO und für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 2 StVO ist die Straßenverkehrsbehörde zuständig, in deren Bezirk der erlaubnispflichtige Verkehr beginnt, oder die Straßenverkehrsbehörde, in deren Bezirk das den Transport durchführende Unternehmen seinen Sitz oder eine Zweigniederlassung, bei der eine Pflicht zur Eintragung in das Handels-, Genossenschafts- oder Partnerschaftsregister besteht, hat. Dies ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVO.

Nach diesen Maßgaben ist die Beklagte für die Erteilung der begehrten Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen zwar für den Fahrtweg eins (C-Stadt-Rechlin-C-Stadt) örtlich zuständig, weil er im Zuständigkeitsbereich der Beklagten beginnt, nicht aber hinsichtlich der Fahrtwege zwei bis fünf.

1. Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich hinsichtlich dieser vier Fahrtwege nicht aus § 47 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 StVO, da die Transportverantwortliche (H.), also das den Transport durchführende Unternehmen, ihren Sitz nicht im Bezirk der Beklagten hat.

2. Die örtliche Zuständigkeit folgt auch nicht aus § 47 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 StVO, wonach die Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO die Straßenverkehrsbehörde erteilt, in deren Bezirk der erlaubnispflichtige Verkehr beginnt. Der erlaubnispflichtige Verkehr nimmt seinen Anfang in Bezug auf die Strecken 2 bis 5 nicht in dem Bezirk der Beklagten, sondern jeweils in Hamburg. Auch der Umstand, dass die Beklagte für den ersten Fahrtweg in dem Antrag vom 14. Oktober 2021 örtlich zuständig ist, begründet ihre örtliche Zuständigkeit für die weiteren Fahrtwege nicht. Im Einzelnen:

a) Bereits der Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 StVO spricht gegen die Annahme, dass die Beklagte aufgrund ihrer Zuständigkeit für die Strecke C-Stadt-Rechlin-C-Stadt auch für die Entscheidungen bezüglich der Strecken zwei bis fünf örtlich zuständig wäre.

Die Auslegung nationalen Rechts ist durch eine Vorrangigkeit des Wortlauts geprägt ("Wortlautgrenze", vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 2022 - 2 BvL 1/20 -, juris, Rn. 96). Nach dem Wortlaut der Vorschrift legt nicht der erste Fahrtweg die örtliche Zuständigkeit fest; entscheidend ist vielmehr, wo der erlaubnispflichtige Verkehr beginnt. Grundsätzlich beginnt der erlaubnispflichtige Verkehr an der Stelle, an der der Sondertransport erstmals in den öffentlichen Verkehrsraum gelangt (Hühnermann, in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Auflage 2022, StVO, § 47, Rn. 2). Daraus folgt, dass insofern etwa eine erlaubnisfreie Leerfahrt nicht zu berücksichtigen bzw. maßgebend ist.

§ 47 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 StVO bezieht sich auf den "erlaubnispflichtigen Verkehr". Im Allgemeinen ist Verkehr im Sinne des Straßenverkehrsrechts die Benutzung der Straßenoberfläche durch Personen und/oder Fahrzeuge zur Ortsveränderung (vgl. Herber, in Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage, 2021, 24. Kapitel, Rn. 6). Die Vorschrift ist konkreter: Sie unterscheidet aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Erlaubnispflicht zwischen nach § 29 Abs. 3 StVO erlaubnispflichtigem und erlaubnisfreiem Verkehr. Für den nicht nach § 29 Abs. 3 StVO erlaubnispflichtigen Verkehr findet § 47 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 StVO keine Anwendung, sodass daraus folgt, dass bei einem Abschluss eines erlaubnispflichtigen Verkehrs - in der Regel durch die Entladung - der Fahrtweg endet. Wird dann wieder ein erlaubnispflichtiger Verkehr begonnen, beginnt ein weiterer - neuer - Fahrtweg.

Daraus ergibt sich, dass die Beklagte zu Recht einen "Zusammenhang" zwischen den einzelnen Fahrtwegen einfordert, um für sämtliche im Antrag aufgeführten Fahrtwege eine Zuständigkeit nach § 47 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 StVO anzunehmen. Denn nur dann kann davon ausgegangen werden, dass derselbe erlaubnispflichtige Verkehr, der in dem Stadtgebiet der Beklagten beginnt, auch noch auf den anderen aufgeführten Fahrtwegen fortgesetzt wird und nicht - wie hier - in C-Stadt endet mit der Folge, dass auf den weiteren Fahrtwegen ein neuer (weiterer) erlaubnispflichtiger Verkehr beginnt.

b) Zu berücksichtigen ist ferner, dass sich die Möglichkeit, bis zu fünf Fahrtwege in einem Antrag auf Erteilung einer streckenbezogenen Dauererlaubnis zu bündeln, nicht aus § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO folgt, sondern lediglich in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) in Rn. 99 zu § 29 Abs. 3 StVO angesprochen wird.

Bei der VwV-StVO handelt es sich um eine Ausführungsvorschrift, die sich an die Verkehrsbehörden richtet. Ihr kommt keine Gesetzeskraft zu; sie kann aber als Auslegungshilfe herangezogen werden (vgl. Hühnermann, in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Auflage 2022, StVO, vor § 1, Rn. 9). Durch die VwV-StVO können daher nicht weitergehende oder modifizierende Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit nach § 47 StVO getroffen werden; zudem beruft sich die Klägerin insofern auf eine Passage in der VwV-StVO, die sich nicht auf § 47 Abs. 1 StVO bezieht.

Die Klägerin nimmt mithin eine Konkretisierung des Begriffs "erlaubnispflichtiger Verkehr" in § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO anhand der Ausführungen in der VwV-StVO zu § 29 Abs. 3 StVO vor. Dies überzeugt nicht. Die Ausführungen in Rn. 99 VwV-StVO zu § 29 Abs. 3 StVO erweitern oder modifizieren nicht die Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit in § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO über deren Wortlaut hinaus. Sie sind auch nicht geeignet, den Begriff des "erlaubnispflichtigen Verkehrs" inhaltlich auszufüllen. Die Rn. 99 hat eine andere Stoßrichtung: Sie ermöglicht bei der Anwendung des § 29 Abs. 3 StVO, der die Erlaubnispflicht für bestimmte Fahrzeuge statuiert, mehrere Strecken in einem Antrag zu bündeln. Es liegt auf der Hand, dass eine solche in der VwV-StVO vorgesehene Verfahrensvereinfachung bzw. Erleichterung dort ihre Grenzen findet, wo sie gegen (andere) Bestimmungen der StVO verstößt.

Gerade bei Bestimmungen zur Festlegung der (örtlichen) Zuständigkeit von (Erlaubnis- und Genehmigungs-) Behörden ist es wichtig, dass diese klar, eindeutig und aus sich heraus verständlich sind. Dem Wortlaut kommt damit eine besondere Bedeutung zu. Aus dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO ergibt sich nach den obigen Erwägungen gerade nicht, dass bei mehreren unzusammenhängenden Fahrtwegen, die in einem Antrag gebündelt sind, die örtliche Zuständigkeit für die erste Fahrtstrecke maßgeblich für sämtliche Fahrtstrecken ist.

c) Es sind auch keine Anhaltspunkte für die Intention des Verordnungsgebers ersichtlich, dass bei bis zu fünf unzusammenhängenden Fahrtwegen die örtliche Zuständigkeit der ersten Strecke maßgeblich für alle weiteren Strecken sein soll.

Im Zuge der Novellierung der StVO vom 20. April 2020 wurde § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO dahingehend geändert, dass sich die örtliche Zuständigkeit danach richtete, wo der erlaubnispflichtige Verkehr beginnt oder endet; nicht mehr maßgeblich war der Wohnort oder Sitz des Antragstellers (Art. 1 Nr. 16 der 45. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020; BGBl. I 2020, S. 3047).

Ausweislich der Begründung zum Verordnungsentwurf verfolgte damit der Verordnungsgeber folgende Ziele (BR-Drs. 591/19, S. 88 f.):

"Die Änderung soll dem in der Praxis seitens der Länder festgestellten Antragstourismus entgegenwirken. So verlegen Serviceagenturen mittlerweile ihren Sitz zu den Genehmigungsbehörden, bei denen besonders schnell und günstig die Bescheiderteilung erfolgt. Eine ungleiche Belastung der Behörden deutschlandweit ist die Folge, verbunden mit der Ungerechtigkeit, dass sich der Aufwand angehörter Behörden in der Regel in der Erhebung der Gebühr nicht angemessen widerspiegelt bzw. die anzuhörenden Behörden ungleich verteilt mit einem Aufwand ohne Gebührenweiterleitung belastet werden. Darüber hinaus wird auf diese Weise einer Mehrfachbeantragung bei unterschiedlichen Behörden entgegengewirkt. Auch beantragen Unternehmen mittlerweile an mehreren Orten Erlaubnisse, um quasi in einem Wettbewerb, ohne dass die Erlaubnisbehörden die Mehrfachbeantragung kennen, so schnell wie möglich eine Erlaubnis - gleich von welcher Behörde - erhalten zu können. Dies führt zu einem vermeidbaren Mehraufwand seitens der Länderbehörden. Diese Praxis gilt es zu beheben.

Daher wird nun in erster Linie auf die Orte abgestellt, in denen der erlaubnispflichtige Verkehr beginnt oder endet. Nur die dort jeweils zuständigen Straßenverkehrsbehörden sind grundsätzlich künftig für die Erlaubniserteilung zuständig. Sind verschiedene Fahrtwege mit unterschiedlichen Start- oder Zielorten beantragt, so sind alle als Start oder Ziel angegebenen Orte maßgeblich. (...)"

Mit der Änderung sollte also sowohl vermieden werden, dass gezielt bei solchen Behörden Anträge gestellt werden, die Bescheide besonders schnell und günstig erteilen, als auch, dass dieselben Anträge mehrfach bei unterschiedlichen Behörden gestellt werden.

Zwar wurde durch Art. 1a Nr. 1 der Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung und der Vierundfünfzigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 3047) der Art. 1 Nr. 16 der 45. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020 wieder aufgehoben. § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO erhielt seine aktuelle Fassung, wonach es für die örtliche Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde (wieder) alternativ darauf ankommt, wo der erlaubnispflichtige Verkehr beginnt oder das den Transport durchführende Unternehmen seinen Sitz oder eine Zweigniederlassung, bei der eine Pflicht zur Eintragung in das Handels-, Genossenschafts- oder Partnerschaftsregister besteht, hat.

Gleichwohl lassen sich der Begründung zum Verordnungsentwurf Motive des Verordnungsgebers entnehmen, die bei der Anwendung des § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO zu berücksichtigen sind. Die klägerische Annahme zur Auslegung des § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO läuft den zentralen Anliegen des Verordnungsgebers entgegen: Zum einen könnte der Antragsteller bei mehreren Fahrtwegen, die voneinander unabhängig sind, gezielt den ersten Fahrtweg in den Zuständigkeitsbereich derjenigen Behörden legen, die aus seiner Sicht eine besondere günstige Verwaltungspraxis verfolgen. Zum anderen könnte hiernach ein Antrag mit mehreren unzusammenhängenden Fahrtwegen bei verschiedenen Behörden gestellt werden (Mehrfachbeantragung), indem schlicht die Reihenfolge der Fahrtwege variiert wird. Beides widerspricht dem Ansinnen des Verordnungsgebers.

Es bleibt dabei, dass zwar nach § 29 Abs. 3 StVO i.V.m. der Rn. 99 der VwV-StVO in einem Antrag bis zu fünf Fahrtwege ausgewiesen werden können. In Ansehung des § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO müssen diese indes entweder im örtlichen Zuständigkeitsbereich der angerufenen Straßenverkehrsbehörde liegen oder in einem Zusammenhang stehen. Dass sich der zusätzliche Aufwand für den Antragsteller auch nach dieser Auslegung in Grenzen hält, zeigt das vorliegende Verfahren: Da sämtliche Fahrten der Strecken zwei bis fünf in Hamburg beginnen, dürfte für diese Fahrtwege - unabhängig von einem Zusammenhang zwischen den einzelnen Strecken - dieselbe Erlaubnisbehörde zuständig sein. Insofern läuft die in Rn. 99 der VwV-StVO zu § 29 Abs. 3 StVO angesprochene Möglichkeit zur Antragsbündelung und damit zur Verfahrensvereinfachung keineswegs ins Leere.

d) Auch systematische Erwägungen sprechen gegen die klägerische Annahme. Denn eine Form von "Annex-Zuständigkeit" ist dem Verordnungsgeber in § 47 StVO nicht fremd. So sieht § 47 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVO vor, dass die Zuständigkeit für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 bei der Verkehrsbehörde liegt, die eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 oder eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 erteilt.

Es wäre daher Sache des Verordnungsgebers - sofern es seinem Willen entspräche -, in § 47 Abs. 1 Satz 3 StVO eine Regelung zu verankern, wonach bei mehreren unzusammenhängenden Fahrtwegen, die in einem Antrag gebündelt sind, die örtliche Zuständigkeit für die erste Fahrtstrecke maßgeblich für alle weiteren Fahrtstrecken ist.

e) Da zwischen den Strecken zwei bis fünf, die jeweils in Hamburg beginnen und enden, ein Zusammenhang mit dem ersten erlaubnispflichtigen Fahrtweg, der in C-Stadt beginnt und endet, nicht ersichtlich ist und von der Klägerin auch nicht behauptet wird, scheidet diesbezüglich die örtliche Zuständigkeit der Beklagten aus.

II. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte eine Teilerlaubnis für den ersten Fahrtweg nicht erteilt hat; die Beklagte ist auch nicht durch das Gericht zu verpflichten, eine solche Teilerlaubnis zu erteilen. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:

Auf die Mitteilung der Beklagten, dass sie nur für die erste der beantragten Strecken zuständig sei und die damit verbundene Bitte um Anpassung des Antrags, erwiderte die Klägerin per E-Mail u.a.: "Können sie bitte einmal Rücksprache mit ihrer Rechtsabteilung halten. Die Aussage ist falsch von Herrn I.. Oder die machen gleich einen ablehnenden Bescheid. [sic]"

Die Beklagte durfte diese Antwort der Klägerin so verstehen, dass diese an der Erteilung einer Erlaubnis und einer Ausnahmegenehmigung nur für die erste Strecke kein Interesse hat. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Klägerin eine Entscheidung nur über die erste in dem Antrag genannte Fahrt, die in C-Stadt beginnt, nicht anstrebe; vielmehr sei sie nur interessiert an einer Erlaubnis bzw. Ausnahmegenehmigung, die alle fünf in der Erlaubnis genannten Fahrten umfasse.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.